China und Russland bekräftigen Einigkeit – Washington kritisiert Versuch, „globale Spielregeln zu ändern“

China und Russland bekräftigen Einigkeit – Washington kritisiert Versuch, „globale Spielregeln zu ändern“

China und Russland bekräftigen Einigkeit – Washington kritisiert Versuch, „globale Spielregeln zu ändern“

Ulrich Heyden
Ein Artikel von Ulrich Heyden

In der zugespitzten Situation zwischen dem Westen auf der einen und Russland und China auf der anderen Seite hat der Staatsbesuch des Staatspräsidenten der Volksrepublik China und Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Chinas, Xi Jinping, in Moskau historische Bedeutung. Dass der vor kurzem für eine dritte Amtszeit wiedergewählte Staatspräsident Chinas seine erste Auslandsreise nach Russland macht, zeigt, welche Bedeutung Russland für China hat. Eine besondere Note bekommt das Treffen nach der Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, einen Haftbefehl gegen Putin auszustellen. Peking und Moskau versicherten, dass sich das Treffen im Kreml „nicht gegen Dritte richtet“. Aus Moskau berichtet Ulrich Heyden.

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Wie der Berater des russischen Präsidenten, Juri Uschakow, erklärte, werden sich Putin und Xi Jinping am Montag zur Aussprache über Schlüsselfragen hinter verschlossenen Türen treffen. Am Dienstag wird sich der Gast aus Peking mit dem russischen Ministerpräsidenten Michail Mischustin treffen. Danach finden Treffen zwischen Putin und Xi Jinping im kleinen und dann im großen Kreis statt. Im Anschluss sollen zwei Dokumente unterzeichnet werden, eines über die Vertiefung der Beziehungen und eine Erklärung über die Entwicklung der Wirtschaftsbeziehungen bis zum Jahr 2030.

Joe Biden: „Chinesischer Plan nutzt Russland“

In Washington und Kiew wird das Treffen der beiden Staatsführer mit unverhohlener Ablehnung kommentiert. Joe Biden erklärte, der von Peking vor einiger Zeit vorgestellte Friedensplan sei „nur Russland nützlich“. Die USA erwarten von China, dass es Russland kritisiert, doch von Peking ist kein Wort der Kritik zu hören.

Der chinesische Friedensplan besteht aus zwölf Punkten, darunter ein Waffenstillstand, die Wiederaufnahme der Gespräche und die Beendigung der Sanktionen. Von einem Abzug russischer Truppen ist in dem Plan nicht die Rede. Von Moskau heißt es zum Friedensplan, man „teile die Vorstellungen Pekings“.

Die in Peking erscheinende Zeitung „Global Times“ hält es für möglich, dass bei dem Treffen in Moskau der chinesische Friedensplan Thema sein wird. Allerdings sind die Voraussetzungen für die Umsetzung des Plans schwierig. Der ukrainische Präsident Selenski hat Gespräche mit Putin per Gesetz verboten.

Selenski erklärte aber, er sei zu Gesprächen mit der chinesischen Führung bereit. In den Medien hieß es, ein Treffen könnte nach Abschluss der Moskau-Reise von Xi Jinping stattfinden.

Der wissenschaftliche Mitarbeiter der Moskauer Higher School of Economics, Wasili Kaschin, erklärte gegenüber der „Nesawisimaja Gaseta“, für Friedensverhandlungen zwischen Moskau und der Ukraine gäbe es zurzeit keine Aussicht. Peking wisse das. Er glaube, der Plan von China richte sich „insbesondere an die Entwicklungsländer. Sie können die Rolle Chinas als Friedensstifter positiv bewerten.“

Handelsvolumen zwischen China und Russland verdoppelt

Den USA gefällt nicht, dass China Russland hilft, trotz westlicher Sanktionen wirtschaftlich zu überleben. Wie der russische Präsident Wladimir Putin in einem Aufsatz für die chinesische Zeitung „Renmin Ribao“ (Volkszeitung) ausführte, hat sich das Handelsvolumen zwischen Russland und China 2022 auf 185 Milliarden Dollar verdoppelt. Ein großer Teil des Handels werde inzwischen in den Landeswährungen von China und Russland abgewickelt.

Putin führte in seinem Artikel eine ganze Reihe von Erfolgen im Handel mit China auf. Er erklärte, die russisch-chinesische Gaspipeline „Kraft Sibiriens“ sei von ihrem Maßstab „ein Jahrhundert-Bauwerk“. Auch die Lieferung von Kohle und Öl an China hätten sich stark erhöht. Russische Experten seien an dem Bau neuer Atomkraftwerke in China beteiligt. China beteilige sich an russischen Flüssiggas-Projekten. Putin erwähnte auch die zwei neuen Brücken über den Amur, die Russland und China jetzt verbinden.

Putin: „Der Westen hat internationale Ordnung demontiert“

Der Kreml-Chef erklärte in seinem Artikel für „Renmin Ribao“, China sei für Russland „ein echter Freund – wie der eigene Bruder“. In den „Wellen und Winden auf dem Planeten sind wir fest verbunden in den internationalen Beziehungen, stehen wir Schulter an Schulter ´wie Felsen in einem wilden Strom´“.

Der Kreml-Chef verwies in diesem Zusammenhang auf die sich festigende Zusammenarbeit in internationalen Strukturen, wie der „Shanghai Cooperation Organization“, der BRIKC, der „Eurasischen Wirtschaftsunion“ und dem Handelsprojekt „Ein Gürtel, ein Weg“.

Während der „kollektive Westen“ – so Putin – seine Dominanz verliere, halte der Westen verzweifelt an „archaischen Dogmen“ fest. Die Architektur der internationalen Sicherheit werde „demontiert“. Der Westen setze „das Schicksal ganzer Staaten und Völker“ aufs Spiel. Die russisch-chinesischen Beziehungen seien in dieser Situation „der Eckstein der regionalen und globalen Stabilität.“

Der Kreml-Chef erklärte, seit dem letzten Treffen mit Xi Jinping in Moskau vor drei Jahren hätten sich die russisch-chinesischen Beziehungen „auf das höchste Niveau in ihrer Geschichte entwickelt“. Von der Qualität her seien die Beziehungen „stärker als die militärisch-politischen Beziehungen während des Kalten Krieges“.

Washington: Friedensplan „nicht annehmbar“

Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte namentlich nicht genannte europäische Diplomaten, die erklärten, Russland sei in der Vergangenheit der „kleine Partner“ Chinas gewesen. Die Krise in der Ukraine würde die Dominanz Chinas gegenüber Russland noch verstärken. Wenn China Russland unterstütze, dann zu „seinen eigenen Bedingungen“.

Der Berater des ukrainischen Präsidenten, Michail Podoljak, erklärte, der chinesische Friedensplan diene nur „den Interessen Russlands“. Es fehlten Details und es gäbe Widersprüche zwischen den einzelnen Punkten. Auf der einen Seite sei von der Unverletzlichkeit der Souveränität und der territorialen Integrität die Rede, auf der anderen Seite wird der unverzügliche Waffenstillstand gefordert. Das bedeute, dass man Russland besetzte Territorien überlassen solle, erklärte Podoljak im Interview mit der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“. Der Konflikt in der Ukraine könne nur unter der Bedingung gelöst werden, dass Russland seine Truppen aus der Ukraine abzieht.

Die US-Administration hat bereits ihr Nichteinverständnis angekündigt, sollte auf dem Treffen in Moskau von Putin und Xi Jinping ein Waffenstillstand vorgeschlagen werden. Diese Forderung wäre „nicht annehmbar“, erklärte der Koordinator für strategische Kommunikation im Nationalen Sicherheitsrat der USA, John Kirby.

Der US-Sicherheits-Koordinator ging noch einen Schritt weiter. Er behauptete gegenüber „Politico“, China und Russland träten gegen die internationale Ordnung auf, welche „die USA und viele unserer Verbündeten und Partner nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges aufgebaut haben“. Moskau und Peking wollten „die globalen Spielregeln ändern“.

Medwedjew: „Achten sie auf den Himmel über Den Haag“

Zeitgleich zum Besuch von Xi Jinping in Moskau verurteilte der stellvertretende Sekretär des russischen Sicherheitsrates und ehemalige Präsident Russlands (2008-2012), Dmitri Medwedew, die Anordnung des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag vom 17. März, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu verhaften. Die Entscheidung – so Medwedew – bedeute den „Zusammenbruch der internationalen Rechtsordnung“. Von nun an würde sich kein Staat mehr an die internationalen Rechtsorgane wenden. Die Staaten würden jetzt „alle Fragen bilateral lösen“.

Medwedew beließ es nicht bei dieser eher nüchternen Feststellung und führte weiter aus, „alle gehen unter dem Auge Gottes und unter Raketen“. Den Richtern von Den Haag riet er, in Zukunft gründlich den Himmel abzusuchen, denn es sei „durchaus möglich, sich vorzustellen, dass der Strafgerichtshof in Den Haag mit einer zielgenauen Hyperschallrakete vom Typ ´Onix´ beschossen wird“.

Der ukrainische Präsident Selenski lobte die Entscheidung des Gerichts in Den Haag als „wichtiges international-rechtliches Resultat für die Ukraine“. US-Präsident Biden meinte, die Entscheidung sei „begründet“. Der Präsident von Serbien, Aleksandar Vucic, erklärte, der Westen zeige mit der Entscheidung des Strafgerichtshofes, dass er „bis zum Ende geht“. Die Welt stehe vor einer „noch größeren Eskalation in der Ukraine“.

Russischer Ökonom Chasin: „Kollektiver Westen in Panik“

Der bekannte russische Ökonom und ehemalige Mitarbeiter der russischen Präsidialverwaltung, Michail Chassin, meinte, nach dem Haftbefehl gegen Putin könne jeder weitere russische Führer – und selbst ein prowestlicher Führer wie der Ex-Öl-Magnat Michail Chodorkowski – verhaftet werden, sobald er westlichen Boden betritt. Faktisch bedeute der Beschluss des Strafgerichtshofes „die Liquidierung von Russland“.

Der Beschluss des Strafgerichtshofs sei nur zu erklären mit der außerordentlichen Verzweiflung, in der sich der Westen heute befände. Auslöser der Verzweiflung sei der zunehmende Bedeutungsverlust der USA und die unter Vermittlung von China zustande gekommene Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem Iran – einem „Erzfeind der USA“ – und Saudi-Arabien – „einem jahrzehntelangen Freund der USA“. China habe damit das erste Mal in seiner Geschichte Weltpolitik gemacht.

Alles deute – so Chasin – auf einen militärischen Konflikt in Südostasien hin, wo die USA vermutlich versuchen würden, die aufstrebende Industriemacht China von den Weltozeanen abzuschneiden und einzuhegen.

Selbst wenn man den Äußerungen von Chasin nicht folgt, zeigt sich doch, dass der Ton zwischen dem Westen und Russland immer rauer wird. Wir wissen nur noch nicht, ob das Ausdruck eines nahenden Krieges ist oder „nur“ die neue Realität in einer Welt, in der die seit 1945 existierende internationale Ordnung zerfallen ist und Staaten nun je nach aktueller Interessenlage Bündnisse schließen.

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