Britische Justiz nimmt sich die Zeit, die für Julian Assange im Gefängnis quälend langsam vergeht

Britische Justiz nimmt sich die Zeit, die für Julian Assange im Gefängnis quälend langsam vergeht

Britische Justiz nimmt sich die Zeit, die für Julian Assange im Gefängnis quälend langsam vergeht

Ein Artikel von Moritz Müller

Bald sind es vier Jahre, seitdem Julian Assange gewaltsam aus der ecuadorianischen Botschaft in London getragen wurde. Seitdem gab es endlos viele Anhörungen bezüglich des Auslieferungsbegehrens der USA, die sich auch durch Corona-Lockdowns in die Länge zogen. In den letzten 6 Monaten scheint gar nichts mehr zu passieren. Ende August hatten Julian Assanges Anwälte Berufung beim Londoner High Court gegen Punkte im Schiedsspruch des Westminster-Bezirksgerichts vom 4. Januar 2021 und gegen die Entscheidung der damaligen britischen Innenministerin Priti Patel vom 17. Juni letzten Jahres eingelegt. Nun liegt die Entscheidung, ob die Berufung zur Verhandlung angenommen wird, bei einem Richter, dessen Name nirgendwo erscheint, und es erscheint genauso unklar, wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist. Derweil sitzt Julian Assange von Ungewissheit gequält im Gefängnis. Von Moritz Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Und auch für die Öffentlichkeit gibt es quälend wenig zu berichten. Einiges ist im angehängten Newsletter von FreeAssangeBerlin zusammengefasst.

Hier noch einige weitergehende Infos:

Der australische Journalist John Pilger hat seinen Freund Julian Assange im Dezember im Belmarsh-Gefängnis besucht und dies hier auf Deutsch und hier auf Englisch beschrieben.

Wie er schreibt, gab es bei seinem Besuch trotz oder gerade wegen der ernsten Situation auch humorvolle Momente. Aber insgesamt ist John Pilger zutiefst besorgt über Julian Assanges Lage.

Pilger beklagt eindringlich die effektive Tatenlosigkeit der australischen Regierung(en). Besonders in den seit neun Monaten amtierenden Premierminister Anthony Albanese hatte nicht nur Pilger frische Hoffnung gesetzt, die sich zumindest bis dato nicht erfüllt hat.

Ähnliches würde ich über die Bundesregierung sagen. Statthalter Habeck und Statthalterin Baerbock hatten sich vor der Bundestagswahl noch ausdrücklich für Assange und seine Freiheit ausgesprochen. Nun üben sie sich im gleichen beredten Schweigen, dessen Baerbock Angela Merkel in Bezug auf Russland bezichtigt hatte.

John Pilger schließt seine Betrachtungen sehr pessimistisch damit, dass es mittlerweile keine freie Presse mehr gibt, sondern nur noch Zufluchten, auf denen abweichende Nachrichten und Meinungen veröffentlicht werden. Der letzte Satz im Artikel lautet: „Es geht in erster Linie um Gerechtigkeit und unser wertvollstes Menschenrecht: frei zu sein“.

Man kann natürlich ausführlich darüber nachdenken, wie frei wir Individuen wirklich sind oder jemals waren, aber die Einkerkerung von Julian Assange auf wenigen Quadratmetern ist das genaue Gegenteil von Freiheit. Mittlerweile ist er seit 4.482 Tagen seiner Freiheit beraubt.

Das im Newsletter erwähnte Buch „Secret Power“ der Italienerin Stefania Maurizi ist wirklich empfehlenswert, wenn man es auf Englisch lesen kann. Es ist keine leichte Lektüre und ich brauchte immer wieder Pausen, um das von ihr beschriebene Unrecht zu verarbeiten. Es geht um die Geschichte von WikiLeaks und dessen Gegnern. Beim Lesen wird man wieder eindringlich daran erinnert, wie wichtig die Veröffentlichungen von WikiLeaks waren und sind. Stefania Maurizi beschreibt auch sehr detailliert, was aus den WikiLeaks-Veröffentlichungen über die Einflussnahme der USA auf Italien bekannt ist.

Eines der Beispiele ist die Entführung des Mailänder Imams Hassan Mustafa Osama Nasr durch die CIA in Mailand am helllichten Tag im Jahr 2003. Dieser wurde dann zur Folter an Ägypten übergeben. Durch akribische Nachforschungen gelang es zwei mutigen italienischen Ermittlern, 26 Personen anzuklagen, die dann in Abwesenheit von italienischen Gerichten zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden. Durch diplomatischen Druck auf italienische Institutionen und Personen gelang es den USA, die Auslieferung dieser Personen zu verhindern. Tatsächlich wurden noch nicht einmal Auslieferungsverfahren eingeleitet.

Die fast von Anfang an, über ein Jahrzehnt andauernde (Medien-)Kampagne gegen WikiLeaks hat dazu geführt, dass weiten Teilen der Öffentlichkeit das Erkennen von Opfern und Tätern mittlerweile schwerfällt. „Secret Power“ hilft dabei, diese Verschleierung beiseitezuwischen.

Wenn ich in diesem Buch lese, frage ich mich, wie sich die machthungrigen Personen fühlen, die Kriege anzetteln, Unschuldige entführen und nicht nur in Guantanamo oder Abu Ghraib grausam foltern. Wie fühlen sich deutsche Politiker, die den USA erlauben, auch von Deutschland aus zu operieren?

Haben deutsche Politiker überhaupt noch die Möglichkeit, dies zu unterbinden oder zumindest Einspruch zu erheben? Der derzeitige selbstmörderische Kurs der deutschen Politik bezüglich des Ukraine-Konflikts ist die extreme Fortsetzung dieser jahrzehntelangen Politik wider den wirklichen eigenen Interessen bzw. denen der europäischen Bevölkerung.

Auch Julian Assanges Frau Stella war dieser Tage in Italien. Dieser Bericht beschreibt ihren Auftritt bei einer Veranstaltung der Sapienza-Universität in Rom. Auch Stella Assange scheint die Hoffnung in die britische Justiz mittlerweile aufgegeben zu haben, wenn sie ihre Überzeugung kundtut, dass es nicht die Justiz, sondern politische Entscheidungen sein werden, die ihrem Mann die Freiheit bringen.

Sie fordert die Studenten auf, öffentlichen Druck auszuüben auf Politiker und politische Institutionen. Das ist etwas, was jede/r Einzelne von uns (noch) tun kann. Auf die Straße zu gehen, zu protestieren und öffentlich zu verkünden, dass man die Entscheidungen der Politik nicht mitträgt und dass man nicht will, dass diese im eigenen Namen geschehen.

Hier setzt auch der nachfolgende Newsletter an, denn es sind auch wieder einige Mahnwachen für Julian Assange erwähnt. Vielen Dank an Almut, Raja und Thilo und Mitstreiter in Berlin und anderswo!

Freiheit für Julian Assange!


Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter für die Freiheit von Julian Assange, für Pressefreiheit und freie Rede,

️wir laden wieder herzlich ein zur Mahnwache „Freiheit für Julian Assange“ am Donnerstag, d. 16. März 2023 von 18.00 bis 20.00 Uhr am gewohnten Platz vor der US Botschaft mit lautstarkem Spaziergang bis zur Ecke an der Wilhelmstraße, in der sich die Britische Botschaft hinter mehreren Reihen von KFZ behindernden Pollern verschanzt.

Es gibt weiterhin leider nichts Neues über Julian Assanges Lage zu berichten, wie auch Stefania Maurizi in dem weiter unten verlinkten, aktuellen Interview bedauernd erzählt.

Dazu twitterte Juan Passarelli und verlinkt einen Videoclip mit Nils Melzer, der folgendes sagt: „Die (britische) Justiz ist entweder nicht willens oder nicht in der Lage, ein ordnungsgemäßes Verfahren zu gewährleisten.“: twitter.com/juanranting/status/1630908925850599424?s=43&t=AIPrSj1eS12gi6Q_OddvnA

Die Punkte derer Assange angeklagt werden soll, beziehen sich auf die Veröffentlichung von Material, das die Whistleblowerin Chelsea Manning ihm übergeben hatte, um die Öffentlichkeit wahrheitsgemäß zu informieren. Das war jedoch nicht die einzige Veröffentlichung, – auf der Internet Plattform „Cryptome“ waren diese Informationen jahrelang im Netz zu lesen. Der Verantwortliche von „Cryptome“, John Young, versucht nun sich dem Fall als Mitverteidiger anzuschließen, da er das Material ebenfalls veröffentlicht hat. Hier sein Brief an das Gericht in Alexandria, USA: cryptome.org/2023/03/Assange-Hilton-2023-0303.pdf


Stefania Maurizis Buch „Secret Power“ ist kürzlich erschienen und sie erweist sich damit als eine unschätzbare Zeugin. In diesem Interview mit Talia Baroncelli auf „naked capitalism“ werden Beispiele diskutiert, die deutlich machen, warum Wikileaks so wichtig war und warum die Geheimdienste so wütend auf Assange waren. Unter anderem wird die Rolle des „Crown Prosecution Service“ des U.K. in Bezug zu den schwedischen Untersuchungen beleuchtet, sowie die Rolle des Labor Politikers Keir Starmer dabei. Auch Vault 7 ist ein Thema, WikiLeaks veröffentlichte 2017 über einen Zeitraum von 6 Monaten die Vault 7 Dokumente. Sie beschreiben unter anderem detailliert CIA Aktivitäten aus den Jahren 2013 – 2016. Nach der Veröffentlichung erwog die CIA Assange zu entführen oder sogar zu töten, wie bereits berichtet.

Video in englischer Sprache sowie Transkript zum Mitlesen: nakedcapitalism.com/2023/03/secret-power-and-the-persecution-of-julian-assange.html?link_id=7&can_id=08297fc7c91a407a9212c4c930fd3728&source=email-ithaka-begins-its-north-american-tour&email_referrer=email_1842050&email_subject=take-action-to-free-assange

Zur Information und Erinnerung, – 2 Artikel zu VAULT 7 aus 2017:


AUSTRALIEN

Liveübertragung des „Belmarsh Tribunal“ in Sydney am 4. März 23 von Consortium News. Gäste waren: Der ehemalige Außenminister Bob Carr, Jennifer Robinson, Yanis Varoufakis, Stella Assange, David McBride, Kerry O’Brien, Bernard Collaery , Kylie Moore-Gilbert, MEAA-Direktorin Karen Percy und weitere. youtube.com/watch?v=-4HFwvE9Ev0

Ausführlicher Artikel von Kellie Tranter, die in Kurzform diese Aussagen beim Belmarsh Tribunal in Sydney tätigte: declassifiedaus.org/2023/03/04/silent-collaborator/


Das Kunstwerk „Anything to Say“ ist nunmehr in Sydney angekommen und ausgestellt. Hierzu dieser kurze (engl.) Artikel, in dem John Shipton, Vater von Julian Assange, zitiert wird mit folgenden Worten: „Nach 14 Jahren benutzt man nicht mehr den Begriff Hoffnung“: aap.com.au/news/time-is-running-out-pm-urged-to-stand-up-for-assange/

John Pilger spricht bei dieser Veranstaltung über seinen Besuch bei Assange im Dez. letzten Jahres: twitter.com/people4assange/status/1634809605674131457?s=43&t=AIPrSj1eS12gi6Q_OddvnA


Shadowproof und Project Censored präsentieren ein Gespräch zwischen Kevin Gosztola und Daniel Ellsberg anlässlich der Veröffentlichung von Kevins Buch „Guilty of Journalism: Der politische Fall gegen Julian Assange“. Das Buch ist ab heute, dem 7. März, bei Censored Press und Seven Stories Press erhältlich oder hier: kulturkaufhaus.de/de/detail/ISBN-9781644212721/Gosztola-Kevin/Guilty-of-Journalism

Es ist ein wichtiger und fesselnder Leitfaden für den Rechtsfall der US-Regierung gegen den WikiLeaks-Gründer und die Auswirkungen auf die Pressefreiheit.

Das Gespräch: youtube.com/watch?v=-I8MDtSEZwc

Gerade erst wurde bekannt, dass Daniel Ellsberg unheilbar an Krebs erkrankt ist.


Video von Magnus von Wangenheim „Was wir dank WikiLeaks zur Vorgeschichte des Ukrainekriegs wissen“: youtube.com/watch?v=naLzrXvnoXE


Italien macht es vor: Am 01.03 hat die Vereinigung der Journalisten von Kampanien einen Ehrenausweis für Julian Assange ausgestellt

Der Stadtrat von Neapel hat zudem dafür gestimmt, Assange zum Ehrenbürger zu ernennen, derzeit fehlt nur noch die Bestätigung des Bürgermeisters.


Stella Assange: youtube.com/shorts/fDLeAkZogjA?app=desktop&feature=share

Julian Assange: youtube.com/watch?v=Aca7W7w6Rl4


Die Notwendigkeit der Umsetzung des, wie Sevim Dagdelen sagt, historischen Bundestagsbeschlusses: twitter.com/freeassange_eu/status/1631981240734691328?s=43&t=AIPrSj1eS12gi6Q_OddvnA

Der Petitionsausschuss der Bundesregierung, ausführlich in letzter Einladungsmail erwähnt, hat nunmehr die Untersuchung am 01.03.23 abgeschlossen und beendet. Ergebnisse wurden nicht veröffentlicht, außer, dass das Auswärtige Amt in der Sache tätig sei. Auf Nachfragen wurde mitgeteilt: „Die Wirkungsmöglichkeiten des Petitionsausschusses sind begrenzt und mit der Überweisung der Petition an die Bundesregierung zur Berücksichtigung (höchstes Votum) im letzten Jahr und mit der Ladung und heutigen Befragung der Bundesregierung zu dem Anliegen der Petition als Folge des Berücksichtigungsbeschlusses nun ausgeschöpft…Frau Klose wird dennoch den weiteren Verlauf verfolgen.“


Kurzes Video der Demo mit Sattelschlepper in Berlin am 03.02.23: youtube.com/watch?v=CF7S0T52mGw


KUNST:

Verstörendes zu einer Kunstausstellung in LONDON: berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/kunst/kunst-london-besucher-der-wikileaks-ausstellung-ueber-julian-assange-riskieren-den-knast-li.320211 (Bezahlschranke)

Näheres zur Ausstellung: theartnewspaper.com/2023/02/20/london-exhibition-supporting-wikileaks-whistleblower-julian-assange-draws-contributions-from-ai-weiwei-and-vivienne-westwoods-foundation?link_id=5&can_id=08297fc7c91a407a9212c4c930fd3728&source=email-stand-up-for-press-freedom-3&email_referrer=email_1829506&email_subject=the-future-of-journalism-is-in-good-hands


Was können wir tun?

Julian schreiben!

Er schreibt selbst, dass ihn die Briefe in seiner extremen Isolation am Leben erhalten.

Adresse hier: writejulian.com

Eine Anthology – Briefe von Assange aus Belmarsh: classconscious.org/2019/10/13/julian-assanges-letter-from-belmarsh-to-supporters/


KINO

Der Film ITHAKA gewinnt den Amnesty International Preis, nachdem dieser großen Zuspruch beim Thassaloniki Dokumentarfilm Festival in Griechenland erhalten hat. Ist auf dieser Website zu finden: filmfestival.gr/en/all-news-en/28391-the-awards-of-the-25th-tidf


Bis Donnerstag,
mit solidarischen Grüßen

Almut und Thilo
FreeAssange Berlin

Mahnwache jeden 1. und 3. Donnerstag 18-20 Uhr Pariser Platz vor der US-Botschaft

„Streetaction“ im März und April: actions 4 Assange Berlin: jeden Freitag 12 – 18 Uhr Pariser Platz mit Raja

Dok.: free-whistleblower.jimdofree.com/free-assange-berlin-1/
Web: www.freeassange.eu
Berliner Gezwitscher: twitter.com/Berlin4Assange/status/1626516354827157505
twitter.com/Berlin4Assange/status/1621253916418605056
Youtube: youtube.com/@freeassange_eu4340

Titelbild: manorial1/shutterstock.com