An diesem Wochenende findet in München die 59. Münchner Sicherheitskonferenz statt. Themen sind unter anderem die Politik des Westens gegenüber Russland und Iran. Dabei sind keine diplomatischen Annährungen zu erwarten, da Vertreter Russlands und des Iran bereits im Vorfeld ausgeladen wurden. Dies empfindet ein NachDenkSeiten-Leser aus dem Iran[*] im folgenden Gastartikel als fehlgeleitete Symbolpolitik und plädiert stattdessen für Diplomatie und Dialog.
Die Münchener Sicherheitskonferenz verpasst gerade die Chance, sich als ein international führendes Forum für Debatte über Sicherheitsfragen und für Frieden in der Welt zu beweisen. Traditionell sollen bei der Tagung internationale Krisen, wie momentan z.B. der Ukraine-Krieg, oder wichtige internationale Sicherheitsfragen wie die Wiederbelebung des JCPOA, der die Aufhebung der Sanktionen gegen Iran im Austausch gegen die Kontrolle des iranischen Nuklearprogramms vorsah, in einem offenen Streit und im Gespräch entschärft bzw. gelöst werden. Man lädt aber Russland und Iran erst gar nicht ein.
Anders bei einer diplomatischen Festveranstaltung, bei der oft dem Wunsch des Gastgebers gemäß persönliche Einladungen verschickt oder Gäste mit einer entsprechenden Begründung und jenseits diplomatischer Gepflogenheiten von der Liste gestrichen werden, um z.B. eine symbolische Geste zu setzen, ist eine Sicherheitskonferenz mit einer langen Tradition wie die MSC kein richtiger Platz für „Symbolpolitik“. Mit dem Ausladen bestimmter Teilnehmer schadet man nicht nur dem Ruf der Konferenz auf der internationalen Bühne, sondern auch der „Streitkultur“, die m.E. zu der Außendarstellung des politischen Systems in Deutschland gehört. Erwartet werden im Bayerischen Hof in München kritische Auseinandersetzungen mit diversen außenpolitischen Positionen; vor allem mit Ländern, die ein großer Teil der Lösung bei Sicherheitsfragen sind, die momentan die Lage der Weltpolitik ausmachen. Dass mit diesem Verhalten eine realistische Sichtweise beim Umgang mit dem Weltgeschehen ausbleibt, klingt sehr enttäuschend.
Die MSC war nie „neutral“ und immer „transatlantisch“, trotzdem oft eine Plattform zur kritischen Diskussion. Die diesjährige Tagung ähnelt aber eher einem Parteitag, an dem sich größtenteils Vertreter einer mehr oder weniger gleichen Meinung zusammenfinden und die Gelegenheit nutzen, um Zusammenhalt zu demonstrieren, nur weil dies gerade im heutigen „Systemwettbewerb“ für notwendig gehalten wird. Das führt sicherlich zu einer noch verstärkten außenpolitischen Polarisierung in der Welt und spiegelt auch nicht die Gemütslage unserer Welt wider, in der Frieden so zerbrechlich ist wie nie zuvor.
Mit Blick auf die sehr kritische Haltung, die die deutsche Außenpolitik in den letzten Monaten dem Iran und Russland gegenüber zeigte, lag bereits im Vorfeld die Vermutung nahe, dass die Leitung der MSC, beeinflusst von dieser offiziellen Politik, die beiden Ländern ausschließen wird. Auch wenn die Iraner dies für sehr wahrscheinlich hielten, hatten sie trotzdem immer noch eine kleine Hoffnung auf einen Sieg der Diplomatie. Ironisch könnte man sagen: Klüger und zugleich diplomatischer wäre daher gewesen, wenn die Organisatoren diese Länder erst sehr kurz vor dem Beginn der Konferenz ausgeladen hätten. Das wäre die stärkere Sympolpolitik gewesen.
Nun besteht die ernsthafte Gefahr, dass es kein Hindernis mehr gibt, das die Hintermänner dieser Einscheidung davon abhält, die normalerweise geschätzte MSC zu einem Schauplatz der Eindimensionalität, einseitigen Argmentationen und des gegenseitigen Applauses zu verwandeln.
Es gibt im MCS-Bericht 2023 Stellen, die die Widersprüche des „Westens“ deutlich aufzeigen. Man propagiert Bemühungen für die (Nuklear)abrüstung, rüstet aber zugleich im Rahmen einer „Zeitenwende“ massiv auf und freut sich darüber, dass die „demokratischen Nuklearmächte“ ihr Bekenntnis zur nuklearen Abschreckung bekräftigt hätten. Das sind Widersprüche, die die Realität darstellen und viele in der Welt anregen, nach „Alternativen“ zu suchen. Dass man ein bestimmtes Wertesystem instrumentalisiert, indem man dessen Maßstäbe selbst (nicht) einhält, wenn es die eigenen Interessen hergeben, ist ebenfalls eine Realität, die in der öffentlichen Meinung zunehmend spürbar wird. Länder wie Iran setzen auf eine dynamische Außenpolitik, um sich gegen die jahrelange Sanktionspolitik zu wehren, die aus der Überheblichkeit der „westlichen Demokratie“ resultiert. Der Staatsbesuch des iranischen Präsidenten in China in dieser Woche ist ein starkes Zeichen dafür. Das Ausladen aus der MSC kann daher auch als eine Selbstisolation aus Angst vor diesen Realitäten gedeutet werden.
Ohne Diplomatie und Dialog – und gar nicht mit mehr Waffen oder Sanktionen – lassen sich die Sicherheitsfragen nicht lösen. Sicherheit durch Dialog, nicht durch Symbolpolitik.
Titelbild: © MSC
[«*] Der Name des Lesers ist uns bekannt, wir verzichten jedoch auf dessen Wunsch hin auf die Nennung.