Spanien: Treibjagd auf den Führer der Rechtspartei oder wie ein journalistischer Schmierfink Politik macht

Spanien: Treibjagd auf den Führer der Rechtspartei oder wie ein journalistischer Schmierfink Politik macht

Spanien: Treibjagd auf den Führer der Rechtspartei oder wie ein journalistischer Schmierfink Politik macht

Eckart Leiser
Ein Artikel von Eckart Leiser

Neben den Enthüllungen der BBC zur direkten Beteiligung der spanischen Polizei am Grenzzaun-Massaker in der afrikanischen Exklave Melilla im vergangenen Juni (offiziell 37 Tote) gibt es in Spanien in diesen Tagen ein zweites Spitzenthema: der bevorstehende Zusammenbruch des Justizsystems. Von Eckart Leiser.

Alberto Núñez Feijóo, Retter der Rechtspartei

Es ist gerade einmal ein halbes Jahr her, dass der damalige Vorsitzende der Rechtspartei „Partido Popular“, Pablo Casado, nach einem Showdown mit seiner Rivalin Isabel Ayuso, Präsidentin der autonomen Region Madrid, in wenigen Tagen entmachtet wurde. Ayuso verzichtete zwar damals darauf, obwohl von den rechten spanischen Medien als „shooting star“ und Hoffnungsträgerin der spanischen Rechten hochgepusht, Casado als Parteivorsitzende und Spitzenkandidatin für die Wahlen Ende nächsten Jahres abzulösen, und trat vorübergehend scheinbar in die zweite Reihe zurück, aber das war wohl nur ein taktisches Manöver. Ihre rechten Fans, die hegemonialen rechten Medien vorneweg, feierten ihre „Heilige Isabel“ weiterhin als Politikerin mit großer Zukunft, deren Zeit noch kommen würde.

Seinerzeit wurde zur Rettung der Rechtspartei, die kurz vor dem Zerfall stand, eine andere Figur aus dem Hut gezaubert: Alberto Núñez Feijóo, zu dieser Zeit Präsident der autonomen Region Galicien, an der geografischen Peripherie Spaniens gelegen und außerhalb des Fokus der spanischen Politik. Zwar kletterte die Rechtspartei nach diesem Wechsel aus ihrem Umfragetief heraus, auf Kosten der faschistischen Partei VOX, aber es mangelte Feijóo an Charisma, politischer Substanz und glanzvollen Auftritten.

Die spanische Justiz bricht mit der Verfassung

Von den Umständen getrieben war er dann aber doch zu einigen Korrekturen der Linie der Rechtspartei gezwungen: Nach Jahren der völligen Verweigerung und Konfrontation mit der Linksregierung kam es zu einer Entschärfung und einigen Gesprächen mit dem Präsidenten Pedro Sánchez. Spanien war nämlich seitens der Europäischen Union wegen des Zustands seiner Justizorgane unter wachsenden Druck geraten. Die Erneuerung eines Schlüsselorgans, des „Generalrats der rechtsprechenden Gewalt“ (CGPJ), ist nämlich seit vier Jahren überfällig. Da der Rechtspartei bei einer Erneuerung der Verlust der Mehrheit rechtsgerichteter Richter droht, hatte sie diese Erneuerung immer wieder blockiert. Inzwischen droht die Arbeitsunfähigkeit der höheren Gerichte, da Neubesetzungen vakanter Richterstellen unmöglich sind. Kurz: Die spanische Justiz befindet sich seit vier Jahren in einem verfassungswidrigen Zustand, sie arbeitet außerhalb der Legalität. Spanien ist bereits mehrfach vom Justizkommissar der Europäischen Kommission wegen dieses Skandals verwarnt worden, hat aber alle gesetzten Fristen verstreichen lassen, bis schließlich dem rechtsgerichteten Präsidenten des CGPJ nichts Anderes mehr übrig blieb, als sein Amt niederzulegen. An anderer Stelle ist von der völligen Politisierung der spanischen Justiz ausführlicher berichtet worden (NachDenkSeiten 21.11.2017).

Nach langen Verhandlungen zwischen Regierung und Rechtspartei war man nun kurz vor einer Verständigung, aber dann holte die geballte Front der reaktionären Medien zum Schlag aus. Diese haben der Linksregierung seit Amtsantritt ihre Legitimität abgesprochen, sie als Hochverräter und Komplizen von ETA-Terroristen und katalanischen „Putschisten“ beschimpft und jeden Versuch einer Entschärfung des Katalonienkonflikts bis aufs Messer bekämpft.

Der mediale Großangriff auf Feijóo und die Rückkehr seiner Rivalin Ayuso

Als dann Pedro Sánchez sein Wahlversprechen erwähnte, die spanische Gesetzgebung, was den Straftatbestand „Aufruhr“ angeht (aufgrund dessen die katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden), den europäischen rechtsstaatlichen Standards anzupassen, war das der Startschuss für einen Großangriff auf Feijóo, der bereit sei, einen Teufelspakt mit dem „Putschisten“ Sánchez zu schließen. Dabei hatte Sánchez nur von einer Absicht gesprochen und hinzugefügt, dass es zurzeit keine parlamentarische Mehrheit für derartige Gesetzesänderungen gäbe. Prompt kam auch Ayuso aus ihrem Versteck, und von der rechten Presse bejubelt teilte sie mit, auch sie sei gegen die Verständigung hinsichtlich des CGPJ, ja, gegen jede Verständigung mit dem „Desaster“ Sánchez, dem nicht über den Weg zu trauen sei.

Ein Termin zur Besiegelung der Verständigung mit der Rechtspartei war bereits vereinbart, und Feijóo hielt 60 Stunden dem Großangriff stand, dann teilte er mit, Pakte wegen es Staatswohls wären erst mit einer anderen sozialistischen Partei möglich.

Der Gossenjournalismus macht Politik

Protagonist des Angriffs auf Feijóo war Federíco Jiménez Losantos, Herausgeber von „Libertad Digital“, Kommentator der Zeitung „El Mundo“ (in den Händen des italienischen Medienkonzerns RCS MediaGroup) und lange Jahre eine Art „Bluthund“ des katholischen Radiokanals COPE. Dort trat er in der morgendlichen Sendung „La mañana de la Cope“ auf, wo ihm Millionen „Fans“ lauschten. Über lange Jahre behauptete er dort und anderswo, das islamistische Attentat in Madrid vom 11. März 2004 (193 Tote) gehe auf das Konto der ETA, aber eine manipulierte Justiz hätte es den Islamisten in die Schuhe geschoben, mit dem Ziel einer Wahlniederlage der in den Irakkrieg verwickelten Rechtsregierung (Teil der „Koalition der Willigen“). Der folgenden sozialistischen Regierung unter Zapatero fehle daher die Legitimität. Vor zwei Jahren musste er die Sendung auf seinen eigenen Radiokanal „esradio“ verlegen. Cope hatte ihn abgelöst, nachdem er den vatikanischen Botschafter in Spanien als „Freimaurer“ beschimpft hatte.

Von seinem Einfluss auf die Rechtspartei wissend, verkündete er im Befehlston zu der bevorstehenden Verständigung zwischen Regierung und Rechtspartei: „Ich will keinen Pakt. Ich will die Blockade“, um dann zu drohen, dieser „Provinzpolitiker“ Feijóo würde niemals Präsident werden. In Wikipedia findet sich unter „Losantos“ eine Liste von Dutzenden von Verurteilungen wegen schwerer Beleidigungen. So hatte er in „El Mundo“ behauptet, in allen Büros der katalanischen Partei „Republikanische Linke“ gäbe es Waffen und Munition. 36.000 Euro Strafe zahlte er dafür, den rechten (aber nicht ausreichend rechten) Bürgermeister von Madrid einen „Verräter“ und „Banditen“ genannt zu haben. Und zu einer Abgeordneten des Linksbündnisses „Unidas Podemos“, die ihr Baby in eine Parlamentssitzung mitgebracht hatte, gab er von sich, sie würde ihr Baby jederzeit auch in eine Mülltonne stecken. Immer wieder wurde er von Gerichten verurteilt und gezwungen, die Urteile zu veröffentlichen. Aber immer noch zittert das politische Spanien jeden Tag vor den Drecksalven, die Losantos verschießt. Und er macht Politik: Viele sagen, Feijóo sei angezählt, seine Tage als Parteivorsitzender und Spitzenkandidat für die nächsten Wahlen seien gezählt. Und Brüssel muss sich wohl zur Sanierung der spanischen Justiz etwas Neues einfallen lassen.

Titelbild: Tatohra/shutterstock.com

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