Sind Panzer nachhaltig? – Wie die Rüstungskonzerne vom Ukraine-Krieg profitieren

Sind Panzer nachhaltig? – Wie die Rüstungskonzerne vom Ukraine-Krieg profitieren

Sind Panzer nachhaltig? – Wie die Rüstungskonzerne vom Ukraine-Krieg profitieren

Ein Artikel von Thomas Trares

Die Rüstungskonzerne erleben derzeit einen Aufstieg sondergleichen. Umsätze und Gewinne steigen, Aktienkurse schießen durch die Decke, Rheinmetall und Hensoldt spielen künftig in einer höheren Börsenliga, und selbst die Klassifizierung von Rüstung als nachhaltiges Investment ist kein Tabu mehr. Auslöser dieser Entwicklung war der Einmarsch Russlands in die Ukraine, der in den westlichen Staaten eine neue Welle an Rüstungsausgaben losgetreten hat. In Deutschland etwa kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner „Zeitenwende“-Rede vom 27. Februar 2022 ein Sondervermögen für die Bundeswehr von 100 Milliarden Euro an. Darüber hinaus sollen Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die Verteidigung fließen. Zum Vergleich: 2021 lagen die Verteidigungsausgaben noch bei 1,3 Prozent des BIP oder 46,6 Milliarden Euro. Von Thomas Trares.

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Die Bedeutung der Rüstungsindustrie

Die Angaben zur Größe der deutschen Rüstungsindustrie variieren zum Teil sehr stark. Der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) gibt die direkte Bruttowertschöpfung der Branche mit 12,2 Milliarden Euro an bei insgesamt 135.700 Beschäftigten. Die Zahlen stammen allerdings aus dem Jahr 2014. Bedeutende Rüstungsfirmen sind der Panzerhersteller Krauss-Maffei Wegmann, der Handfeuerwaffenproduzent Heckler & Koch, der Rüstungselektronikkonzern Hensoldt, der Flugkörperfabrikant Diehl und der Panzergetriebebauer Renk. Ferner gibt es einige Großkonzerne, die über ein eigenes Rüstungsgeschäft verfügen. Dazu zählen MTU Aero Engines, Thyssenkrupp, Airbus und Jenoptik.

Sinnbild für den Aufstieg der Branche ist jedoch Rheinmetall, der größte Rüstungskonzern hierzulande. Die Düsseldorfer produzieren unter anderem die Kampfpanzer Leopard und Panther sowie die Schützenpanzer Lynx und Puma. Darüber hinaus verfügt Rheinmetall über eine umfangreiche Munitionsproduktion. Seit Ausbruch des Ukraine-Krieges befindet sich das Unternehmen klar auf Expansionskurs. Der neueste Coup: Ausgerechnet in der Ukraine wollen die Düsseldorfer nun ein Panzerwerk zur Produktion des neuen hochmodernen Panther hochziehen.

Rheinmetall in den Dax

Der Aktienkurs von Rheinmetall hat sich binnen eines Jahres auf 260 Euro nahezu verdreifacht, beim Umsatz peilt das Management bis 2025 eine Verdopplung auf zwölf Milliarden Euro an. Im vergangenen Jahr gab es hier ein Plus von 13 Prozent auf 6,4 Milliarden Euro, während der operative Gewinn um 27 Prozent auf 754 Millionen Euro zulegte. Der Auftragsbestand von annähernd 30 Milliarden Euro besteht mittlerweile zu 80 Prozent aus Rüstungsgütern. Vor Kriegsausbruch entfiel die Hälfte noch auf das Autozuliefergeschäft. Seit 20. März notiert die Rheinmetall-Aktie im deutschen Leitindex Dax, den Platz räumen musste der Gesundheitskonzern Fresenius Medical Care.

Ein weiterer Börsenaufsteiger aus dem Rüstungssektor ist die Hensoldt AG aus dem bayerischen Taufkirchen. Das Unternehmen, an dem auch der Bund beteiligt ist, wird künftig im M-Dax notieren, in dem vorwiegend mittelgroße Unternehmen gelistet sind. Hensoldt stellt vor allem Rüstungselektronik her. Radare des Typs TRML 4D werden derzeit in der Luftabwehr der Ukraine zum Orten von Drohnen und Lenkwaffen eingesetzt. Auch bei Hensoldt hat sich der Aktienkurs seit Kriegsausbruch verdoppelt.

Orwell’sche Wort- und Sprachakrobatik

Parallel zum wirtschaftlichen Aufstieg hat sich auch die öffentliche Debatte rund um die Rüstungskonzerne gleichsam vom Kopf auf die Füße gestellt. Wurden an den Finanzmärkten Investments in Rüstungsgüter lange Zeit in einem Atemzug mit Glücksspiel, Tabak, Kohle und Pornographie genannt, so sind inzwischen immer öfter Stimmen zu vernehmen, die Rüstung als nachhaltiges Investment einstufen wollen – oftmals begleitet von einer Orwell’schen Wort- und Sprachakrobatik.

„Panzer sind nachhaltig“, stellte etwa die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ kürzlich fest. Der Kommentator Patrick Bernau begründete seine Einschätzung damit, dass Panzer der „Verteidigung der freiheitlichen Lebensweise“ dienten. Ferner schrieb er: „Immer noch wird in der EU darüber diskutiert, ob Rüstungsunternehmen als ´sozial nachhaltig´ gelten sollen oder ob die Politik lieber ihre Finanzierung diskriminiert.“

Diskussion um „nachhaltige Rüstung“

Auch im Nachrichtenmagazin „Focus“ tauchte kürzlich das Oxymoron „nachhaltige Rüstung“ auf. In dem Artikel „Leopard-2-Lieferung befeuert Diskussion um nachhaltige Rüstung“ ging es um die Frage, ob Rüstungskonzerne künftig als nachhaltig eingestuft werden wollen. Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes BDSV monierte dabei, dass Anleger keine Chance erhielten, unter dem Label Nachhaltigkeit auch in „friedenserhaltende Rüstung“ zu investieren.

Auffallend selbstbewusst tritt seit einiger Zeit jedoch Rheinmetall-Chef Armin Papperger auf. Seinen Konzern bezeichnet er gern ganz euphemistisch als „Krisenhelfer“ und den neuen Kampfpanzer Panther als „Gamechanger auf dem Gefechtsfeld der Zukunft“. Hinsichtlich der angedachten Panzerfabrik in der Ukraine erweckte Papperger kürzlich den Eindruck, als könne er diese problemlos vor russischen Angriffen schützen, mutmaßlich mit jenen Flugabwehrsystemen, die Rheinmetall ebenfalls im Angebot hat. Und nicht zuletzt schickte Papperger nur wenige Tage nach der „Zeitenwende“-Rede von Olaf Scholz eine Bestellliste mit Rüstungsgütern im Umfang von 42 Milliarden Euro nach Berlin. „Ein Vorstoß, der nicht allerorten gut ankam“, schrieb dazu die „Börsen-Zeitung“.

Finanzgemeinde noch zurückhaltend

Bislang kommen die Stimmen, die Rüstung als nachhaltiges Investment klassifiziert sehen wollen, vor allem aus der Rüstungsindustrie selbst. In der Finanzgemeinde indes ist man noch zurückhaltend. In dem Kommentar „Keine Panzer in grüne Fonds“ der „Börsen-Zeitung“ heißt es etwa: „Auch Waffen, die zur Verteidigung eingesetzt werden, töten Menschen. Die Produktion von Rüstungsgütern mag notwendig sein. Unproblematisch ist sie aber nicht. Der Erwerb von Rüstungstiteln von ESG-Fonds ist daher heikel.“

Titelbild: ProStockStudio/shutterstock.com