Trend zur Wahl progressiver Regierungen in Lateinamerika soll als Momentum zur Wiederbelebung der Unasur genutzt werden. Entwicklungsprojekte und mehr internationales Gewicht angestrebt. Mehr als 100 Teilnehmer der Puebla-Gruppe haben in der Schlussakte zu ihrem achten Treffen in Santa Marta, Kolumbien, ihre Vision für ein zusammenwachsendes Lateinamerika vorgestellt. Das Treffen fand am 10. und 11. November unter dem Motto “Die Region vereint für den Wandel” statt. Von David Keck.
Die Puebla-Gruppe, ein Forum linker Politiker, versucht den politischen Diskurs in der Region zu beeinflussen und progressive Projekte zu fördern. In ihren Reihen befinden sich neben zahlreichen ehemaligen politischen Amtsträgern, darunter sieben ehemalige Präsidenten, auch derzeitige Kongressabgeordnete und leitende Persönlichkeiten internationaler Organisationen.
Ein zentrales Anliegen der Gruppe ist die Wiederbelebung bzw. Neugründung der Unasur (Union Südamerikanischer Nationen). Die Unasur war ursprünglich 2008 als Organisation zur Integration südamerikanischer Länder gegründet worden. Aufgrund interner Streitigkeiten über deren Ausrichtung traten mehrere rechtsregierte Staaten 2019 aus und gründeten die Prosur (Forum für den Fortschritt und die Integration von Südamerika) als Gegenprojekt. Nach heutigem Stand sind nur noch vier Länder überhaupt Mitglieder der Unasur. Die Puebla-Gruppe fordert daher einen Neuanfang für die Regionalorganisation, wobei die Wiederholung der Fehler, die zum Scheitern der Organisation geführt hatten, vermieden werden sollen.
Der Augenblick für die Wiederbelebung scheint sowohl günstig als auch dringend. Günstig ist der Moment, da nach der von der Puebla-Gruppe als “konservativer Winter” bezeichneten Periode, in der viele Länder Lateinamerikas von rechten Regierungen gelenkt wurden, das linke Lager zuletzt einige bedeutende Siege erringen konnte. Dazu zählen unter anderem die Wahlsiege von Alberto Fernández in Argentinien (2019), Pedro Castillo in Peru (2021), sowie Gabriel Boric in Chile, Gustavo Petro in Kolumbien und Lula da Silva in Brasilien (alle 2022). “Heute, da in vielen lateinamerikanischen und karibischen Staaten der Progressivismus an der Regierung ist, bietet sich eine unschlagbare Gelegenheit”, heißt es daher auch in der Mitteilung der Puebla-Gruppe.
Quelle: Rafael Martínez (Bürgermeister von Santa Marta, @mrafael70)
Dringend sei eine verstärkte regionale Integration in Lateinamerika jedoch auch, so die Puebla-Gruppe, da sich die globalen Gewichte immer weiter verschieben würden. Lateinamerika laufe dabei Gefahr in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden und müsse jetzt geeinter auftreten, um Bedrohungen wie der Corona-Pandemie oder den Spannungen seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine gewachsen zu sein.
Zu den Schritten bei der geplanten Integration gehört auch die Einführung einer gemeinsamen Währung für Lateinamerika und die karibischen Staaten. Zusätzlich stehen viele weitere Themen auf der Agenda. Die Puebla-Gruppe bezeichnete sich in diesem Kontext als feministisch und sprach davon, dass es “keine gesunden Demokratien ohne die aktive Beteiligung von Frauen und der LGBTIQ+-Gemeinschaft an der politischen Macht und Entscheidungsfindung” gebe. Außerdem sollen ökologische Themen in den Vordergrund treten und die Rechte der indigenen Gemeinschaften gestärkt werden.
Die Puebla-Gruppe betont auch die Unabhängigkeit der einzelnen Länder. Kein Staat dürfe es sich herausnehmen einen anderen zu sanktionieren, wie es beispielsweise gegen Kuba oder Venezuela passiere.
Sie kritisiert außerdem die in jüngster Vergangenheit häufiger angewandte Praxis, linke Politiker durch Korruptionsvorwürfe zu kriminalisieren, wie dies etwa mit den ehemaligen Präsidenten Rafael Correa (Ecuador), Evo Morales (Bolivien) oder Lula da Silva passiert sei. Ein weiteres Thema ist der Bildungsbereich, in dem Lateinamerika zusammenwachsen solle. Dazu gehöre, dass Bildung in Zukunft kostenlos zur Verfügung stehen soll.
Schließlich verlangt die Gruppe eine Änderung der internationalen Drogenpolitik, die auf einer Deregulierung der Prohibition beruhen und den Konsum nicht nur strafrechtlich, sondern auch sozial und gesundheitlich behandeln soll. Zusätzlich müssten die Hauptkonsumentenländer stärker in die Verantwortung genommen werden. Damit steht die Puebla-Gruppe im Einklang mit der Global Commission on Drug Policy, die ebenfalls tiefgreifende Veränderungen im Kampf gegen den Drogenhandel anstrebt.
Die Puebla-Gruppe wertete das Treffen als Erfolg und teilte auf ihrer Webseite einen Tweet des ehemaligen Präsidenten der Dominikanischen Republik, Leonel Fernández, in dem dieser seine Freude über die Zusammenkunft bekundete und schrieb:
Exitosa jornada en el VIII Encuentro del #GrupoDePuebla, un placer reencontrarme con grandes amigos del movimiento progresista de nuestra región.
Latinoamerica necesita crear un espacio de reflexión que represente sus intereses y que haga valer su voz.
¡América Latina unida! pic.twitter.com/9zvRcGWhaH— Leonel Fernández (@LeonelFernandez) November 12, 2022
“Lateinamerika muss einen Raum der Reflexion schaffen, der seine Interessen vertritt und seiner Stimme Gehör verschafft. Lateinamerika vereint!“
Dieser Artikel erschien zuerst auf Amerika21.
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