Zusammenspiel von Spiegel Online und Bild zu Gunsten der Spekulanten
Nehmen Sie an, Sie wären der Stratege einer großen Investmentbank, eines Hedgefonds oder der Deutschen Bank. Dann wissen Sie: Die großen Gewinne kommen nicht vom ordentlichen Bankgeschäft, sondern vom Mitspiel und Antreiben der Spekulation. Und dieses Spiel ist dann besonders sicher, wenn die Spekulationsgewinne staatlich abgesichert werden. Das ist dann besonders sicher, wenn Staaten oder staatliche Gemeinschaften aus übergeordneten Gründen gezwungen sind, zu intervenieren. Das trifft zum Beispiel auf Griechenland und die Eurozone zu. Deshalb ist es so lukrativ, die Spekulation in diesem Bereich immer wieder neu anzuheizen. Das geschieht auf vielfältige Weise und in Zusammenarbeit mit Medienpartnern und gefügigen Wissenschaftlern und anderen Experten. Albrecht Müller.
Spiegel Online veröffentlichte am Freitag, den 06. Mai 2011 um 17:40 Uhr einen Text mit der Überschrift „Pläne für eigene Währung“ und der Behauptung, Griechenland erwäge den Austritt aus der Euro-Zone.
Einen Tag später, am 07. Mai 2011 um 19:25 Uhr legte Spiegel Online zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit der Meldung vom Vortag nach – mit der Meldung „Top-Ökonom sieht in Euro-Aus für Griechenland kleineres Übel“ und folgendem Eingangstext:
„Die Euro-Finanzminister wiegeln nach Kräften ab, doch die Diskussion über einen Verbleib Griechenlands in der Währungsunion ebbt nicht ab. Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn ist der Ansicht, dass für das hochverschuldete Land der Austritt aus der Währungsunion das kleinere Übel wäre.“
Es steht außer Zweifel, dass die Situation für Griechenland und für die Europäische Union insgesamt und die Eurozone noch schwieriger würde, wenn Griechenland aus der Eurozone ausscheiden würde. (Dazu siehe auch hier) Um einen anderen Eindruck zu vermitteln wird der Prof. Sinn ins Feld geführt. Seine Glaubwürdigkeit gründet nicht auf seiner Leistung sondern auf einem gemachten guten Ruf. Die Bild-Zeitung hat ihn zum besten Ökonomen Deutschlands hoch geschrieben (hier und hier) und dies zufällig wenige Tage vor dem 6. Mai mit einer rührenden Homestory unterfüttert.
Dass Prof. Sinn ein guter Ökonom sei, ist ein Musterbeispiel dafür, wie stark man die Meinung über eine Sache oder über eine Person steuern und machen kann. Aus einer für viele Zwecke brauchbaren Person wurde ein Top-Ökonom gemacht – einer der im konkreten Fall der Krise um Griechenland bereit ist, die Spekulation ohne Rücksicht auf Verluste anzuheizen.
Im konkreten Fall weiß jeder verantwortungsvolle und verhandlungsbereite Politiker und Wissenschaftler, dass man unter keinen Umständen die Spekulation anheizen darf. Deshalb ist es auch verständlich, dass der Versuch gemacht worden ist, das Treffen in Luxemburg, von dem Spiegel online am 6. Mai berichtet hatte, zu dementieren. Das mag ungeschickt gemacht worden sein, aber solche Dementis, auch übrigens unwahre Behauptungen, sind üblich, wenn man damit Währungsspekulationen meint verhindern zu können. Insofern ist die Empörung über die so genannten Lügen der betroffenen Politiker abstrus.
Spiegel Online dreht den Spieß herum und greift den luxemburgischen Ministerpräsidenten und Vorsitzenden der Euro Gruppe wegen des Treffens in Luxemburg an. (Siehe hier am 09. Mai 2011 um 19:11 Uhr: „Umstrittene Euro-Politik – Juncker gerät wegen Geheimtreffen unter Beschuss“)
Das Spiel von Spiegel Online geht dann am 10. Mai 2011 um 06:20 Uhr mit einem Artikel, in dem dann versucht wird, Verständnis für die schwierige Situation Griechenlands zu erwecken, weiter:
„Spar-Schulden-Spirale. Griechenland droht das doppelte Desaster.
Griechenland steckt in einem gewaltigen Dilemma: Das Land muss sparen, um weiter Hilfe der Euro-Partner zu bekommen. Doch die Radikalkur würgt das Wirtschaftswachstum ab – und macht damit neue Schulden notwendig. Die Hoffnung auf ein rasches Ende der Krise war naiv.“
Dieser Artikel ist der Versuch, ein Stück Glaubwürdigkeit für das Medium Spiegel online zu erhalten. Aber auch er ist geeignet, die Spekulation am laufen zu halten. Er ist auch insofern interessant, als jetzt entdeckt wird, was man bei sachlicher Betrachtung von vornherein wissen konnte: dass nämlich der Griechenland ausgedrückte Sparkurs nicht zum Erfolg führen kann, weil damit Beschäftigung, Produktion und Produktivität gemindert wird. Nur wenn diese am laufen gehalten gesteigert werden, kommt Griechenland wieder auf die Beine und kann Schulden abbauen. Ohne reale Wertschöpfung geht das nicht. Dies alles wusste man.
Da ich mir nicht vorstellen kann, dass Spiegel online wie auch andere Medien und ihre Helfer in der Wissenschaft und unter den so genannten Experten und Ratingagenturen die Spekulation anheizen, weil sie die Probleme nicht durchschauen, bleibt nur der Schluss, dass sie sich in den Dienst der Profiteure der Spekulation stellen und eine Art von PR-Arbeit für die Spekulationsgeschäfte betreiben.
Es kann allerdings auch andere Auftraggeber geben: die USA haben vermutlich kein großes Interesse an einem stabilen Euro und einer eigenständigen Europäischen Union.