Hinweise der Woche
Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)
Wir weisen darauf hin, dass die jeweiligen Anbieter für die Barrierefreiheit ihrer Angebote selbst verantwortlich sind und es durchaus sein kann, dass der Zugang von zunächst freien Inhalten nach einer Zeit beschränkt wird.
Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- Wahlen in Israel: Ein Rechtsextremer ist der neue Stern am Politikhimmel
- Bidens Außenpolitik ist der Untergang der Demokraten – und der Ukraine
- Waffen für die Ukraine: Sturmgewehre tauchen plötzlich in Finnland auf
- Einflusskampf um Zentralasien
- Hintergrund: Weshalb Russland aus dem Getreideabkommen aussteigt …
- Die Dialektik des Chinageschäfts
- Wie sich Superreiche vor Steuern drücken
- Zinsen rauf, Verstand runter
- Stil und Sicherheit
- Wer die Fakten checkt, bestimmt die Wahrheit
Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- Wahlen in Israel: Ein Rechtsextremer ist der neue Stern am Politikhimmel
Itamar Ben Gvir galt früher als eine Randerscheinung. Niemand wollte mit ihm etwas zu tun haben. Jetzt könnte seine Partei die drittstärkste Kraft im israelischen Parlament werden.
Die tiefe Spaltung der Gesellschaft, die viele Israeli beklagen, ist an diesem Abend mitten in Tel Aviv zu sehen. Der Abgeordnete Itamar Ben Gvir hat in einem Kulturzentrum einen Wahlkampfauftritt. Davor liefern sich Anhänger des rechten Politikers und dessen linke Gegner mit Megafonen einen wüsten verbalen Schlagabtausch. «Die Rechte ist erwacht. Ben Gvir wird Israel retten», brüllen die Rechten. Und direkt an das Häuflein Linker, das gegenüber auf dem schmalen Gehweg steht: «Ihr seid Abfall, geht nach Hause!» Die Linken schleudern ihnen den Vorwurf entgegen, sie seien «Rassisten».
Auf der Strasse, die beide Seiten trennt, laufen gereizte Polizisten hin und her, um zu verhindern, dass es zu Handgreiflichkeiten kommt. Im Wahlkampf gab es Übergriffe, in sozialen Netzwerken sogar Aufrufe zum Mord. Sharon Peretz, die an dem kleinen Protest teilnimmt, drückt aus, was viele Linke und Liberale über Ben Gvir und dessen Anhänger denken. «Das sind Faschisten», sagt sie. «Sie wollen die Justiz demontieren, und sie sagen schreckliche Dinge über die Palästinenser im Westjordanland und die Araber in Israel.» Die Vorstellung, Ben Gvir könnte in einer künftigen Regierung sitzen, sei «sehr, sehr beängstigend».
Quelle: NZZdazu: Israels junge Wähler rücken immer mehr nach rechts
Auch bei den Parlamentswahlen am 1. November werden wieder rechte Parteien in Israel dominieren. Dafür verantwortlich sind vor allem die jungen Wähler, die deutlich weniger friedensbereit und gesellschaftlich liberal sind als ihre Eltern und Grosseltern.
Quelle: NZZdazu auch: Klare Verhältnisse: Faschisten stützen Israels Regierung.
Professor Moshe Zuckermann ist Soziologe und Historiker. Er lebt in Tel Aviv.
Nun ist es soweit: Die »einzige Demokratie im Nahen Osten« hat sich demokratisch den Faschismus zurechtgewählt, den Kahanismus und seinen klerikal-rassistischen Verbündeten als drittstärkste Partei Israels nicht nur legitimiert, sondern zum dezidierten Tonangeber des israelischen Parlamentarismus erkoren. Das Wehgeschrei der »Linken« bzw. der »linken Mitte« – allesamt Rechte im Ökonomischen und in der israelischen Palästinenserpolitik – ist lächerlich. Man hat nicht nur nichts unternommen, um das nunmehr Entstandene zumindest taktisch zu verhindern, sondern man ist letztlich selbst gar nicht so sehr entfernt von dem, was man plötzlich beklagen zu sollen meint. Denn der Alltagsrassismus, die Faschisierung und Klerikalisierung der israelischen Gesellschaft sind nicht neu; der Apartheidstaat ist nicht erst in den letzten Wochen entstanden; die Barbarei der Okkupation, die Wonnen des militaristischen Machtgefühls, die systematische Ausblendung des Vergehens gegen das Menschen- und Völkerrecht durchwirken die jüdische Bevölkerung Israels schon seit Jahrzehnten.
Quelle: Moshe Zuckermann in junge Weltund: Haaretz-Kolumnist Levy: „Die Wahl in Israel ist eine Maskerade der Demokratie“
Israel wählt am Dienstag ein neues Parlament. Gideon Levy ist prominenter und umstrittener Kolumnist für die linksliberale israelische Zeitung Haaretz. Wir haben mit ihm gesprochen […]
Berliner Zeitung: Herr Levy, in Ihrer jüngsten Haaretz-Kolumne schreiben Sie, die jetzigen Wahlen seien nicht demokratisch. Können Sie das erklären?
Gideon Levy: Es ist eine Wahl für Weiße. Wir befinden uns in einem Land, in dem etwa 15 Millionen Menschen unter israelischer Herrschaft leben und circa fünf Millionen Menschen keine Grundrechte haben und an diesen Wahlen teilnehmen können. Wie lässt sich das mit Demokratie vereinbaren? Wenn es um die wichtigsten Frage in diesem Land geht – die Besatzungspolitik –, gibt es keinen wirklichen Unterschied zwischen rechter und linker Seite, auch wenn die Rhetorik minimal anders ist. Daran kann ich mich nicht beteiligen. Ganz gleich ob Netanjahu, Lapid oder Gantz die Wahlen gewinnt: Sie alle stehen für eine Fortsetzung der Besatzung. Dafür, Palästinenser nicht als gleichwertige Menschen zu behandeln. In diesem Sinn wird sich nichts grundlegend ändern.
Wenn Sie sagen, dass Sie sich nicht beteiligen: Heißt das, dass Sie selbst nicht wählen gehen?
Doch, doch, ich wähle. Wir alle tun so, als seien wir Teil einer Demokratie. Aber wenn Sie heute in die Westbank gehen, sehen Sie zwei Dörfer nebeneinander: hier eine Siedlung, dort ein palästinensisches Dorf, beide unter israelischer Herrschaft. Die Siedlung darf an den Wahlen teilnehmen, das palästinensische Dorf nicht. In diesem Sinn will ich schlicht daran erinnern, dass diese Wahlen eine Maskerade der Demokratie sind.
Der große Aufsteiger dieser Wahl ist Itamar Ben-Gvir, ein rechtsextremer Kandidat, der vor allem bei den Jungen viel Zuspruch findet. Was ist in Ihren Augen der Grund für diese Unterstützung?
Ben-Gvir ist extremer als Marine Le Pen in Frankreich oder die AfD in Deutschland. Er appelliert an junge Menschen, die wenig Interesse und noch weniger Wissen haben und jemanden wollen, der sie in ihren stärksten Gefühlen vertritt: Hass auf die Araber und nationale Rache. Ben-Gvir weiß diese Gefühle sehr gut zu manövrieren und auszudrücken. Er ist auch Mizrachi (ein aus der arabischen Welt stammender Jude, Anm. der Red.). Bisher waren die führenden Köpfe der israelischen Rechten allesamt europäischstämmig. Die Kluft zwischen Mizrachi und Aschkenasi ist nach wie vor ein wichtiger Faktor in israelischer Soziologie und Politik. Zudem ist er ein street kid: emotional, authentisch, und er weiß, wie man mit Medien hantiert.
Quelle: Berliner Zeitung - Bidens Außenpolitik ist der Untergang der Demokraten – und der Ukraine
Der Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland verwüstet die Ukraine – ironischerweise im Namen der Rettung der Ukraine. Doch auch Biden bekommt ein Problem.
Durch eine zutiefst fehlgeleitete Außenpolitik untergräbt US-Präsident Joe Biden die Erfolgschancen der Demokraten im Kongress. Im Glauben, dass Amerikas Ruf in der Welt durch den Ukraine-Krieg auf dem Spiel steht, hat er eine diplomatische Alternative bisher konsequent abgelehnt. Zugleich verschärft der Ukraine-Krieg – in Kombination mit dem Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen zu China durch die Biden-Administration – die Stagflation. Was für Biden zum handfesten Problem wird, wird den Republikanern wahrscheinlich eines oder beide Häuser des Kongresses bescheren. Noch schlimmer ist, dass dieser Kurs die Ukraine weiter der Zerstörung aussetzt und in einen Atomkrieg zu münden droht.
Natürlich hat Biden hat ein undankbares Erbe angetreten. Die US-Wirtschaft ist durch die Pandemie und Trumps unberechenbare Handelspolitik von tiefgreifenden Störungen der globalen Lieferketten betroffen. Doch anstatt zu versuchen, die Wogen zu glätten und die Störungen zu beheben, hat er die Konflikte mit Russland und China weiter verschärft.
Biden attackierte den republikanischen Minderheitenführer im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, weil dieser Zweifel an einem weiteren großen Finanzpaket für die Ukraine geäußert hatte:
Quelle: Makroskop - Waffen für die Ukraine: Sturmgewehre tauchen plötzlich in Finnland auf
Der Verbleib von Kleinwaffen lässt sich im Krieg nicht kontrollieren. Für Kriminelle ist der Waffenschmuggel ein lohnendes Geschäft. Wie die US-Regierung in der Ukraine dagegen vorgehen will.
Die USA sind der wichtigste Waffenlieferant der ukrainischen Regierung. Seit Beginn des Krieges im Februar lieferte Washington Waffen im Wert von rund 18 Milliarden US-Dollar. Doch die US-Regierung hat keine Kontrolle darüber, wo die Waffen letztlich landen.
Offenbar gelangte ein Teil davon in die Hände von kriminellen Banden, so das finnische National Bureau of Investigation (NBI). Waffen, die von verschiedenen Ländern in die Ukraine geliefert wurden, seien in Finnland, aber “auch in Schweden, Dänemark und den Niederlanden gefunden worden”, erklärte Kriminaloberkommissar Christen Ahlgren in einem Interview mit Yle News.
Damit haben sich offenbar die Befürchtungen der europäischen Polizeibehörde Europol bestätigt. Im Sommer hatte die Behörde gewarnt, dass “die Verbreitung von Schusswaffen und Sprengstoff in der Ukraine zu einer Zunahme des Waffen- und Munitionshandels in die EU über etablierte Schmuggelrouten oder Online-Plattformen führen könnte.”
Ahlgren sagte nun: “Wir haben Anzeichen dafür gesehen, dass die Waffen bereits ihren Weg nach Finnland gefunden haben”. Nähere Angaben machte er in dem Interview nicht und verwies dabei auf die laufenden Ermittlungen.
Die Routen und Kontakte für den Handel mit illegalen Waffen aus der Ukraine seien aber bereits vorhanden. Und es wird angenommen, dass Rockerbanden bei dem Geschäft eine entscheidende Rolle spielen.
Quelle: Telepolis - Einflusskampf um Zentralasien
Die Bundesregierung sucht Differenzen zwischen Kasachstan und Russland zu nutzen, um einen Keil zwischen beide Staaten zu treiben. Astana tue gut daran, dass es weder die Abspaltung der Krim noch die russische Annexion von Teilen der Ukraine anerkenne, erklärte Außenministerin Annalena Baerbock zu Wochenbeginn bei einem Treffen mit ihrem kasachischen Amtskollegen; es gelte nun, die Kooperation mit Berlin auszubauen. Allerdings erkennt Kasachstan auch die Abspaltung des Kosovo nicht an. Baerbock setzte sich zudem für enge Zusammenarbeit in der Herstellung grünen Wasserstoffs ein. Ein Unternehmen aus Dresden hat dazu in der vergangenen Woche eine Vereinbarung über ein Großprojekt in Kasachstan unterzeichnet, das ab 2032 jährlich zwei Millionen Tonnen Wasserstoff für die EU herstellen soll. Bisher gehört Kasachstan zu Deutschlands größten Öllieferanten. Weil das Erdöl über einen russischen Hafen exportiert wird, lässt sich allerdings nicht ausschließen, dass es von dem EU-Ölembargo betroffen ist, das in Kürze in Kraft tritt. Kasachische Ölförderer suchen bereits nach alternativen Exportrouten – allerdings bislang ohne echten Erfolg.
Quelle: German Foreign Policydazu: Deutsche Arroganz – Baerbock gibt in Zentralasien den Besserwessi
Außenministerin Baerbock (Die Grünen) ist zurzeit auf Tour durch Zentralasien. Dort hat sie die kasachische Hauptstadt Astana besucht und sich mit ihrem Amtskollegen Muchtar Tleuberdi getroffen. Im Anschluss flog die deutsche Außenministerin weiter nach Usbekistan. Politisches Ziel der Reise ist die geopolitische Einflussnahme. Kasachstan wie auch Usbekistan sollen aus der Einflusssphäre Chinas und Russlands herausgelöst und in Richtung EU eingebunden werden. Baerbock möchte die Kooperation mit Deutschland und der EU als Alternative zur Integration der beiden Länder in die eurasischen Wirtschafts- und Sicherheitsstrukturen ins Spiel bringen.
Die deutsche Außenministerin äußerte in diesem Zusammenhang:
“Mir ist wichtig, dass die Zukunft für sie nicht nur die Wahl zwischen der engen Zwangsjacke im Vorhof von Russland und der Abhängigkeit von China bereithält. Ich will in Kasachstan und Usbekistan deshalb vor allem zuhören, welche Hoffnungen und Erwartungen die Menschen in dieser Situation an Europa richten.”
Dem Sender n-tv sagte Baerbock mit Blick auf China, andere Länder versuchten ihren Einfluss “nicht nur mit militärischer Gewalt, sondern auch durch wirtschaftliche Deals, hinter denen sich ein Netz von Abhängigkeiten verbirgt”, auszubauen. Deutschland dagegen will nach Baerbock andere Wirtschaftsbeziehungen: “fair, auf Augenhöhe, ohne Knebelkredite und ohne versteckte Agenda”.
Mit dem Zuhören und der Augenhöhe hat es dann gleich mal nicht so gut geklappt. Zwar glaubt Baerbock, dass die EU und Deutschland den zentralasiatischen Ländern mehr Freiheit und Unabhängigkeit bieten könnten als China und Russland. Daran schließt sie allerdings unmittelbar Mahnungen in Richtung Kasachstan in bestem Besserwessi-Ton an. Das Land habe, wenn die wirtschaftliche Kooperation ausgebaut werden soll, seine Defizite im Bereich Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit zu beheben.
Dass für Länder wie Kasachstan und Usbekistan die Attraktivität von Bündnissen wie BRICS, der Shanghai Cooperation Organisation (SCO), der Konferenz für vertrauensbildende Maßnahmen in Asien (CICA), der Organisation über kollektive Sicherheit (OVKS) eben genau darin besteht, dass sie auf dem völkerrechtlichen Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten ihrer Länder basieren, ignoriert Baerbock geflissentlich. Der neokoloniale Gestus ist zentrales Programm ihrer Außenpolitik. Alles hat sich der transatlantischen Ordnung zu unterwerfen. Baerbocks erhobener moralischer Zeigefinger ist jedenfalls das genaue Gegenteil von Zuhören und von Kommunikation auf Augenhöhe. Baerbock versteht das natürlich nicht.
Quelle: Gert Ewen Ungar in RT DE - Hintergrund: Weshalb Russland aus dem Getreideabkommen aussteigt …
… und was das ZDF daraus macht.
Nach dem Beschuss der russischen Schwarzmeerflotte im Hafen von Sewastopol durch einen ukrainischen Drohnenangriff gab Russland am Samstag bekannt, seine Teilnahme am Getreideabkommen (Black Sea Grain Initiative) auszusetzen, da die Sicherheit der auslaufenden Schiffe nicht mehr gewährleistet sei (Russland kündigt Getreideabkommen auf: Ukrainischer Drohnenangriff auf russische Kriegsschiffe in Sewastopol). Am selben Tag kündigte es an, mit Hilfe der Türkei in den nächsten vier Monaten bis zu 500.000 Tonnen Getreide kostenlos an die ärmsten Länder der Welt zu verteilen. Im September hatte Russland bereits 300.000 Tonnen Düngemittel als Spende für notleidende Länder freigegeben.
Neben der aktuellen Sicherheitslage gibt es noch zwei weitere Gründe, weshalb Russland schon seit Wochen erwägt, das befristete Abkommen nicht zu verlängern.
1.Russland wirft dem Westen vor, die Umsetzung des zweiten Teils des Abkommens zu blockieren, der die freie Ausfuhr von russischen Agrarprodukten und Düngemittel erlaubt. Tatsächlich sitzen in europäischen Häfen Zigtausende Tonnen Düngemittel fest, die in den ärmsten Ländern der Welt dringend benötigt werden. Zwar beziehen sich die westlichen Sanktionen nicht auf die russischen Düngemittel selbst, sie wirken sich aber auf die Schifffahrt aus, sei es durch Sanktionen gegen die Schiffseigentümer oder durch Beschränkungen im Bereich von Zahlungsabwicklung und Versicherungen russischer Fracht. Wiederholt hatte die UNO diesbezüglich ihre Sorge zum Ausdruck gebracht.
Angesprochen auf die Aussage des russischen Außenministeriums, dass immer noch 80 Prozent der von Russland als Spende für ärmste Länder gedachten 300.000 Tonnen Düngemittel in Europa blockiert werden, antwortet der Sprecher des UN-Generalsekretärs Stéphane Dujarric am 28. Oktober:„Nun, die Botschaft der UNO ist, dass da ein Zugang zu russischem Dünger notwendig ist.“
Auch UN-Generalsekretär Guterres fordert am selben Tag, also einen Tag vor dem Angriff auf die russische Schwarzmeerflotte, „beide Vereinbarungen“ des Getreideabkommens umzusetzen und verlangt erneut die „umgehende Beseitigung der verbliebenen Hindernisse für die Ausfuhr von russischem Getreide und Dünger“.
2.Moskau kritisiert zudem, dass entgegen dem ursprünglichen Zweck des Getreideabkommens die ärmsten Länder der Welt am wenigsten davon profitieren. Tatsächlich wird nur der geringste Teil der exportierten ukrainischen Agrarprodukte im Rahmen des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen an notleidende Länder ausgeliefert, wie die bis zum 19. Oktober durch Fettdruck hervorgehobenen Zieldestinationen in der fortlaufend aktualisierten Liste der Getreideinitiative zeigen.
Quelle: Overtondazu auch: Am Abgrund
Das erste Opfer eines Krieges, auch des gegenwärtigen, ist bekanntlich die Wahrheit. Die Protagonisten beider Seiten schönen die Berichte, die wahre Situation wird ständig verschleiert und ist selbst sogenannten Experten allenfalls teilweise bekannt. Das offizielle Ziel besteht anscheinend in der möglichst langen Fortführung des Krieges, bis eine Seite »gewonnen« hat, wenn man bei dem in jedem Krieg zu erwartenden Ausmaß an Zerstörung von »gewinnen« sprechen kann. Kritik am Krieg wird entweder verboten oder massiv eingeschränkt. Dies hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gerade wieder in einer Rede zum 3.10.2022 deutlich gemacht: In einer Demokratie könne es zwar ein gewisses Maß an Debatte geben, doch dann müsse man im Sinne des »großen Ganzen« geschlossen auftreten. Nur so könne man einem Feind, der bewusst mit Falschinformationen arbeite, widerstehen. Und nur so könne man dafür sorgen, dass die Kritik am Krieg im eigenen Land nicht »instrumentalisiert« werde. In Wahrheit ist dies ein Freibrief für das Abwürgen von Kritik, ein Vorgang, der in einer Situation von existenzieller Bedeutung unakzeptabel ist. Verteidigt wird diese Einschränkung durch die Formel der »wehrhaften Demokratie«. Doch zur Demokratie gehört gerade die Meinungsfreiheit, die eben nicht dadurch geschützt wird, dass man sie einschränkt. Dabei stellt sich die Frage, ob überhaupt die Bereitschaft besteht, auf breiter Front gegen die derzeitige Katastrophenpolitik vorzugehen. Das Trommelfeuer der Medien, die Dämonisierung des Gegners, die Fokussierung auf das Militärische zeigen Wirkung. (…) Der Slogan »Autokraten gegen Demokraten« taugt jedenfalls auch heute nicht als Rechtfertigung eines Massensterbens – sei es in Europa, sei es in China, das als nächstes Kriegsziel gelten kann. Um dem Krieg den Krieg zu erklären, muss die Opposition überzeugend und vor allem wirksam auftreten. Dazu gehört, den Vorhang der mythologischen Verneblungen, den Wust der beschönigenden oder täuschenden Sprachregelungen zu zerreißen und stattdessen die politische Situation mit aller gebotenen Rationalität zu analysieren. Dazu gehört außerdem ein klarer Kurs auf den Frieden, das Ende der sinnlosen Zerstörung und der sich ständig steigernden militärischen und politischen Eskalationen.
Quelle: Ossietzky - Die Dialektik des Chinageschäfts
Vor der Chinareise von Kanzler Olaf Scholz in dieser Woche dauert der Streit um chinesische Investitionen in Deutschland an. Der vor einem Jahr vereinbarte Einstieg der chinesischen Reederei COSCO bei einem Terminal im Hamburger Hafen ist in der vergangenen Woche nur mit Einschränkungen genehmigt worden. Bundesminister von FDP und von Bündnis 90/Die Grünen hatten mit aller Kraft versucht, ihn gänzlich zu verhindern. Hintergrund sind Widersprüche in der ökonomischen Entwicklung der Bundesrepublik. Während zahlreiche deutsche Unternehmen, zum Teil sogar ganze Branchen weiterhin massiv von einer engen Wirtschaftskooperation mit der Volksrepublik profitieren, trägt die intensive Zusammenarbeit auch zum Erstarken der chinesischen Industrie bei – zu Lasten der deutschen Konkurrenz. COSCO etwa hat bereits heute mit einem Weltmarktanteil in der Containerschiffahrt von elf Prozent die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd überholt und droht sie auf lange Sicht zu deklassieren. Ähnliche Entwicklungen zeichnet eine aktuelle Studie des Berliner Think-Tanks MERICS mit Blick auf die China-Aktivitäten deutscher Kfz-Konzerne nach.
Quelle: German Foreign Policydazu: Alle schimpfen über Cosco und China – dabei ist Hapag-Lloyd genauso aggressive
Darf man mit China noch Geschäfte machen? Diese Frage bewegt kurz vor der China-Reise von Kanzler Scholz die Gemüter. Als abschreckendes Beispiel gilt der Einstieg von Cosco im Hamburger Hafen. Dabei macht es ein bekanntes Hamburger Unternehmen auch nicht besser.
“Sie durften sich jahrelang absprechen und in drei Kartellen die Fahrtrouten auf den Ozeanen diktieren. Jetzt verdient der deutsche Reederei-Marktführer mehr als der weltgrößte Autobauer.” So steigt das “Handelsblatt” in eine Story über Hapag-Lloyd ein.
Hapag-Lloyd und andere große Container-Reedereien profitieren, folgt man dem “Handelsblatt”, von drei globalen Kartellen, mit denen sie seit Jahren Hafenanläufe und Fahrtrouten absprechen – und das sogar mit Billigung der EU-Kommission in Brüssel.
Doch das ist nicht das einzige Problem.
Bedenklich ist auch, dass Hapag-Lloyd sein Netz an Hafenbeteiligungen immer mehr ausbaut. Das Hamburger Unternehmen hat für eine Milliarde Euro einen chilenischen Hafenbetreiber übernommen – und beteiligt sich somit an gleich zehn Häfen gleichzeitig.
USA, Mexiko, Chile, Kolumbien, Costa Rica, Ecuador: in sechs Ländern ist Hapag-Llyod über den Umweg Chile eingestiegen. Zu dem Deal gehören auch zahlreiche Immobilien sowie das Logistikgeschäft, wie der NDR meldet.
Es ist also keineswegs so, dass nur die Chinesen auf Einkaufstour wären – und Hamburg zum hilflosen Opfer machen.
Quelle: Lost in Europe - Wie sich Superreiche vor Steuern drücken
In deutschen Gewerbesteueroasen sparen die Reichsten der Gesellschaft viel Geld. Das trifft Kommunen, denen dadurch Einnahmen fehlen.
Das Schwimmbad, das es so nicht mehr geben würde, liegt am Wuppertaler Stadtrand. Die wohlige Wärme strömt den Besuchern entgegen, während Thomas Heider die wenigen Treppen hinauf zum Becken steigt. Dort zieht eine Reha-Gruppe mit Seniorinnen und Senioren ihre Runde. Rund herum hängen die riesigen Werbeplakate für allerlei Firmen, die gespendet haben, um das Schwimmbad zu erhalten. Eigentlich hätte das vor zwölf Jahren schließen sollen. Der Stadthaushalt war im Minus und das trifft als Erstes immer die Menschen. Die hätten in der Folge bis zu 25 Minuten länger zum nächsten Schwimmbad gebraucht und damit viel weniger Zeit zum Schwimmen gehabt. Mögliche Konsequenzen daraus zählt Heider viele auf: „Dass wir Nichtschwimmer unter den Kindern haben, dass wir Leute haben, die keine Bewegung mehr kriegen und die keine sozialen Kontakte mehr pflegen dürfen.“ Also retteten er und ein ganzer Verein von Ehrenamtlichen das Bad, das sie heute in ihrer Freizeit betreiben. Geplant war das so nicht. Aber es gehe eben nicht anders, wenn die Kassen klamm sind, sagt er.
Die Stadt Wuppertal ist mit solchen Problemen nicht allein. Zwar zeigen aktuelle Steuerschätzungen, dass die Einnahmen für Gemeinden in den kommenden Jahren steigen. Doch der Schein trügt, wie der Vorsitzende des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, sagt: „Lediglich auf dem Papier haben die Städte ein Mehr an Steuereinnahmen. In der Realität können sie dafür aber weniger kaufen.“ Während die Ausgaben steigen, fehlt es Kommunen an Einnahmen, beispielsweise aus der Gewerbesteuer. Ein Grund dafür: Unternehmer und Superreiche verlagern ihre Firmen auf dem Papier in sogenannte Steueroasen. Viele denken dabei an weit entfernte Südseeinseln, doch die Orte mit extrem niedrigen Steuern gibt es auch in Deutschland. Firmen zahlen dort für ihre Tochterfirmen deutlich weniger Gewerbesteuer als an ihrem Heimatstandort, was ihnen oft Millionen Euro einspart.
Quelle: Süddeutsche - Zinsen rauf, Verstand runter
Die Europäische Zentralbank hat sich offenbar entschlossen, den restriktiven Pfad, auf den sie im Sommer eingeschwenkt ist, mit Gewalt durchzuziehen – selbst wenn jeden Tag deutlicher wird, dass er falsch ist. Auch große, auf Rationalität aufgebaute Institutionen wie die EZB können ein solch kindisches Trotzprogramm fahren, wenn ihre Führung intellektuell überfordert ist und sich einmal dem politischen Druck vollständig ergeben hat. Christine Lagarde ist zu Recht zum Symbol dieses Versagens geworden, weil sie mangels Sachkenntnis nicht in der Lage war und ist, dem primitiven öffentlichen Verständnis von Inflation und Geldpolitik auch nur das Geringste entgegenzustellen.
Insgesamt kann man schon jetzt konstatieren, dass die Politik im weitesten Sinne beim zweiten Auftreten von Preissteigerungen, die aus einer Kombination von globalen Angebotsschocks und Spekulation herrühren, mindestens so hilflos ist wie beim ersten Mal in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Natürlich werden Politiker ausgetauscht und eher per Zufall gewählt, erschreckend ist dennoch die völlige Unfähigkeit des Systems, aus einmal gemachten Erfahrungen zu lernen.
Quelle: Relevante Ökonomik - Stil und Sicherheit
Ein flüchtender Präsident im Keller, ein nächtlicher Gesetzesbeschluss – und eine Berichterstattung, die Fragen offen lässt. Sehen wir Gespenster? Gibt es welche? (…)
Aufhänger meiner heutigen Kolumne sind Meldungen zu zwei Themen der vergangenen Woche: Erstens der Besuch des Bundespräsidenten in der Ukraine (Stil), zweitens die nächtlich abrupte Erweiterung der Strafvorschrift gegen Volksverhetzung um die Alternative des Leugnens oder Verharmlosens von Kriegsverbrechen (Sicherheit).
Dies sind, wie es in dieser Kolumne nicht ganz selten ist, Themen ohne sich jedermann spontan aufdrängenden Zusammenhang. Manchmal ist es (für Autor wie Leser) nützlich, nach einem solchen zu fragen; dies ist – einmal mehr mag es angedeutet sein – das Konzept. Es ist bekannt, dass Menschen unseres Kultur- und Wertekreises mit der Regel aufgewachsen sind, die Welt müsse in möglichst viele Schublädchen separiert sein, um einen »Sinn« zu ergeben, welcher sich sodann auf einer Meta-, einer Metameta- und unendlich vielen weiteren Ebenen ergebe, die allesamt »meta«, also systematisch übergeordnet sind, also überhaupt nur von Menschen erkannt werden können, die zu einer qualitativen Hierarchisierung der Erkenntnis in der Lage sind.
Dem steht, wie offenkundig ist, ein »intuitives« Erleben und Verarbeiten gegenüber, das vor allem im individuellen, persönlichen Bereich höchst verbreitet und überdies eine wichtige anthropologische und evolutionäre Kraft ist. Wir sind halt keine Rechner, und noch so viel Digitalisierung der Peripherie macht unser Zentrales Nervensystem nicht weiser. Deshalb unter anderem beginnt oft ein großes Zagen und Wehklagen, sobald die Dinge nicht mehr auf gewohnte Weise zusammenpassen wollen, und aus den unteren Schubladen brechen wilde Geister und Dämonen hervor, um rasch wieder für Übersichtlichkeit zu sorgen. Das hat Chancen und Risiken. (…)
Haben Sie, sehr geehrte Leserinnen und Leser, die Berichte über den Besuch des Bundespräsidenten in der Ukraine im Fernsehen gesehen? Ich habe sie mehrfach aufmerksam betrachtet und dennoch (oder deshalb) ein paar Fragen. Wobei ich mich zunächst sehr ernsthaft gefragt habe, ob man die überhaupt haben darf und artikulieren sollte. Aber wir leben ja in einer Welt, in der das Aussprechen oder Fragen von Ungewohntem zu den allergrundlegendsten Prinzipen des Wertefundaments zählen.
Quelle: Thomas Fischer in Spiegel - Wer die Fakten checkt, bestimmt die Wahrheit
Am 1. November startet eine neue Allianz zwischen deutschsprachigen Nachrichtenagenturen und Correctiv, dem bekanntesten Portal vermeintlicher Faktenchecker. Die EU-Kommission fördert diese Allianz, die mit dem Anspruch antritt, Desinformation zu bekämpfen. Aber welche Fakten sind es, um die es da geht? Was haben die Faktenchecker in den vergangenen Jahren gemacht, was machen sie aktuell und was nicht? Die Hintergrund-Medienrundschau vom 28. Oktober 2022.
Die Wahrheit ist bedroht. Die Bedrohung kommt aus dem Internet. Von Websites wie Rubikon, Apolut oder RT und vielleicht auch von uns bei Hintergrund. Aber es gibt ein Gegenmittel: Den Faktencheck. Seit einigen Jahren sind viele tapfere Kämpfer gegen Fake News unterwegs und klären auf, was falsch zu sein hat. Was nicht geschrieben werden sollte, zumindest aber nicht bei Facebook und Co. verbreitet werden darf. Was wie eine Dystopie klingt, an Zeiten offener Zensur erinnert, ist längst Realität. Die Faktenchecker sind im Auftrag der vermeintlichen Wahrheit unterwegs. Wer kann etwas gegen die Wahrheit haben? Und wenn diese Wahrheit zufälligerweise so klingt, wie es die Regierungen wollen, wie Tagesschau, Heute, Spiegel und Süddeutsche berichten, dann ist das eben so. Dann ist das die Wahrheit.
Klar, wir sehen das anders. Ein kritischer Blick auf die Faktenchecker soll Thema dieser Medienrundschau sein. Warum? Es gibt einen aktuellen Anlass. Neben den vielen fragwürdigen Beispielen für Faktenchecks, deren Aufgabe es ist, das herrschende Narrativ zu bestätigen und von denen wir einige am Ende vorstellen, entsteht gerade eine neue Allianz. Eine Allianz der Faktenchecker in Deutschland und Österreich. Wo sich vermeintliche Unwahrheiten länderübergreifend verbreiten, müssten sich auch diejenigen vernetzen, die von sich behaupten, für die Wahrheit einzutreten.
Quelle: Hintergrund