Wie könnte es wieder Frieden geben? Wir Erwachsenen hören solche Art Fragen und wissen sofort: Kinder fragen direkt und einfach. Gerade herrscht Krieg und auf allen Kanälen wird dieser, so ist von Groß und Klein zu beobachten, mehr und mehr befeuert. Doch in all der Wut stellen Kinder ruhig wie instinktiv beunruhigt Fragen, erleben Erwachsene. Da ist es an und für sich gut, dass die Großen den Ball der Kleinen aufnehmen und deren Anliegen verarbeiten, zum Beispiel im Fernsehen. Beim ZDF gibt es eine Kindersendung namens „logo“, bei welcher ein Beitrag auf der Programmseite verlinkt ist, bei dem eine Reporterin eine Friedensforscherin besucht. Der Besuch fand schon vor einigen Monaten statt. Viel Zeit ist seither verstrichen, ohne dass sich die Großen, die Entscheider, an entscheidenden Stellen der Antworten und Tipps der Forscherin für die Kleinen angenommen hätten. Die Erwachsenen, vor allem die Eltern, machen sich zunehmend Sorgen und fordern friedliche, deeskalierende Antworten der Politik. So auch bei einer Podiumsveranstaltung mit dem Ministerpräsidenten von Sachsen. Derweil nimmt der Einsatz der Bürger für Frieden Fahrt auf. Und ein deutscher Film hat Chancen auf den Oscar. Von Frank Blenz.
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Die Frage nach Frieden
Die „logo“-Reporterin Simone schaute bei einer Friedensforscherin vorbei. Prof. Nicole Deitelhoff arbeitet am Leibniz-Institut Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. Ohne Umschweife fragte Simone stellvertretend für das Kinderpublikum: Wie könnte es wieder Frieden geben? Die Forscherin skizzierte zwei grundsätzliche Möglichkeiten, einen Frieden nach einem Krieg zu erreichen. Staunen erzeugt die erste, brutale Möglichkeit, nach der die Kriegsparteien sich entscheiden, den Konflikt auszutragen, „bis eine Seite nicht mehr kann“. Die zweite Möglichkeit wäre, so die Professorin, sich an einen Verhandlungstisch zu setzen, um nach Lösungen zu suchen, bei denen beide Seiten zufrieden sind. Dabei müssten die Streitpunkte auf den Tisch, warum die beiden Seiten sich überhaupt im Krieg befinden.
Man muss einsehen, zu verhandeln
Wann ist ein guter Zeitpunkt, dass Verhandlungsgespräche gut funktionieren, fragte Reporterin Simone die Forscherin kindgemäß weiter. Professorin Nicole Deitelhof sagte, wenn ein Krieg andauert und die „Idee“ des Krieges nicht funktioniert, sollte verhandelt werden. Dauert ein Krieg an, werde er teurer, es sterben viele, es werden viele verletzt – der Moment ist da, an dem man einsehen muss, dass man verhandeln muss. Die Friedensforscherin nannte einen weiteren wichtigen Aspekt, der zu einer Beendigung des Krieges beiträgt: die Öffentlichkeit. Die Menschen sollen auf die Straße gehen und Frieden fordern.
Und in Zukunft?
Diese Kindfrage zur Zukunft von Europa, Russland, der Ukraine, sie stellt gerade kaum jemand der Akteure der meinungsführenden Öffentlichkeit: Wann sind Russland und die Ukraine wieder Freunde? Sie stellte zumindest Reporterin Simone der Friedensforscherin Prof. Deitelhoff vor Monaten in diesem Beitrag. Die Forscherin meinte, wenn einmal Vertrauen zerstört sei, wäre das schwer. Aber das müsse man langsam wieder aufbauen. Das Fazit der Reporterin fiel so aus: „Es gibt immer eine Chance auf Frieden.“
Die Erwachsenen, vor allem Eltern, machen sich Sorgen wie die Kinder um die Zukunft
Den Kindern zuhören, ist die eine Seite. Zu spüren, dass sie gerade Unterstützung, Rat und Zuwendung brauchen, und entsprechend zu handeln, die andere. In der Gesellschaft brodelt es, der Gesprächsbedarf steigt und die Fragen an die Politik werden lauter, direkter, fordernder. Vor ein paar Tagen weilte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer in der kleinen Stadt Falkenstein im Vogtland. Kretschmer stellte sich in der Veranstaltungsreihe „Direkt“, einer Produktion des Freistaates Sachsen, in einer Turnhalle den Fragen der Bürger. Auch Elternvertreter kamen zu Wort, sozusagen stellvertretend für Groß und Klein.
Vater Robert Herold wollte wissen, wie Kindern der Krieg zu erklären sei und welche Medien zu nutzen wären. Ministerpräsident Kretschmer riet, die Menschen sollen sich gut informieren – eher nicht in sozialen Medien, sondern in Zeitungen und im öffentlich-rechtlichen TV, Kinder mittels Sendungen wie zum Beispiel „die Sendung mit der Maus“ und „logo“. Kretschmer riet, dass jeder der Zuhörer es so machen soll, wie er es aus eigenen Erfahrungen auch handhabt, einschließlich eigene Auffassungen zu vermitteln bis hin zu denen von Panzerlieferungen.
Der Elternvertreter sagte weiter, dass früher gelernt wurde, dass „Russland unser Freund“ sei. Und nun? Der sächsische Ministerpräsident mahnte, man dürfe nicht alles kaputtschlagen, man müsse in Verbindung bleiben, Optionen für die Zukunft offenhalten. Das radikale „Nie wieder“ könne ja nur falsch sein. Kretschmer skizzierte als Mahnung eine hypothetische Annahme der Geschichte, man stelle sich nur mal vor, dass einst Deutschland nach dem Weltkrieg mit einem „Nie wieder“, mit einem „Das löschen wir jetzt aus“ konfrontiert worden wäre. Es kam zum Glück anders…
Kretschmers Forderung
Der sächsische Ministerpräsident forderte, dass alles versucht werden müsse, dass die Eskalation angehalten, der Konflikt entschärft werde. „Wir müssen dafür eintreten, dass es zu einem Waffenstillstand kommt.“ Das müsse eine deutsche Forderung sein.
Nein, meine Söhne gebe ich nicht
In der Gesellschaft wird das teils ganz anders gesehen. Junge Leute aus einer der drei Regierungsparteien haben so kürzlich eine Plakataktion gestartet, bei der der Hauptslogan lautete: „Krieg beenden – Panzer senden!“
Doch in sozialen Medien wächst der Widerstand gegen Kriegsrhetorik und Säbelrasseln. So werden von Nutzern gerade vielfach Aufnahmen eines Friedensliedes des Liedermachers Reinhard Mey geteilt: „Nein, meine Söhne geb’ ich nicht“. Den Text zu lesen, lässt einem den Atem stocken, ein Auszug:
Nein, meine Söhne geb’ ich nicht
Sie werden nicht in Reih’ und Glied marschieren
Nicht durchhalten, nicht kämpfen bis zuletzt
Auf einem gottverlass’nen Feld erfrieren
Während ihr euch in weiche Kissen setzt
Die Kinder schützen vor allen Gefahren
Ist doch meine verdammte Vaterpflicht
Und das heißt auch, sie vor euch zu bewahren
Nein, meine Söhne geb’ ich nicht
Auch von der Leyen sagte Nein
Die jetzige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird das Lied von Mey sicher schon gehört haben, und ja, sie gestand vor ein paar Jahren, als der kriegerische Konflikt in der Ukraine schon zwei Jahre tobte, in ihrer Funktion als Verteidigungsministerin und als Mutter ihre Sorge auf ihre Art. Auf die Frage, ob ihre Kinder denn bei der Bundeswehr seien, lautete ihre Antwort mit einem geradezu aufatmenden Lächeln: „Nein.“ Den Auftritt nahm das Satiremagazin Extra 3 (NDR) zum Anlass für einen Beitrag.
Ein Kriegsfilm für den Oscar nomminiert
„Im Westen nichts Neues“ ist der wohl berühmteste und wichtigste Roman des deutschen Schriftstellers Erich Maria Remarque. Der Roman wurde nun wieder verfilmt, konkret, sein Titel wurde für einen oppulenten Streifen verwendet, welcher jetzt in den USA große Ehren erzielen könnte – der Film wurde für den Oscar nominert, in neun Kategorien. Söhne sterben in dem Film zuhauf, in einem Krieg, den es wie alle anderen nicht hätte geben dürfen. Remarque sagte dazu: „Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hingehen müssen.“
Wie wäre es mit einem neuerlichen Besuch bei der Friedensforscherin?
Die Fragen der Kinder werden nicht weniger, die Sorgenfalten tiefer. Ein neuerlicher Besuch bei Friedensforscherin Nicole Deitelhoff würde vielleicht neue Erkenntnisse bringen, Antworten auf die Frage, warum die Großen nicht innehalten. Antworten anderer Art gab die Friedensforscherin gerade im Erwachsenen-TV. In den ARD-Tagesthemen suchte sie nach Antworten auf die Frage, warum Ostdeutsche skeptischer als Westdeutsche gegenüber Panzerlieferungen an die Ukraine seien. Tagesthemenmoderatorin Caren Miosga fragte nicht, wie es wieder Frieden geben könnte.
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