Allein Argentinien, Bolivien und Chile verfügen über rund 65 Prozent der weltweiten Lithiumvorkommen. Die politische Übereinstimmung zwischen den Regierungen der drei Länder und der gemeinsame Horizont des Wachstums der Lithiumproduktion haben regionale Koordinierungsinitiativen rund um das Mineral, das für die Energiewende von zentraler Bedeutung ist, wiederbelebt. Derzeit konzentrieren sich die Gespräche auf das gemeinsame Lernen in geologischen, regulatorischen und wissenschaftlichen Aspekten. Daran wird sich auch Mexiko beteiligen. Von Javier Lewkowicz.
Die politische Übereinstimmung zwischen den Regierungen Argentiniens, Chiles und Boliviens und der gemeinsame Horizont des Wachstums der Lithiumproduktion haben regionale Koordinierungsinitiativen rund um das Mineral, das für die Energiewende von zentraler Bedeutung ist, wiederbelebt. Derzeit konzentrieren sich die Gespräche auf das gemeinsame Lernen in geologischen, regulatorischen und wissenschaftlichen Aspekten. Daran wird sich auch Mexiko beteiligen.
Auf dem letzten Amerika-Gipfel, der in den USA stattfand, haben der argentinische Präsident Alberto Fernández und sein chilenischer Amtskollege Gabriel Boric die „Binationale Arbeitsgruppe für Lithium und Salare (Salztonebene)“ ins Leben gerufen, die bereits ihre erste Sitzung mit Behördenvertretern beider Länder abgehalten hat. Darüber hinaus ist Argentinien im Gespräch mit dem staatlichen bolivianischen Lithiumunternehmen Yacimientos de Litio Bolivianos (YLB), während Mexiko, das sich noch in einem frühen Stadium der Entwicklung in diesem Bereich befindet, mit Bolivien in Kontakt steht.
„Zwischen Argentinien, Chile und Bolivien versuchen wir herauszufinden, wie wir einen gemeinsamen regionalen Ansatz für Lithium zu finden. Gesucht wird nach einer gemeinsamen Agenda für die Entwicklung der Strategie in dem Bereich, um die Umwelt zu schützen und die Industrialisierung zu fördern“, erklärte Roberto Salvarezza gegenüber Diálogo Chino. Salvarezza ist Präsident von Y-TEC, dem argentinischen Staatsunternehmen, das sich um die Entwicklung einer Lithiumbatterie mit einer starken nationalen Komponente bemüht.
Der regionale Dialog über Lithium wird durch die privilegierten natürlichen Bedingungen der Länder in Bezug auf die verfügbaren Reserven sowie durch den Stand und die Perspektiven der Energiewende angeschoben.
Auf der einen Seite entfallen auf die Salare Argentiniens, Boliviens und Chiles etwa 65 Prozent der weltweiten Lithiumvorkommen. Auf der anderen Seite ist der Transportsektor für rund ein Viertel der Treibhausgasemissionen verantwortlich, und die Abkehr vom Verbrennungsmotor zugunsten von Elektrofahrzeugen, bei denen die Lithiumbatterie als Energiespeicher dient, ist einer der Eckpfeiler der Energiewende.
h4Lernprozess
Gonzalo Gutiérrez, Forscher an der Universität von Chile und einer der wichtigsten Berater der Regierung Boric in Sachen Lithium, erklärte, dass die Regierung einen „neuen institutionellen Rahmen“ für die Lithiumproduktion entwickeln will. Dafür will sie Vorschriften ändern um die Rolle des Staates zu stärken und die in der Nähe der Salare lebenden indigenen Gemeinschaften einzubeziehen.
Hinzu kommt die Absicht, ein nationales Lithiumunternehmen zu gründen, eines der Wahlversprechen der Regierung Boric. Das Unternehmen werde vertikal organisiert sein und die Aktivitäten von der Exploration und dem Abbau des Minerals bis hin zur Produktion umfassen, so Gutiérrez. Der Prozess wird jedoch nicht einfach sein und erfordere einen Lernprozess auf Seiten des Staates.
„Manchmal glauben wir, dass wir über das Lithium Bescheid wissen, aber in Wirklichkeit wissen wir nicht, was wir haben. Es besteht eine große Asymmetrie bei der Information, wenn es darum geht, mit den Unternehmen zu sprechen“, sagte Gutiérrez.
Mit Schwerpunkt auf der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit fanden im Juni und August die ersten Sitzungen der bi-nationalen Arbeitsgruppe für Lithium und Salare statt, an der staatliche Vertreter aus Argentinien und Chile teilnahmen.
„Wir erkunden gemeinsame Themen für einen Lernprozess. Diese Beziehung könnte mittelfristig dazu dienen, ein besseres Verständnis der angemessenen royalty, der Umweltproblematik und der Wertschöpfung rund um Lithium zu schaffen“, so Gutierrez.
Regionale Strategie: Eine „Opec“ für Lithium?
Die drei Länder, die das so genannte Lithiumdreieck bilden (Argentinien, Bolivien und Chile), haben sehr unterschiedliche Entwicklungen in Bezug auf die jeweilige Rechtsstruktur, die bisherige Produktion und wissenschaftliche Entwicklung bei der Gewinnung des Minerals durchlaufen.
Außerdem ist sein Anteil an der Lithiumproduktion deutlich geringer als die geschätzten verfügbaren Ressourcen. Auf Argentinien entfallen schätzungsweise 8 und auf Chile 22 Prozent der Weltproduktion, mit jeweils zwei großen Betrieben in beiden Ländern. In Bolivien gibt es noch keine industrielle Produktion von Lithiumverbindungen.
In Argentinien fällt Lithium in den rechtlichen Rahmen, der die Bergbautätigkeit im Allgemeinen regelt und vor allem darauf abzielt, private Investitionen zu gewinnen. Im Gegensatz dazu gelten in Chile für Lithium besondere Regeln, da der Staat meist Eigentümer der Konzessionen ist, die jedoch im Rahmen von Ausschreibungen von privaten Unternehmen betrieben werden. In Bolivien ist Lithium ebenfalls eine strategische Ressource, und der Staat kontrolliert den Besitz, den Zugang, die Exploration, den Abbau und die Produktion des Minerals.
Aufgrund dieser unterschiedlichen Ausgangslage meint Martín Obaya, Forscher am Conicet und der Universität San Martín, es sei sehr unwahrscheinlich, dass eine „Lithium-Opec“, das heißt ein internationales Kartell, das in die Angebotsbedingungen eingreift, zustande kommt.
Die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) ist eine von den Vereinten Nationen anerkannte Organisation, der 13 Länder angehören, die zusammen über 80,4 Prozent der weltweiten Ölreserven verfügen.
Obaya führt aus, dass der Anteil Argentiniens, Boliviens und Chiles an der weltweiten Lithiumproduktion im Vergleich zu 2011 zurückgegangen ist, da andere Länder bei der Exploration schneller vorankommen, allerdings zu höheren Kosten. Zu diesen Schwierigkeiten für eine Art Opec kommt das unterschiedliche Lithium-Management durch die drei südamerikanischen Länder hinzu.
„Die Regulierungssysteme sind sehr unterschiedlich und insbesondere in Argentinien sind die Eingriffsmöglichkeiten begrenzt. Ich glaube nicht, dass die politischen, regulatorischen und Marktbedingungen gegeben sind, um an eine Lithium-Opec zu denken“, unterstreicht Obaya.
Die Rolle in der Lithium-Wertschöpfungskette
Zwar wurden in letzter Zeit mehrere Investitionen in die Lithiumproduktion in Argentinien angekündigt, doch sind bisher nur zwei Projekte in Betrieb: eines von der US-Firma Livent im Salar del Hombre Muerto, Catamarca, und das andere von Sales de Jujuy im Salar de Olaroz, das von der australischen Firma Orocobre in Partnerschaft mit der japanischen Firma Toyota Tsusho und dem Provinzunternehmen Jemse betrieben wird. Beide befinden sich in einem Expansionsprozess.
Das Projekt Minera Exar, das sich im Besitz des kanadischen Unternehmens Lithium Americas und des chinesischen Unternehmens Jiangxi Ganfeng Lithium befindet und an dem Jemse eine Minderheitsbeteiligung hält, soll in naher Zukunft in dem Salar Cauchari-Olaroz in Betrieb gehen.
In Argentinien liegt die Kontrolle über die Produktion von Primärprodukten und die Salare in den Händen der Privatunternehmen, wobei die Provinzen und die nationale Regierung durch die Erhebung von Steuern und Abgaben beteiligt sind. Aus diesem Grund ist der Lithium-Forscher Bruno Fornillo der Ansicht, dass Argentinien das Land sein könnte, das eine stärkere regionale Verflechtung am meisten behindert.
„Die Grundlage für die Koordinierung der Strategien ist die öffentliche, staatliche und gesellschaftliche Kontrolle der Lithiumreserven und der Primärproduktion. Man kann nicht etwas verwalten, worüber man keine Kontrolle hat“, fügte er hinzu.
Obwohl der argentinische Staat keine direkte Kontrolle über das Mineral hat, besteht eine seiner Verpflichtungen in der Lithium-Wertschöpfungskette voranzukommen, entsprechend der nationalen Industrietradition und dem hohen Grad an wissenschaftlicher Entwicklung auf Laborebene.
„Das Land ist in der Lage, Lithium-Batteriezellen herzustellen, die als Energiespeicher in Solarparks eingesetzt werden könnten. Wir wollen, dass Lithiumkarbonat im Lande industrialisiert wird. In diesem Sinne werden Erfahrungen mit Bolivien ausgetauscht, das sich ebenfalls auf die Wertschöpfung konzentriert“, sagt Salvarezza.
Für Juan Carlos Montenegro, ehemaliger Geschäftsführer des Unternehmens Yacimientos del Litio Bolivianos, müssen die Beziehungen zwischen den Ländern gestärkt werden, um die Alternativen der Integration zu erkunden. „In den letzten Jahren sind mehr Türen offen für solche Initiativen. Integration ist entscheidend wichtig, um zu diskutieren, welche Rolle wir bei der Bewältigung der Energiewende spielen wollen“, sagte er.
Bolivien verfügt bereits über eine Batterieanlage im Labormaßstab. Montenegro weist darauf hin, dass für eine marktfähige Produktion die Versorgung mit anderen Metallen wie Nickel, Mangan oder Kobalt erforderlich ist und dabei die Integration mit anderen Ländern der Region ein Muss zu sein scheint.
Der ehemalige Geschäftsführer des staatlichen bolivianischen Lithiumunternehmens ist der Ansicht, dass der Wettbewerb auf dem globalen Batteriemarkt zwar weit über die Möglichkeiten der Region hinausgeht. Ein mögliches Ziel für die lokale Produktion könnten jedoch Energiespeicherprojekte für ländliche Gemeinden sein, die nicht an das nationale Stromnetz angeschlossen sind, sein.
Das andere lateinamerikanisches Land, das sich als potenzieller Akteur auf dem Lithiummarkt herauskristallisiert, ist Mexiko. Dessen Regierung unter Andrés Manuel López Obrador hat kürzlich einen Schritt in Richtung staatlicher Intervention bei der Kontrolle der Salare unternommen.
„Es handelt sich um ein Gesetz zur Herstellung von Souveränität, denn es erlaubt dem Staat mehr Souveränität über die Salare“, sagt Alfredo Jalife-Rahme, ein mexikanischer politischer Analyst. Er weist jedoch darauf hin, dass „der Staat weder über die Technologie für die Gewinnung noch über die Finanzierungsmöglichkeiten zur Durchführung solcher Projekte verfügt“.
Jalife-Rahme hebt die guten Beziehungen zwischen der mexikanischen und der bolivianischen Regierung und den bilateralen Austausch über Lithium hervor und unterstreicht das geopolitische Dilemma, in dem sich Mexiko befindet: China ist der wichtigste Vertragspartner bei den Konzessionen zur Lithiumexploration in der Region Sonora, auf der anderen Seite das Spannungsfeld der traditionell bestehenden Beziehungen zu den USA.
Javier Lewkowicz ist ein Journalist aus Argentinien mit Schwerpunktthemen China und Umwelt. Er schreibt u.a. für Página12.
Übersetzung: Susanne Schartz-Laux, Amerika21
Titelbild: shutterstock / GrAl