Karl Krökel ist Kreishandwerksmeister im sachsen-anhaltinischen Dessau-Roßlau. Gemeinsam mit anderen hat er im Sommer 2022 die Initiative „Handwerker für den Frieden“ ins Leben gerufen. Begonnen hat es am 14. Juni mit einem Obermeisterbrief der Kreishandwerkerschaft Anhalt Dessau-Roßlau zum Ukraine-Konflikt. Seitdem ist Krökel engagiert, organisiert Veranstaltungen und Demonstrationen und tritt bei solchen auf. So am 18. März beim „Bündnis für Frieden“ in Berlin. Dort sprach Tilo Gräser für die NachDenkSeiten mit dem Handwerksmeister.
Herr Krökel, warum setzt sich ein Handwerksmeister aus Dessau-Roßlau für Frieden ein?
Das ist ein Prozess, der sich entwickelt hatte. Es war nicht geplant, dass wir Demonstrationen oder dergleichen machen. Es begann einfach am 14. Juni 2022 mit unserem Obermeisterbrief, in dem wir als erste Kreishandwerkerschaft in Deutschland unsere drei Forderungen aufgemacht hatten: Sanktionen stoppen, keine Waffenlieferungen, Friedensverhandlungen. Alles, was wir in diesem Obermeisterbrief geschildert haben, diese galoppierende Inflation, dass Betriebe schließen müssen, Deindustrialisierung, dass wir hier am Ende doch russisches Öl verbrauchen, nur eben über Indien und so weiter, all das ist in schlimmer Weise eingetreten – genauso, wie wir es beschrieben hatten. Nur konnten wir uns nicht vorstellen, dass es so schlimm wird.
Wir sind nach diesem Brief aus ganz Deutschland ermuntert worden, auf diesem Weg nicht stehen zu bleiben – dass wir uns als Handwerker in die gesellschaftliche Debatte aktiv einbringen. Seitdem hat sich diese Bewegung „Handwerker für den Frieden“ sehr stark entwickelt. Wir schöpfen unsere Kraft aus den eine Million Handwerksbetrieben mit 5,8 Millionen Beschäftigten und über 400.000 Azubis. Das wächst immer weiter. Dazu kommt, dass wir mit anderen, die am gleichen Strang ziehen, Bündnisse eingehen. Das macht uns so stark. Wir haben zuletzt in Berlin, in München und Bremen erlebt, dass das alles viel Zustimmung erfährt. Und ja, da müssen wir weitermachen.
Sie laden nun zu einem Handwerker-Friedens-Kongress am 2. April 2023 in Dessau-Roßlau ein. Wer kommt da alles? Was ist da geplant?
Es kommt die Professorin Gabriele Krone-Schmalz, die zur Eröffnung redet, dann Professor Jürgen Scheffran, der über „Umwelt und Krieg“ spricht. Dann werden wir in drei Foren diskutieren. Das zum Thema „Konfrontation zwischen NATO und Russland – Gefahr der Selbstvernichtung“ machen Christiane Reymann und Wolfgang Gehrcke. Das Forum zu „Notwendigkeit und Perspektiven einer neuen europäischen Sicherheitsordnung“ leitet Reiner Braun. Das zum Thema „Wirtschaftskrieg des Westens gegen Russland – Ursachen und globale Wirkungen“ werde ich leiten, da wir leider keinen aktiven Wissenschaftler dafür gewinnen konnten. Die Gesprächsleiter stellen dann dem gesamten Kongress die Ergebnisse dieser Foren vor. Es findet eine Podiumsdiskussion statt, die Dr. Mona Aranea moderiert. Sie hat die Friedensdemo in München im Februar moderiert. Sie gehört auch zu diesem Team, von dem ich vorhin sprach. Da sind dann andere Handwerksmeister mit dabei, die sich da austauschen.
Im Ergebnis dieses Kongresses wird eine kleine Broschüre erscheinen, die über die Ergebnisse berichten wird. Wir bitten Gabriele Krone-Schmalz um das Vorwort. Dazu kommen Beiträge der anderen beteiligten Persönlichkeiten. Zu den drei Foren-Themen werden wir Thesen zusammentragen, die die Ergebnisse der Diskussionen zusammenfassen. Und wir werden ein Fazit des Kongresses in dieser Broschüre veröffentlichen, um einen bleibenden Wert nach diesem Kongress in den Händen zu haben, was wir dann auch verteilen können.
Wie waren bisher die Reaktionen auf Ihr Engagement? Die Politik hat gegen Sie geschossen, und in den etablierten Medien wurde schlecht über Sie berichtet. Sie werden auch in eine bestimmte politische Ecke gestellt. Sie deuteten an, es gibt große Zustimmung.
Von den Jahren her bin ich zwar kein Grünschnabel, aber was das politische Umfeld angeht, musste ich Lehrgeld zahlen. Ich hatte vorher Handwerkspolitik gemacht. Mein Schwerpunkt war die Bildungspolitik. Da habe ich auch einiges bewirken können. Ich habe an Konzepten gearbeitet, zur Berufsschule der Zukunft, um die schulische Ausbildung zu verbessern, was ja dringend notwendig ist. Das war eigentlich so mein Ding.
Ich habe nicht so wahrgenommen, wie sich das politische Umfeld seit der Wende entwickelt hat, dass es das „Compact“-Magazin gibt, dass es die „Rote Fahne“ gibt und dass es die Partei Die Basis gibt und so weiter. Das war mir nicht geläufig. Also Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, das ist klar. Das musste ich dann aushalten. Da bin ich da mehr oder weniger reingetappt. Ich habe dann an meiner Seite Partner gehabt, die mich aus dieser Geschichte rausgeführt haben und mit denen wir jetzt einen Arbeitsstil haben, dass wir uns abstimmen. Es konzentriert sich vieles auf meine Person, das ist klar. Das wird jetzt immer professioneller. Da stimme ich mich im Vorfeld ab. Dann kriege ich grünes Licht oder kein grünes Licht. Ich denke, das ist auch richtig so!
Wie ist die Reaktion in der Handwerkerschaft in Deutschland? Wie zeigt sich die erwähnte Zustimmung konkret?
Es ist aber nur vereinzelt. Ich will die Zustimmung mal ein bisschen beschreiben: Am Friedenskongress am 2. April in Dessau-Roßlau werden andere Handwerksmeister teilnehmen. Es wird ein stellvertretender Landesinnungsobermeister der Dachdecker-Innung Brandenburg teilnehmen. Also, die engagieren sich schon. Da gibt es viele, aber vereinzelt. In der Masse stehen wie in Dessau größere Handwerksbetriebe absolut voll hinter dem, was wir machen. Sie können sich aber nicht nach außen bewegen in dieser Richtung. Meistens sind solche Großbetriebe in der Hand irgendwelcher Aktionäre. Selbst wenn der Geschäftsführer diese fragen würde, ob er an so einer Demo teilnehmen kann, würden sie ihm wahrscheinlich sagen: Das kannst du auf jeden Fall. Du kannst jetzt immer da teilnehmen, weil Du dafür Zeit haben wirst …
Wir haben zum Beispiel eine Bäckerei mit 100 Beschäftigten, die macht die kostenlose Versorgung für uns, möchte aber überhaupt nicht genannt werden. Weil es schnell mal einen Anruf gibt in irgendeiner Einrichtung, die von denen beliefert wird (…) Also das geht nicht. Die brauchen auch größere Aufträge in Krankenhäusern und so weiter. Die Situation ist nun mal so, bedauerlicherweise. Aber wir müssen es eben zur Kenntnis nehmen und dürfen dann die Leute nicht beschimpfen, dass sie sich nicht outen. Die kriegen ja keine Aufträge mehr.
Sodass Druck über die Kundschaft gemacht wird, über die Einrichtungen als Kunden.
Stellen Sie sich vor, es wird ein öffentliches Klinikum beliefert mit 300 Betten. Dass die Landesregierung und die Regierung dem, was wir machen, nicht wohlgesonnen ist, das ist ja wohl klar. Das hat Folgen. Und selbst ich mit meiner Firma muss ich ja mit allem rechnen.
Wer heute für Frieden eintritt, wird als „Kriegsverherrlicher“ beschimpft, wird als „rechts“ diffamiert. Was sagen Sie dazu?
Das ist im Grunde genommen ein unhaltbarer Zustand. Wir sind aber trotzdem in der Situation, dass wir nicht mit allen, die jetzt diese Friedensgedanken äußern, zusammenarbeiten können. Das hat sich aus der ganzen Medienlandschaft, aus deren Berichterstattung ergeben. Es ist nicht möglich, dass ich zum Beispiel mit der AfD zusammen auftrete. Das lehne ich ab, weil dann kommen wir mit unseren Inhalten zur Veranstaltung überhaupt nicht durch, obwohl es dort bestimmte Meinungen in dieser Richtung gibt, die ich teile. Es gibt es ja auch unterschiedliche Strömungen, von denen wir uns zum Teil dann doch abgrenzen müssen.
Wie empfinden Sie selbst diese Situation, das, was Sie beschreiben? Das, was jeder Friedensbewegte derzeit erlebt, dass er in die rechte Ecke gestellt wird, dass er beschimpft und diffamiert wird. Sie kommen ja wie ich aus der DDR. Hätten Sie sich das mal vorstellen können?
Das hätten wir uns nie vorstellen können. Wir hatten ja 1989 eine ganz andere Situation. Es war Frieden, keiner hat irgendwen bedroht. Es war alles möglich. Putin ist 2001 im Deutschen Bundestag aufgetreten, hat über das gemeinsame europäische Haus gesprochen. Ab dem Punkt war natürlich für die USA klar, das darf nicht passieren. Und die Entwicklung zeigt, wie es gelaufen ist. Dass wir jetzt verketzert werden, ist unglaublich. Egon Bahr und Willy Brandt, die gibt es eben nicht mehr. Wenn die gegenwärtigen Eliten dieses Vermögen nicht mitbringen, das einzuordnen, auch historisch, sollten sie sich anschauen, was John F. Kennedy in der Kuba-Krise 1962 gesagt hat, als die Welt am Rande eines Atomkrieges stand. Kennedy hat damals gesagt, die Atommächte dürfen sich gegenseitig nie in eine Situation bringen, wo sie sich gegenseitig bedrohen oder wo einer mit Gesichtsverlust dann irgendwie von dannen ziehen muss. Das war damals klar, und das gilt auch heute. Aber das scheinen einige nicht zu begreifen.
Für mich ist klar, es ist eine schlimme Situation. Und welche Schlussfolgerungen können wir daraus ziehen? Also, wir müssen über Demokratie immer wieder neu nachdenken. Das ist eigentlich mein Fazit. Wenn das soweit ist, dass das Volk im Wesentlichen gegen solche Dinge ist und wir Frieden wollen und keinen Krieg, dass die Ursachen der Entstehung des Krieges im Grunde genommen manipuliert und verdreht werden, dass darüber nicht gesprochen wird, dass Professoren, die Bücher schreiben, entlassen werden und sich nicht mehr trauen, sich an unsere Seite zu stellen – dann haben wir hier ein Klima in diesem Land, was völlig vergiftet ist.
Wenn es wirklich soweit ist, dass wir unsere Stimme erheben können, so lange, wie wir wollen, und es interessiert keinen und die machen genauso weiter, dann müssen wir darüber nachdenken, was schon in vergangenen Jahrhunderten englische Philosophen über Demokratie geschrieben haben: Dass ein Volk eigentlich verpflichtet ist, wenn die Interessen des Volkes nicht erfüllt werden oder die Politik sich gegen die Interessen des Volkes richtet, dann die Regierung abzuwählen und abzulösen. Was auch in der Freiheitscharta der USA wortwörtlich übernommen wurde. Man staunt nur, wie die Umsetzung ist.
Was gibt Ihnen die Kraft weiterzumachen?
Die Kraft kann man eigentlich nur daraus schöpfen, dass man Persönlichkeiten um sich schart und mit denen zusammenarbeitet, mit denen wir ein Team bilden. Nachdem wir das jetzt alles so gemacht haben und die Politik uns deshalb als Kreishandwerkerschaft mehr oder weniger schneidet, werde ich dieses Thema aus dem Wirken der Kreishandwerkerschaft rausnehmen.
Wir werden „Handwerker für den Frieden“ selbstständig machen. Damit fangen wir schon zu dieser Konferenz an. Wir bilden ein Team „Handwerker für den Frieden“ und organisieren das dann aber nicht mit meinen Obermeistern. Die haben den Brief unterschrieben und stehen dazu. In meiner Kreishandwerkerschaft möchte ich wieder zu diesen Handwerksthemen kommen wie Bildung, Nachwuchssicherung, Firmenübergabe und all diese Dinge, die ja auch brennen. Die Sanktionen werden wir natürlich auch als Kreishandwerkerschaft nach wie vor kritisch ansprechen. Es hat sich jetzt entwickelt. Es hat eine gewisse Größe und Qualität erreicht, und jetzt müssen wir andere Leute einbinden, was uns gelingt.
Titelbild: Screencap MDR