Mythos Merkel zerplatzt: „Friedenskanzlerin“ bekennt, dass Minsker Abkommen nur ein Trick war

Mythos Merkel zerplatzt: „Friedenskanzlerin“ bekennt, dass Minsker Abkommen nur ein Trick war

Mythos Merkel zerplatzt: „Friedenskanzlerin“ bekennt, dass Minsker Abkommen nur ein Trick war

Ulrich Heyden
Ein Artikel von Ulrich Heyden

Das Eingeständnis von Angela Merkel gegenüber dem „Spiegel“ und der „Zeit“, dass das Minsker Abkommen 2015 nur unterzeichnet worden sei, um der Ukraine Zeit für Aufrüstung zu geben, hat mich nicht überrascht. Im Mai 2019 hatte ich schon auf eine Begebenheit hingewiesen, die im krassen Kontrast zum Image des Friedensengels stand, als der sich Angela Merkel seit dem Beginn des Ukraine-Krieges 2014 inszenierte. Ein Kommentar von Ulrich Heyden.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Im erwähnten „Spiegel“-Artikel heißt es über Merkel:

“Ihr hat gefallen, dass Churchills Vorgänger mal in einem anderen Licht gezeigt wurde. Nicht als ängstlicher Steigbügelhalter für Hitler, sondern als Stratege, der seinem Land den Puffer verschaffte, sich auf den deutschen Angriff vorzubereiten. München 1938 klingt da wie Bukarest 2008. Sie glaubt, damals und auch später bei den Verhandlungen von Minsk die Zeit gekauft zu haben, die die Ukraine nutzen konnte, um sich einem russischen Angriff besser widersetzen zu können. Sie sei ein stärkeres, wehrhafteres Land jetzt. Damals, da ist sie sicher, wäre sie von Putins Truppen überrollt worden.” *

2019 – Angela Merkel vor röhrenden Bundeswehr-Panzern

Am 20. Mai 2019 erklärte Merkel auf dem Bundeswehr-Truppenübungsplatz Munster vor röhrenden Panzern:

„Sie wissen, dass wir über das Minsk-Abkommen mit unseren französischen Partnern politisch versuchen, dass die Sicherung der territorialen Integrität, die unser Leitprinzip ist, auch für die Ukraine wieder Realität werden kann.“

Kampfhubschrauber donnerten in Formation über den Platz, auf dem die Kanzlerin stand, Soldaten mit schwarz bemalten Gesichtern ballerten auf einen unsichtbaren Feind. Merkel – in Nato-blauer Jacke – machte ihre Raute und erklärte: „Das, was hier getan wird, ist Friedensarbeit im wirklichen Sinne des Wortes.” Umgeben von ernst blickenden Militärs erklärte die Kanzlerin dann, was deutsche Panzer mit „Friedensarbeit“ zu tun haben:

„Die Ukraine hat uns gezeigt, wie schnell territoriale Integrität heute auch in der Nähe unseres Bündnisgebiets verletzt werden kann – deshalb ist das hier keine Theorieübung.“

Die Bundeskanzlerin wurde von den deutschen Mainstream-Medien als zurückhaltende Politikerin dargestellt und auch von vielen Linken für „bedachtes Handeln“ gelobt. Nun stellt sich heraus: Es war alles nur ein Schwindel. Merkel wollte nicht Frieden und Abrüstung, sondern Kiew Zeit geben, eine handlungsfähige Armee aufzubauen. Und dass Kiew die „Volksrepubliken“ militärisch zurückerobern wollte, das war auch unter Selenski – ein Jahr nachdem er gewählt worden war – Usus.

Prorussische Freiwillige 2014: „Wir marschieren bis nach Kiew“

Viele Russen haben seit dem Staatsstreich in der Ukraine 2014 gehofft, dass Russland die „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk militärisch aktiv unterstützt und einen Vormarsch pro-russischer Freiwilliger aus Donezk und Lugansk Richtung Kiew zulässt. Doch Moskau bremste die Freiwilligen, die 2014 auf Nachfrage freimütig erklärten, sie würden bis nach Kiew ziehen. Sie waren beflügelt von ihren militärischen Erfolgen gegen die ukrainische Armee. Anfang Februar 2015 wurden bei Debalzewo 3.000 ukrainische Soldaten eingekesselt. Sie durften dann ohne Waffen abziehen. Die ukrainische Armee war nicht kampffähig. Auf der Krim waren im Frühjahr 2014 Teile der ukrainischen Streitkräfte zu den Russen übergelaufen oder hatten sich kampflos ergeben.

Weitere militärische Erfolge der prorussischen Freiwilligen wären wohl möglich gewesen, wenn am 12. Februar 2015 nicht in aller Eile das von Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Francois Hollande initiierte Minsker Abkommen unterzeichnet worden wäre, in dem ein Waffenstillstand, Wahlen, Entmilitarisierung und ein Autonomie-Status für die „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk vereinbart wurde.

An den Verhandlungen um das Abkommen waren auch Wladimir Putin und der damalige ukrainische Präsident Petro Poroschenko beteiligt. Unterzeichnet wurde das Abkommen von dem früheren Präsidenten der Ukraine, Leonid Kutschma, dem Botschafter der Russischen Föderation in der Ukraine, Michail Surabow, den Führern der „Volksrepubliken“ Lugansk und Donezk, Igor Plotnizki und Alexander Sachartschenko, sowie der OSZE-Beauftragten Heidi Tagliavini.

2014 – „Russischer Frühling“ und eine schwache ukrainische Armee

Nicht wenige linke Russen sagten im Februar 2022, wenn Russland 2014 in die Südostukraine einmarschiert wäre, dann wären die russischen Truppen dort als Befreier begrüßt worden. Aber jetzt sei es viel schwieriger.

Dazu muss man wissen: Unmittelbar nach dem Staatsstreich in Kiew hatte es nicht nur in Donezk und Lugansk, sondern auch in Charkow, Odessa, Nikolajew und anderen Städten im Südosten der Ukraine Besetzungen von Verwaltungsgebäuden durch Ukrainer gegeben, welche den aggressiv anti-russischen Kurs der Staatsstreich-Regierung verurteilten. Auf Demonstrationen im Südosten der Ukraine wurde eine Föderalisierung der Ukraine gefordert, die dem Südosten des Landes mehr Rechte – zum Beispiel das Recht auf die russische Sprache als zweite offizielle Sprache – geben sollte.

Moskau setzte aber ab Sommer 2014 durch, dass Heißsporne in den „Volksrepubliken“ abgesetzt wurden. Nach Abschluss des Minsk-2-Abkommens im Februar 2015 riet man den „Volksrepubliken“, nicht zurückzuschießen, wenn ukrainische Truppen schießen. Moskau setzte zu 100 Prozent auf die Umsetzung des Minsker Abkommens. Die Zurückhaltung Russlands wird von deutschen Mainstream-Medien ausgeblendet. Stattdessen wird vom „russischen Expansionismus“ gesprochen.

Acht Jahre Zeit für Aufrüstung der Ukraine

Nachdem Kiew acht Jahre Zeit hatte, seinen nationalistischen Propaganda-Apparat aufzubauen, Oppositionelle zu verfolgen, betonierte Stellungen vor den „Volksrepubliken“ zu bauen und westliche Waffen zu ordern, hat es die russische Armee nun nach ersten Anfangserfolgen sichtlich schwer, das offiziell verkündete Ziel „Demilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine“ umzusetzen.

Was Moskau zurückhielt, schon 2014 in der Ukraine einzugreifen, darüber kann man nur spekulieren. Im russischen Internet liest man die These, Russland habe noch nicht die nötigen weitreichenden Lenkwaffen gehabt, die einen Krieg aus der Distanz möglich machen. Auch ist die Meinung zu hören, die russischen Rohstoffexporteure, die seit 30 Jahren das russische Wirtschaftsleben dominieren, hätten aus Angst vor Geschäftseinbußen kein Interesse an einer Konfrontation mit dem Westen gehabt.

Putin: „Rückblickend betrachtet hätten wir eher handeln müssen“

Wladimir Putin hat sich am 25. November 2022 – einen Tag nachdem Angela Merkel im „Spiegel“ das Minsker Abkommen als Instrument zur Aufrüstung der Ukraine bezeichnet hatte – selbstkritisch zur militärischen Zurückhaltung Russlands im Donbass-Konflikt geäußert. Bei einem Treffen mit russischen Müttern von mobilisierten Soldaten erklärte der russische Präsident, Russland hätte viel eher eingreifen müssen. Man wisse jetzt, „dass die Vereinigung (der Volksrepubliken Donezk und Lugansk) mit Russland früher hätte stattfinden müssen. Dann hätte es vielleicht nicht so viel Verluste in der Zivilbevölkerung und nicht so viele durch Beschuss getötete Kinder gegeben.“

Die Zeitung „Moskowski Komsomolez“ kommentierte in bitterem Ton:

„Der Westen braucht jetzt nicht mehr zu verheimlichen, dass das Minsker Abkommen ein Täuschungsmanöver war. Denn es hat geklappt. Die ukrainische Armee wurde acht Jahre lang mit Waffen vollgepumpt, die ukrainischen Streitkräfte wurden zu einer richtigen regulären Armee umgebaut. Sie erwarb militärische Erfahrung, indem sie den Donbass ständig beschoss. Dem Donbass wollte man keine Autonomie geben. Man wartete nur auf eins, die gewaltsame Eroberung des Donbass und die Vernichtung alles Russischen.“

Leider – so die russische Tageszeitung weiter – sei „die Idee, sich mit dem Westen friedlich einigen zu können und Kompromisse zu machen, in Russland immer noch verbreitet“. Dabei würden die Interessen der russischen Bevölkerung in der Ukraine wieder übergangen. „Die Händler – im vollen Sinne des Wortes – sind stark. Und so lange das so ist, ist die neue Lektion von Frau Merkel nicht von Nutzen. Es gibt das klassische Zitat: Geht ein Dummkopf in den Wald und sucht einen noch größeren Dummkopf.“ Mit dem noch größeren Dummkopf meint „Moskowski Komsomolez“ zweifellos die Russen selbst.

Russland Hauptverursacher?

Ich habe mich gewundert, wie viele bekannte „Russland-Versteher“ sich nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine von Russland abgewendet und vom „russischen Angriffskrieg“ und einem „russischem Überfall“ gesprochen haben. Waren denn die Beschießungen von Schulen und Wohnvierteln im Donbass durch die ukrainische Armee seit 2014 kein Angriff und kein Überfall? War denn die Aufrüstung der Ukraine durch Nato-Staaten nicht Mithilfe bei dem geplanten Angriff der ukrainischen Armee auf die „Volksrepubliken“?

Ich selbst war im Februar durch die russische Intervention nicht überrascht. Kreml-nahe Politologen hatten so einen Schritt prognostiziert, wenn der Westen Russland keine Sicherheitsgarantien gibt. Eine Vereinigung der „Volksrepubliken“ mit Russland erschien mir realistisch. Dass Russland versuchen würde, die Ukraine auf breiter Front „aufzurollen“, erschien mir von Anfang an unrealistisch.

Doch wenn sich jetzt Menschen im Westen hinstellen und Russland als Hauptverursacher des Krieges anklagen, vom „russischen Überfall“ sprechen und kein Wort über die Kriegsetappe 2014 bis 2018 mit 14.000 Toten – vor allem auf Seiten der „Volksrepubliken” -, so scheint mir das realitätsfremd.

Wer vom „Diktatfrieden“ redet, den Russland durchsetzen will, lenkt davon ab, dass die USA, aber auch die EU, den militärischen Konflikt an der Grenze Russlands mit Waffenlieferungen an die Ukraine anstacheln und sogar den Sieg über die Atommacht Russland propagieren.

Warum konnte Angela Merkel auch friedensbewegte Menschen täuschen?

Die damalige Bundeskanzlerin bemühte sich um eine diplomatische Sprache. Sie musste Rücksicht nehmen auf die Friedenssehnsucht in Deutschland und die Angst der Deutschen vor einem Konflikt mit Russland. Solange die Ukraine nicht militärisch aufgerüstet hatte, wollte sie den militärischen Konflikt nicht ausufern lassen. Was hinter den Kulissen an Aufrüstung und nationalistischer Propaganda in der Ukraine betrieben wurde, haben die Journalisten der großen deutschen Medien konsequent verschwiegen und damit die Bürger im Unwissen gehalten.

Ich bin sehr gespannt, was die Bewunderer von Merkel in Teilen der Linken jetzt sagen. Werden sie das Eingeständnis der ehemaligen Bundeskanzlerin mit Verständnis zur Kenntnis nehmen oder wird ihnen jetzt klar, dass die NATO schon seit 2014 einen militärischen Konflikt vor Russlands Grenze vorantreibt?

* 12.12.2022, 14 Uhr: Dieser Absatz wurde nachträglich hinzugefügt.

Titelbild: Screenshot Bundesregierung.de

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