Die Auftritte von Baerbock und Strack-Zimmermann – zwei der momentan radikalsten Politikerinnen – bei der Aachener Karnevalssitzung sind zynisch. Die Verleihung des Ordens „wider den tierischen Ernst“ an die problematische Außenministerin ist zudem ein Akt der Anbiederung an die Macht. Damit werden auch die (längst verschütteten) oppositionellen Wurzeln des Karnevals einmal mehr missachtet. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
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Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ist neue „Ritterin des Aachener Ordens wider den tierischen Ernst“, wie Medien berichten. Bei einer Karnevalssitzung in Aachen nahm die dort als “moderne Ritterin im besten Sinne” gewürdigte Politikerin die Auszeichnung des Aachener Karnevalsvereins (AKV) entgegen. Bei der Veranstaltung legte auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), einen Auftritt hin, so Medienberichte.
„Weil der Fastnachtsbrauch in seinem Kern (…) vor allem eines ist: Opposition“
Diese Episode ist aus verschiedenen Gründen sehr fragwürdig: Zum einen finde ich es schwer erträglich, wenn zwei der mutmaßlichen Mitverantwortlichen für eine Kriegsverlängerung in der Ukraine und für die drohende Verwicklung Deutschlands darin flache Büttenwitze reißen – Baerbock etwa mit Bezug zu den Leoparden. Zum anderen kann der ganze unterwürfige Rahmen der Veranstaltung als Anbiederung an die Macht vonseiten des Aachener Karnevalsvereins bezeichnet werden.
Die einst auch oppositionelle Stoßrichtung des Karnevalsbrauchs ist lange verschüttet. Vieles von dem, „was heutzutage als belangloser Klamauk auf Narrenbühnen und in Fernseh-Prunksitzungen geboten wird“, habe kaum noch mit Ursprung und Wesen dessen zu tun, was im Rheinland Karneval, im Badischen Fassenacht, in Altbayern Fasching oder andernorts Fastnacht heißt, so die „Süddeutsche Zeitung“ zum ursprünglichen Charakter des Brauchtums. Warum sich dieser Charakter teils zu einem opportunistischen Geben und Nehmen entwickelt hat, beschreibt die Zeitung so:
„Etwa weil echte Narren Obrigkeiten verspotten und nicht mit Orden behängen, um sich wiederum mit den Behängten zu schmücken. Weil gute Büttenredner nicht nur Zoten reißen, sondern politisch-literarische Satire betreiben. Und weil der Fastnachtsbrauch in seinem Kern neben Klamauk, Spaß und Tanz vor allem eines ist: Opposition.“
Radikale Politikerinnen, die sich für ihren „Humor“ feiern lassen, während ihre Politik mutmaßlich einen Krieg in die Länge zieht. Und angepasste „närrische“ Untertanen, die keine Distanz zur Regierung mehr erkennen lassen: Diese Karnevalssitzung erinnerte an einen zynischen Tanz auf dem Vulkan – einem Vulkan, der von vielen deutschen Politikern und Journalisten aktiv angefacht wird.
Baerbock wird „Menschlichkeit im Amt“ bescheinigt
Für die beteiligten Politiker war es dagegen eine Gelegenheit, sich „menschlich“ darzustellen. Das ist auch ein Ziel der Ordensverleihung, wie die Stadt Aachen mitteilt. Im Handbuch der Kulturpreise sei nachzulesen: „Die Aachener haben es sich zum Ziel gesetzt, die Politik durch den Humor zu vermenschlichen. Das halten wir für eine kulturelle Tat.“ Laut WDR wird der „Orden wider den tierischen Ernst“ an bekannte nationale und internationale Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens verliehen, „die Individualität, Beliebtheit und Mutterwitz in sich vereinen, vor allem aber Humor und Menschlichkeit im Amt bewiesen haben“.
„Menschlichkeit im Amt“? Eher kann man Baerbocks politisches Geltungsbedürfnis als eine „laut tickende Zeitbombe“ bezeichnen, wie Stefan Aust das tut. Erinnert sei hier an einige fragwürdige Äußerungen Baerbocks (unter vielen): „Egal, was mein Wähler denken“, „Das wird Russland ruinieren“, „Wir führen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander“.
Baerbock wurde in Aachen von Strack-Zimmermann noch (negativ) in den Schatten gestellt – optisch und inhaltlich. Ihren sehr speziellen Humor hat Strack-Zimmermann bereits vor längerer Zeit präsentiert, etwa mit ihren Sätzen zum „Volkssturm“ in einer Satiresendung:
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Titelbild: Marie-Agnes Strack-Zimmermann via Twitter