Es läuft nicht rund bei den Planungen des Bundeswirtschaftsministeriums unter Robert Habeck. Wie sein Ministerium jetzt auf Presseanfragen einräumen musste, werden Anschaffung und Unterhalt der schwimmenden Flüssigerdgas-Terminals den Steuerzahler mindestens 6,56 Milliarden Euro kosten, das sind über 3,5 Milliarden Euro mehr als bislang geplant. Dazu kommen weitere Haushaltsmittel für das Jahr 2023, die das Ministerium derzeit „nicht genau“ beziffern könne. Bisher hat das Wirtschaftsministerium zudem keine Schritte unternommen, um die jeweiligen Vergabeverfahren sowie die bisherigen und künftigen Verträge mit den Betreibern der LNG-Terminals der parlamentarischen Kontrolle zugänglich zu machen. Von Florian Warweg.
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Der Haushaltsausschuss im Bundestag hat in der vergangenen Woche zusätzliches Geld für Errichtung und Betrieb der umstrittenen LNG-Terminals bewilligt. Im Haushaltsplan für 2022 waren zunächst auf Grundlage von Planungen des Wirtschaftsministeriums 2,94 Milliarden Euro dafür vorgesehen.
Diese Summe sei in der ersten Phase der Neuorganisation der Gasversorgung eingestellt worden, teilte das Ministerium mit. Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums erklärte gegenüber den NachDenkSeiten verklausuliert die Gründe für den Kostenanstieg:
„Der Gesamtbedarf hat sich in 2022 auf rund 6,56 Milliarden Euro Haushaltsmittel erhöht. Hinzu kommen weitere Haushaltsmittel in 2023. Diese Erhöhung war in einer zweiten Phase aufgrund der sich dynamisch entwickelnden Situation notwendig. So hat die vertragswidrige Einstellung der Gaslieferungen durch Russland durch Nord Stream 1 umso deutlicher gemacht, wie wichtig alternative Infrastrukturen sind.“
Im Rahmen von „umfangreichen Abstimmungen mit zahlreichen Akteuren“ seien, so die Vertreterin des Wirtschaftsministeriums fortführend, „weitere Kosten bestimmt und zunächst prognostizierte Kosten konkretisiert“ worden. Das betreffe unter anderem Betriebskosten und Kosten für zusätzliche Infrastrukturmaßnahmen an Land.
Die Mehrkosten dienten, so die Rechtfertigung für die Kostenerhöhung, „direkt der Finanzierung von Vorhaben, die essenziell für die deutsche Energiesicherheit für die kommenden Winter sind.“ Ohne verlässliche neue Gasversorgung seien relevante Teile der Industrie im nächsten Jahr gefährdet.
3D-Darstellung von zwei schwimmende LNG-Gasspeichern mit Ankerstopp und je zwei Tankschiffen – Quelle: shutterstock / LaNataly
Der Verweis auf die sich „dynamisch entwickelnde Situation“ gibt einen Hinweis, was für selbstverschuldete Faktoren für die enorme Preissteigerung mutmaßlich verantwortlich sind. Ähnlich wie beim übereilten und völlig überteuerten Einkauf von Erdgas durch die Trading Hub Europe hat auch im aktuellen Fall die Art der forcierten Einkaufspolitik durch die Bundesregierung zu der Preisexplosion beigetragen.
Dazu hatte Jens Berger bereits im August 2022 in einer Analyse geschrieben:
„Die Firma Trading Hub Europe (THE) […] hat nun die hoheitliche Aufgabe, den Markt sprichwörtlich leerzukaufen und die nationalen Gasspeicher mit der technisch maximalen Menge pro Tag zu füllen. […] Auf den Preis soll THE dabei nicht achten, sondern blindlinks zu jedem aufgerufenen Preis einkaufen. […] Deutschland kauft also derzeit ohne Sinn und Verstand den Markt leer.“
Ein Energieexperte kommentierte ähnlich:
„Die EU-Regierungen kaufen in Panik Gas, als sei es Klopapier während einer Pandemie“.
Wie beim panikgetriebenen Kauf von Gas zeigt sich auch die preisliche Wirkung beim ebenso panischen Erwerb von schwimmenden LNG-Terminals. Dabei sollte klar sein, dass Panik eigentlich immer ein schlechter Ratgeber ist und eine noch schlechtere Grundlage beim Verhandeln und Einkauf von Energieträgern.
Aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang auch weitere Details, die aus den Unterlagen des Haushaltsausschusses hervorgehen. So mussten die jetzt erworbenen Terminals teilweise für 15 Jahre gechartert werden statt für zehn, wie ursprünglich von der Bundesregierung vorgesehen.
Damit wird auch die Darlegung des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck, LNG sei nur eine kurzzeitige „Übergangslösung“, Lügen gestraft. Dies zeigt sich noch eindrücklicher bei den derzeit mit US-Anbietern ausgehandelten LNG-Verträgen. Die US-Seite besteht hier auf Laufzeiten zwischen 15 und 25 Jahren und kann dies auch problemlos durchsetzen, da Deutschland sich in nur wenigen Monaten in eine komplette energiepolitische Sackgasse und Abhängigkeit von den USA manövriert hat.
Denn angebotsseitig ist der Weltmarkt für LNG fest in der Hand von drei Exporteuren, die zusammen über zwei Drittel der Exportkapazitäten verfügen: Die USA, Katar und Australien. Wobei im Falle Deutschlands und der EU vor allem die kommende massive Abhängigkeit von US-amerikanischem LNG in die Augen sticht:
Laut einer Studie des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität Köln (EWI) lösen die USA Russland demnächst nicht nur als wichtigsten Energielieferanten ab, sondern nehmen für den EU-Gasmarkt mit einem Importvolumen von 40 Prozent dieselbe dominante Rolle ein wie Russland vor dem Ukrainekrieg. Bereits für 2026 – also in vier Jahren – soll die Liefermenge von LNG aus den USA mit 130 Milliarden Kubikmetern eine Summe einnehmen, die höher ist, als die Importmenge russischen Erdgases mit 128 Milliarden Kubikmetern nach den „Vorkrisen-Prognosen“ der EU gewesen wäre.
Auf der Kundenseite sieht es übrigens ähnlich aus. Hier machen China, Japan und Südkorea zusammen zwei Drittel des Welthandels mit LNG aus und anders als die EU-Länder und insbesondere Deutschland haben diese Länder den Großteil ihrer Importe langfristig durch feste Verträge abgesichert. Deutschland importiert zurzeit vorwiegend LNG aus den freien Kapazitäten und zahlt dafür, wie bereits ausgeführt, horrenden Preise, die auf dem Spotmarkt aufgerufen werden.
Der Linken-Haushaltspolitiker Victor Perli erklärte vor diesem Hintergrund gegenüber dem Spiegel:
„Die Ampelkoalition hat sich mit der alternativlosen Nutzung von LNG-Gas erpressbar gemacht und muss jetzt Milliarden draufzahlen. Es wäre das Mindeste, die Konzerne in einem relevanten Umfang an den Kosten zu beteiligen, die diese Terminals nutzen. RWE und Co. machen mit diesem Geschäft Rekordgewinne. Wir sehen hier eine Umverteilung von unten nach oben auf Kosten der Kunden und der öffentlichen Hand.“
Bislang hat das Bundeswirtschaftsministerium unter Habeck auch noch keine Informationen über die jeweiligen Vergabeverfahren sowie die bisherigen und künftigen Verträge mit den Betreibern der LNG-Terminals zugänglich gemacht. Eigentlich essentielle Informationen, damit der Bundestag und insbesondere der Haushaltsausschuss seiner Kontrollaufgabe gegenüber der Exekutive nachkommen kann.
Anmerkung der Redaktion: Aus Gründen der Dokumentation und Transparenz geben wir abschließend die gesamte Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums an die NachDenkSeiten wieder:
“Sehr geehrter Herr Warweg,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) teilt Ihnen hierzu mit:
Der Ausbau einer LNG-Infrastruktur für Floating Storage and Regasifications Units (FSRU) und die Anmietung von FSRU waren und sind in diesem Jahr essentiell für die Energiesicherheit. Insbesondere die Reduktion und dann der Wegfall von russischen Gaslieferungen machen sie zwingend notwendig. Deutschland verfügt aktuell über keine eigenen Anlandeterminals. Diese neue Infrastruktur ist aber wichtig zur Steigerung der Vorsorge und zur Diversifizierung.
Im Haushalt 2022 waren für FSRU 2,94 Mrd. Euro (200 Mio. Ausgabeermächtigungen und 2,74 Mrd. an Verpflichtungsermächtigungen) eingestellt. Diese wurden in einer ersten Phase beantragt, als Bedarfe für LNG-Vorhaben ermittelt wurden. Vorrang hatte in dieser Phase vor allem die Anmietung/Charterung der schwimmenden Flüssigerdgasterminals (sog. FSRU).
Der Gesamtbedarf hat sich in 2022 auf rund 6,56 Milliarden Euro Haushaltsmittel erhöht und war Gegenstand der Sitzung des Haushaltausschusses und wurde dort beraten. Hinzu kommen weitere Haushaltsmittel in 2023 (Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen). Diese Erhöhung war in einer zweiten Phase aufgrund der sich dynamisch entwickelnden Situation notwendig. So hat die vertragswidrige Einstellung der Gaslieferungen durch Russland durch Nord Stream 1 umso deutlicher gemacht, wie wichtig alternative Infrastrukturen sind. Mittlerweile konnten in umfangreichen Abstimmungen mit zahlreichen Akteuren weitere Kosten bestimmt und zunächst prognostizierte Kosten konkretisiert werden. Dies betrifft bspw. Betriebskosten und Kosten für zusätzliche Infrastrukturmaßnahmen, die in einer zweiten Phase im Vordergrund stehen, das heißt die Infrastrukturen, die notwendig sind, um die landseitige Anbindung der Schiffe sicherzustellen. Zudem wird ein weiteres FSRU-Projekt in Hamburg budgetiert. Die Mehrkosten dienen damit direkt der Finanzierung von Vorhaben, die essenziell für die deutsche Energiesicherheit für die kommenden Winter sind.
Auch hier der Hinweis, dass in weiteren Projektphasen der Ausgabenseite auch Einnahmen gegenüber stehen werden über sogenannte Regasifizierungsentgelte.
Darüber hinaus sind rund 738 Millionen Euro für die Beteiligung der KfW am stationären Terminal in Brunsbüttel eingeplant.
Für die Beteiligung der KfW an der German LNG GmbH sind für die Haushaltsjahre bis einschließlich 2041 insgesamt rund 739.200.000 EUR eingeplant, womit neben den Refinanzierungskosten der KfW auch sämtliche Nebenkosten und mögliche Ausfallrisiken abgedeckt werden.”
Titelbild: shutterstock / Alexandros Michailidis