IMK plädiert im Euro-Raum für eine koordinierte expansive Wirtschaftspolitik.
Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung plädiert in seinem Report Nr. 3 für eine wirtschaftspolitische Wende. Alles deute auf das Gegenteil einer von Angebotsproblemen geplagten Wirtschaft hin: Die mangelnde Nachfrage sei das Problem. Preiserhöhungen bei sinkenden Reallöhnen und eine dadurch bedingte schwache Binnennachfrage seien der Hemmschuh der Konjunktur.
Von der Fiskalpolitik gingen gegenwärtig keinerlei Impulse für einen Aufschwung aus. Preissteigerungen bei der Energieversorgung führten zu einem Anstieg der Inflation, werde diese nicht durch entsprechende Lohnerhöhungen aufgefangen oder könnten höhere Energiekosten von den Unternehmen nicht überwälzt werden, so führe dies zu Gewinneinbußen. Beides habe zusätzliche negative Konsequenzen auf die Konjunkturentwicklung. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik sei die Konsumentwicklung so gedrückt wie von 2001 bis heute.
Die Jahre einer an der falschen Marktseite orientierten Politik hätten mittlerweile tiefe Spuren hinterlassen: Die Umverteilung zu Lasten der Arbeitnehmereinkommen, die nicht zuletzt auch durch die Umfinanzierungen im Sozialsystem ausgelöst worden sei, habe den Konsum der privaten Haushalte stark belastet. Eine große Verunsicherung habe die Sparquote steigen lassen.
Notwendig wäre eine makropolitische Koordination im Euroraum. Das verlangte eine Intra-Koordination der Fiskal- und Lohnpolitiken, sowie eine Verbesserung der Inter- Koordination der Geld-, Lohn und Finanzpolitik. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt verursache tendenziell prozyklisches Verhalten.
Die Europäische Zentralbank sollte die Zinsen zügig um mindestens einen halben Prozentpunkt senken.
Die Finanzpolitik sei das einzige auf nationaler Ebene noch einsatzfähige makroökonomische Instrument zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung. In Deutschland sei den großteils steuerpolitisch verursachten Einnahmeausfällen hinterher gespart worden, was trotz einer Senkung den Anteil der Sozialtransfers ansteigen und gleichzeitig die öffentlichen Investitionen einbrechen ließ, ohne dass die Verschuldung zurückgeführt werden konnte. Das öffentliche Investitionsniveau liege in Deutschland besorgniserregend niedrig, nämlich bei 1,4% im Vergleich zu 2,5% des Bruttoinlandprodukts im EU-Raum. Die deutsche Finanzpolitik wirke krisenverschärfend. Eine Fortsetzung der restriktiven Finanzpolitik (wie das der designierte Finanzminister Steinbrück vorhat (WL)) führe zu einer erneuten Belastung für einen Konjunkturaufschwung.
In der gegenwärtigen labilen Konjunkturlage müsse auf alle Maßnahmen verzichtet werden, die private Haushalte und Unternehmen per Saldo zusätzlich belaste und damit die aggregierte Nachfrage weiter schwächten. In Phasen schwachen Wachstums sollten höhere Defizite und entsprechend ein höherer Schuldenstand zur Stabilisierung der Konjunktur bewusst in Kauf genommen werden. So sollten die öffentlichen Investitionen schrittweise an des EU-Durchschnittsniveau von etwa 2,5% des BIP herangeführt werden. Es dürften allenfalls aufkommensneutrale Steuerreformen zugelassen werden.
Private Haushalte mit geringem Einkommen sollten durch Einmalzahlungen in Höhe von 50 Euro von den gestiegenen Heizkosten entlastet werden, diese Entlastung würde voll in den Konsum gehen.
Aus ökonomischer Sicht spräche alles dafür die 3%-Grenze des Stabilitätspaktes auch noch 2007 zu überschreiten. Sollte dies nicht möglich sein, so könnte die Einhaltung durch solche Steuererhöhungen und die Streichung solcher Subventionen erreicht werden, die eine nur geringe Nachfragewirkung hätten. Steuererhöhungen sollten Haushalte mit hohem Einkommen/Vermögen und hoher Spar- und geringer Konsumquote überproportional belasten.
Die um den Preisanstieg bereinigten Arbeitskosten hätten real kaum zugenommen. Löhne dürften aus Sicht der Arbeitsnachfrage einer Beschäftigungsausweitung kaum im Wege stehen.
Die Heterogenität der Lohnentwicklung unter den europäischen Ländern schaffe Probleme. Mit Ausnahme Österreichs seien in keinem Land der EU die Lohnstückkosten seit Beginn der Währungsunion so geringfügig gestiegen wie in Deutschland. Das habe zu der äußerst positiven deutschen Exportentwicklung gerade auch in europäische Länder geführt, das wirke sich aber negativ für den Rest des Euro-Raums aus. Unter dem Konkurrenzdruck müsste sich die Lohnentwicklung auch dort nach unten anpassen. Greife dieser Trend, dann gerate die wirtschaftliche Entwicklung wie schon in Deutschland auch im gesamten Euro-Raum außer Balance: Die schwache Binnennachfrage übertrage sich dann auf den gesamten Euro-Raum. Dies könnte sich zu einem realen Abwertungswettlauf entwickeln, an dessen Ende eine Deflation stünde.
Kern des Problems, der in ökonomischen Debatten vielfach übersehen werde, sei, dass Löhne nicht nur Kostenfaktoren seien, sondern auch Nachfrage schafften. Der Nominallohnzuwachs sollte deshalb der Summe aus dem länderspezifischen Produktivitätsanstieg und der Zielinflationsrate der Zentralbank entsprechen.
Lesen Sie den IMK-Report Nr. 3 [PDF – 728 KB] selbst.
Nachtrag des Berichterstatters: Warum ist das IMK so vorsichtig? Wenn richtig ist, dass es massiv an Binnennachfrage fehlt, weil die Fiskalpolitik und da vor allem der Niedergang der öffentlichen Investitionen und die Lohnentwicklung/-Politik quasi prozyklisch wirkten und wirken, dann muss doch massiv interveniert werden. Andernfalls kommen wir aus dem konjunkturellen Loch, in dem wir uns befinden, nicht heraus.