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- Wie Russland und China den Westen überholen
- Gelähmt vom Kriegführen: EU-Gipfel in Krisenzeiten
- Germans to the Front!
- Kein fester Block
- Wir sollten den Krieg gegen den Irak vor der Invasion nicht vergessen
- Der Druck der Straße
- Australien: Bombardiert mit US-Kriegspropaganda
- Credit Suisse: Die Schweiz zahlt einen hohen Preis
- Vermögensteuer: Verfassungsrechtlich unproblematisch
- Deutschland: Nicht interessant für junge Talente
- Frankreich: Die Wut steigt weiter
- CGT-Generalsekretär Philippe Martinez: In Frankreich braut sich eine »explosive Stimmung zusammen«: Zwei Millionen gegen Macron
- Antje Vollmer – eine Stimme, die fehlen wird
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Wie Russland und China den Westen überholen
Im Schatten des Ukraine-Krieges ist eine radikale geopolitische Neuausrichtung im Gange, die den Niedergang der amerikanischen globalen Vormachtstellung beschleunigt. Während sich der Westen konsolidiert, entkoppelt er sich vom Rest der Welt.
Im vergangenen Jahr haben sich die Nato-Länder unter Führung der USA bemüht, den Rest der Welt zu militärischer Hilfe für die Ukraine und zu Sanktionen gegen Russland zu bewegen. Russland, so die Hoffnung, sollte isoliert werden. Beides ist im Großen und Ganzen nicht gelungen. Westliche Vertreter mögen darauf hinweisen, dass 141 von 193 Ländern eine kürzlich verabschiedete UN-Resolution unterstützten, in der Russland zum Rückzug aus der Ukraine aufgefordert wird. Zu den 32 Ländern, die sich der Stimme enthielten, gehörten jedoch Riesen wie China, Indien, Pakistan und Südafrika – die allein rund 40 % der Weltbevölkerung ausmachen.
Trotz der Versuche des Westens, den Konflikt zu “globalisieren”, haben nur 33 Länder – die etwas mehr als ein Achtel der Weltbevölkerung repräsentieren – Sanktionen gegen Russland verhängt und Militärhilfe an die Ukraine geschickt: das Vereinigte Königreich, die USA, Kanada, Australien, Südkorea, Japan und die EU. Mit anderen Worten, die Länder, die direkt unter dem Einflussbereich der USA stehen, was meist eine bedeutende US-Militärpräsenz miteinschließt.
Die übrigen Länder, die fast 90 % der Weltbevölkerung ausmachen, haben sich geweigert, diesem Beispiel zu folgen. Wenn überhaupt, dann hat der Krieg die Beziehungen Russlands zu einer Reihe wichtiger nicht-westlicher Länder gestärkt, darunter China und Indien, und die Entstehung einer neuen internationalen Ordnung beschleunigt, in der nicht Russland, sondern der Westen zunehmend isoliert dasteht.
Quelle: Makroskop - Gelähmt vom Kriegführen: EU-Gipfel in Krisenzeiten
Zwei Gäste nehmen am Gipfel der 27 EU-Staats- und Regierungschefs teil: Aus Kiew wird Präsident Wolodimir Selenskij zugeschaltet, und vorab weiß jeder, dass dessen Forderungen wieder einmal die Kapazitätsgrenzen des Blocks erreichen. Aber wie hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen noch vor dem 24. Februar 2022 bei der Ankündigung von Sanktionen gegen Russland verkündet? »Wir sitzen am längeren Hebel.« Die deutsche Außenministerin fasste es in die Formel »Russland ruinieren«. Daraus wurde nichts. Die Brüsseler Beratung steht im Schatten des Moskauer Treffens von Xi Jinping und Wladimir Putin und der dort mitgeteilten Ziffern für den Handel zwischen China und Russland im vergangenen Jahr. 2022 erzielte Russland insgesamt einen Außenhandelsüberschuss von fast 300 Milliarden US-Dollar. Fazit: Außer EU-Spesen nichts gewesen. Die Westeuropäer finanzieren wie schon vor 2014 und danach den Ausbau der Ukraine zu einem US-Protektorat, dafür werden von den transatlantischen »Verbündeten« Gasleitungen in die Luft gejagt. Der zweite Gast nimmt am Gipfeltisch Platz: UN-Generalsekretär António Guterres möchte über die Weltlage sprechen, das heißt über Kriege, Klima, Flüchtlinge, Inflation, also Armut, Zinssteigerung und Bankenpleiten. Er fasste das neulich so zusammen: »(…) wie Autos bei einer Massenkarambolage«. Da die EU-Europäer vollauf damit beschäftigt sind, Panzer, Artillerie, demnächst Kampfflugzeuge und Unmengen Munition an ihre Ostfront zu schaffen, wird die Unfähigkeit des imperialistischen Staatenblocks, auch nur eines der globalen Probleme konstruktiv anzugehen – von Lösung zu reden, verbietet sich –, in diesen Märztagen noch sichtbarer als sonst. Wer Russland schlagen will, kann sich nicht um den globalen Süden kümmern. Kriegseifer blockiert und sorgt für weitere Karambolagen.
Quelle: Arnold Schölzel in junge Weltdazu auch: “Perfekter Sturm”: Guterres streitet mit EU über Dünger und Sanktionen
Alles Desinformation, heißt es in Brüssel, wenn es um Düngemittel und Sanktionen geht. Die europäischen Strafmaßnahmen gegen Russland und Belarus hätten keinen Einfluß auf die weltweite Lebensmittelversorgung. Doch bei der Uno sieht man dies anders. UN-Generalsekretär Guterres will den EU-Gipfel drängen, die Sanktionen gegen Belarus zu lockern. Als Vorbild gilt die Lockerung der Sanktionen gegen Russland im Dezember. Auch damals hatte die EU behauptet, es gebe kein Problem, alles sei Fake aus Moskau…
Quelle: Lost in Europe - Germans to the Front!
Alles in allem scheint es seit den amerikanischen Zwischenwahlen eine gemeinsame Anstrengung der Vereinigten Staaten und der NATO zu geben, Deutschland in den Krieg hineinzuziehen, und zwar in immer weitergehender und aktiverer Form. Andere europäische Länder haben im Laufe des letzten Jahres gelernt, Deutschland vorzuschicken, um selbst am Rande bleiben (die Niederlande) oder ihre Interessen mit größerer Aussicht auf Erfolg verfolgen zu können (Polen und die baltischen Staaten). Deutschland wiederum, das es leid ist, von anderen vorwärts gestoßen zu werden, könnte zunehmend geneigt sein, sich stattdessen selbst vorwärts zu stoßen. Schon 2022 haben führende Vertreter der Sozialdemokratie, darunter der neue Parteivorsitzende Lars Klingbeil, offen davon gesprochen, dass Deutschland eine Führungsrolle in Europa übernehmen müsse und dazu auch bereit sei.
Wichtig ist, dass Frankreich in diesem Zusammenhang nicht mehr erwähnt wurde. Nachdem Frankreich zu lange so getan hat, als sei es nicht beteiligt, könnte es nun von einem in die Ecke gedrängten Deutschland zunehmend als genau das behandelt werden. Eine mögliche Rolle, in die Deutschland in diesem Prozess hineinwachsen könnte, wäre die eines privilegierten politischen und militärischen Unterauftragnehmers der Vereinigten Staaten – ein Deutschland, das in den Nord-Stream- und Leopard-2-Episoden ausreichend öffentlich gedemütigt wurde, um verstanden zu haben, dass es, wenn es nicht von den Vereinigten Staaten herumgeschubst werden will, bereit sein muss, Europa in deren Namen zu führen. Seine Befehle würde Deutschland in dieser Rolle von Washington über Brüssel erhalten, wobei Brüssel nicht die EU, sondern die NATO meint, eine sich abzeichnende Befehlskette, die durch die Sitzordnung auf den Ramstein-Konferenzen visualisiert wird, mit den Vereinigten Staaten, Ukraine und Deutschland am Kopfende. In einer sich so entwickelnden Funktion hätte Deutschland die Aufgabe, die Waffen zusammenzukratzen und zu bezahlen, die die ukrainischen Streitkräfte für ihren Endsieg zu benötigen glauben – auf die Gefahr hin, sollte dieser ausbleiben, anstelle der Vereinigten Staaten der Inkompetenz, der Feigheit, des Geizes und natürlich der Sympathie für den Feind für schuldig befunden zu werden.
Quelle: Wolfgang Streeck auf Makroskop - Kein fester Block
Beijing treibt in Moskau Friedensprozess voran. Kooperation gegen politische und ökonomische Dominanz des Westens. […]
Symbolisch aufgeladen war die Zusammenkunft also – und sie brachte tatsächlich wichtige Ergebnisse. Das erste: Beide Staaten werden nicht nur weiterhin zusammenarbeiten; sie werden ihre Kooperation intensivieren. Formal unterzeichneten sie eine »Gemeinsame Erklärung über die Vertiefung der umfassenden strategischen Partnerschaft zur Koordination für die Neue Ära«. Worauf die Zusammenarbeit letztlich abzielt – über den jeweils konkreten Nutzen hinaus, den sie beiden Seiten unmittelbar bringt –, das zeigen zahlreiche Äußerungen während des Treffens. So ließ sich Putin mit der Äußerung zitieren, man arbeite darauf hin, »eine gerechtere und demokratischere multipolare Weltordnung« zu schaffen, die den Vereinten Nationen und dem internationalen Recht tatsächlich »eine zentrale Rolle« einräume. Mit Blick darauf urteilte Xi, die russisch-chinesischen Beziehungen hätten inzwischen »kritische Bedeutung« für die globale Politik erlangt. Faktisch geht es darum, der westlichen Dominanz über die Welt, deren ökonomische Grundlage mit dem Aufstieg Chinas und weiterer asiatischer Staaten seit geraumer Zeit schwindet, nun auch politisch langsam, aber sicher ein Ende zu setzen. Fortschritte erzielten beide Seiten in puncto Wirtschaftskooperation. Die ökonomischen Beziehungen zwischen ihnen haben sich – nach einigen Erschütterungen unmittelbar bei Kriegsbeginn – mittlerweile wieder erholt. Sie sollen nun weiter ausgebaut werden (…). Fortschritte gab es auch bei Chinas Vermittlungsbemühungen im Ukraine-Krieg.
Quelle: junge Welt - Wir sollten den Krieg gegen den Irak vor der Invasion nicht vergessen
Die Mainstream-Presse und das Internet sind voll von Kommentatoren, die ihr tiefes Bedauern und ihre Reue darüber zum Ausdruck bringen, dass sie die US-Invasion in den Irak im Jahr 2003 unterstützt haben. Das ist ein gutes Zeichen. Aber wir sollten nicht vergessen, dass die US-Regierung vor ihrer tödlichen und zerstörerischen Invasion und ihrem Angriffskrieg im Jahr 2003 zehn Jahre lang Krieg gegen das irakische Volk geführt hat.
Ich beziehe mich auf das System der Wirtschaftssanktionen der US-Regierung gegen das irakische Volk von der Zeit des Golfkriegs 1990-91 bis zur Invasion 2003. Der Zweck dieser Sanktionen war es, dem irakischen Volk massiven Tod und wirtschaftliche Verarmung zuzufügen. Die Idee war, dass die irakischen Bürger, wenn man sie in großem Maße leiden ließe, die Drecksarbeit erledigen würden, ihren Diktator Saddam Hussein zu stürzen und ihn durch einen US-freundlichen Diktator zu ersetzen.
Die Sanktionen erreichten ihr unmittelbares Ziel, die Iraker zu töten und zu verarmen. Während des Golfkriegs zerstörte das Pentagon die irakischen Wasser- und Abwasseraufbereitungsanlagen, da es wusste, dass dies zur Verbreitung von Infektionskrankheiten unter der Bevölkerung beitragen würde. Der Plan des Pentagons ging prächtig auf. In den folgenden zehn Jahren hinderten die Sanktionen die irakischen Behörden daran, die Wasser- und Abwasseraufbereitungsanlagen zu reparieren. Tausende von irakischen Kindern starben jeden Monat.
Quelle: Antikrieg - Der Druck der Straße
Außenministerin Annalena Baerbock sucht bei einem Kurzbesuch in Tiflis den Druck auf Georgiens Regierung zur Westbindung des Landes zu verstärken und knüpft dabei an die unlängst dort abgehaltenen Massenproteste an. Die Proteste hatten sich gegen ein Gesetzesvorhaben gerichtet, das aus dem Ausland finanzierte Organisationen verpflichten sollte, sich als „ausländische Agenten“ zu registrieren. Weil in der georgischen Bevölkerung große Sympathie für die Annäherung an die EU besteht, löste der Plan Großdemonstrationen aus; Beobachter zogen Parallelen zu den Maidan-Protesten. Baerbock macht sich den Unmut nun zunutze, um Georgiens Regierung zur weiteren Annäherung an die EU zu nötigen. Tiflis bemüht sich seit rund einem Jahrzehnt parallel zur Kooperation mit NATO und EU um einen gewissen Ausgleich mit Russland, bewegt sich mittlerweile aber laut Einschätzung von Experten stärker auf Moskau zu. Der Machtkampf zwischen dem Westen und Russland tobt in Georgien schon seit Jahrzehnten. Das Land, im politisch äußerst sensiblen Kaukasus an Russlands traditionell empfindliche Südflanke grenzend, gilt als geostrategisch hochrelevant.
Quelle: German Foreign Policy - Australien: Bombardiert mit US-Kriegspropaganda
Noch ist China Australiens wichtigster Handelspartner. Doch in dem Maße, wie sich die aggressive Rhetorik des Westens gegen China richtet, tönen die Kriegstrommeln auch in den australischen Medien. Ein indopazifischer Konflikt würde den Inselstaat direkt betreffen. Nicht nur wirtschaftlich, sondern vor allem militärisch. Australien würde selbst zum Kriegsschauplatz – mit allen Konsequenzen.
Im Rahmen der unerbittlichen Propaganda des Krieges mit China in den australischen Medien hat die staatliche Australian Broadcasting Corporation gerade einen Radiobeitrag im RN Breakfast über die neu bekannt gewordenen Details des AUKUS-Atom-U-Boot-Deals ausgestrahlt, mit zwei Gästen, die begeisterte Befürworter des Deals sind, und moderiert von einem anderen begeisterten Befürworter des Deals.
Einer der Gäste, Australiens ehemaliger Schatzmeister und jetziger Botschafter in den Vereinigten Staaten, Joe Hockey, machte einige interessante Bemerkungen.
„Besteht die Gefahr, dass wir als der kleinere Partner in diesem Abkommen bei künftigen Kriegseinsätzen einfach tun müssen, was die USA uns sagen?“, fragte die Moderatorin Patricia Karvelas Hockey.
„Nun, wir sind bereits vollständig in das Militär der Vereinigten Staaten integriert, und das wohl schon seit mehr als hundert Jahren“, antwortete Hockey. „Wir sind das einzige Land der Welt, das in den letzten hundert Jahren in jeder größeren Schlacht Seite an Seite mit ihnen gekämpft hat. Und schon heute verfügt ein großer Teil unserer Marine über das Aegis Combat System, ein amerikanisches Kampfsystem; unsere aktuellen U-Boote der Collins-Klasse verwenden amerikanische Torpedos… und in jeder wichtigen Hinsicht, bei den Kommunikationssystemen und der Integration, verfügen wir bereits über amerikanische Technologie, und wir sind in die amerikanischen Systemen integriert. In dieser Hinsicht gibt es also nichts Neues.“
Quelle: Hintergrund - Credit Suisse: Die Schweiz zahlt einen hohen Preis
Eine Finanzkrise inklusive Bankensturm hat die Schweiz mit der Fusion von UBS und Credit Suisse vorerst abgewendet. Doch das Land steht eine Woche danach vor einem Scherbenhaufen.
Knapp fünf Tage nach der Zwangsfusion der beiden Schweizer Großbanken UBS und Credit Suisse steht eines fest: Die hastige Einigung wird ein politisches Nachspiel haben. Das Parlament, das kaum Mitspracherecht hatte bei der spektakulären Rettungsaktion, hat für Mitte April eine außerordentliche Sitzung zusätzlich zu den üblichen vier Terminen im Jahr. Denn der Unmut ist groß – nicht zuletzt, weil die Schweizer Regierung, der Bundesrat, an mehreren Stellen Notrecht angewandt hat, um die Übernahme der Credit Suisse durchzuboxen.
Ein solcher Eingriff in die – in der Schweiz sehr ausgeprägten – politischen Mitwirkungsrechte fand das letzte Mal während der ersten Corona-Welle 2020 statt. Damals wusste tatsächlich niemand, was da drohte. Im Fall der Credit Suisse muss man jedoch sagen: Hätten Politik und Aufsicht früher genauer hingesehen, wäre eine solche Hauruck-Rettung der zweitgrößten Bank des Landes wohl nicht nötig gewesen.
Mit das größte Problem, das die Schweiz gerade verdauen muss: Ihr Regelwerk, das sie sich nach der UBS-Rettung 2008 gab, um zu verhindern, dass nochmal eine Großbank mit Steuergeldern gerettet werden muss, kam im Fall der Credit Suisse gar nicht zur Anwendung. Eigentlich sieht die Too-big-to-fail-Gesetzgebung nämlich vor, dass sich eine in die Krise geratene Bank wie die Credit Suisse im Ernstfall aufspalten muss. Damit kann der systemrelevante Teil – das Einlagengeschäft, das Schweizer Kreditgeschäft und der Zahlungsverkehr – weiterlaufen; die übrigen Bereiche werden abgewickelt.
Doch statt dieses Szenario zu aktivieren, entschied sich die Schweiz für eine Übernahme der Credit Suisse durch ihre Konkurrentin, abgesichert durch staatliche Garantien in Höhe von 209 Milliarden Franken. Finanzministerin Karin Keller-Sutter begründete das am Sonntag mit dem Zustand der Bank: Der Schweizer Notfallplan sei für Banken gedacht, die ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen können. “Hier hatten wir aber ein Liquiditätsproblem”, so Keller-Sutter. Nur: Angesichts des massiven Vertrauensverlusts hätte die Credit Suisse über kurz oder lang auch ein Solvenzproblem bekommen. Warum also ging man hier nicht nach dem politisch vorgesehenen Drehbuch vor, sondern ersann einen rechtlich wackeligen Rettungsplan, der der Schweiz nun eine Megabank beschert, von der noch größere Risiken ausgehen als von den beiden Großbanken zuvor?
Quelle: Süddeutsche - Vermögensteuer: Verfassungsrechtlich unproblematisch
Seit 1996 ist die Vermögensteuer ausgesetzt. Das Grundgesetz steht der Erhebung jedoch nicht entegegen, so das Ergebnis eines neuen Rechtsgutachtens des Verfassungsrechtlers Alexander Thiele im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung. Angesichts der großen finanziellen Aufgaben ist die Steuer verfassungsrechtlich gut begründbar. Zudem hat die soziale Ungleichheit in Deutschland ein Ausmaß erreicht, das eine Vermögensteuer nicht nur politisch, sondern auch verfassungsrechtlich eher nahelegt. Dieses Ergebnis ist für die politische Debatte um Steuergerechtigkeit von besonderer Bedeutung. Daher fasst der folgende Beitrag die wesentlichen Argumente und Ergebnisse Thieles zusammen. (…)
Der Finanzbedarf der Bundesrepublik Deutschland steigt wegen temporärer Krisen wie der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg sowie dauerhafter Herausforderungen wie der Klimakrise stetig. Insbesondere letztere könne laut Thiele nach gegenwärtiger Rechtslage (Schuldenbremse, Art. 109 GG) nicht durch die Aufnahme von Schulden bewältigt werden – außerdem wäre diese Vorgehensweise nicht „sonderlich nachhaltig“. Daher könne es erforderlich sein, die gebotenen Mehreinnahmen über Steuern zu finanzieren. Hierfür stelle die schärfere Besteuerung der Wohlhabenden eine Option dar. Auf diese Weise könne gleichzeitig das Problem der wachsenden Vermögensungleichheit gelöst – oder zumindest verringert – werden. Die noch klärungsbedürftige verfassungsrechtliche Bewertung einer Vermögensteuer verhindere jedoch eine ernsthafte politische Auseinandersetzung mit der Thematik. Daher sei es geboten, deren verfassungsrechtlichen Rahmen zu erörtern.
Quelle: Netzwerk Steuergerechtigkeit - Deutschland: Nicht interessant für junge Talente
Die Minister Faeser und Heil suchen in Kanada nach Antworten auf die Frage: Wie holen wir gut ausgebildete Arbeitskräfte nach Deutschland? Wie es aussieht, stellt sich die deutsche Landeskultur für Fachkräfte aus anderen Ländern als wenig attraktiv dar.
Innenministerin Nancy Faeser und Arbeitsminister Hubertus Heil sind nach Kanada gereist, um sich dort abzuschauen, wie man Fachkräfte ins Land holt. Kanada wird für seine erfolgreiche Einwanderungspolitik gerühmt. Die Ampel-Koalition kündigt ein Fachkräftegesetz an, das ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild enthält. Laut Heil soll das Gesetz in einer Woche im Kabinett sein.
In Deutschland ist Einwanderung ein politisch schwieriges Gelände, außer für die AfD. Für sie kommen zu viele und vor allem die Falschen, die nicht zur “Landeskultur” passen. Beim Thema “Einwanderung von Arbeitskräften”, die Faeser und Heil beschäftigt, dreht sich die Frage um. Da heißt es nicht mehr, warum wollen so viele nach Deutschland, sondern warum wollen so wenige nach Deutschland?
Wie es aussieht, stellt sich die deutsche Landeskultur für Fachkräfte aus anderen Ländern als weniger attraktiv dar, als viele es lange Jahre glauben mochten. Mit der Behauptung “qualifizierte Migranten sind nicht an Deutschland interessiert” ist ein aktueller Artikel überschrieben, der vom US-amerikanischen Politikwissenschaftler und Journalisten Paul Hockenos für das US-Magazin Foreign Policy verfasst wurde.
Quelle: Telepolis - Frankreich: Die Wut steigt weiter
Nach Macrons TV-Ansprache: Kein Dialogangebot, keine Aussichten auf schnelle Beruhigung der Lage. Proteste gegen Rentenreform weiten sich bei Jüngeren aus. Polizei schreitet repressiv ein. Regierungsprinzip: Augen zu und durch?
Hätte es einer Beruhigung der Lage dienen sollen, dann ging der Effekt gründlich daneben. Infolge der TV-Ansprache von Staatspräsident Emmanuel Macron am gestrigen Mittwoch geben in ersten demoskopischen Erhebungen 61 Prozent der befragten Französinnen und Franzosen an, seine Äußerungen seien dazu geeignet, “die Wut weiter zu steigern”.
70 Prozent derer, die zuschauten, erklärten, trotz guten Zuredens habe das Staatsoberhaupt sie “nicht überzeugen” können. Und nicht alle schauten ihm auch zu, obwohl die Einschaltquote mit zehn Millionen nicht gänzlich geringfügig ausfiel. Doch die soziale Zusammensetzung der Zuschauerschaft dürfte sich aus der Uhrzeit ergeben.
Bereits die Wahl der Uhrzeit ließ erkennen, dass es sich nicht wirklich um ein Dialogangebot an Lohnabhängige und derzeit ebenfalls vermehrt protestierende Studierende handelte: Um 13 Uhr an einem Wochentag hielt Emmanuel Macron die seit Wochenbeginn angekündigte TV-Ansprache in Antwort auf die sich ausweitenden Sozialproteste, die formal die Gestalt eines Interviews annahm.
Quelle: Telepolis - CGT-Generalsekretär Philippe Martinez: In Frankreich braut sich eine »explosive Stimmung zusammen«: Zwei Millionen gegen Macron
Auch nachdem Präsident Emmanuel Macron sein »Rentenreformgesetz« per Vertrauensfrage durchs Parlament gedrückt hat, so daß es nun ohne Abstimmung als »angenommen« gilt, gehen die Massenproteste in Frankreich weiter. Für Donnerstag hatten die acht größten Gewerkschaften und die fünf wichtigsten Jugendverbände zum bereits neunten Streik- und Aktionstag gegen Macrons »Reform« aufgerufen. Nach Schätzungen der Organisatoren nahmen an den landesweit gut 250 Demonstrationen wieder mehr als zwei Millionen Menschen teil, 12.000 Polizisten waren im Einsatz. Die Streiks vor allem im Verkehrswesen und in der Energiewirtschaft halten bereits seit mehr als einer Woche an. Durch die Blockade der Raffinerien ist schon jede fünfte Tankstelle im Land ohne Treibstoff und vor den anderen gibt es kilometerlange Autoschlangen. Am Donnerstag streikten wieder sehr viele Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, aber auch aus der Privatwirtschaft. Beim Bahnunternehmen SNCF fiel jeder zweite Fernzug aus und der Personennahverkehr in vielen Städten war weitestgehend lahmgelegt. In Paris fuhren die Metro und die Vorortzüge stark eingeschränkt und auch nur im Berufsverkehr. Die größte Demonstration des Aktionstages fand wieder in Paris statt und führte diesmal vom Bastille-Platz über die Grands Boulevards bis zur Oper. Angeführt wurde sie von den Generalsekretären der großen Gewerkschaften, von denen besonders Philippe Martinez von der CGT und Laurent Berger von der CFDT von Journalisten umringt waren und Erklärungen abgeben, vor allem zu Macrons Interview am Vortag. Darin hatte der Präsident deutlich gemacht, daß er sich durch die Massenproteste nicht beirren läßt und seinen salariatsfeindlichen Kurs unverändert fortsetzt. Er werde weder die Premierministerin ablösen, noch die Regierung umbilden und schon gar nicht eine Volksbefragung über die »Rentenreform« durchführen, wie das Gewerkschaften und linke Parteien fordern und wie das auch von mehr und mehr bürgerlichen Politikern befürwortet wird, um die Zerrissenheit der Gesellschaft zu überwinden.
Quelle: Zeitung vum Lëtzebuerger Vollekdazu: Mehr als eine Million Menschen protestieren gegen Rentenreform
Frankreich kommt nicht zur Ruhe – im Gegenteil: Nach Verabschiedung der umstrittenen Rentenreform ist die Zahl der Demonstranten im Land wieder gewachsen.
Bei erneuten Protesten gegen die umstrittene Rentenreform in Frankreich sind deutlich mehr Menschen als zuletzt auf die Straße gegangen. Das Innenministerium in Paris sprach am Abend des neunten Aktionstags von 1,08 Millionen Demonstranten. Die Gewerkschaft CGT meldete landesweit 3,5 Millionen Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
In Paris waren es laut Innenministerium 119.000 Demonstranten, laut CGT 800.000 Teilnehmer. Dort schlugen die Proteste teilweise in Gewalt um. Pflastersteine, Flaschen und Feuerwerkskörper flogen auf Einsatzkräfte; Schaufenster und Bushaltestellen wurden zerstört. Laut Innenminister Gérald Darmanin waren rund 12.000 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz – davon fast die Hälfe in der Hauptstadt.
Es war der erste Protesttag gegen die Reform, seit Premierministerin Élisabeth Borne auf Anweisung von Präsident Emmanuel Macron zur Durchsetzung der Reform auf den Verfassungsparagrafen 49.3 zurückgegriffen hatte. Demnach kann ein Gesetz ohne Schlussabstimmung im Parlament verabschiedet werden, wenn die Regierung ein anschließendes Misstrauensvotum übersteht. Dies war der Regierung am Montag knapp gelungen.
Quelle: Zeit OnlineAnmerkung unseres Lesers J.A.: Wenn die Regierung (das Innenministerium) schon über 1 Million Demonstranten zugibt, dann sind die von der Gewerkschaft genannten 3 Millionen durchaus realistisch. Großartig, wie die Franzosen gegen ihren diktatorischen Präsidenten für ihre Rechte und ihre Rente kämpfen.
- Antje Vollmer – eine Stimme, die fehlen wird
Mit dem Tod von Antje Vollmer stirbt auch die innerparteiliche Kritik am geschichtsvergessenen Opportunismus der Grünen und ihrer Außenpolitik.
Am 15. März 2023 ist Antje Vollmer nach langer Krankheit gestorben. In einem Nachruf nennt sie die TAZ „streitbare Pazifistin“. In der gleichen Zeitung wurde sie einen Monat zuvor noch von Jan Feddersen, einem Veteranen der TAZ, als Mitunterzeichnerin des Manifests für den Frieden von Schwarzer und Wagenknecht als „politobszön“ und „amoralisch“ verunglimpft. Vollmer war nicht nur streitbar, sondern auch eine klar denkende Analytikerin, die das bei den Grünen nicht erst seit dem Ukraine-Krieg grassierende Renegatentum in der Außen- und Sicherheitspolitik bloßstellte.
Ihr in der Berliner Zeitung am 25. Februar 2023 abgedrucktes „Vermächtnis einer Pazifistin“ ist eine brillante Abrechnung mit dem geschichtsvergessenen Opportunismus (nicht nur) der Grünen und ihrer Außenministerin als „der schrillsten Trompete der neuen antagonistischen Nato-Strategie“ (Antje Vollmer). Sie lässt die in der Außenpolitik von der NATO und Deutschland nach dem Zusammenbruch des Ostblocks gemachten Fehler Revue passieren und kritisiert die damit verbundene Heuchelei, sich als Hüter von Demokratie und zivilisatorischen Werten aufzuspielen, wo man eigentlich knallharte und expansive Machtpolitik betrieb.
Aus ihrer großen Enttäuschung, wenn nicht Verzweiflung über die Entwicklung der Grünen macht sie als Mitbegründerin dieser Partei keinen Hehl:
Quelle: Makroskop