Zu Guttenberg versucht seine Plagiate zu vertuschen
„Ich habe wie jeder andere auch zu meinen Fehlern und Schwächen zu stehen – zu großen und kleinen im politischen Handeln bis hin zum Schreiben meiner Doktorarbeit. Und mir war immer wichtig, diese vor der Öffentlichkeit nicht zu verbergen“, erklärte zu Guttenberg am 1. März in seiner Rücktrittserklärung. Doch seit bekannt geworden ist, dass die Selbstkontroll-Kommission der Universität Bayreuth zu dem (vorläufigen) Urteil gekommen ist, dass Ausmaß und Art der Plagiate keinen anderen Schluss zu ließen, als dass zu Guttenberg mit Absicht gehandelt haben müsse, lässt der „Selbstverteidigungsminister“ seine Anwälte alles unternehmen, um eine Veröffentlichung der Vorwürfe einer absichtlichen Täuschung durch die Verwendung zahlreicher Plagiate als auch des Missbrauchs von Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages zu verhindern. Wolfgang Lieb
Bliebe es bei der “amtlichen” Feststellung der Universitäts-Kommission eines gegen die ethischen Normen der Wissenschaft verstoßenden absichtlichen Fehlverhaltens, so stünde zu Guttenberg mit seinen bisherigen Einlassungen als Lügner da. Hatte er doch bislang alle Anschuldigungen, er habe plagiiert zurückgewiesen, schon gar hat er abgestritten, dass er absichtlich getäuscht habe. Am Tag nachdem die Süddeutsche Zeitung über Plagiate in zu Guttenbergs Dissertation berichtet hatte, nannte er am 16. Februar den Vorwurf, seine Doktorarbeit sei ein Plagiat, „abstrus“. Am 18. Februar gestand er zwar „fraglos“ Fehler ein, wies aber weiter den Plagiatsvorwurf „mit allem Nachdruck“ von sich. „Es (!) wurde…zu keinem Zeitpunkt bewusst getäuscht oder bewusst die Urheberschaft nicht kenntlich gemacht.“
Drei Tage später auf einer CDU-Veranstaltung in Kelkheim kam dann das Eingeständnis, er habe „gravierende Fehler“ gemacht, „die den wissenschaftlichen Kodex, den man (!) so ansetzt, nicht erfüllen“. Aber immer noch hielt er daran fest, dass der „diese Fehler nicht bewusst gemacht. Ich habe auch nicht bewusst oder absichtlich in irgendeiner Form getäuscht.“
Auch in einem Schreiben an die Universität Bayreuth vom 22. Februar hielt zu Guttenberg an dieser Version fest, dass er „zu keinem Zeitpunkt vorsätzlich oder absichtlich getäuscht habe“.
Am 1. März trat zu Guttenberg zurück. Der Grund läge in der Frage, ob er den höchsten Ansprüchen, die er selbst an seine Verantwortung anlege, noch nachkommen könne. Angesichts massiver Vorwürfe bezüglich seiner Glaubwürdigkeit sei es ihm „ein aufrichtiges Anliegen, mich an der Klärung der Fragen hinsichtlich meiner Dissertation zu beteiligen.“ Auch gegenüber der Universität Bayreuth.
Von diesem Zeitpunkt an, so erweist sich jetzt, waren diese Erklärungen nur hohles Pathos. Nachdem im Internet immer mehr Stellen belegt wurden, bei denenen sich zu Guttenberg mit „fremden Federn“ schmückte bröckelte seine Verteidigungslinie, der Vorwurf des Plagiats sei „abstrus“, mehr und mehr.
Am 23. Februar erkannte die Promotionskommission der Universität Bayreuth zu Guttenberg den Doktortitel wegen objektiver Fehlerhaftigkeit ab. Die Promotionskommission berief sich auf das Verwaltungsverfahrensrecht (§ 48 VwVG) und wich so einem persönlichen Schuldvorwurf aus. Das hat nicht nur bei Angehörigen der Universität Bayreuth, die um den guten Ruf ihrer Hochschule und vor allem auch der juristischen Fakultät besorgt waren, scharfe Kritik ausgelöst.
Einige tausend Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer haben im März eine „Erklärung zu den Standards akademischer Prüfungen“ unterschrieben, in der sie ihre Enttäuschung zum Ausdruck brachten, dass die Universität Bayreuth die Aberkennung des Doktorgrades „nicht mit vorsätzlicher Täuschung begründet hat“ [PDF – 860 KB]: „Wenn Mängel wie die der zu Guttenbergschen Arbeit lediglich handwerkliche Fehler darstellen sollen, sehen wir die Gefahr, dass die bewährten Standards wissenschaftlicher Arbeit verkommen. Deshalb ist es wichtig, dass mit dem Fall zu Guttenberg kein negativer Präzedenzfall geschaffen wird.“ Ende Februar haben 23.000 Doktoranden einen offenen Brief an die Kanzlerin übergeben, in dem sie beklagten, dass die Kanzlerin das „Erschleichen eines Doktortitels“ als „Kavaliersdelikt“ behandle. Bundestagspräsident Lammert sprach im Zusammenhang mit der Plagiatsaffäre von einem „Sargnagel an der Glaubwürdigkeit der politischen Klasse“. Und Bildungsministerin Schavan schämte sich „nicht nur heimlich“ für das, was da passiert sei.
Entgegen zu Guttenbergs großspurigen Ankündigungen, „ich werde selbstverständlich aktiv mithelfen, festzustellen, inwiefern darin ein wissenschaftliches – ich betone ein wissenschaftliches Fehlverhalten liegen könnte“ und entgegen seiner Darstellung, es sei ihm ein „aufrichtiges Anliegen“ sich an der Klärung der Fragen hinsichtlich seiner Dissertation auch „gegenüber der Universität Bayreuth“ zu beteiligen, hat sich zu Guttenberg gegenüber der Hochschule äußerst kleinlaut verhalten und die Möglichkeit, sich selbst vor der „Selbstkontroll-Kommission“ zu äußern, verweigert.
Diese Kommission hat dennoch zu Guttenberg die Möglichkeit zur Stellungnahme bis zum 26. April eingeräumt. Doch offenbar scheinen zu Guttenberg, angesichts der erdrückenden Beweislage, die Ausflüchte und Ausreden auszugehen. Kein Wunder also, dass nun zu Guttenbergs Anwälte die Veröffentlichung des Berichts dieser Kommission, der von einer absichtlichen Täuschung ausgeht, zu verhindern versuchen. Alle bisherigen Erklärungen zur Wahrung seiner „Glaubwürdigkeit“, sind also nur noch Schall und Rauch.
Selbst der Kanzlerin scheint dieses Vorgehen nur noch peinlich zu sein. Nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung dringt Angela Merkel auf Aufklärung durch den ehemaligen Verteidigungsminister. Regierungssprecher Seibert erklärte, zu Guttenberg habe volle Unterstützung zugesagt: „Die Bundeskanzlerin erwarte, dass das gilt“.
(Welche Motive die Kanzlerin dabei verfolgt, mag an dieser Stelle dahinstehen. Vielleicht geht es ihre weniger um die Einhaltung wissenschaftlicher Grundsätze oder um die Rettung der Glaubwürdigkeit von Politikern, als darum, einen lästigen Konkurrenten noch eine Weile kalt zu stellen.)
Auch in Wissenschaftskreisen erntet zu Guttenberg nur noch Kopfschütteln. Der Präsident des Deutschen Hochschulverbands, Bernhard Kempen, sagte Spiegel Online, wer in der Öffentlichkeit Ruhm erfahren habe, müsse auch akzeptieren, dass sein Fehlverhalten öffentlich werde, zu Guttenberg brüskiere seine Universität Bayreuth, wenn er gegen die Veröffentlichung des Berichts vorgehe. Auch die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, Margret Wintermantel oder der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Matthias Kleiner, forderten eine Offenlegung der Ergebnisse der Kommission. «Das Thema hat eine solche öffentliche Aufmerksamkeit erfahren, dass ich davon ausgehe, dass die Ergebnisse der Kommission der Universität Bayreuth auch veröffentlicht werden», sagte Kleiner der «Rheinischen Post» am Montag.
An der Universität Bayreuth selbst ist offenbar ein offener Streit darüber ausgebrochen, wessen Ruf nun gerettet werden soll, entweder die wissenschaftliche Reputation der Hochschule oder die „Ehre“ des wegen dieser Plagiatsaffäre zurückgetretenen aber nach wie vor einflussreichen CSU-Politikers.
Einerseits erklärte der Sprecher der Hochschule, Frank Schmälzle: „Wir wollen eine klare Aussage zum wissenschaftlichen Fehlverhalten zu Guttenbergs treffen und das Thema öffentlich aufarbeiten“ und „Wir haben den Anwälten in einem Schreiben geantwortet und unser Interesse deutlich gemacht, die Öffentlichkeit informiert zu halten.“ Im Regionalblatt Nordbayrischer Kurier (v. 12.04.2011) fügte er sogar noch hinzu, “dass die Universität den Bericht notfalls auch gegen den Willen des Ex-Ministers veröffentlichen wolle”.
In einem Bericht des Tagesspiegels erklärte allerdings der Präsident der Hochschule, Rüdiger Bormann, man werde den Bericht nicht veröffentlichen, wenn der Politiker bei seinen Vorbehalten bleibe. Schließlich handele es sich „formal“ um einen „internen Vorgang“.
Dem Uni-Präsidenten, der doch zuvorderst gefordert wäre, den Ruf seiner Hochschule zu verteidigen, man müsste sogar sagen, den angeschlagenen Ruf wiederherzustellen, scheint es offenbar wenig zu kümmern, dass seine Hochschule in der gesamten Republik der Lächerlichkeit preisgegeben wäre, wenn sie einen offenkundigen wissenschaftlichen Täuschungsversuch nicht öffentlich als solchen zu benennen mag. Immerhin wurden laut Spiegel Plagiate auf 70 Prozent der insgesamt 393 Seiten geortet.
Selbst wenn die Gefahr bestünde, dass der Hochschule nach Privatrecht durch Gericht eine Verletzung des „Persönlichkeitsrechts“ des „Freiherrn“ vorgehalten würde, könnte dieser damit seine „Ehre“ nicht retten. Aber wenn die Hochschule auch nur den Anschein erweckt, einem wie auch immer gearteten politischen Druck zu Lasten ihrer wissenschaftlichen Reputation nachgegeben zu haben, so läge dieser Schatten noch Jahre über dieser Universität.
Es ist geradezu peinlich, wie der Uni-Präsident „der Politik“ und dem „Freiherrn“ zu Kreuze kriechen möchte, denn wäre der Delinquent ein normaler Bürger namens Schulze oder Schmid, so stellte sich die Frage gar nicht, ob ein Bericht einer Fehlverhaltenskommission geheim gehalten werden sollte (müsste) oder nicht. Jede Hochschule würde von sich aus ein Interesse an der öffentlichen Wiederherstellung ihres wissenschaftlichen Rufes haben.
Dem Versagen der Hochschule dürfte aber schon bald ein weiteres folgen, nämlich das Versagen der Justiz im „Freistaat“ Bayern. Die Staatsanwaltschaft Hof, bei der rund 80 Anzeigen eingegangen sind, verhält sich gleichfalls seit Wochen zögerlich und merkwürdig zurückhaltend. Sie verweist darauf, dass bislang noch keine Anzeige betroffener Urheberrechtsinhaber eingegangen sei und stellt – weil es sich bei Urheberrechtsverletzung um ein relatives Antrags handelt – in Zweifel, ob ein besonderes öffentliches Interesse an einer strafrechtlichen Verfolgung bestehe.
Es mag einzelnen Autoren/innen, wie etwa der Schweizer Journalistin Klara Obermüller, deren Urheberrecht verletzt wurde, zu unangenehm sein, persönlich eine Anzeige zu erstatten, für die meisten Betroffenen wäre es Genugtuung genug, wenn diese Rechtsverletzung öffentlich festgestellt würde.
Da mag zu Guttenberg selbst erklärt haben, es würde „im öffentlichen Interesse wie in meinem eigenen Interesse liegen, wenn auch die staatsanwaltlichen Ermittlungen…zeitnah geführt werden könnten“, es steht zu befürchten, dass für die bayerische Staatsanwaltschaft diese Beteuerungen des Freiherrn keine Rolle spielen, und das, obwohl in der Dissertation, um es klar zu sagen, „geklaut“ wurde, was das Zeug hält. Von einer geringfügigen Schutzrechtsverletzung kann jedenfalls bei diesem Ausmaß an Plagiaten kaum noch die Rede sein, sonst wäre das Urheberrecht nichts mehr wert.
Wenn ein Minister wegen Plagiatsvorwürfen zurücktreten musste und wenn er gegenüber der Öffentlichkeit bis heute diese Vorwürfe leugnet, dann soll diese Öffentlichkeit kein besonderes Interesse an der Aufklärung der Wahrheit haben? Man müsste sich dann Fragen, was überhaupt noch von besonderem öffentlichen Interesse wäre.
Zu Guttenberg hatte in einem Punkte völlig Recht, es liegt vor allem auch in seinem Interesse, dass die staatsanwaltlichen Ermittlungen zügig geführt werden. Sollte aber der Bericht der Fehlverhaltenskommission der Universität geheim gehalten und darüber hinaus auch noch das das strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingestellt werden, dann wird ihm noch lange ein äußerst unangenehmes Geschmäckle nachwehen.
Da wäre es auch Interesse zu Guttenberg sicherlich besser, es würde ein für alle Mal klarer Tisch gemacht.