Kolumbien, das einzige NATO-Partnerland in Lateinamerika, galt die letzten Jahrzehnte als einer der engsten Verbündeten der USA in der Region. Doch diese Zeiten scheinen sich zu ändern. Der im August 2022 vereidigte neue Präsident Kolumbiens vom Linksbündnis „Pacto Histórico“ (Historischer Pakt), Gustavo Petro, hat in einer aufsehenerregenden Rede mit scharfen Worten den wirtschaftlichen Egoismus der Vereinigten Staaten kritisiert, welcher seinen Worten nach weltweit fast alle Volkswirtschaften in den Ruin treibt. Der US-Botschafter in Kolumbien verwehrte sich gegen die Vorwürfe und erklärte, es bringe doch nichts, einen Schuldigen für die aufkommende Rezession zu suchen. Von Florian Warweg.
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Gustavo Petro, Volkswirt und Präsident der Republik Kolumbien, hat sich am Donnerstag mit einer Rede an die kolumbianische Bevölkerung gewandt und diese auf schwere Zeiten angesichts einer „zweifellos kommenden“ Rezession eingestellt, es würden laut seiner Darstellung, „schwere wirtschaftliche und soziale Gewitterwolken“ über dem Land aufziehen.
US-Maßnahmen als Hauptgrund der weltweiten Wirtschaftskrise
Er wies zudem darauf hin, dass es sich dabei um ein weltweites Phänomen handle – „Unsere Währungen fallen alle, nicht nur der kolumbianische Peso” – und hauptsächlich auf die egoistische Wirtschafts- und Finanzpolitik der USA zurückzuführen sei. Der Staatschef stellte dann in seiner Rede die Länder vor, die bereits von den Maßnahmen der Vereinigten Staaten betroffen seien, wobei er insbesondere auf „wirtschaftliche Großmächte wie Deutschland“ verwies:
„Die Vereinigten Staaten ruinieren praktisch alle Volkswirtschaften der Welt, die deutsche Wirtschaft ist zerstört, die Russen, die Ukrainer, die Europäer haben in erster Linie einen Krieg auf ihrem eigenen Kontinent entfesselt, der ein Krieg um Gas und Energie ist.“
Weiter führte der kolumbianische Staatschef aus:
„Und in der Folge dieses Krieges bricht die europäische Wirtschaft zusammen. Das mächtige Deutschland gerät in die Rezession und, wer hätte das gedacht, England, die einstige Kolonialmacht, das British Empire, versinkt in einer tiefen Wirtschaftskrise. In Spanien erheben sich die Menschen in jeder Stadt, in Frankreich und den Vereinigten Staaten treffen sie Entscheidungen, um sich selbst zu schützen, manchmal ohne darüber nachzudenken, was durch ihre Maßnahmen geschehen wird, und die Wirtschaft der lateinamerikanischen Länder wird dadurch ausgelaugt.“
Abschließend betonte er mit Blick auf die USA:
„Wir unterliegen Machtinteressen, die nicht das Wohl des einfachen Arbeitnehmers, sondern den Eigentümer des globalen Finanzsystems im Blick haben.“
Widersprüchliche Reaktion des US-Botschafters
Der US-Botschafter in Kolumbien, Francisco Palmieri, reagierte umgehend auf die Kritik von Präsident Petro und erklärte zunächst:
„Ich glaube nicht, dass wir darüber nachdenken sollten, wem wir die Schuld zuschieben.“
Doch just nach dieser Aussage erklärte er weiter:
„Was die wirtschaftliche Lage in der Welt betrifft, so gibt es dafür viele Gründe. Wie viele andere Länder auf der Welt haben auch die Vereinigten Staaten mit wirtschaftlichen Herausforderungen zu kämpfen. Die Aggression Russlands gegen die Ukraine ist eine große Bedrohung für die Weltwirtschaft.“
Petro wiederum führte in Reaktion auf die Ausführungen des US-Botschafters auf Twitter einige Vorschläge an, wie die USA der sich ankündigenden Rezession weltweit und insbesondere in Kolumbien entgegenwirken könnten:
„Wie könnten die USA die wirtschaftliche Stagnation kompensieren, die durch ihre interne Geldpolitik verursacht wird, die die Zinssätze in die Höhe treibt und der Welt das Kapital entzieht?
- Sie könnte im IWF eine Führungsrolle übernehmen, um die Schulden im Gegenzug für Investitionen in dekarbonisierte Volkswirtschaften zu senken.
- Sie könnte das Wachstum der kolumbianischen Kokainrentabilität in Pesos, die durch die eigene US-Wirtschaftspolitik erzeugt wird, verlangsamen und die Dollarströme in der Zahlungsbilanz ausgleichen.“
2. Podría desacelerar el crecimiento de la rentabilidad de la cocaína en Colombia, en pesos, generada por su propia política económica, equilibrando los flujos de dólares de la balanza de pagos.
— Gustavo Petro (@petrogustavo) October 20, 2022
Titelbild: shutterstock / Arturo Larrahondo