Die Meinungsmanipulation hält die Menschen im Griff. Fast jeder hat eine Meinung, aber es fragt sich, wie sie zustande kommt. Dabei spielen die Medien eine Hauptrolle, sie bestimmen, was wie gewusst wird. Wer sie besitzt, hat die Deutungshoheit und verfügt über die eigentliche Macht im Staat. Aber von ausschlaggebender Bedeutung ist, wer die Manipulatoren manipuliert beziehungsweise lenkt. Eine Buchbesprechung von Wolfgang Bittner.
Nun registrieren wir schon seit langem das, was der Herausgeber der NachDenkSeiten, Albrecht Müller, in seinem Buch „Glaube wenig, Hinterfrage alles, Denke selbst“ in Vermeidung des Begriffs der Gleichschaltung aus der Nazi-Zeit „Gleichrichtung“ genannt hat. Zeitweise ist zu bemerken, dass fast alle Medien zum selben Thema dieselben Meinungen vertreten, oft sogar wortgleich, wobei die verwendeten Begriffe offensichtlich vorgegeben sind.
Nicht selten scheint es so, als bezögen Redaktionen, aber auch Politiker und Politikerinnen, ihre Informationen von dubiosen „Service-Agenturen“, die Regierungspropaganda betreiben, zumeist übereinstimmend mit US-amerikanischen Interessen. Sehr deutlich wurde das in letzter Zeit bei Kommentaren zu Russland, China, Iran, Syrien, Venezuela und insbesondere bei Berichten von der „Kriegsfront“ in der Ukraine.
Das alles ist von den Bürgern, den Medienkonsumenten, nur schwer zu durchschauen, vielen ist überhaupt nicht bewusst, dass sie in ihrer Meinungsbildung manipuliert werden. An dieser Stelle setzt auch das soeben erschienene Buch „Moderne Propaganda. 80 Methoden der Meinungslenkung“ an. Der Autor Johannes Menath (29) ist Chemieingenieur, nach eigenen Angaben parteilos, und hat zusammen mit Freunden eine „Agora-Initiative“ gegründet (Agora war der Marktplatz im antiken Athen), in der politische Themen diskutiert werden. Daraus entstand 2021 ein schmaler Band mit dem Titel „Handbuch der öffentlichen Meinung“, der in Insiderkreisen Aufsehen erregte.
In dem nun erschienenen Buch geht Menath genauer auf Methoden der politischen Propaganda, also der „gezielten Beeinflussung unseres Denkens, Fühlens und Handelns“ ein. „Das Repertoire an Methoden ist enorm, die Meinungslenkung als solche bei vielen Formen aber nur schwer zu entlarven“, heißt es im Klappentext. Propaganda zu durchschauen und sie damit ihrer „Wirkmacht“ zu entziehen, ist ein Anliegen des übersichtlich gegliederten, auch für weniger politisch informierte Menschen gut lesbaren Buches.
In seiner Einleitung schreibt Menath: „ Die Massenkommunikation entfesselt mithilfe der Instrumentalisierung psychologischer Effekte eine Gewalt, die für denjenigen unsichtbar bleibt, der in ihrem Bann steht.“ Er stellt die hochaktuelle Frage: „Wie bringt man die Bevölkerung eines Landes dazu, in einen Krieg zu ziehen, den sie eigentlich nicht will? Wie bringt man sie dazu, ein Ziel zu verfolgen, das gegen ihre fundamentalen Interessen verstößt?“ Seine Antwort lautet: „Eine unsichtbare Wolke künstlicher Emotionen, Meinungen, Propaganda kann Weltanschauungen verbreiten. Gehorsam oder Revolutionen erzeugen, Kriegen zum Ausbruch verhelfen und sie beenden, Politiker stürzen – oder zu Staatsoberhäuptern machen.“
Im Folgenden stellt Menath 80 Methoden der Meinungslenkung und -bildung vor. Dass er dabei zumeist von wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgeht, sich dementsprechend in seinen Ausführungen häufig neutral verhält, wird gleich zu Anfang in den Kapiteln „Framing und „Monopolisierung“ deutlich. Zum Beispiel geht er darauf ein, „dass Kriege oft damit begründet werden, man müsse den Menschen des Landes, gegen das man Krieg führt, ‚helfen‘, man müsse ihnen ‚Freiheit und Demokratie bringen‘“.
Obwohl die USA an dieser Stelle nicht genannt werden, ist natürlich völlig klar, wo der „Deutungsrahmen, der hier erzeugt wird“, zum Tragen kommt, nämlich in der seit jeher praktizierten Destabilisierungspolitik und der Kriegsführung der Supermacht, von der die meisten Konflikte der vergangenen Jahrzehnte verursacht worden sind.
In gleicher Weise verfährt der Autor, wenn er zur Monopolisierung bestimmter Sachverhalte schreibt: „Wird ein Thema jedoch stets auf ein und dieselbe Art und Weise präsentiert, verleitet das zu dem Schluss, es handle sich um die alleinige Wahrheit, und es suggeriert, dass derjenige doch verrückt sein muss, der eine andere Ansicht vertritt.“ Dies führe dazu, „dass kritisch denkende Menschen zu Außenseitern abgestempelt werden, sobald sie ihren Standpunkt äußern“.
Folglich hielten sich viele mit ihrer Meinung und ihren Erkenntnissen zurück und setzten damit eine „Schweigespirale“ in Gang, einen „Teufelskreis aus einseitiger Berichterstattung und immer größer werdender Angst, sich abweichend zum Meinungsmonopol zu äußern“. Das unterbinde jeden politischen Diskurs, so Menath. „Die Medien sind zum einzigen Organ geworden, das die öffentliche Meinung bestimmt.“
Auch wenn hier nicht der Umgang mit der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg thematisiert wird, ist unmittelbar einsichtig, was gemeint ist. Aber die Schlussfolgerung überlässt Menath – ebenso wie beim Deutungsrahmen „Krieg für die Menschenrechte“ – den Lesern. Das kann als Plus des Buches gewertet werden, ermöglicht es doch voreingenommenen Lesern gerade bei diesen umstrittenen Themen zu eigenen Überlegungen zu kommen, eventuell sogar dazu, für sich die gegenwärtige politische Situation zu analysieren – eine bemerkenswerte Strategie, die aufgehen könnte. Der Autor referiert die Methoden der Meinungslenkung, ohne konkret auf die politische Realität einzugehen, doch diese tritt immer wieder unmissverständlich hervor.
Wenn Menath auf die Steuerung der öffentlichen Meinung durch Lüge, Verschweigen oder Inszenierung von Scheindebatten eingeht, gibt er dann doch konkrete Beispiele wie den Eintritt in den Irakkrieg und den Sturz der sandinistischen Regierung von Nicaragua. Er nennt die Reizwörter in der Berichterstattung, die beim Publikum negative emotionale Reaktionen hervorrufen, zum Beispiel „Regime“, „Verschwörungstheoretiker“, „Gutmensch“ oder „Wutbürger“. Widerständige Politiker werden dämonisiert und als „Teufel in Person“ dargestellt, so Milosevic, Gaddafi, Saddam Hussein oder Assad, andere werden hofiert.
Wie Protestbewegungen zum Verstummen gebracht werden können, beschreibt Menath in dem Kapitel „Demontage mithilfe der Mohawk-Valley-Formel“, einer Methode von 1937, um den Willen streikender Arbeiter zu brechen (worauf Noam Chomsky in seinem Buch „Media Control“ eingeht):
„Zuerst muss man Propaganda verbreiten, welche die protestierende Gruppe als Feind der Ordnung brandmarkt und zum Außenseiter erklärt. Dann ist ein Kreis aus einflussreichen und prominenten Personen zu bilden, der sich gegen die Demonstranten wendet, während diese gleichzeitig mit massiver Polizeigewalt eingeschüchtert werden. Im nächsten Schritt gründet man eine Gegenbewegung …“
Wem fällt da nicht sofort die hasserfüllte Propaganda gegen die Querdenker-Bewegung ein? Organisatoren und Redner wurden durch Einschüchterung, Rufschädigung und juristischen Druck „ausgeschaltet“, einzelne Gruppen durch Unterwanderung gezielt zersetzt. Auf diese Weise gehen Verwaltungsbehörden, Polizei, Justiz und Geheimdienste gegen Bürger vor, die berechtigte, aber von der Obrigkeit nicht akzeptierte Anliegen vertreten.
Auch kritische Autoren und Autorinnen können ohne viel Aufhebens mundtot gemacht werden, indem man sie verschweigt, boykottiert, diskreditiert oder dafür sorgt, dass ihre Bücher im Handel „ausgelistet“ werden. Sind sie bereits populär, wird auf ihre „Gefährlichkeit“ hingewiesen, anstatt sich mit den Inhalten ihrer Bücher auseinanderzusetzen.
Menath nennt weitere Methoden, die vermehrt eingesetzt werden: Zensur, Desinformation, Diffamierung oder auch „Kanalisierung“, indem man „den politischen Gegner dazu bringt, dass er von seinen Kernthemen abrückt, bei Linken etwa weg von der Globalisierungskritik, um sich stattdessen Geschlechterfragen oder dem Umweltaktivismus zuzuwenden …“
Besonders effektiv in der Meinungsmanipulation ist die verdeckte Form von Propaganda durch scheinbar unabhängige Medien, die eine einhellige Meinung präsentieren, zum Beispiel staatlicher oder einflussreicher privater Stellen, was nicht ohne Weiteres erkennbar ist. Damit hat tagtäglich zu tun, wer das Radio anstellt, ins Fernsehen oder in die maßgebenden Zeitungen schaut. Nicht selten wird eine Realität vorgespiegelt, die es nicht gibt. Und das hat dazu geführt, dass viele Menschen aufgrund der Informationsschwemme und Reizüberflutung nicht mehr unterscheiden können, was richtig und falsch, was wahr oder gelogen ist.
Zu dieser gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation greift Menath auf ein Goethe-Zitat zurück: „Niemand ist mehr Sklave, als der sich für frei hält, ohne es zu sein.“ Er plädiert für Aufklärung und Bildung, „gerade auch in Hinblick auf Faktoren, die unsere Psyche beeinflussen“, denn „jede Demokratie ist nur so stark wie das souveräne Bewusstsein der Wähler“. Er betont: „Wer ein Gespür für die Empfindlichkeit von Meinungsbildungsprozessen besitzt und demokratiegefährdenden Tendenzen in seinem Land etwas entgegensetzen möchte, der muss selbst aktiv werden“, vor allem „einen Weg zur mentalen Befreiung finden“.
Alles in allem hat Johannes Menath ein Standardwerk zur Meinungslenkung verfasst, dem eine breite Leserschaft zu wünschen ist. Und dem Verleger des zeitgeist Verlags, Thomas Röttcher, ist zu danken, dass er wieder ein durchaus brisantes Buch veröffentlicht hat, was in der Verlagsbranche schon länger keine Selbstverständlichkeit mehr ist.
Johannes Menath, „Moderne Propaganda. 80 Methoden der Meinungslenkung“, zeitgeist, Höhr-Grenzhausen 2022, 160 S., TB, 16,90 Euro.