Einzelhandelspräsident Franzen: Ein Musterbeispiel für ökonomische Denkfehler aufgrund der bornierten Interessensicht eines Wirtschaftsverbandsvertreters
Der Chef der Einzelhandelslobby jammert über einen Rückgang des Umsatzes im Einzelhandel nunmehr im vierten Jahr. Und dennoch fordert er Lohnzurückhaltung und eine Lockerung des Kündigungsschutzes und natürlich weitere Entlastungen für Unternehmen.
„Die Löhne gehen real zurück. Die Renten steigen nicht mehr. Die Ölpreise reißen ein großes Loch ins Portemonnaie. Und die Leute sind ängstlich und zurückhaltend, was Konsumausgaben angeht. Wenn nun die Mehrwertsteuer erhöht wird, bricht die ohnehin schwache Inlandsnachfrage ganz in sich zusammen. Was nicht verkauft wird, braucht auch nicht produziert zu werden. Tausende Arbeitsplätze werden so in Gefahr gebracht“ so beschreibt der Präsident des Hauptverbandes des deutschen Einzelhandels (HDE), Hermann Franzen, die derzeitige wirtschaftliche Situation.
Logischerweise würde man denken, die Einzelhandelsunternehmer müssten nun, um wieder mehr verkaufen und verdienen zu können, dafür eintreten, dass die Löhne endlich wieder etwas ansteigen. Dass die Ängste der Menschen vor einem Verlust des Arbeitsplatzes eher abgebaut werden müssten. Man würde die Forderung erwarten, dass alles getan werden müsste, um die Binnennachfrage zu stimulieren, damit im Inland wieder mehr verkauft werden kann und damit wieder mehr produziert wird und so wieder Arbeitsplätze gesichert und neue geschaffen werden.
Aber solche nahe liegenden und vor allem auch logischen Schlussfolgerungen werden aus der bornierten Interessensicht unseres Unternehmerlobbyisten ausgeklammert:
Trotz der selbst konstatierten Verunsicherung der Konsumenten plädiert Franzen für eine weitere Lockerung des Kündigungsschutzes und damit für eine weitere Verunsicherung der Arbeitnehmer.
Obwohl er den Rückgang der Löhne als Ursache für die Konsumzurückhaltung erkennt, plädiert er für Lohnzurückhaltung. Auch eine Erhöhung der staatlichen Nachfrage über ein Konjunkturprogramm lehnt er nach bekannter Manier als „Strohfeuer“ ab.
Statt sich der eigenen Erfahrungen und Einsichten zu bedienen, baut Franzen, wenn es um die Nachfrageseite des Wirtschaftsprozesses geht, die üblichen Denkblockaden von Wirtschaftsverbandsvertretern auf und betet nur den bekannten Katechismus seiner Unternehmerlobby herunter: „Der Staat muss dafür sorgen, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen verbessert werden.“
Und Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, das heißt dann in diesem in sich kreisenden Denkzirkel: „Den überregulierten Arbeitsmarkt…beim Kündigungsschutz aufbrechen“, „die finanziellen Belastungen der Unternehmen dürfen nicht weiter steigen“, also reale Lohnsenkungen und weitere steuerliche Entlastungen für die Wirtschaft.
(So als ob der Einzelhandel von den steigenden Gewinnen der Wirtschaft lebte.)
Man fragt sich nur, warum die einzelnen (vor allem mittelständischen) Einzelhändler, solche gegen ihre ureigenen (wirtschaftlichen) Interessen argumentierenden Verbandsvertreter nicht zum Teufel jagen. Sie leiden doch seit Jahren unter der Kaufzurückhaltung der Kunden und sie erfahren doch täglich, dass die Leute nichts mehr im Portemonnaie haben oder aus Zukunftsangst jeden Euro dreimal herumdrehen und ihnen ist doch ziemlich klar, dass Arbeitnehmer, Rentner oder gar Arbeitlose nicht mehr kaufen können, wenn sie immer weniger in der Tasche haben.
Mein Rat:
Vielleicht drucken Sie diesen Beitrag und das Interview mit dem Einzelhandelspräsidenten einmal aus und sprechen Sie darüber mit ihren Einzelhändlern. Frage Sie Ihre Einzelhändler doch, warum sie sich gegen die Fremdbestimmung ihres Verbandes nicht wehren und warum sie Personen als ihre Sprecher akzeptieren, die offenbar die Interessen der eigenen Mitglieder aus dem Blick verloren haben.
Quelle: FR