Die NATO-Lobby leistet ganze Arbeit bei der psychologischen Kriegsführung gegen die Bevölkerung in den Mitgliedsstaaten. Sie hat ihre Lektion aus den Kriegen vor allem in Vietnam, Libyen, Afghanistan, Irak und Jugoslawien und aus den Erfolgen der Friedensbewegung der 1980er Jahre gelernt. Von Bernhard Trautvetter.
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Im Herbst 1982 schrieb eine Gründungspersönlichkeit der Grünen, Petra Kelly, in einem Offenen Brief an Willy Brandt (SPD), die USA – so wie die NATO – sei der Sowjetunion in Osteuropa militärisch in jedem relevanten Aspekt überlegen: bei der Atomrüstung, den U-Booten und der Luftwaffe (Petra Kelly, „Um Hoffnung kämpfen“, „Militärische Überlegenheit der USA/NATO“, 1983, S. 192).
Daran hat sich nie etwas geändert. Die Ausgaben der NATO-Staaten für den Militärsektor sind fast 20 Mal höher als die Russlands, auch wenn breite Teile der Öffentlichkeit die Des-Information der NATO-Lobby glauben, dass die „Verteidigung“ seit dem Ende des Kalten Krieges vernachlässigt wurde.
Petra Kelly hat vor vier Jahrzehnten errechnet, dass die Staaten der Welt pro Minute 2,3 Mio. US-Dollar für den Militärsektor ausgeben, den sie damals „Vernichtungsmaschine“ nannte („Um Hoffnung kämpfen“, S. 15). Heute ist der Betrag mehr als doppelt so hoch, wenn man die 2.100 Jahresmilliarden Weltrüstungsausgaben im letzten Jahr umrechnet. Das auszublenden und selbst die Bündnisgrünen weitgehend zur NATO-Unterstützungs-Partei umzugestalten, das ist ein Meisterstück der Militärpropaganda.
Wie es dazu kam, erklärt sich unter anderem mit der Professionalisierung der Manipulation der Öffentlichkeit. Im Herbst 2015 tagte in Essen eine NATO-Konferenz zur sogenannten „Strategischen Kommunikation“. Sie beklagten in der Einladung, dass es Einheiten (‚Entities‘) gibt, die der NATO gegenüber feindlich (‚hostile‘) eingestellt sind und die Zweifel an der Militärpolitik in der Bevölkerung schüren. (Zitat aus dem Text: „Entities hostile to NATO understand that the general public’s knowledge and opinion of airpower are vulnerable.”)
Darauf fanden sie Antworten: Die NATO gründete unmittelbar nach der Konferenz ein „Excellence-Zentrum” Strategic Communication’ in Riga, im Baltikum.
„Die Medien sind hungrig nach Geschichten, während das Militär den Bedarf hat, seine Geschichte zu verbreiten“
In der Essener Konferenz gaben sie die Grundorientierung vor: Die Öffentliche Meinung im Sinn der NATO zu beeinflussen, hat auf einfachen Bildern mit klaren Schwarz-Weiß-Zuordnungen zu beruhen, bei denen die NATO der Advokat der Menschenrechte ist. In Seite 44 ihres Materials zur Vorbereitung der Tagung („Read Ahead“) widmeten sich die Strategen schon 2015 in einem Kapitel genau diesem Eckpfeiler: „Betone die Menschenrechts-Aspekte“ mit dieser Orientierung: „In allen zukünftigen Konflikten sollte die NATO gut einsetzbare Teams nutzen, um Menschenrechtsverletzungen des Feindes zu registrieren und sie zu publizieren und der Öffentlichkeit zeitnah und kontinuierlich Nachweise darüber zu erbringen. Wir sollten von den Medien nicht erwarten, solche Geschichten in aller Tiefe und Analyse abzudecken. (‚to cover‘)“ (JAPCC, Read Ahead-StratCom.2015, S.44, Übersetz.: B.T.)
In der Strategie, dies für die breite Masse eingängig zu gestalten, gingen sie noch weiter: „Die Medien sind hungrig nach Geschichten, während das Militär den Bedarf hat, seine Geschichte zu verbreiten.“ (S.24) Die NATO muss darin besser werden, „ einfache Botschaften zu kreieren … sie sollten stark sein und deutlich ‚Gut‘ von ‚Schlecht‘ sowie ‚Richtig‘ und ‚Falsch‘ klar auseinander halten.“ (S. 8) Dabei sei es wichtig, sich darüber im Klaren zu sein, dass die öffentliche Meinung von klaren und einfachen Narrativen mit einfachen Erklärungen gebildet wird (S.18).
Da sind Differenzierungen und genaue Prozess-Analysen störend. Klar muss sein: Wir sind die Guten, wir haben dadurch auf der Weltbühne die Aufgabe, Sheriff zu sein, deshalb ist es an der NATO, die Bösen, die Gefahr im Osten abzuschrecken, dafür müssen die Militärausgaben immer weiter steigen, das bringt Sicherheit und Freiheit. Dafür müssen wir aber auch Opfer erbringen, die sich mit den gesteigerten Milliardenbeträgen für die Gesellschaft ergeben. Der Ausbau auch des nuklearen Schirms, die Modernisierung der Systeme und ihre Vernetzung machen das Leben so sicher, dass Militär als Nachhaltigkeitsfaktor zu werten ist.
Und genau das erfolgt derzeit bei der Strategischen Kommunikation der NATO und ihrer Lobby beim Ukraine-Krieg: Sie picken sich aus den komplexen jahrelangen Eskalationsprozessen einzelne Stellen heraus, mit deren Darstellung sich leicht die Überzeugung verbreiten lässt, der zufolge die NATO alles richtig macht und der Gegner mit Härte und Konsequenz zu bekämpfen ist. Die Arbeitsgruppe »Psychologische Operationen« (S. 20) hat die Aufgabe der Steuerung dieser Einflussnahme der Militärs auf die Bevölkerung über die Medien.
Sie sind damit sehr erfolgreich: Ein wachsender Teil der Öffentlichkeit glaubt der NATO ihre Narrative, ihre Verantwortung an der Eskalation der Spannungen im Konflikt mit Russland wird ausgeblendet, böse sind nur die anderen und die Menschenrechte schützen unsere Militärs, die weltweit pro Minute über fünf Millionen US-Dollar für den Militärsektor aufwenden, wie es sich aus den Angaben über die Weltrüstungsausgaben leicht errechnen lässt.
Die Militärs und ihre Lobby haben ganze Arbeit geleistet, wenn nun der Pazifismus als Gefahr dargestellt werden kann, wenn die NATO als segensreich gilt und Friedensdemonstrationen als die 5. Kolonne des Feindes betrachtet werden, was zwar immer noch nicht eine Mehrheit glaubt, aber so viele Menschen wie bisher nie. Und mit dabei: die Führung der einstigen „Friedenspartei“ ‚Die Grünen‘.
Titelbild: Radovan1 / Shutterstock