Stellungnahme Anhörung zur Unternehmensmitbestimmung von Heinz-Bontrup

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Heute gibt es eine Anhörung zum Thema im Ausschuss für Arbeit und Soziales. Prof. Dr. rer. pol. Heinz-J. Bontup hat uns seine schriftliche Stellungnahme zum Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Unternehmensmitbestimmung lückenlos garantieren“ (Drucksache 17/1413) und zum Antrag der SPD Fraktion: „Demokratische Teilhabe von Belegschaften und ihren Vertretern an unternehmerischen Entscheidungen stärken“ (Drucksache 17/2122) zur Verfügung gestellt. Albrecht Müller.

Prof. Dr. rer. pol. Heinz-J. Bontup
im Mai 2011

Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik

Deutscher Bundestag
Ausschuss für Arbeit und Soziales

An die Vorsitzende
Frau Katja Kipping

Schriftliche Stellungnahme zur Anhörung im Deutschen Bundestag am 09.05.2011 im Ausschuss für Arbeit und Soziales

Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Unternehmensmitbestimmung lückenlos garantieren“ (Drucksache 17/1413)

Antrag der SPD Fraktion: „Demokratische Teilhabe von Belegschaften und ihren Vertretern an unternehmerischen Entscheidungen stärken“ (Drucksache 17/2122)


Zusammenfassendes Ergebnis

Das vergegenständlichte, erst durch menschliche Arbeit entstehende, Kapital wird in Deutschland, aber auch in der Europäischen Union, verfassungsrechtlich mehr geschützt, als der Mensch.

Mitbestimmung liegt in Deutschland in Form des Betriebsverfassungsgesetzes (betriebliche Mitbestimmung durch Betriebsräte) in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienst in Form des Personalvertretungsrechtes durch Personalräte vor. Mitbestimmung beschränkt sich hier aber lediglich auf eine soziale Mitsprache, die sich aus dem grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzip ableitet. Eine echte (paritätische) wirtschaftliche Mitbestimmung ist im Betriebsverfassungsgesetz (trotz der §§ 106ff. BetrVG „wirtschaftliche Angelegenheiten“) ausgeschlossen.

Auf der Unternehmensebene findet in Deutschland durch Aufsichtsräte eine Mitbestimmung statt. Hier liegen drei Gesetze vor: das Montanmitbestimmungsgesetz von 1951, das Mitbestimmungsgesetz von 1976 und das Drittelbeteiligungsgesetz von 2004. Hinzu kommen auf europäischer Ebene der „Europäische Betriebsrat“ und die „Europäische Gesellschaft“ (SE). Auch hier kann nur beim Montanmitbestimmungsgesetz von einer wirklichen (echten) paritätischen Mitbestimmung zwischen Kapital und Arbeit gesprochen werden. Alle anderen Gesetze implizieren eine Scheinmitbestimmung, bei der am Ende eines Diskussions- und Abstimmungsprozesses immer die Entscheidungsgewalt einseitig beim Kapital liegt.

Die von der Faktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag vorgelegten Anträge zum Ausbau der unternehmensbezogenen Mitbestimmung weisen zwar in die richtige Richtung. Aber selbst bei vollständiger Umsetzung der Anträge in Gesetzesform könnte damit auch in Zukunft nicht von einer Wirtschaftsdemokratie in Deutschland gesprochen werden. Die bestehende, aber nicht akzeptable, gesellschaftliche Dichotomie zwischen einem demokratisch verfassten staatlichen Sektor und einer vom Kapital einseitig (final) beherrschten Wirtschaft würde nicht aufgehoben.

Wirtschaftsdemokratie ist wesentlich mehr als nur Mitbestimmung auf der betrieblichen oder unternehmensbezogenen Mikroebene der Wirtschaft. Ohne eine gleichzeitige Demokratisierung der Marktebene und der gesamtwirtschaftlichen Makroebene liegt keine umfassende (holistische) Wirtschaftsdemokratie vor. Die vorliegenden Anträge gehen hierauf aber in keiner Weise ein und sind somit als völlig unzureichend einzustufen.
Die Anträge berücksichtigen auch nicht, dass Mitbestimmung auf der Mikro- bzw. einzelwirtschaftlichen Ebene unvollkommen bleibt, wenn nicht gleichzeitig eine adäquate (äquivalente) Verteilung der unternehmensbezogenen Wertschöpfung zwischen Kapital und Arbeit ordnungstheoretisch festgelegt wird. Dazu gehört auf der Marktebene einer Wirtschaftsdemokratie die Determinierung einer nicht – wie heute – unterminierbaren Tarif- und Arbeitsmarktpolitik und auf der unternehmensbezogenen Mikroebene die zusätzliche Bestimmung einer Gewinn- und/oder Kapitalbeteiligung.

Die vorgelegten Anträge sind außerdem in der Sache unvollständig und müssen im Wege eines Gesetzgebungsverfahrens wesentlich konkreter abgefasst und bestimmt werden.

Begründung: Keine verfassungsrechtlich abgesicherten Mitbestimmungsrechte

Anders als in der Weimarer Reichsverfassung (Art. 130 Abs. 2, 165 Abs. 2) enthält das Grundgesetz keine ausdrückliche Gewährleistung von ArbeitnehmerInnen-Interessenvertretungen, „aus der sich Anforderungen an die Mitbestimmung in sozialen, personellen und wirtschaftlichen bzw. organisatorischen Angelegenheiten herleiten lassen. Das gilt für die Privatwirtschaft und den öffentlichen Dienst gleichermaßen. Allein die Länderverfassungen sehen Arbeitnehmervertretungen vor und garantieren damit einen Kernbereich an Mitspracherechten. Auch aus dem übergeordneten Europäischen Gemeinschaftsrecht lassen sich keine Vorgaben entnehmen. Die europäischen Mitgliedstaten halten sich auf diesem Gebiet wegen ihrer unterschiedlichen nationalstaatlichen Vorstellungen noch zurück. Das kollektive Europäische Arbeitsrecht zählt zu den am wenigsten entwickelten Gebieten des Europäischen Arbeitsrechts. Die Maastrichter Verträge verpflichten die Mitgliedstaaten nur, die Beteiligung der Arbeitnehmer einschließlich des öffentlichen Dienstes zu regeln.

Darüber hinaus sind die Auswirkungen des Europäischen Arbeitsrechts auf die Betriebsverfassung und das Personalvertretungsrecht bislang punktuell. Daran hat auch die Einführung Europäischer Betriebsräte nichts geändert.“ [1]

Trotz der fehlenden verfassungsrechtlich abgesicherten Mitbestimmungsrechte ist das Recht der ArbeitnehmerInnen auf Mitbestimmung in Betrieben, Unternehmen und staatlichen Einrichtungen aber unstreitig. Dies läßt sich schon aus Artikel 1 Abs. 1 GG (Wahrung der Menschenwürde) ableiten. Dem steht aber verfassungsrechtlich die Eigentumsgarantie des Artikels 14 Abs. 1 S. 1 GG entgegen. „Sie erfasst alle vermögenswerten Rechte unter Einschluss der mit ihnen verbundenen Verfügungsmacht und daher auch die Verfügungsgewalt der Inhaber wirtschaftlicher Unternehmen. Sie schützt die Unternehmer gegen Akte staatlicher Wirtschaftsplanung und sichert ihre Dispositionsfreiheit über das dem Betrieb zugeordnete Eigentum. Dazu gehört die Gründungs- und Tätigkeitsfreiheit. Der Unternehmer bestimmt die Rechtsform des Unternehmens und darf es nach seinen Zweckmäßigkeitserwägungen betreiben. Ihm steht die Nutzung seines Eigentums an den Produktionsmitteln zu. Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet die Wirtschaftsfreiheit als unternehmerische Dispositionsfreiheit. Dem Arbeitgeber dürfen keine Leitungsbefugnisse entzogen werden. Die Mitbestimmungsfreiheit unternehmerischer Entscheidungen wird ferner auf die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) gestützt. Sie ist das Leitprinzip der Betriebsverfassung und stellt klar, dass der Betriebsrat mangels eigener Verantwortung für das Unternehmen nicht zum Mitunternehmer werden darf. Beteiligungsrechte dürfen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit nur insoweit beeinträchtigen, als es der Sozialstaatsgedanke des Grundgesetzes erfordert.“ [2]

Daher beschränkt sich kollektive Mitbestimmung der abhängig Beschäftigten (über demokratisch gewählte Repräsentativorgane wie Betriebs-, Personal- und Aufsichtsräte) in Deutschland, aber auch in der Europäischen Union, auf soziale Angelegenheiten, sie darf nicht zu einer wirtschaftlichen Mitbestimmung führen, die die Dispositionsfreiheit der Unternehmer aushebelt. Dies gilt verfassungsmäßig nicht nur für die betriebliche, sondern auch für die unternehmensbezogene Mitbestimmung.

Eine wirkliche (echte) paritätische wirtschaftliche Mitbestimmung zwischen Kapital und Arbeit (sieht man von den Bestimmungen im deutschen Montanmitbestimmungsgesetz ab) ist damit nicht gegeben. Soll demnach eine uneingeschränkte demokratisch verfasste Unternehmenswirtschaft umgesetzt werden, so muss es zu einer sauberen verfassungsrechtlichen Lösung kommen, die Arbeit und Kapital in den Betrieben und Unternehmen als gleichberechtig bei der Ausübung aller betriebswirtschaftlichen Funktionen einstufen.

Tote Materie (Kapital) gilt mehr als der Mensch

In der verfassungsrechtlichen Diktion gilt heute letztlich das Kapital (= tote Materie in Form von produzierten Produktionsmitteln) mehr als der arbeitende Mensch in den Unternehmen. Eine demokratisch verfasste Wirtschaft liegt so im Ergebnis nicht vor. Diese wurde schon immer von den Kapitaleigentümern vehement abgelehnt. Von diesen kommen im Hinblick auf den „Faktor“ Arbeit in den Unternehmen allenfalls phrasenmäßige Äußerungen, wie „die MitarbeiterInnen sind das Wichtigste im Unternehmen“ oder „das Herz des Unternehmens schlägt durch die Menschen“ oder ähnliches. Würde man solche Aussagen ernst nehmen können, so müsste man fragen: Und wieso haben dann die Beschäftigten in den Unternehmen keine zumindest gleichberechtigte Mitsprache und warum partizipieren sie nicht gleichwertig an der ganzen Wertschöpfung der Unternehmen? Ganz einfach: die abhängig Beschäftigten sind unter marktwirtschaftlich-kapitalistischen Bedingungen eben Abhängige. Abhängig vom Eigentum des Kapitals. Sie bleiben trotz aller „Sonntagsreden“ lediglich „Produktionsfaktoren“ bzw. „Human Ressourcen“ zur Erzielung maximaler Unternehmergewinne.

In der Wirtschaft herrscht das „Investitionsmonopol des Kapitals“ (Erich Preiser), das sich aus dem Eigentum an den Produktionsmittel ableitet. Hierdurch hat das Kapital in den Unternehmen die Entscheidungsmacht.
Wer darüber einseitig bestimmt, wie, wann und wo investiert wird, der herrscht auch über die Beschäftigten in einem Unternehmen, die letztlich von den Investitionen abhängig sind. Dies wissen wir nicht erst seit dem spektakulären Nokia-Fall.

In neoliberaler Diktion trat noch eine Verschärfung ein

Der grundsätzliche Tatbestand des „Investitionsmonopols“ hat sich unter der Diktion eines neoliberalen (marktradikalen) Regimes ab Mitte der 1970er Jahre noch zunehmend verschärft. In den Unternehmen dominiert dadurch heute das Kapital im Sinne einer Shareholder-Value-Doktrin, die bei Investitionen nur noch die kurzfristige Profitmaximierung gegen alle Stakeholder eines Unternehmens umzusetzen versucht. Gewinn ist hier außerdem im Rahmen eines unternehmerischen arbeitsteiligen Wertschöpfungsprozesses nicht mehr ein ex-post Residuumeinkommen, sondern ein ex-antes (maximiertes) Unternehmer- bzw. Kapitaleigentümereinkommen. Insbesondere das Arbeitsentgelt, in marktwirtschaftlich-kapitalistischen Ordnungen ein vor der Produktion determiniertes Kontrakteinkommen, wurde so (mit Ausnahme der Managerbezüge) zu einem Resteinkommen degradiert.

Die empirischen Befunde dieser neoliberalen Doktrin sind dabei evident:

Die ArbeitnehmerInnen partizipieren schon lange nicht mehr an den von ihnen geschaffenen Werten und Produktivitäten. Die Bruttolohnquote ist massiv verfallen. Auf Basis der Ist-Verteilung des Volkseinkommens zwischen Kapital und Arbeit von 1993 haben die ArbeitnehmerInnen von 1991 bis 2010 über 1,1 Billionen Euro an Lohn- und Gehaltseinbußen zu Gunsten der Unternehmens- und Vermögenseinkommen hinnehmen müssen.

Auch die Nettolohnquote (= Bruttolohnquote nach staatlicher Umverteilung durch Steuern und Abgaben) ist von 1991 bis 2010 dramatisch von 48,1 Prozent auf 39,4 Prozent verfallen. Das heißt, Politik hat nicht im Duktus einer „Sozialen Marktwirtschaft“ die marktbezogene Primärverteilung entsprechend rektifiziert, sondern Politik hat die Verteilung zu Lasten der ArbeitnehmerInnen noch verschärft.

Das Vermögen der Deutschen ist völlig ungleich verteilt. 10 Prozent der erwachsenen Bevölkerung gehören vom gesamten Nettovermögen rund 61 Prozent. Der Gini-Koeffizient bezüglich der Vermögensverteilung lag 2007 bei 0,799.

Gleichzeitig herrscht Massenarbeitslosigkeit und viele Millionen, die noch Arbeit haben, können von ihrer Arbeit nicht leben. Das Prekariat ist dramatisch gestiegen. Jedes sechste Kind wächst in Armut auf und in fast jeder Stadt gibt es heute „Suppenküchen“ und „Warenkaufhäuser“ für Arme.

Begründungen und Ablehnungen für und gegen Mitbestimmung sind nicht entscheidend

Die heute vorgetragenen Argumente für und gegen Mitbestimmung sind ökonomisch nicht die entscheidenden. Sicher ist es richtig und wichtig, dass Mitbestimmung für Ruhe und Ordnung in den Betrieben und Unternehmen durch mehr Transparenz und notwendige Begründungen bei Entscheidungen sorgt und dass die Motivation und Arbeitsproduktivität der Beschäftigten gesteigert wird. Auch ist heute verifiziert, dass Mitbestimmung keine negativen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit, die Innovationskraft oder Rentabilität und den Wert von Unternehmen hat. [3] Ökonomisch viel wichtiger und entscheidend als Begründung für eine wirklich paritätische Mitbestimmung zwischen Kapital und Arbeit ist dagegen der Tatbestand, dass eine Ungleichheit zwischen Kapital und Arbeit ökonomisch nicht begründbar ist. Ohne menschliche Arbeit geht in der Wirtschaft nämlich gar nichts.

Ohne hier die arbeitswerttheoretische Betrachtung der klassischen Ökonomie von Adam Smith über David Ricardo, Karl Marx bis John Stuart Mill zu bemühen, ergibt sich auch aus der neoklassischen (beschränkt substitutionalen) Produktionsfunktion Y = Y (K, A), das nur mit einem Produktionsfaktor (Arbeit A oder Kapital K) kein wirtschaftlicher Output zu erzielen ist:

Y (K, 0) = 0; Y (0, A) = 0

Kapital und Arbeit sind als wirtschaftliche „Faktoren“ somit auf einander angewiesen. Kein Unternehmer, kein vom Kapital eingestellter Manager, sieht man vom wenig entwicklungsfähigen Solo-Unternehmer einmal ab, ist in der Lage ein Unternehmen als Ganzes abzubilden. Es ist deshalb ökonomisch geradezu lächerlich, dem Unternehmer (Manager) die entscheidende und auch wichtigste Größe, oder sogar die wertschaffende Größe, in einem Unternehmen zuzuordnen. Unternehmer ohne Beschäftigte können so gut wie nichts produzieren, keine wesentliche Wertschöpfung generieren und können schon gar nicht entscheidend wachsen. Auch Innovationen entspringen heute in einer hoch komplizierten und komplexen Welt nicht mehr dem Gehirn eines Einzelnen, sondern sind arbeitsteilige Ergebnisse von Teams in Forschungs- und Entwicklungsabteilungen. Ein Unternehmen ohne Beschäftige ist demnach überhaupt kein Unternehmen. Allenfalls eine Ausstellung materieller Gegenstände, wie in einem „Museum“.

Die Gleichberechtigung von Arbeit und Kapital ist also unabhängig von der jeweiligen Ordnungsform auch in einer marktwirtschaftlich-kapitalistischen Wirtschaft als naturgegeben zu betrachten, selbst wenn dies bis heute Unternehmer bzw. Kapitaleigner und ihnen nahestehende Parteien und Politiker aus ideologischen Interessengründen nicht akzeptieren wollen. Und auch das immer wieder vorgetragene Scheinargument eines risikobeladenen Kapitalverwertungsprozesses, den allein der Unternehmer mit seinem Kapital zu tragen habe, gilt allenfalls für den originären Geldkapitalvorschuss bei Gründung einer Unternehmung. Schon Adam Smith stellte diesbezüglich 1776 fest: Die Arbeitskraft ist die „Quelle allen Wohlstands“ und allein menschliche Arbeit kann vergegenständlichtes Kapital erzeugen und es in der Produktion und Reproduktion wirksam werden lassen.

„Die jährliche Arbeit eines Volkes ist die Quelle, aus der es ursprünglich mit allen notwendigen und angenehmen Dingen des Lebens versorgt wird, die es im Jahr über verbraucht. Sie bestehen stets entweder aus dem Ertrag dieser Arbeit oder aus dem, was damit von anderen Ländern gekauft wird“.

Nur durch Gewinn entsteht vergegenständlichtes Kapital. Und die Quelle allen Gewinns ist nichts anderem als dem ökonomischen Tatbestand geschuldet, das die menschliche Arbeit mehr produziert als zu ihrem Unterhalt erforderlich ist und jeder Kapitaleigner (Unternehmer) sich genau diese Differenz als Überschussprodukt (Mehrwert), als sein zuwachsendes Kapital, aneignet.

Hinzu kommt, dass bei einer mystifizierenden Kapitalrisiko-Rechtfertigungsideologie immer die beträchtlichen Risiken der ArbeitnehmerInnen im Kapitalverwertungsprozess übersehen bzw. nicht berücksichtigt werden. Von Gesundheits- und Lebensgefährdungen über Dequalifizierungsprozesse von Arbeitsvermögen bis zu Risiken bei wirtschaftlichen Problemen des sie beschäftigenden Unternehmens. Hier werden von den ArbeitnehmerInnen schließlich erhebliche Zugeständnisse abverlangt; beim Entgelt, der Arbeitszeit und bei sozialen Leistungen. In der Regel gehen Krisensituationen zudem mit Beschäftigungsabbau und damit mit dem Verlust der bisherigen materiellen Existenzgrundlage der betroffenen ArbeitnehmerInnen und ihrer Familien einher.

In Conclusio bedeutet dies für die ökonomische Mikroebene:

  1. Der Unternehmenssektor muss durch eine echte paritätische Mitbestimmung in seinen betriebswirtschaftlichen Funktionen ausgesteuert werden.
  2. Die Beschäftigten müssen gleichberechtigt an der gesamten unternehmerischen Wertschöpfung, auch über Gewinn- und/oder Kapitalbeteiligungen partizipieren.

Was ist dazu im Einzelnen notwendig? In Anbetracht der beiden vorgelegten Anträge zum Ausbau der unternehmensbezogenen Mitbestimmung beschränkte ich mich im Folgenden auf Ausführungen im Hinblick auf eine immaterielle Partizipation, auf eine unternehmensbezogene und betriebliche Mitbestimmung. Gleichzeitig mache ich darauf aufmerksam, dass dies aber noch keine hinreichende Bedingung für ein notwendig umzusetzendes holistisches wirtschaftsdemokratisches Konzept ist.

Deshalb fehlen auch in den Anträgen der Fraktion der SPD und der Fraktion DIE LINKE neben der Makro- und Marktebene [4] auch auf der Mikroebene die Beschreibung einer adäquaten materiellen Partizipation der abhängig Beschäftigten an den Unternehmensergebnissen, die über den durch nicht unterminierbaren (abgesicherten) Tarifverträgen abgeschöpften gesamtwirtschaftlichen verteilungsneutralen Spielraum in Form einer expansiven Einkommenspolitik hinausreicht. Eine solche notwendige materielle Partizipation geht aber nur durch eine gesetzlich verankerte Gewinn- und/oder Kapitalbeteiligung der abhängig Beschäftigten. [5] Ansonsten „schenken“ die abhängig Beschäftigten den Unternehmern und Kapitaleignern die, wie schon ausgeführt, entscheidenden Investitionsgüter, wie es Oswald von Nell-Breuning in seinem 1960 erschienenen Buch „Kapitalismus und gerechter Lohn“ treffend zum Ausdruck brachte:

„In unserer Wirtschaft werden sowohl Konsumgüter als auch Kapital- oder Investitionsgüter produziert; die ersteren gehen, wie ihr Name besagt, in den Verbrauch, die letzteren dienen langfristiger Nutzung, für Wohnhäuser und dergleichen, oder dienen selbst wieder der Produktion, für Fabriken, Maschinen usw. An der Erzeugung beider Arten von Gütern wirken die Arbeitnehmer mit; für die Arbeitsleistung in diesen beiden Zweigen der Produktion zahlen die Unternehmer ihnen Arbeitslohn; dieser Arbeitslohn erscheint in der Erfolgsrechnung der Unternehmer als Kosten. Verwenden die Arbeitnehmer nun den ganzen Arbeitslohn zum Kauf der geschaffenen Verbrauchsgüter, so heißt das: die Unternehmer erhalten die ganze von ihnen als Kosten aufgewendete Lohnsumme zurück und geben dafür nur die produzierten Konsumgüter ab; die neugeschaffenen Kapital- oder Investitionsgüter verbleiben ihnen sozusagen gratis und franko. Man könnte das auch so ausdrücken: die Arbeitnehmer schenken den Unternehmern die Kapital- oder Investitionsgüter und sind zufrieden, als Entgelt für ihre Leistung im Produktionsprozeß denjenigen Teil der produzierten Güter zu erhalten, der in Konsumgütern besteht. Auf diese Weise werden die Unternehmer reicher und reicher, die Arbeitnehmer bleiben Habenichtse.“ [6]

Ein neues unternehmerisches Mitbestimmungsmodell

Sollen die Unternehmen demokratisiert werden, so ist die gegebene Trennung zwischen Kapital und Arbeit durch ein echtes paritätisches Mitbestimmungsmodell aufzuheben. Schon die 1966 von der großen Koalition aus SPD und CDU/CSU eingerichtete Mitbestimmungs-Kommission [7] stellte fest, dass Mitbestimmung sachlich notwendig ist und sich aus „dem besonderen rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Charakter des Arbeitsverhältnisses ableitet“. Im Gegensatz zu einer mitbestimmungsfeindlichen Entwicklung und Kultur wird deshalb im Folgenden – aufbauend auf den skizzierten Erkenntnissen – ein alternatives Referenzmodell entwickelt und vorgeschlagen, das zu einer wirklichen Mitbestimmung und Partizipation führen würde. Das Modell deckt dabei gleichzeitig die Schwächen der beiden von der SPD und DIE Linke eingebrachten Mitbestimmungsanträge auf.

Zunächst ist einmal zu konstatieren: Mitbestimmung im Sinne einer hier postulierten Demokratisierung der Einzelwirtschaft ist nicht teilbar. Daher sind die heute nebeneinander bestehenden unternehmerischen Mitbestimmungsgesetze (Montangesetz, Drittelparität, 1976er Mitbestimmung) abzuschaffen und durch ein einheitliches neues unternehmensbezogens Mitbestimmungsgesetz zu ersetzen. Die in diesem Kontext entstehenden Kardinalfragen lauten:

  • Ab welcher Unternehmensgröße und in welcher Rechtsform soll ein Aufsichtsrat als Mitbestimmungsorgan eingerichtet werden? Hier heißt die normative, auf die Unternehmensgröße abstellende Antwort: in allen Unternehmen mit mehr als ständig 500 Beschäftigten (ohne Auszubildende), unabhängig von der Rechtsform und der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Branche. Personengesellschaften, die den Schwellenwert von 500 Beschäftigten erfüllen, sind dabei in Kapitalgesellschaften umzuwandeln.
  • Alle Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern unterliegen dagegen den ausschließlichen Rechtsbestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes, allerdings unter Berücksichtigung einer auch hier zu schaffenden Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten.
  • Für in Deutschland ansässige Unternehmen mit ausländischer Rechtsform wie der britischen „Limited“ oder der niederländischen „B.V.“ sowie der europäischen „SE“, gelten uneingeschränkt die deutsche unternehmensbezogene und betriebliche Mitbestimmung.
  • In Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern soll der Aufsichtsrat weitgehend nach dem heutigen Gesetz der Montanmitbestimmung festgelegt werden. Dies schließt eine paritätische (quantitative) Zusammensetzung zwischen Kapital und Arbeit im Aufsichtsrat ein, allerdings ergänzt um einen staatlichen Vertreter mit Beratungs-, Beobachtungs- und Informationsstatus, aber ohne Stimmrecht, ab einer Unternehmensgröße von 2.000 Beschäftigten. Auch sollen in Unternehmen ab 2.000 ArbeitnehmerInnen Umweltschutz- und Verbraucherschutzverbände einen Beratungs-, Beobachtungs- und Informationsstatus erhalten.
  • Weiter soll, wie heute in der Montanmitbestimmung, die „Pattauflösung“ bei möglichen Kampfabstimmungen durch ein weiteres, neutrales Mitglied erfolgen. Die „neutrale Person“ ist dabei einvernehmlich zwischen den stimmberechtigten Mitgliedern des Aufsichtsrats zu bestellen. Beide Seiten können hierzu Wahlvorschläge machen.
  • Geht es in einem Konzern um Standortschließungen oder Verlagerungen sowie um Unternehmensfusionen, so ist nicht die Stimmabgabe des neutralen Mitglieds im Aufsichtsrat entscheidend, sondern eine Zweidrittelmehrheit notwendig.
  • Die Wahl der Vertreter der Anteilseigner im Aufsichtsrat findet durch die Versammlung der Gesellschafter statt; die Wahl der Vertreter der Beschäftigten durch die Belegschaft und die im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften. [8] An welche Personen die Mandate gehen, soll nicht wie bisher durch das Gesetz bestimmt werden, sondern den jeweiligen Wahlgremien autonom überlassen bleiben.
  • Die besondere Rechtsposition des leitenden Angestellten, heute nur im 1976er Mitbestimmungsgesetz gegeben, ist im einheitlichen Mitbestimmungsgesetz nicht vorgesehen.
  • Die quantitative (stimmberechtigte) Größe des Aufsichtsrats – gestaffelt nach Unternehmensgrößen – ist wie folgt festzulegen: Unternehmen von 500 bis 2000 Beschäftigte 11 Mitglieder, von 2001 bis 5000 Beschäftigte 15 Mitglieder und von 5001 und mehr Beschäftigte 21 Mitglieder.
  • Dem Leitungsorgan (Vorstand/Geschäftsführung) muss außerdem, wie im Montanmitbestimmungsgesetz, neben einem kaufmännischen und einem technischen Vorstandsmitglied ein gleichberechtigtes Mitglied als Arbeitsdirektor angehören. Die Berufung/Abberufung des Arbeitsdirektors auf Vorschlag der im Aufsichtsrat vertretenden Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaften sollte hier allerdings abweichend zur heutigen Montanmitbestimmung ausschließlich im Machtbereich der Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat liegen. Dafür bestimmt die Kapitalseite autonom über die beiden anderen Vertreter des Leitungsorgans. Der Geschäftsbereich des Arbeitsdirektors umfasst dabei nicht nur Personal und Soziales, sondern auch den Umweltschutz im Unternehmen, der nicht mehr losgelöst vom Arbeitsschutz gesehen und zielorientiert ausgesteuert werden kann. Umfasst das Leitungsorgan einschließlich des Arbeitsdirektors mehr als drei Mitglieder, so hat über jede weitere Berufung oder Abberufung eines Vorstands- oder Geschäftsführungsmitglieds der Aufsichtsrat als Ganzes mit einfacher Mehrheit zu entscheiden. Können die Parteien sich nicht einigen, entscheidet die „neutrale Person“.

Mit dieser Rahmenfestlegung für eine wirkliche paritätische Unternehmensmitbestimmung ist es aber nicht getan. Hierzu gehört wesentlich auch in Aktiengesellschaften die Aufhebung des so genannten Letztentscheidungsrechts der Kapitalanteilseignerversammlung gemäß § 111 Abs. 4. Aktiengesetz, durch das heute letztlich alle Entscheidungen des Aufsichtsrat vom Kapitaleigner wieder aufgehoben und für nichtig erklärt werden können. Im Gegensatz dazu muss der Aufsichtsrat mit Ausnahme von unternehmerischen Satzungsänderungen, von Kapitalerhöhungen und Kapitalherabsetzungen das Letztentscheidungsrecht haben.

Außerdem müssen die Informations- und Kontrollrechte des Aufsichtsrates gegenüber dem Vorstand/Geschäftsführung nachdrücklich gestärkt werden. Dazu muss gesetzlich bestimmt werden, dass der Aufsichtsrat in einem Geschäftsjahr sechs Mal zusammen kommt. Zu den Sitzungen ist spätestens zwei Wochen vorher mit Tagesordnung, d.h. konkreter Benennung der anstehenden Themen und der zu fassenden Beschlüsse, einzuladen. Den Tagesordnungspunkten sind als Grundlage für eine Entscheidungsfindung ausführliche und inhaltlich aufbereitete und nachvollziehbare Unterlagen beizufügen. Dazu gehört selbstverständlich auch die Zusendung und Überlassung des Wirtschaftsprüferberichtes sowie die Teilnahme des Wirtschaftsprüfers an der jeweiligen Bilanz-Aufsichtsratssitzung. In Abweichung zum heutigen Recht ist außerdem der Abschlussprüfer nicht von der Anteilseignerseite zu bestimmen und der Prüfungsauftrag nicht von Vorstand oder Geschäftsführung zu erteilen, die ja gerade geprüft werden sollen, sondern vom Aufsichtsrat. Außerdem sollte zur Vermeidung eines Prüfungsschlendrians mindestens alle drei Jahre der Wirtschaftsprüfer gewechselt werden. Wichtig ist auch, dass die Vorstandsgehälter nicht von einem Aufsichtsratspräsidium, sondern von allen Mitgliedern des Aufsichtsrates festgelegt werden.

Bei der Konstituierung des Aufsichtsrats gibt sich dieser eine Geschäftsordnung, die nicht durch die Satzung der Kapitaleigner beeinflusst sein darf, und legt einen Leitfaden zur Effizienzprüfung des Aufsichtsrates fest. Hierzu gehört auch die Festlegung der Rechte eines einzelnen oder von mehreren Aufsichtsratsmitgliedern. Auf jeden Fall muss hier bestimmt werden, dass ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied die Möglichkeit haben muss, außerordentliche Sitzungen durch den Aufsichtsrats-Vorsitzenden, der alle zwei Jahre alternierend von der Kapital- und Arbeitnehmerbank gestellt wird, einberufen zu lassen und einzelne Tagesordnungspunkte durchzusetzen. Außerdem ist das Einholen von Gutachten oder die Einbeziehung von Sachverständigen zu ermöglichen, wenn dies von einem Drittel der Aufsichtsratsmitglieder gewünscht wird.

Durch die Festlegung einer Geschäftsordnung für Vorstand oder Geschäftsführung muss der Einfluss auf das Leitungsorgan durch den Aufsichtsrat in Zukunft wesentlich ausgeweitet und verbessert werden. Dabei sollte der Grundsatz gelten: Das Leitungsorgan führt die operativen Geschäfte und entwickelt die strategischen Planungen und legt diese aufbereitet mit entsprechenden nachvollziehbaren Unterlagen zur Beschlussfassung dem Aufsichtsrat vor. Dabei ist einmal im Geschäftsjahr nach schriftlicher Vorlage eine umfassende Strategiediskussion über die unternehmerische Mittel- und Langfristplanung im Aufsichtsrat zu führen. Der allgemeine Berichtsumfang des Leitungsorgans hat außerdem mindestens zu umfassen

  • die beabsichtigte Geschäftspolitik und die sich daraus ergebende Unternehmensplanung (insbesondere die Finanz-, Investitions- und Personalplanung),
  • den Gang der laufenden Geschäfte, insbesondere die Umsatz-, Kosten- und Ergebnisentwicklung sowie die Liquiditätslage und die Rentabilität des Unternehmens.

Daneben legt die Geschäftsordnung des Leitungsorgans einen Mindestkatalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte sowie dessen regelmäßige Überprüfung und Anpassung durch den Aufsichtsrat fest. Absolut unverzichtbar sind dabei Einzelprojekte, deren Summe einen bestimmten Prozentanteil (z.B. 5 Prozent) des gezeichneten Kapitals übersteigt, Stilllegungen von Betriebsteilen oder Abteilungen, Outsourcingmassnahmen, rechtliche und organisatorische Unternehmensumwandlungen (z.B. in Cost- oder Profitcenter), Unternehmenskäufe oder -verkäufe. Auch ist die heute bestehende Geheimhaltungspflicht der Aufsichtsratsmitglieder für das unternehmerische Innenverhältnis abzuschaffen.

Wirtschaftliche Mitbestimmung auch im Betriebsverfassungsgesetz

Ähnlich wie bei Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern ist auch in den Unternehmen mit weniger Beschäftigten eine umfassende Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten gesetzlich festzuschreiben. Die wirtschaftliche Mitbestimmung in Unternehmen bis zu 500 Beschäftigten soll hier durch einen Wirtschaftsausschuss erfolgen. Ein solcher Ausschuss ist schon heute zur Unterstützung des Betriebsrates gemäß § 106 Abs. 1 BetrVG in Unternehmen mit mehr als einhundert ständig beschäftigten Arbeitnehmern vorgesehen. In Unternehmen mit weniger als einhundert Beschäftigten kann der Wirtschaftsausschuss durch eine freiwillige Betriebsvereinbarung errichtet werden. Wo das auf Grund der Unternehmensgröße nicht möglich ist, muss der Betriebsrat die Aufgaben des Wirtschaftsausschusses übernehmen.

Die dabei heute bestehenden Bestimmungen im Betriebsverfassungsgesetz reichen allerdings im Hinblick auf eine paritätische Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten nicht aus. Den Mitbestimmungsträgern (Betriebsrat und Wirtschaftsausschuss) stehen zwar weitreichende Unterrichtungs- und Beratungsrechte zu, aber keine wirklichen Mitbestimmungsrechte. Der Wirtschaftsausschuss in Unternehmen mit weniger als 500 und mehr als 100 Beschäftigten ersetzt quasi den Aufsichtsrat in Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und sollte aus fünf betrieblichen Vertretern und der Geschäftsführung bestehen. Auch hier haben sich die jeweiligen Vertreter auf Augenhöhe zu begegnen und sich in wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens zu beraten und zu entscheiden. Sollten sie hierbei keine einvernehmliche Entscheidung treffen können, so kann jede der beiden Seiten die Einigungsstelle gemäß § 76 Betriebsverfassungsgesetz zur endgültigen Entscheidung anrufen. Um hierbei keine unnötigen Zeitverluste zu haben, ist vorsorglich eine so genannte „permanente Einigungsstelle“ einzurichten.

Beratungsgegenstände im Wirtschaftsausschuss sind die organisatorische Struktur des Unternehmens, seine wirtschaftlichen Verflechtungen, die wirtschaftliche Lage und die Unternehmenspolitik in Form von Unternehmenszielen und -strategien. Zur permanenten Informationspflicht zählen dabei auch die Unterrichtung und die mitbestimmte Beratung über die folgenden geschäftlichen Unterlagen:

  • die kurz-, mittel- und langfristigen Unternehmensplanungen mit ihren wesentlichen Teilplanungen (Absatz-, Produktions-, Investitions-, Personal- und Finanzplanung);
  • die beabsichtigten oder geplanten Unternehmensstrategien im Hinblick auf Unternehmensübernahmen und Fusionen sowie
  • die viertel-, halb- und jährlichen Gewinn- und Verlustrechnungen sowie die Bilanzen, einschließlich des jährlichen Wirtschaftsprüferberichtes;
  • die monatlichen Liquiditätsrechnungen;
  • geplante Ausgründungen von Unternehmensteilen in Form von Profit Centern oder durch ein Outsourcing.

Darüber hinaus muss der Betriebsrat die Belegschaft in wirtschaftlichen Angelegenheiten durch eine offene Informationspolitik unterrichten. Dazu reichen die heute gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen gemäß § 110 Abs. 1 und 2 BetrVG in Form von in der Regel nichts sagenden schriftlichen Aushängen an „Schwarzen Brettern“ oder mündlichen Kurzberichten über Belangloses, aber auch die mündliche Unterrichtung auf Grund von § 42 Abs. 1 und 2 BetrVG auf Betriebsversammlungen nicht aus. Ergänzend muss mit den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat oder mit dem Wirtschaftsausschuss ein unternehmerisches Kennziffernsystem entwickelt werden, das die wirtschaftliche Realität abbildet. In regelmäßigen Abständen müsste dies allen Mitarbeitern des Unternehmens in den wesentlichen Größen (Umsatz-, Rentabilitäts- und Beschäftigungsentwicklung u.a.) zugänglich gemacht werden. Hierbei hat der Betriebsrat mit der Unternehmensleitung die Aufgabe, die Beschäftigten bei fehlendem Sachverstand soweit zusammenhängend zu unterrichten, dass sie die Daten verstehen können und sich in der Belegschaft Wissen aufbaut. Mit Sicherheit ist hier vor dem Hintergrund der Versäumnisse in der Vergangenheit eine ausführliche Qualifizierung bei den meisten Mitarbeitern notwendig.


[«1] Edenfeld, Stefan, Recht der Arbeitnehmermitbestimmung, 2. Aufl., Heidelberg 2005, S. 3

[«2] Edenfeld, Stefan, Recht der Arbeitnehmermitbestimmung, a.a.O., S. 6.

[«3] Zu den unterschiedlichen Forschungsergebnissen diesbezüglich vergleiche ausführlich: Kißler, Leo, Greifenstein, Ralph, Schneider, Karsten, Die Mitbestimmung in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Einführung, Wiesbaden 2011.

[«4] Vgl. dazu ausführlich: Bontrup, Heinz-J., Arbeit, Kapital und Staat. Plädoyer für eine demokratische Wirtschaft, 4. Aufl., Köln 2011.

[«5] Vgl. Bontrup, Heinz-J./Springob, Kai, Gewinn- und Kapitalbeteiligung. Eine mikro- und makroökonomische Analyse, Wiesbaden 2002, Bontrup, Heinz-J., Gewinn- und Kapitalbeteiligungen. Instrumente für eine gerechtere Verteilung der Wertschöpfung und gegen das Investitionsmonopol des Kapitals, in: Lorenz, Frank/Schneider Günter (Hrsg.), Raus aus der Krise! Mitbestimmung neu denken, Hamburg 2009, S. 73-92.

[«6] Von Nell-Breuning, O., Kapitalismus und gerechter Lohn, Freiburg i.Br. 1960, S. 140f.

[«7] Ihr gehörten unter dem Vorsitz von Prof. Biedenkopf (Bochum) die Professoren Ballerstedt (Bonn), Gutenberg (Köln), Jürgensen (Hamburg), Krelle (Bonn), Mestmäcker (Bielefeld), Reinhardt (Marburg), Voigt (Bonn) und Willgerodt (Köln) sowie als ständige Berater Apel (DAG), Erdmann (BDA), Heintzeler (BASF AG), Kley (Siemens AG), Kunze (DGB) und Spieker (IGM) an.

[«8] Bei der Anzahl der persönlichen Aufsichtsratsmandate sei darauf hingewiesen, dass im Gegensatz zu heute die Anzahl von maximal zehn auf maximal drei Mandate zu beschränken ist und einzelne Aufsichtsratsmitglieder keinen Sitz in konkurrierenden Unternehmen erhalten dürfen.

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