Der Klima-Volksentscheid am kommenden Sonntag in Berlin hat das Rekord-Budget von 1,2 Millionen Euro und veranstaltet damit eine wahre Materialschlacht in der Hauptstadt. Dieses Geld stammt ganz überwiegend von einzelnen Großspendern. Die mit Abstand größte Spende kommt von „Philanthropen“ aus den USA. Die Praxis, mit privatem Vermögen und weit entfernt vom eigenen Lebensmittelpunkt Politik zu machen, wirft Fragen auf. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
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Der Volksentscheid „Berlin 2030 Klimaneutral“ am kommenden Sonntag hat mehr Geld zur Verfügung als alle bisherigen Volksentscheide in Berlin, wie der RBB im Artikel „Volksentscheid sammelt Rekord-Budget von 1,2 Millionen Euro ein“ beschreibt. Damit habe der Volksentscheid mehr Geld zur Verfügung als die meisten Parteien zuletzt im Wahlkampf zur Wiederholungswahl. Und dieses Geld münde „in einer Mobilisierungs-Kampagne, wie Berlin sie noch nicht gesehen“ habe.
Einzelne Großspenden seien bei der Finanzierung dominant: Insgesamt 820.000 Euro kämen von dieser Seite. Laut RBB seien aber diese Großspenden auf der entsprechenden Webseite des Landeswahlleiters zuletzt noch nicht alle aufgeführt gewesen.
Größte Spende kommt aus den USA
Mit Abstand größter Geldgeber für die Kampagne ist ein deutsch-US-amerikanisches Investoren- und Philanthropen-Ehepaar aus New York, so der RBB: Albert Wenger und Susan Danziger. Wenger lebe seit dem Harvard-Studium in den USA und sei durch Risikokapital-Geschäfte reich geworden. Danziger sei Tech-Unternehmerin mit deutschen Wurzeln. Der RBB fährt fort:
„Für den Klima-Volksentscheid hat das Ehepaar deutlich tiefer in die Tasche gegriffen: Über ihre Familien-Stiftung ‚Eutopia‘ wurden insgesamt 475.000 Euro überwiesen.“
Die Großspenden aus Deutschland lägen deutlich unter der Summe des Ehepaars aus New York, hier gehe es um Beträge zwischen 10.000 und 200.000 Euro. Viele dieser Geldgeber hätten enge Verbindungen in die Klima- und Erneuerbare-Energien-Branche. Die Großspenderin Danziger versichert aber, hinter ihrem Einsatz beim Klima-Volksentscheid stünden keine finanziellen Interessen. „Wir wollen damit kein Geld verdienen“, sagt sie. Der RBB stellt dagegen fest:
„Es könnte allerdings durchaus passieren, dass sie es trotzdem tut. Denn das Ehepaar Wenger-Danziger investiert in Berlin in mehrere Fonds, die grüne Technologien und Klimaschutz fördern. Der ‚World Fund’ etwa unterstützt Firmen für Solardächer und die digitale Dekarbonisierung von Gebäuden. Der ‚Green Generation Fund‘, der vor allem im Bereich grüner Ernährung aktiv ist, hat sich neben dem Klimaschutz auch hohe Renditen auf die Fahnen geschrieben. Wenn Berlin deutlich schneller als bisher geplant klimaneutral werden müsste, könnte dies verstärkte Aufträge für solche Firmen bedeuten.“
Die Webseite des Volksentscheids „Berlin 2030 Klimaneutral“ findet sich unter diesem Link, weitere Berichte und teils polemische Kommentare zur Finanzierung des Vorhabens finden sich unter anderem beim „Focus“ und nochmals beim RBB.
Gravierende soziale Folgen des Volksentscheids
Zu den möglichen gravierenden sozialen Folgen des Klima-Volksentscheids schreibt in einem zugespitzten Kommentar die „Welt“:
„Auf nahe null müssten die CO₂-Emissionen nicht bis 2045 fallen, sondern bereits bis 2030. Und zwar nicht als luftig vorgegebene Zielsetzung, sondern als gesetzliche, einklagbare Vorgabe. (…) Berlin, muss man dazu wissen, lebte beim Primärenergieverbrauch zuletzt noch zu mehr als 90 Prozent von fossilen Energieträgern. Das bisschen Produktion von erneuerbarer Energie besteht im Falle Berlin vornehmlich darin, Holz in Kraftwerken zu verbrennen. (…) Schon der Versuch, den Klagen von Deutscher Umwelthilfe & Co zu entgehen, würde enorm teuer für die Stadt und ihre Bewohner. Um den Gebäudebestand klimaneutral zu machen bis 2030, müsste rund ein Zehntel der kompletten Wirtschaftsleistung fortan nur dafür ausgegeben werden, zeigen einschlägige Berechnungen.“
Diese Gebäudesanierungen könnten zudem zu Mietsteigerungen führen, laut dem Artikel würde allein der von der Klimainitiative angepeilte Ausgleich dieser Mieterhöhungen sehr teuer werden: Selbst wenn „man alle Schulen, die Polizei und die Gerichte von heute auf morgen schlösse, käme längst nicht genügend Geld zusammen“, so die These der „Welt“.
Fragen zu diesen potenziellen sozialen Folgen für die Bürger Berlins werden am Ende meines Artikels gestellt – und dazu, ob (sozial abgesicherte und geografisch weit entfernte) Einzelpersonen und Großspender berechtigt sind, in dieser Weise eine riskante Politik zu forcieren, nur weil sie viel Geld zur Verfügung haben.
„Letzte Generation“, Nabu, WWF und die Spenden
Der Volksentscheid soll hier nicht auf eine Stufe mit den in ihren Handlungen und ihrer Wirkung sehr fragwürdigen Aktivisten der „Letzten Generation“ gestellt werden – auch Umweltverbände wie der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) gehören nicht in diese Kategorie. Da es in diesem Artikel aber um Spenden für Umwelt/Klimainitiativen geht, soll noch auf zwei weitere aktuelle Diskussionen um Nabu und „Letzte Generation“ verwiesen werden.
So ist der Nabu laut Medienberichten gerade aus der von ihm selbst mitgegründeten „Allianz für Lobbytransparenz“ ausgetreten. Auch der World Wide Fund for Nature (WWF Deutschland) gehöre der Gruppe nicht mehr an. Hintergrund sei eine Neubewertung der Frage, ob die Namen von Großspendern veröffentlicht werden müssen oder nicht. Der Streit habe Auswirkungen auf die Novelle des Lobbyregistergesetzes, die der Bundestag noch vor der Sommerpause verabschieden will. Laut „Welt am Sonntag“ argumentieren der Nabu und der WWF in einem Austrittsschreiben, dass größere Geldgeber von Lobbyorganisationen weiter die Möglichkeit haben sollten, anonym zu bleiben. „Die Nennung von Klarnamen“, wie von der Transparenz-Allianz gefordert, sei „nicht praktikabel“. Die Webseite des Nabu findet sich hier.
Die Gründe, die Großspender gegen ihre namentliche Nennung angeführt hätten, „reichen von möglichen (Rechts-)Streitigkeiten mit Familienangehörigen, Neid aus dem Umfeld, an sie gerichtete massive Spendenanfragen von anderen Akteuren bis hin zum persönlichen Gefährdungspotenzial durch Anfeindungen und Angst vor Straftaten“, habe der WWF auf Anfrage mitgeteilt, so die „Welt“. Würden Spender vergrault, „hat man dem Wirken der Nichtregierungsorganisationen einen Bärendienst erwiesen“.
Aktivisten mit Spendenquittung?
Auch die Aktivisten der „Letzten Generation“ erhalten viele Spenden, wie die „Welt“ in einem anderen Artikel berichtet. Damit sie Spenden besser verwalten könnten, hätten Mitglieder der „Letzten Generation“ eine gemeinnützige GmbH gegründet. Laut „Welt“ wollten sich die Aktivisten damit in die Lage versetzen, Spendenquittungen auszustellen. Damit, so der Medienbericht, wären Spenden an die Organisation steuerlich absetzbar, die Zeitung folgert:
„Der Staat würde damit durch Steuererleichterungen die Aktionen der radikalen Klimaaktivisten mittelbar unterstützen.“
Die „Letzte Generation“ stellt sich unter diesem Link vor. Konflikte innerhalb von Klimagruppen über den Umgang mit Großspenden hat die „taz“ in diesem Artikel beschrieben. Zum Teil zugespitzte Kommentare zur Finanzierung der „Letzten Generation“ und zum „Climate Emergency Fund“ finden sich etwa in der „Welt“ oder beim „Focus“.
Persönlicher Reichtum berechtigt nicht zur Dominanz im Meinungskampf
Die hier beschriebenen Vorgänge werfen einige Fragen auf: Ist die „bürgernahe“ Botschaft der im Titelbild präsentierten Plakate des Berliner Klima-Volksentscheids haltbar angesichts der vom RBB beschriebenen Dominanz von wohlhabenden Einzelpersonen? Andererseits: Macht der Reichtum von potenziellen Spendern automatisch das jeweilige Anliegen fragwürdig? Sollte die Tatsache, dass man mit Klimaschutz auch Geld verdienen kann, etwa dem Klimaschutz im Weg stehen?
Aber: Die Umsetzung des Volksentscheids hätte massive soziale Folgen, man kann den Plan durchaus als radikal einordnen. Die großen Einzelspender müssten diese potenziellen sozialen Folgen nicht tragen: Sie sind von diesen Problemen finanziell abgeschirmt. Die größten Spender befinden sich zusätzlich geografisch weit entfernt.
Persönlicher Reichtum berechtigt meiner Meinung nach nicht zu einem dominanten Auftreten im Meinungskampf. Die Nutzung „privaten“ Geldes (auch Konzerngeldes) als Vehikel für politischen Einfluss und Weißwaschung gehört prinzipiell zurückgewiesen.
Sollte es aber bei „guten“ Anliegen nicht Ausnahmen von diesem Prinzip geben? Fällt man sonst in diesem konkreten Berliner Fall nicht dem „Klima-David“ im Kampf gegen den „Wirtschafts-Goliath“ in den Rücken? Sind die Inhalte des Volksentscheids über Zweifel erhaben – sollte man also froh sein, wenn Reiche ihr Geld endlich mal für eine „gute“ Sache ausgeben? Nein: Wenn man das Prinzip unterläuft, schafft man Präzedenzfälle – dann kommt bald der nächste Superreiche und finanziert einen „Privatwahlkampf“, einfach weil er finanziell in der Lage ist, im Gegensatz zum „Normalbürger“. Und wer macht dann eigentlich die Unterscheidung zwischen „guten“ und „fragwürdigen“ Anliegen?