Laut Angaben der Bundesregierung sind Dutzende Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft, die dem Bereich der „Politisch motivierten Kriminalität“ (PMK) zuzuordnen sind, in die Ukraine ausgereist. Ein Großteil soll dabei nach Einschätzung des Innenministeriums „mit der ukrainischen Seite“ sympathisieren. Für rund die Hälfte der erfassten Personen sollen „Anhaltspunkte“ vorliegen, dass diese mit der Absicht zur Teilnahme an Kampfhandlungen ausgereist sind. Zu der Frage, was mit diesen dann militärisch geschulten Personen mit extremistischem Hintergrund nach Wiedereinreise in die Bundesrepublik geschieht, macht die Bundesregierung bisher keine Angaben. Von Florian Warweg.
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„Wie viele deutsche Freiwillige bzw. Söldner kämpfen nach Kenntnis der Bundesregierung aufseiten welcher Konfliktpartei in der Ukraine?“
Diese Frage stellte im Dezember der Bundestagsabgeordnete Petr Bystron, außenpolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion.
In ihrer Antwort verweist die Bundesregierung zunächst darauf, dass die Bundessicherheitsbehörden solche Daten nur zu Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit beziehungsweise Wohnsitz in Deutschland erfassen, wenn ein „Extremismusbezug bzw. Bezug zur Politisch motivierten Kriminalität (PMK)“ vorliegt.
Mit Verweis auf Stand 30. November 2022 spricht das Innenministerium in seiner Antwort von 38 bekannten Personen, die einen Extremismusbezug aufweisen und „im Kontext des Krieges in der Ukraine“ ausgereist seien. Für 17 dieser Personen lägen „tatsächliche Anhaltspunkte“ vor, dass die Ausreise „mit der Absicht zur Teilnahme an Kampfhandlungen“ in der Ukraine erfolgte. Zu drei dieser Personen sollen dem Innenministerium zufolge „konkrete Anhaltspunkte für eine tatsächliche Beteiligung an Kampfhandlungen auf Seiten einer Konfliktpartei“ vorliegen. Die Antwort der Bundesregierung schließt interessanter Weise mit einer Aussage, die in der Schriftlichen Frage gar nicht thematisiert wurde:
„Der überwiegende Teil dieser Personen sympathisiert mit der ukrainischen Seite.“
Die Bundesregierung macht keinerlei Angaben darüber, welchem politischen Spektrum die erfassten ausgereisten deutschen Staatsbürger mit „Bezug zur Politisch motivierten Kriminalität“ zugeordnet werden. Es ist aber angesichts der bisher bekannt gewordenen Fälle und Aussagen (bereits Anfang Mai 2022 bestätigte die Bundesregierung auf Anfrage die Ausreise von 20 deutschen Rechtsextremen ins ukrainische Kriegsgebiet) davon auszugehen, dass ein Großteil der erwähnten Söldner und Freiwilligen dem Umfeld der maßgeblich von ehemaligen NPD-Funktionären gegründeten rechtsextremen Kleinpartei „Der III. Weg“ entstammen. Deren Chef Matthias Fischer zieht auf Reden regelmäßig über „Putins Neobolschewiken“ her und bittet um Spenden, „damit unsere Truppen da drüben besser dastehen“. Das Asow-Regiment wird als „bewaffneter Arm der nationalen Bewegung, der sich in einem heldenhaften Kampf um die Freiheit“ befinde, gepriesen. Russland dagegen wird in Publikationen und Reden des III. Wegs als „Vielvölkerstaat“, in dem Asiaten, Juden und Muslime ihren Platz hätten, gegeißelt. Die Nationalisten in der Ukraine hätten mittelfristig das größte Potenzial in Europa, so eine weitere Begründung der rechtsextremen Partei für die materielle und wohl auch personelle Unterstützung.
800 Kälteschutzanzüge der Bundeswehr will der III. Weg allein im März und April, wie unter anderem die taz berichtete, an „nationalistische Einheiten“ geliefert haben, „direkt an die Front“. Dazu 200 Kampfwesten, Dutzende Splitterschutzwesten und Funkgeräte sowie schusssichere Platten und drei Wärmebildkameras. Die Bundesregierung bestätigte auf Anfrage, dass diese Fahrten stattgefunden haben.
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte bereits im März 2022 mit einer vielsagenden Einschränkung angekündigt, dass man „weitere Ausreisen“ verhindern wolle:
„Bei Extremisten wollen wir verhindern, dass sie sich an kriegerischen Aktionen beteiligen.“
Wie das konkret geschehen soll, ließ sie aber bis heute offen. Das Bundesjustizministerium hatte schon kurz nach dem 24. Februar öffentlich erklärt:
„Die Einreise in die Ukraine mit dem Ziel, sich dort an Kampfhandlungen zu beteiligen oder dafür ausbilden zu lassen, ist als solche nach dem deutschen Strafrecht nicht strafbar.“
Brandenburgs Verfassungsschutzchef Jörg Müller verweist in dem Zusammenhang darauf, dass deutsche Rechtsextremisten schon in der Vergangenheit in der Ukraine regelmäßig Kampftrainings absolvierten. Die direkte Beteiligung an Kriegshandlungen und entsprechende Möglichkeiten zum Waffenerwerb hätten aber eine neue Qualität:
„Wenn wir eins nicht gebrauchen können, dann sind es Neonazis, die nun an Waffen kommen und weiter verrohen.“
Titelbild: shutterstock / rkl_foto