Neuigkeiten aus der Hauptstadt Berlin sind des Öfteren keine guten. Dabei ist sie ja unserer aller Hauptstadt, unser Schaufenster in die Welt, unsere Visitenkarte, unser Aushängeschild, na und so weiter, wer will also, dass es ihr schlecht geht? Mensch, Berlin, du bist wunderbar, was machen sie mit dir? Die Frage stellt sich mir. Dass man in Berlin in turbokapitalistischen und Zeiten der versteckten bis offenen Militarisierung immer noch einen daraufsetzt, ist schlimm, die Entwicklung Berlins steht für die bedrohlich rückwärtsgewandte Entwicklung im ganzen Land. Es ist lang schon geboten, diesen Zug gegen die Wand zu stoppen. Abwarten geht nicht mehr. Ein Kommentar von Frank Blenz.
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Schlagzeilen voller Pein
Schlagzeilen der derben Sorte aus dem Berliner Alltag lauten gerade „Läden schließen und verwandeln sich in teure Ferienwohnungen“, „Kaufhauskette stellt Insolvenzantrag“, „Tipps für die Zeit ohne Strom in Berlin haben Hochkonjunktur“, „Die Flüchtlingsströme sind für Berlin nicht zu stemmen“, „Bäcker, Fleischer, andere Handwerksbetriebe geben auf“, „Staus wegen junger Menschen, die sich auf die Straße kleben“, „Bundespräsident hält Rede an die Nation“, „Gesundheitsminister erklärt, dass Kitas in der Pandemie nicht hätten geschlossen werden müssen“, „Mieterhöhungen von 15 Prozent bedrohen Mieter in Moabit“, „5 Euro für einen Glühwein“, „Briefe werden von der Post unzuverlässig zugestellt“, „Berliner Feuerwehr in Not“, „Sozialämter überlastet“, „Zahl der Obdachlosen steigt“, „Paragrafenänderung durch Regierung schränkt Freiheit der Rede, der Meinung, der Wissenschaft ein“, „Aufarbeitung des RBB-Skandals ist einzige Veralberung“, „Müllgebühren steigen“, „Kochen ohne Strom – Empfehlung dagegen: Rotkohlsalat“, „Drama um Berufsausbildung – die Lage ist schlecht“, „Sanierungsstau bei der U-Bahn“. Und so weiter. Die Berliner haben das nicht verdient.
Aus Kiezläden werden Trendappartments
Man kann es sich nicht ausdenken, kriegen Investoren, Unternehmer, Startup-Bastler den Hals wirklich nicht voll genug? Doch, man kann. Während auf der einen Seite Ladeninhaber den Schlüssel ihrer Lokale für immer herumdrehen und schließen, weil sie die Mieterhöhungen nicht tragen können und auch bei den weiteren Preisen passen müssen, haben deren Vermieter schon Ersatz gefunden, einen, der ihnen noch mehr Geld als bisher aufs Konto spülen soll. Wie? Aus Läden werden Ferienappartements. Das ist ein neuer Trend, echt knorke, Berlinerisch gesagt. Man läuft so an Schaufenstern vorbei, die mit Papier sichtverklebt sind, dahinter weilen Touristen, die das ganz fetzig finden. Geht’s noch? Es ist zynisch, von Mode zu sprechen, wenn Menschen ihre Arbeit, ihr Lebenswerk aufgeben müssen, während andere den schicken Trendsetter spielen und weitere Leute sich die Taschen vollhauen.
Die Gier lässt nicht nach. Kaufhäuser sind nicht nur für Berlin Institutionen des öffentlichen, wirtschaftlichen, sozialen Lebens. Doch schon planen deren Eigentümer deren Abriss. Wie das denn? Indem man zunächst Insolvenz beantragt, dann die staatlichen Hilfen einsteckt, die Belegschaft rausschmeißt und derweil Großes vorhat. Berliner Kaufhäuser stehen an schönen Orten in der Hauptstadt, also reißt man sie ab, um dann auf der freigewordenen Stelle noch höhere Häuser zu errichten, wenn nicht sogar Hochhaustürme. Man ahnt: Das bringt mehr Profit als das altmodische Kaufhaus.
Die Preisspirale dreht und dreht und dreht sich. 15 Prozent mehr Miete wird von alteingesessenen Mietern verlangt, liest man in der Hauptstadtpresse. Derweil wird das Thema Verstaatlichung von privaten Wohnungsgesellschaften auf die ganz lange Bank geschoben, obwohl es eine demokratische Entscheidung der Berliner gab, die Vergesellschaftung zu betreiben, um dem Mietwucher zu begegnen. Berlin den Berlinern! Es wäre einfach. Was ist schon einfach? „Lieber große Vorteile für Wenige zum Nachteil für Viele“, lautet das Motto, für eine lebenswerte Stadt taugt das sicher nicht. Aber uns Bürger fraacht ja keener.
Berlins Alltagswahnsinn geht weiter. Menschen kleben sich auf vielbefahrenen Straßen fest, halten so den Autoverkehr auf. Die Zahl der Obdachlosen steigt, ohne Wucht versucht der Senat mit kleinen Summen und Gesten der Lage Herr zu werden. Tatsächlich bekommen einige wenige Wohnungslose nun Wohnungen und die Chance auf einen Neuanfang. Andere Zahlen steigen. Die der Flüchtlinge steigt, vor allem die Zahl der unbegleiteten Kinder wird in den Medien mit dem Zehnfachen im Vergleich zur ersten Flüchtlingskrise angegeben. Die „Verteilung“ der Menschen auf die Stadtbezirke erfolgt ziemlich ungerecht, der Westen Berlins bleibt nahezu „verschont“. Komisch. Bei all dem beschriebenen Ärger ist dagegen die Maskenpflicht fast in den Hintergrund gerückt. Fast. Ein saftiger Bußgeldkatalog war schon vorbereitet. Die Pflicht kommt nun nicht, Bürgermeisterin Giffey sei Dank.
Der Berliner bereitet sich nun also auf den Stromausfall vor. Dafür gibt es unter der Rubrik Haushaltstipps entsprechende Vorschläge wie die, wie man ohne Strom kocht. Kalte Küche halt. Rotkrautsalat zum Beispiel. Es könnte noch dicker kommen, wenn an den Tankstellen kein Benzin mehr zu bekommen sein wird. Das könnte durchaus zur Adventszeit passieren, denn der Sprit wird von Schwedt an der Oder nach Berlin an der Spree gepumpt. Man muss wissen, Schwedt hat zum Benzin Produzieren bald kein Öl mehr, weil das von ostwärts her angeliefert wurde, bisher.
Genug der Schlagzeilen. Für diesen Kommentar. „Ich hab noch einen Koffer in Berlin“, sang einst Hildegard Knef, die charmante, warmherzige Sängerin und Schauspielerin aus Berlin, ihre Liebeserklärung an ihre Heimatstadt gilt im Besonderen wie eine Hymne für die Stadt und ihre Bewohner, Berliner und auch für Menschen, die nicht in dieser quirligen Metropole wohnen und doch wieder gern – noch und trotz allem – zurückkehren. Die Berliner, die echten, mit ihrem knorkigen Dialekt, ihrer Unfreundlichkeit, die bei genauem Hinhören und Hinschauen ungeschminkte Warmherzigkeit ist, haben verdient, dass die Stadt lebenswert bleibt und von deren Dinge befreit wird, die die Stadt kaputt machen. Und ja, es gibt so viele Dinge, Menschen, Aktivitäten in Berlin, die wunderbar sind. Die kaputtmachenden braucht es nicht.
„Völker der Welt, schaut auf diese Stadt“, rief einst ein Berliner Bürgermeister. Ja, wie schön wäre das mit fairen Lebensbedingungen, mit einem Innehalten der Gier und der Boshaftigkeit. In der Stadt und weltweit. Das ist ja eigentlich nicht schwer, es bedarf lediglich des Willens, politisch, unternehmerisch, gesellschaftlich. „Wir wollen ein Volk guter Nachbarn sein“, sagte ein Bundeskanzler. Der jetzige war es nicht.
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