„War is over, if you want it“: Das ist die zentrale Botschaft aus dem weltberühmten Weihnachtslied von John Lennon. Der Krieg ist vorbei, wenn man es nur will. Es war ein anderer Krieg, gegen den sich diese Botschaft richtete, aber Krieg ist Krieg. Ein Artikel aus der Reihe „Gedanken zur Zeit“ von Andrea Zipko.
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Der Vietnamkrieg, der zu Lennons Zeiten tobte, war schließlich auch nichts anderes als der Kampf einer Hegemonialmacht um geostrategische Vorteile. Ein Stellvertreterkrieg der großen Mächte, der unter einer fadenscheinigen Moral vorangetrieben wurde. Für eine „Freiheit“ zum Beispiel, für das „richtige“, das „gute“ System.
Krieg ist gewollt, von mehreren Seiten. Ein Gegenüber wird als „das Böse“ definiert. Der Kommunismus. Der Russe. Der xy.
Kriegsverbrechen der anderen Seite werden konsequent angeprangert, die eigenen ebenso verschleiert. Der Feind wird entmenschlicht. „Ratte“ wird er genannt oder er wird gern mit einem Insekt verglichen, das zerquetscht werden muss. Oder Schlimmeres.
„Soldaten berichten über ‚Zombie-Russen‘“, habe ich erst gestern in einer österreichischen Zeitung lesen müssen. „Die Russen sind wie Zombies. Man schießt auf sie und es kommen immer mehr“, wird einer der ukrainischen Soldaten freimütig zitiert. Ganz sicher: So hört der Krieg nicht auf.
Das führt uns zur zentralen Frage: Wer wünscht sich denn so aufrichtig ein Kriegsende, dass er diesen Wunsch auch über etwaige Siegeslüste stellen mag?
Leider, es scheint so, nicht allzu Viele. Eigentlich, fast niemand. Gewiss keine der direkten Konfliktparteien, die im Hintergrund agierenden Stellvertreterkrieger natürlich auch nicht; aber auch nicht außenstehende, potentielle Vermittler zeigen sich aktiv, wenn es darum geht, einen friedensfördernden Interessensausgleich zu forcieren. Wenn vor dem Kriegsende der Sieg kommen muss, ist der Frieden nur indirekt gewollt und zweitrangig. Aber alle spielen sie auf Sieg, spielen mit in dem irren Spiel. Lassen sich einspannen für die Kriegssache und verorten sich damit auch noch bei den „Guten“.
Protestlieder wie „Happy Xmas“ von John Lennon wenden sich an dieser Stelle gegen den Irrsinn, gegen den Krieg. Nicht zuletzt aufgrund eines solchen Engagements fing die Welt an, Kriege wie den in Vietnam mit anderen, offeneren Augen zu sehen – und ihn in Folge abzulehnen, sich dagegen zu erheben. Um Kriege friedlich zu beenden, braucht es zunächst einen starken Willen, der möglichst breit und tief verankert ist. Wo ist dieser Wille heute?
„And so this is Christmas … and what have you done?“, wendet sich Lennon in seinem Weihnachtslied direkt an den Zuhörer. „Was haben wir getan…?“ und „Was haben wir wirklich und direkt für den Frieden getan?“, werden wir uns vielleicht fragen, wenn – falls – über die Sache einmal Gras gewachsen ist.
Falls dann noch Gras wächst auf dieser Erde, werden wir uns fragen müssen, was haben wir getan, als von allen Seiten eine durchtriebene Propaganda auf uns einstürzte und uns glauben machen wollte, ein Krieg könne gerecht und berechtigt sein; es ginge um irgendwelche Werte, die mit Waffengewalt verteidigt werden müssten, und Happy End ist dann, wenn die andere Großmacht am Boden liegt. Waffen und immer wieder Waffen werden beworben, verschickt und beklatscht.
Noch viel irrer ist diese Zeit als die Zeit Lennons. Einem John Lennon würde man heute glatt ins Gesicht rotzen, er solle sich mit seinem weltfremden Gedudel doch gefälligst in die Ecke zu den anderen Traumspinnern verziehen. Vermutlich.
„A very merry Christmas
And a happy New Year
Let’s hope it’s a good one
Without any fear…“
…singt der Chor in „Happy Xmas“ noch weiter.
Eine Zeit ohne Angst: Auch das eine essentielle Botschaft. Ein guter Wunsch – und notwendig. Nachweislich leben wir in angstdominierten Zeiten – und aus einer ängstlichen Gesellschaft erwächst nichts Gutes. Krisen und Krieg bestimmen unsere Zeit so sehr, dass wir schon lauthals überstimmt sind. Das Ergebnis sieht man auf vielen Ebenen.
Kann man nur hoffen, dass mal wieder andere Zeiten kommen. Vielleicht mit einem neuen John Lennon – und Leuten, die auch gewillt sind, ihm zuzuhören.
Titelbild: Lightspring/shutterstock.com
Andrea Zipko, geboren 1980 in Linz. Studium an der Universität Salzburg. Philosophie, Pädagogik, Psychologie, Romanistik. Pazifistin, Humanistin, Mutter. 2019 erste literarische Veröffentlichung als eine Top-10-Gewinnerin des FM4-Kurzgeschichten-Wettbewerbs „Wortlaut“. 2020 erschienen in der Jubiläumsausgabe des Literarischen Jahrbuchs der Stadt Linz (Facetten 2020). 2021 Gedichtbeiträge in der Alberndorfer Anthologie Nr. 13.