Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Linken-Politikerin Wagenknecht: “Putin lacht sich doch tot über uns”
  2. Entlastungspaket der Regierung: Die Ampel hilft sich selbst
  3. Deutsche Firmen gehen pleite: Ist das Annalena Baerbock auch „egal“?
  4. Die USA sind der größte Gewinner im weltweiten Energiechaos
  5. Atomkraft: Zankapfel an der Isar
  6. Krieg in der Ukraine: Mehr hinhören, was die Russen sagen
  7. Die Klimakrise: Auch eine Frage von Krieg oder Frieden
  8. Wofür steht die neue britische Premierministerin Liz Truss?
  9. Wie wir ver-rückt werden
  10. John Goetz über Hans-Christian Ströbele: Wie man sich einmischt und dabei frei bleibt

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Linken-Politikerin Wagenknecht: “Putin lacht sich doch tot über uns”
    Annalena Baerbock sagte kürzlich in Richtung der Ukraine: “Wir stehen so lange an eurer Seite, wie ihr uns braucht, dann will ich auch liefern, egal, was meine deutschen Wähler denken.” Der Satz wurde aus dem Kontext geschnitten, AfD-Chefin Alice Weidel twitterte, Baerbock sei es “egal”, was die Bürger in Deutschland denken. Die Ukraine stehe für Baerbock “an erster Stelle”. Sie selbst erklärten, dass Baerbock “die Interessen der Ukraine vertritt” und sie sei deshalb “eine Gefahr für unser Land”. Wo liegt da noch der Unterschied?
    Wenn Baerbock Mist redet, werde ich nicht darauf verzichten, das zu kritisieren, weil es auch Frau Weidel tut. Was ist das für eine bescheuerte Diskussion? Die Aussage von Baerbock war sinngemäß: Auch wenn die Wähler in Deutschland etwas anders wollen, werde ich die Ukraine unterstützen. Mein Verständnis demokratischer Politik sieht anders aus.
    Warum? Die gewählten Abgeordneten sind laut dem Grundgesetz “nur ihrem Gewissen unterworfen”.
    Eine demokratische Regierung sollte sich in erster Linie dem Auftrag ihrer Wähler verpflichtet fühlen. Warum sollen die Leute sonst überhaupt zur Wahl gehen? Und die Grünen wären wohl kaum an die Macht gekommen, hätten sie plakatiert, wir werden Millionen Menschen in Armut stürzen und die Industrie in Deutschland zerstören, um vermeintlich Putin zu bestrafen. Die Wirtschaftssanktionen ruinieren uns, nicht Russland, deshalb muss der Wirtschaftskrieg beendet werden.
    Wladimir Putin dürfte sich freuen.
    Freuen dürften sich wohl eher Millionen Menschen in Deutschland, wenn ihre Energiekosten wieder sinken. Der russische Konzern Gazprom macht aktuell Rekordgewinne. Und klar ist, dass die Sanktionen den Krieg in der Ukraine nicht beenden.
    Quelle: t-online

    dazu auch: Sturm statt Burgfrieden
    Die Bundesregierung hat sich mit dem Wirtschaftskrieg gegen Russland in eine Sackgasse hineinmanövriert. SPD, Grüne und FDP sind dabei, einen Großteil der Bevölkerung sozial zu ruinieren und Millionen Arbeitsplätze zu zerstören. Geradezu skurril muten dabei die Klagen an, dass trotz der harten Strafmaßnahmen, die Russland ruinieren sollen, auf Vertragstreue Moskaus bei den Gaslieferungen gepocht wird. International erntet dieses Andy-Möller-Prinzip der deutschen Außenpolitik – erst zutreten, dann Foul schreien und sich auf den Rasen werfen – nur müdes Kopfschütteln. Und damit nicht genug: Mit immer neuen symbolischen Entlastungspaketen versucht die Ampelregierung darüber hinwegzutäuschen, dass es gerade die Leute mit niedrigem und mittlerem Einkommen sind, die die Übergewinne der Konzerne per Gasumlage und drastisch erhöhten Energie- und Lebensmittelpreisen bezahlen sollen. Widerstand gegen diese existenzbedrohende Politik der Bundesregierung regt sich und ist notwendig.
    Quelle: Sevim Dagdelen in junge Welt

    und: Sanktionen hinterfragen, nicht „sozial abfedern“
    Das Narrativ von einem „vorübergehenden Opfer” ist nicht mehr haltbar. Der von der Bundesregierung eingeschlagene Sanktionsweg spaltet Deutschland und schädigt die wirtschaftlichen Strukturen nachhaltig.
    Die Widersprüche kommen nahezu täglich zum Vorschein: in der Berichterstattung namhafter Zeitungen, öffentlich-rechtlicher Medien oder bei Äußerungen von Politikern. Weil Russland das Völkerrecht bricht, brechen Deutschland und die EU das internationale Wirtschaftsrecht. Lieferverträge mit Russland werden ebenso blockiert wie Zahlungsflüsse, Vermögen wird beschlagnahmt, das Zertifzierungsverfahren für Nordstream 2 gestoppt und die USA bedrohen alle damit in Verbindung stehenden Firmen mit Strafen. Gleichzeitig setzt ein Mediengewitter der Empörung ein, sobald Russland, wie nach den Gesetzen der Logik zu erwarten, die Erdgasexporte nach Deutschland drosselt. „Wir“ wollen das Gas zwar eigentlich nicht, aber im Moment schon.
    Interessant ist auch, was in verschiedenen Ländern sanktioniert wird und was nicht. Frankreich, das bei seiner Uranbrennstoffversorgung fast vollständig von Russland und Kasachstan abhängig ist, hat es geschafft, dass kaum jemand erfährt, dass diese Energielieferungen nicht sanktioniert worden sind. Das EU-Mitglied Ungarn hat jüngst seine Importe von russischem Erdgas erhöht, über eine russisch-türkische Pipeline. Das NATO-Mitgliedsland Türkei baut seine Wirtschaftsbeziehungen mit Russland weiter aus und bezahlt anstandslos mit Rubel.
    Quelle: Makroskop

  2. Entlastungspaket der Regierung: Die Ampel hilft sich selbst
    Mit dem dritten Entlastungspaket der Bundesregierung ist vor allem einer gerettet: der ­Koalitionsfrieden. Der soziale Frieden hingegen nicht.
    Wuchtig sollte es sein, maßgeschneidert, zielgenau – mit diesen Attributen schraubte die Ampel die Erwartungen an das dritte Entlastungspaket selbst in die Höhe. Am Sonntag lieferte sie es aus. Wuchtig fällt es auf den ersten Blick aus, 65 Milliarden Euro, davon über 30 Milliarden aus dem Haushalt, sind keine Summen, die man mal eben aus der Portokasse nimmt.
    Ob das Paket aber zielgenau ist, ob also die entlastet werden, die es wirklich nötig haben, lässt sich noch nicht abschließend beantworten. Die berechtigte Befürchtung ist, dass es hinten und vorn nicht passt. Arme sind weiterhin arm dran, für die untere Mittelschicht reichen die Kompensationen nicht aus, während Gutverdienenden Geld hinterhergeworfen wird und – das steht schon fest – an die richtig Reichen traut sich die SPD-geführte Regierung sowieso nicht ran.
    Quelle: taz

    dazu: Die Armut der Mitte
    Drittes Entlastungspaket offenbar Resultat stark divergierender Wunschvorstellungen. Heraus kam ein unsystematisch wirkendes Sammelsurium. Zu den Auswirkungen von Pandemie, Energiekrise und Inflation.
    Seit dem Frühjahr 2020 haben sich die Lebensbedingungen vieler Millionen Menschen in Deutschland zum Teil drastisch verschlechtert, weil sich die gesellschaftlichen Krisen häuften und gleichzeitig verschärften. Mit der Covid-19-Pandemie und dem ersten bundesweiten Lockdown setzten inflationäre Tendenzen ein, die sich mit dem Ukraine-Krieg und den westlichen Sanktionen gegenüber Russland als Reaktion darauf verschärften und haben ihren Höhepunkt vielleicht noch gar nicht erreicht haben.
    Betroffen sind zwar besonders einkommensarme und armutsgefährdete Personengruppen, weil ihnen im Unterschied zu wohlhabenden Bevölkerungskreisen finanzielle Rücklagen fehlen, inzwischen herrscht Angst vor der Verarmung jedoch auch in weiten Teilen der Mittelschicht.
    Dies dürfte auch der Grund dafür sein, dass Armut und soziale Ungleichheit momentan große Aufmerksamkeit in der (Medien-)Öffentlichkeit finden.
    Quelle: Christoph Butterwegge auf Telepolis

    dazu auch: Der Herbst bleibt heiß
    Das neue Entlastungspaket der Bundesregierung wird eine soziale Notlage nicht verhindern können. […]
    Im Koalitionsvertrag hatte die Ampel vereinbart, Hartz IV durch ein neues Bürgergeld zu ersetzen. Offen blieb bisher, ob nur das Etikett gewechselt wird oder auch die Regelsätze steigen. Neben einiger kleiner Reformen der Sozialleistung steht die Regelsatzerhöhung jetzt ebenfalls im Entlastungspaket. Ab dem 1. Januar 2023 soll das Bürgergeld 500 Euro betragen. Das heißt: 51 Euro mehr als bisher.
    Der Haken an der Sache: Die Erhöhung um 51 Euro entspricht gerade einmal einem Inflationsausgleich. Die reale Kaufkraft der neuen Sozialleistung steigt gegenüber den Hartz-IV-Sätzen also nicht an, ein Leben mit dem Bürgergeld wird ein Leben in Armut bleiben. SPD und Grüne haben an diesem Punkt ihre sozialpolitischen Ambitionen – sofern sie sie jemals hatten – vollständig aufgegeben.
    Lachhaft ist auch der »Nachfolger« des 9-Euro-Tickets. Christian Lindner hat die »Gratismentalität« im Nahverkehr erfolgreich bekämpft. Aus dem 9-Euro-Ticket soll ein bundesweit einheitliches Ticket im Preisrahmen zwischen 49 und 69 Euro werden. Im Paket sind dafür 1,5 Milliarden Euro vorgesehen, die der Bund beisteuert. Umsetzen müssen die Maßnahme aber die Länder. Und zwar alle sechzehn gemeinsam. Doch für die Landeshaushalte gilt eine viel strengere Schuldenbremse als für den Bund und sie müssen zudem Belastungen aus den angespannten Haushalten der Kommunen auffangen. Die 1,5 Milliarden sind ein läppisches Angebot, mit dem die Ampel ihre Verantwortung abschiebt und das 9-Euro-Ticket begräbt. Der Nachfolger droht zur Hängepartie zu werden. Bundesverkehrsminister Wissing wird die Schuld von sich weisen, wenn sich die Länder erwartungsgemäß nicht einig werden.
    Quelle: Jacobin

  3. Deutsche Firmen gehen pleite: Ist das Annalena Baerbock auch „egal“?
    Aus der Energiekrise wird im Winter eine Wirtschaftskrise. Unser Kolumnist Maurice Höfgen zeichnet ein düsteres Bild der drohenden Insolvenzwelle. (…)
    Denken wir an einen Friseursalon. Die Inhaberin bekommt Post vom Gasversorger – schlechte Nachrichten! Für die nächsten 12 Monate steigt die Gasrechnung. Ab jetzt verlangt der Versorger 25 statt neun Cent pro Kilowattstunde: fast dreimal so viel. Dass man schon lange Kunde ist und jahrelang alles doch stabil lief, hilft jetzt nichts mehr. Der Versorger muss nämlich auch längst mehr zahlen, wenn er Gas einkauft. Ab Oktober werden aus den 25 Cent sogar fast 28 Cent, die Gasumlage kommt ja noch obendrauf. Den Laden heizen, die Haare waschen, all das wird jetzt teurer.
    Eigentlich müsste die Inhaberin die Preise jetzt drastisch erhöhen, sonst geht die Gasrechnung an die Substanz. Kleine Friseurbetriebe sind nicht auf Rosen gebettet, haben häufig wenig Rücklagen, wie andere Kleinbetriebe eben auch. Die wenigen Rücklagen wurden außerdem schon in der Pandemie angezapft: Lockdown, Hygienestandards, Mindestabstand – alles mit mehr Kosten und weniger Einnahmen verbunden. Es gibt aber ein Problem: Die Kunden klagen schon seit Monaten, dass alles teurer wird. Tanken, Heizen, Duschen, Einkaufen – und jetzt auch noch der Friseur? Können sich die Kunden den Friseurbesuch dann noch regelmäßig leisten? Wenn nicht, brechen dem Friseursalon die Einnahmen weg.
    Tatsächlich droht die Nachfrage auch ohne Preiserhöhung für „Waschen, Schneiden, Föhnen“ wegzubrechen, denn die Preise, die wir heute an den Strom- und Gasbörsen sehen, sind längst nicht bei allen Haushalten angekommen. Für viele kommen die bitteren Briefe mit vielfach höheren Strom- und Heizkosten erst noch. Auch das Monatsticket für den Bus und das Tanken an der Zapfsäule frisst seit dieser Woche wieder mehr Einkommen. 9-Euro-Ticket und Tankrabatt sind ausgelaufen. Je mehr Geld Verbraucher beim Gasversorger, beim Verkehrsbetrieb, beim Vermieter, an der Zapfsäule oder im Supermarkt ausgeben müssen, desto weniger bleibt für Friseur-, Kino- und Restaurantbesuche übrig.
    Quelle: Maurice Höfgen in Berliner Zeitung

    dazu: Traditionsbetrieb Eschenbach bereitet sein Ende vor – und hofft noch
    Bei Eschenbach-Porzellan in Triptis gehen zum Jahresende die Lichter aus. Damit geht ein Thüringer Traditionsunternehmen wegen der Energiepreisentwicklung den Bach runter. Die Mitarbeiter fordern eine Preisgrenze vor allem beim Gas, um eine Werksschließung noch zu verhindern. (…)
    Im Moment sind die Auftragsbücher voll, auch die Hauptkunden aus Gastronomie und Hotelbranche bestellen nach der Corona-Delle der vergangenen beiden Jahre wieder neues Geschirr im aktuellen Design. Mit Serien wie dem Porzellankochtopf für alle Herd- und Ofenarten fährt Eschenbach-Porzellan auf der Erfolgsspur. Doch die Preisexplosion beim Gas macht jetzt alle Zukunftspläne zunichte. Der Chef zieht die Reißleine, bevor es zur Insolvenz kommt. (…)
    Statt um die 860.000 Euro müsste Eschenbach-Porzellan im nächsten Jahr etwa 5,5 Millionen Euro für das Gas bezahlen, das in den Brennöfen zum Einsatz kommt. Die sechsfache Summe gegenüber diesem Jahr. Außerdem tun sich viele Lieferanten schwer, überhaupt solche Mengen vertraglich zu binden. Und es kommt noch schlimmer: Für nicht abgenommenes Gas müsste Frowein Strafgeld zahlen, wenn er mehr Gas braucht, schlägt der Tagespreis an der Gasbörse zu Buche. (…)
    Bitter ist auch, dass im Werk eigentlich im Herbst das neue Energiemanagement-System in Betrieb gehen sollte. Auch neue Maschinen waren geplant und teilweise auch schon bestellt. Auch in den vergangenen Jahren konnten sie hier Stück für Stück die Produktion modernisieren. Zum Beispiel mit Robotern, die gleichmäßige Farbdekore auf Tassen oder Teller aufspritzen. Um die 700.000 Euro flossen so Jahr für Jahr in neue Technik.
    Quelle: mdr

    dazu auch: SKW Piesteritz hofft auf Hilfen vom Bund
    Der Düngemittelproduzent SKW Piesteritz leidet als eines der energieintensivsten Unternehmen Deutschlands besonders unter den hohen Preisen für Gas. Im Herbst droht laut Unternehmen deshalb Kurzarbeit. Teile der Produktion ruhen bereits. SKW hofft auf Bundeshilfen. Der Landrat warnt vor Folgen über Piesteritz hinaus. (…)
    SKW hat auf Grund der aktuellen Entwicklung bereits seine Ammoniakanlagen stillgelegt. Piesteritz produziert aber auch den für Lkw so wichtigen Kraftstoff Ad-Blue. Wittenbergs Landrat Christian Tylsch (CDU) warnt deswegen vor weitreichenden Konsequenzen. Er sagte nach dem Krisentreffen: “Stehen diese Lkws, stehen wir nicht nur vor leeren Regalen in den Supermärkten bundesweit. Sondern wir haben dann auch das Problem, dass nicht nur der Standort Piesteritz betroffen ist, sondern die Belegschaften vieler Unternehmen.” (…)
    MDR SACHSEN-ANHALT sagte der Landrat anschließend, er habe auf die vielfältigen Auswirkungen verwiesen, die eine Schieflage oder gar ein Aus von SKW Piesteritz für die gesamte Region hätten. Das betreffe nicht nur die rund 860 Beschäftigten des Unternehmens, sondern auch deren Familien, Zulieferer oder diverse Handwerksbetriebe. Über konkrete Zusagen nach dem Treffen wurde zunächst nichts bekannt.
    Quelle: mdr

    Anmerkung Lutz Hausstein: Beides sind bislang wirtschaftlich absolut gesunde Unternehmen. Hier rollt eine Welle der Deindustrialisierung auf Deutschland zu, die ihresgleichen sucht. Sämtliche Experten warnen seit Monaten vor genau dieser Gefahr. Derweil steht die verantwortliche Politik (baer-)bockig im Zentrum des Handelns und … tut nichts. Stattdessen Milliardengelder für Rüstung und Energiewirtschaft, während die Lebensgrundlagen der einheimischen Bevölkerung vor die Hunde gehen.

    und: Hohe Energiepreise: Erste Unternehmen stoppen Produktion in Deutschland
    Wirtschaftsminister Robert Habeck spricht von einem “alarmierenden” Trend und von einem strukturellen Bruch. Laut Analysten steigt in der Bundesrepublik das Risiko von sozialen Unruhen deutlich.
    Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich am Wochenende davon überzeugt: In Deutschland wird es in Herbst und Winter keine sozialen Unruhen geben. Ob er damit recht behalten wird, ist längst noch nicht ausgemacht.
    Die Bundesrepublik gehört in Europa zu den Ländern, in denen das Risiko sozialer Unruhen am deutlichsten gewachsen ist, heißt es in einer aktuellen Analyse von Verisk Maplecroft, einem auf Risikoanalysen spezialisiertem Unternehmen.
    Mit einer Inflation von über sechs Prozent erreichten die sozioökonomischen Risiken in mehr als 80 Prozent der Länder – weltweit – ein kritisches Niveau. Fast die Hälfte aller Länder werden inzwischen als Hoch- oder Extremrisiko eingestuft. Und für eine große Anzahl von Ländern wird in den nächsten sechs Monaten eine weitere Verschlechterung erwartet.
    Welche Folgen dieser Trend für Deutschland haben wird, hängt auch davon ab, ob es der Bundesregierung gelingt, die Inflation zu lindern.
    Quelle: Telepolis

  4. Die USA sind der größte Gewinner im weltweiten Energiechaos
    Angesichts der Befürchtung, dass der Gasfluss aus Russland durch die Nord Stream 1-Pipeline auf unbestimmte Zeit unterbrochen wird, werde die EU im Vorfeld des kommenden Winters die Einfuhren von Flüssigerdgas (LNG) aus alternativen Quellen erhöhen müssen. Dies mache die USA zum größten Gewinner der Russland-Ukraine-Krise, kommentierten Experten am Samstag. (…)
    In einer Zeit, in der sich die russischen Gaslieferungen drastisch reduzieren, hat die EU keine andere Wahl, als die Importe aus den USA um jeden Preis zu erhöhen. Das wiederum bringe den US-Gaslieferanten nie dagewesene Gewinne, erklärte Lin Boqiang, Direktor des China Center for Energy Economics Research an der Universität Xiamen, der Global Times am Samstag. Bis Juni dieses Jahres exportierten die USA etwa 57 Milliarden Kubikmeter (kurz „bcm“ für „billion cubic metres“) LNG, von denen 39 bcm (68 Prozent), nach Europa gingen. Im Vergleich dazu waren im ganzen letzten Jahr „nur“ 34 bcm (35 Prozent) der LNG-Exporte nach Europa geliefert worden, als die LNG-Exporte der USA laut Reuters insgesamt 97 bcm betrugen.
    „Dies wäre in der Vergangenheit undenkbar gewesen, da die LNG-Preise der USA aufgrund der Transportkosten deutlich höher sind als die russischen Pipeline-Gaspreise. Aber jetzt hat die Ukraine-Krise die EU dazu veranlasst, ihre Energieabhängigkeit von russischem Gas zu verringern”, so Lin. „Mit anderen Worten: Die weltweite Energielandschaft befindet sich aufgrund geopolitischer Faktoren in einem gewaltigen Umbruch, der mit steigenden Preisen und Versorgungsengpässen einhergeht.”
    Nach Angaben von Business Insider, einer amerikanischen Website für Finanz- und Wirtschaftsnachrichten, verdienen US-Unternehmen mehr als 100 Millionen US-Dollar pro Containerschiff mit LNG, das für Europa bestimmt ist.
    „Selbst mit den teuren LNG-Importen aus den USA könnte es für die EU schwierig werden, im kommenden Winter, wenn die Energienachfrage normalerweise stark ansteigt, eine rasant steigende Inflation, Stromengpässe und Produktionsunterbrechungen zu vermeiden”, warnte Lin jedoch. „Die EU braucht mehr Zeit, um sich auf die Verringerung ihrer Abhängigkeit von russischem Gas vorzubereiten, wofür unter anderem mehr LNG-Schiffe und mehr Gasspeicher notwendig sind”, so der in Beijing ansässige Experte.
    Quelle: German.China.org.cn

    Anmerkung Christian Reimann: Eine andere „Wahl“ lautet insbesondere an die Adresse der Bundesregierung gerichtet, für gute Beziehungen zu Russland sowie langfristige und günstige Energielieferungen zu sorgen.

    dazu: „Die Amerikaner können nun beruhigt sein“: 50 Jahre deutsche Gaspartnerschaft mit Russland am Ende
    Mit dem Stopp von Nord Stream 1 am Sonnabend durch Gazprom tritt die „Gas-Scheidung“ zwischen Deutschland und Russland in die Endphase ein. Welche Folgen das hat und wie es weitergeht.
    Am Sonnabend ist das geschehen, was viele schon befürchtet, vorhergesehen oder gewollt haben: Gazprom stellte den Gastransport über Nord Stream 1 für eine unbestimmte Zeit ein. Doch es scheint wie eine Entscheidung für die Ewigkeit.
    Ein Ölleck bei einer verbliebenen und einigen bereits ausgeschalteten Gasturbinen sei der Grund, erklärte der russische Staatskonzern. Siemens Energy, der Hersteller der Turbinen, müsse die Mängel vorerst beheben. Siemens Energy streitet das Problem zwar nicht ab, hält es jedoch für einen unglaubwürdigen Grund für den Lieferstopp. Solche „Leckagen“ könnten vor Ort abgedichtet werden, teilte der Konzern mit. Gazprom widerspricht: Es gebe dafür keinen „Reparaturort“.
    Fazit: Es wird offensichtlich kein russisches Gas mehr über Nord Stream 1 nach Deutschland fließen. Von rund 42 Millionen Kubikmetern Gas aus dem Ukraine-Transit kommen laut der Bundesnetzagentur kaum noch vier Millionen Kubikmeter Gas im bayerischen Weidhaus an (Stand: Sonntag). Also: So gut wie nichts.
    Quelle: Berliner Zeitung

    dazu auch: Was ist Washingtons “Freundschaft” wert? Das energiearme Europa erfährt es gerade
    Die US-Energieministerin Jennifer Granholm setzt Raffinerien unter Druck, den Export von Gas und anderen Treibstoffen an die europäischen Verbündeten einzustellen, obwohl diese derzeit unter Energieknappheit ächzen.
    Es sieht so aus, als ob auch Europa jetzt an der Reihe ist, die Erfahrung zu machen, was Washingtons Versprechen wirklich wert sind – ein Hinweis im Voraus: Nicht viel. In einem Brief, der von der Redaktion des Wall Street Journal als “Mobbing” bezeichnet wurde, forderte die US-Energieministerin Jennifer Granholm, dass die wichtigsten Raffinerien für Erdöl des Landes in Zukunft davon absehen sollen, ihre Exporte zu erhöhen – und das zu einer Zeit, in der die Verbündeten der USA in der Europäischen Union (EU) händeringend nach alternativen Energieimporten suchen.
    Quelle: RT DE

    und: Europa macht sich Sorgen um Gasmangel, während die USA mit verschränkten Armen zusehen
    Anfang 2022 deckte Erdgas 25 Prozent des Energiebedarfs der EU, die Hälfte des Gases stammte aus Russland. Gegenwärtig entfallen nur noch neun Prozent der europäischen Erdgasimporte auf Russland. Am 5. September rief der französische Präsident, Emmanuel Macron, die Franzosen auf, Energie zu sparen.
    Jedoch steht ein größeres Problem bevor. Die russische Seite erklärte kürzlich, die Erdgaspipeline „Nordstream 1“ aufgrund von Anlagenausfall vollständig abzuschalten, bis die Panne behoben sei. Durch diese Erdgaspipeline erfolgten im letzten Jahr 40 Prozent der russischen Erdgasexporte nach Europa. Es ist absehbar, was ihre vollständige Stilllegung für Europa bedeuten wird.
    Ein weiteres Problem ist die drastische Preiserhöhung für Energie wie Erdgas. Die Energiepreise in der Eurozone stiegen im August um 38,3 Prozent und die Inflationsrate erreichte 9,1 Prozent. Britische Medien sprachen vom Spitzenniveau seit der Einführung des Euro.
    Es ist keine Übertreibung, dass der Energiemangel, den Europa derzeit erlebt, ein Schmerz bis auf die Knochen ist. Allerdings merken die sich in Not befindenden Europäer, dass ihr transatlantischer Verbündeter nur mit verschränkten Armen zugeschaut hat.
    US-Energieministerin Jennifer Granholm forderte kürzlich in einem Brief mehrere große US-Ölraffinerieunternehmen auf, die Kraftstoffexporte nicht zu erhöhen und sich kurzfristig auf den Aufbau von Lagerbeständen in den Vereinigten Staaten zu konzentrieren. Was soviel bedeutet wie, dass Europa nicht auf die Hilfe der USA angewiesen sein sollte, zumindest kurzfristig.
    Laut Business Insider in den USA kann ein US-Transportschiff mit verflüssigtem Erdgas nach Europa durchschnittlich einen Gewinn von über 100 Millionen US-Dollar bringen. Angesichts der bevorstehenden Zwischenwahlen hat die US-Regierung die US-Energieexporte demonstrativ beschränkt, um die Inflation einzudämmen und die Unterstützung der Wähler zu gewinnen. Was die Europäer denken, spielt für sie dabei keine Rolle.
    Die Europäer sollten die Energiekrise zum Anlass nehmen, um über vieles nachzudenken. Zum Beispiel ob sie den Vereinigten Staaten immer wieder folgen und sich wiederholt täuschen lassen sollten? Europäische Politiker müssen sich gut überlegen: Welchen Weg sollte Europa in Zukunft einschlagen, der ihren eigenen Interessen am meisten entspricht?
    Quelle: CRI online

  5. Atomkraft: Zankapfel an der Isar
    Atomkraftwerke als Reserve für den Winter, so hatte sich das Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vorgestellt. Den Unmut der Betreiber hatte er da nicht auf dem Zettel.
    Still dampft er vor sich hin, der neue Problemfall von Robert Habeck. Isar 2, das Atomkraftwerk bei Landshut, ist im Endspurt, regulär soll es nur noch bis zum 31. Dezember laufen. Doch nun, auf seine alten Tage, wird das AKW noch einmal zum großen Streitfall. Briefe werden hin und her geschrieben, der Ton ist unfreundlich. Es geht um die Zeit nach dem 31. Dezember.
    Nach Vorstellung des grünen Energieministers Habeck soll der Reaktor dann zu einer “Kaltreserve” werden. Technisch heißt das: Das Kraftwerk wird heruntergefahren, es erzeugt keinen Strom mehr, aber es wird in einem Zustand gehalten, in dem es binnen einer Woche wieder ans Netz kann. So ähnlich läuft das auch, wenn ein AKW für routinemäßige Kontrollen heruntergefahren wird. Doch Habeck will so über den Winter kommen. Zeichnen sich in Europa Engpässe beim Strom ab, soll Isar 2 auch über den 31. Dezember hinaus weiterdampfen, längstens bis Mitte April. Die Betreiberfirma, die Eon-Tochter Preussen Elektra, soll für diese Reservedienste entschädigt werden.
    Doch die ist alles andere als einverstanden.
    Quelle: Süddeutsche
  6. Krieg in der Ukraine: Mehr hinhören, was die Russen sagen
    Die Beurteilungen und Informationen über den Krieg in der Ukraine und die Positionen der sich gegenüberstehenden Kriegsparteien liegen meilenweit auseinander. Während sich zum Beispiel in der Schweiz Journalisten und Redakteure im Russenhass suhlen und die Schwäche der Russen besingen, sehen unabhängige Militär-Experten die Lage deutlich anders.
    Quelle: Globabridge
  7. Die Klimakrise: Auch eine Frage von Krieg oder Frieden
    Wir müssen alles tun, um die Klimakrise zu stoppen – und zwar sozial gerecht, damit unsere Gesellschaft nicht auseinanderbricht. Weltweite Abrüstung gehört dazu. (…)
    Die Covid-19-Pandemie, die zu einem weltweiten Schreckgespenst wurde, und der Ukrainekrieg, der sich zu einem geostrategischen Konflikt ausgeweitet hat, machen die Verletzlichkeit des menschlichen Lebens im globalen Zeitalter deutlich. Nach nicht einmal drei Jahren ist zu befürchten, dass wir in einem „Jahrzehnt der Extreme“ leben, in dem sogar diese beiden tiefen Einschnitte letztlich nur ein Vorspiel in dem großen Drama der heraufziehenden Klimakrise sind. Im globalen neoliberalen Kapitalismus muss die Menschheit beweisen, dass sie zur sozialen und ökologischen Gestaltung des Zusammenlebens fähig ist, global, gemeinsam und sofort. Andernfalls droht ein Jahrhundert erbitterter Verteilungskämpfe und eskalierender Gewalt.
    Seit Beginn des Industriezeitalters belasten die menschlichen Eingriffe die Ökosysteme um mehr als das Hundertfache, ist der Ressourcenverbrauch in den Industrieländern um das Zwanzigfache gestiegen, stieg die Weltbevölkerung von 800 Millionen Menschen auf heute 7,9 Milliarden. Die Naturvergessenheit der Industrieländer, die nachholende Industrialisierung großer Erdregionen und die ungleiche Verteilung der Lebenschancen beschleunigen die Überlastung der Ökosysteme und die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen. Wir haben längst die Tragfähigkeit unseres Planeten überschritten. Die Eingriffe in die Natur überschreiten die ökologischen Grenzen des Wachstums. Sie erreichen kritische Grenzwerte im Erdsystem. Die globale Erwärmung steuert dabei auf Kipppunkte zu, die die Klimakrise unaufhaltsam beschleunigen werden und irreversible Schädigungen möglich machen.
    Quelle: Peter Brandt, Reiner Braun, Michael Müller in Berliner Zeitung
  8. Wofür steht die neue britische Premierministerin Liz Truss?
    Die Außenministerin Truss setzte sich in einer parteiinternen Abstimmung gegen Ex-Finanzminister Rishi Sunak durch. Sie folgt Boris Johnson ins Amt des britischen Premiers. Dem Land steht ein harter bis wirklichkeitsfremder neoliberaler Kurs bevor.
    Die schlechte Nachricht vorweg, die “Dreammachine” in London wurde eingestellt. Ende Juli bereits. Diese Traummaschine war ein Projekt des “Unboxed”-Festival, das gerne auch liebevoll “Festival of Brexit” genannt wird. Ziel dieser Shows im ganzen Land war es, die Kreativität und das Potenzial der Menschen in Großbritannien zu zeigen, die sich nun ohne EU-Richtlinien entfalten dürfen.
    In der Dreammachine legten sie sich deshalb in bequemen Stühlen zurück und träumten vor sich hin, von schöner Musik besäuselt. Vielleicht träumten manche von einer besseren Zukunft. Die Brexit-Feierlichkeiten des entfesselten britischen Potenzials kosteten hunderte Millionen Pfund und haben nahezu niemanden interessiert. Ihr einziger Gewinn liegt darin, eine ungewollte Metapher zu sein. Das Land versinkt im Chaos. Es brechen offenkundig schwere Zeiten heran, also organisiert die Regierung eine Gruppenhalluzination mit Lichtblitzen vor den geschlossenen Augen.
    Quelle: Telepolis

    dazu: Liz Truss: Großbritanniens neue Premierministerin und der Indo-Pazifik
    (Eigene Übersetzung)
    Wer ist Liz Truss?
    Es ist wichtig zu wissen, dass Liz Truss nicht in einer landesweiten Wahl gewählt wurde. Truss wurde nach dem Rücktritt ihres Vorgängers, Boris Johnson, zur Vorsitzenden der regierenden Konservativen Partei gewählt. Sie ist also Premierministerin aufgrund ihrer Führungsrolle in der Regierungspartei und nicht aufgrund eines öffentlichen Mandats, das durch eine landesweite Wahl erteilt wurde. Sie wurde von mehr als 160.000 Mitgliedern der Konservativen Partei gewählt – das sind 0,3 Prozent der britischen Wählerschaft -, so dass ihre jüngste Rhetorik darauf ausgerichtet war, einen kleinen Teil der britischen Bevölkerung davon zu überzeugen, dass sie das Zeug zur Regierungschefin hat. Als Premierministerin muss sie die gesamte britische Öffentlichkeit davon überzeugen, dass sie einen guten Job macht. […]
    In den ersten Tagen ihrer Amtszeit als Handelsministerin legte Truss großen Wert auf ihre Arbeit, um viele der britischen Handelsvereinbarungen für die Zeit nach dem Brexit mit Nationen im indopazifischen Raum, darunter Australien und Japan, zu sichern.
    Sie ist eindeutig eine Persönlichkeit, die den indopazifischen Raum als integralen Bestandteil der Zukunft Großbritanniens und das Vereinigte Königreich als echten Akteur in der Region sieht. […]
    Truss hat ihre Kritik an China lautstark geäußert. Im Gegenzug ist Truss bei Chinas Führung äußerst unbeliebt. Die Beziehungen zwischen China und Großbritannien schwankten in den letzten zehn Jahren zwischen zwei Polen, von der „Goldenen Ära“ Mitte der 2010er Jahre bis zu den zunehmend erbitterten und kämpferischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre, insbesondere durch das Sanktionstennis Anfang 2021, bei dem Großbritannien und China gegenseitig Beamte sanktionierten. Die Beziehungen werden sich unter Truss wahrscheinlich weiter verschlechtern. […]
    Truss hat sich ausführlich über die Notwendigkeit geäußert, dass sich die demokratischen Nationen gegen den Autoritarismus zusammenschließen müssen. In einer Rede vor dem Lowy Institute sprach Truss von der Notwendigkeit, dass die Demokratien ein „Netzwerk der Freiheit“ aufbauen sollten – ein kaum verhüllter Aufruf an liberale Akteure, sich gegen Russland und China zu verbünden. […]
    Offensichtlich sollte eine größere liberale Koalitionsbildung auch die Verteidigung Taiwans gegen eine chinesische Invasion durch die NATO einschließen, wobei Truss die euro-atlantische Sicherheit als einzigen Zweck der NATO ablehnt und stattdessen eine „globale NATO“ fordert. Truss ist sogar so weit gegangen, China zu einer offiziellen Bedrohung der Interessen und der Sicherheit Großbritanniens zu erklären. […]
    Truss‘ Amtszeit könnte sehr kurz sein. Ihre Wahl hat die Wahluhr des Vereinigten Königreichs nicht zurückgestellt, und die nächsten Parlamentswahlen werden spätestens im Januar 2025 stattfinden. Truss übernimmt die Führung einer konservativen Partei, deren Umfragewerte in der britischen Öffentlichkeit derzeit schlecht sind und die von Skandalen und in die Höhe schießenden Lebenshaltungskosten geplagt wird.
    Quelle: The Diplomat

  9. Wie wir ver-rückt werden
    „Sind die Menschen, die aus Syrien fliehen, vor einem Krieg der ohne massive russische Militärhilfe gar nicht möglich wäre, nicht auch ein Opfer des Despoten Putin?“ Das fragte Schmickler in den jüngsten „Mitternachtsspitzen“ während seines Plädoyers für die Gleichbehandlung von Flüchtlingen durch die EU. Und ich dachte: Was ist mit Schmickler passiert? Warum redet der bei so einem wichtigen Thema zwischendurch solchen Unsinn?
    Dann fand ich eine Meldung der Tagesschau vom März 2022 „Assads Krieg dauert nun 11 Jahre“, die mit Schmicklers Weltbild (aber auch dem anderer „Meinungsmacher“ in Deutschland) perfekt harmoniert:
    Vor elf Jahren begann der Krieg in Syrien – die Hälfte der Bevölkerung verlor ihre Heimat. An der Seite von Machthaber Assad zerbombte die russische Luftwaffe Städte wie Aleppo und Homs. Viele Syrer fühlen jetzt mit den Ukrainern.
    Beides steht exemplarisch dafür, dass sich bewusst oder unbewusst die Wahrnehmung von Realitäten verschob. Selbst öffentlich zugängliche Informationen spielen offenbar gar keine Rolle mehr.
    Hätte die Tagesschau eine Hilfskraft mit Recherchen beauftragt, dann wäre möglicherweise klar geworden, dass der Kampf um Homs 2014 endete, die russische Armee erst 2015 auf Assads Bitten direkt militärisch eingriff und so den Vormarsch von ISIS auf Damaskus stoppte, dass der Kampf um „Aleppo“ sich wiederum auf den kleinen Ostteil der Stadt konzentrierte, der zu diesem Zeitpunkt unter der Kontrolle von Al Nusra stand, was das Pentagon wusste, aber medial und politisch ignoriert wurde, und dass heute die USA den fruchtbarsten Teil Syriens, dort, wo es auch Öl gibt, widerrechtlich okkupieren.
    Quelle: Petra Erler
  10. John Goetz über Hans-Christian Ströbele: Wie man sich einmischt und dabei frei bleibt
    Der Journalist John Goetz kannte Hans-Christian Ströbele als freien Kopf und unabhängigen Geist. Aus Anlass des Todes von Hans-Christian Ströbele veröffentlichen wir eine Laudatio auf ihn.
    Die ist eine Laudatio auf Hans-Christian Ströbele anlässlich der Verleihung des Arnold-Freymuth-Preises, die der Journalist John Goetz am 2. Dezember 2018 in Hamm vorgetragen hat. Aus Anlass des Todes von Hans-Christian Ströbele veröffentlichen wir die Rede noch einmal. (…)
    Im Oktober 2013 fuhren wir gemeinsam S-Bahn. Sie kennen vielleicht sein Verhältnis zu Bundestags-Limousinen. Wir sind im Bahnhof Friedrichstrasse eingestiegen. Der Zug fuhr durch die Stadt, und ich konnte sehen, wie das ist, mit ihm durch seinen Wahlkreis zu fahren. Da kamen Menschen auf ihn zu, begrüßten ihn, schüttelten ihm die Hand. Bewunderung und doch Nähe. Ich weiß nicht, wie es in anderen Teilen Deutschlands ist, aber in Berlin ist das so. Das liegt vermutlich an der Unabhängigkeit, die er sich bewahrt hat.
    Unser Ziel war der Flughafen Schönefeld und im ferneren Moskau. Wir wollten Edward Snowden treffen. Ich, um über ihn zu berichten. Christian hatte anderes im Sinn.
    Die Lage war die: Trotz der Sympathien die Snowden weltweit entgegenschlugen, hatte es die USA geschafft, international das Recht nach ihren Interessen zu beugen.
    Während sich Snowden noch am Flughafen befand, war Moskau Gastgeber für die Staatsoberhäupter der Gas Exporting Countries Forum. Unter ihnen Nicolaus Maduro und Evo Morales aus Venezuela und Bolivien. Aus irgendeinem Grund waren die Vereinigten Staaten zu der Annahme gelangt, dass Snowden kurz davor war, im Präsidentenflugzeug des bolivianischen Staatsoberhauptes nach Lateinamerika zu fliegen. In direkter Verletzung des Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, das besagt, dass Staatsluftfahrzeuge fliegendes Hoheitsgebiet des jeweiligen Landes sind, forderten die Vereinigten Staaten von Amerika ihre europäischen Verbündeten auf, ihren Luftraum für das Flugzeug des bolivianischen Präsidenten zu schließen. Das Flugzeug des bolivianischen Präsidenten musste daher auf dem Wiener Flughafen landen. Als das Flugzeug durchsucht wurde, war Snowden jedoch nicht an Bord.
    In der gleichen Nacht beschloss die deutsche Regierung in ihrer Kabinettssitzung folgendes: nach Kabinettsbeschluss sollte Snowden in Deutschland landen, würde man ihm nicht erlauben einen Asylantrag zu stellen und ihn stattdessen sofort an die Vereinigten Staaten ausliefern.
    Ein Beispiel dafür, wie die Macht – in diesem Fall die der Vereinigten Staaten – das regelbasierte System der internationalen Beziehungen immer dann ignoriert, wenn es seine Interessen durchsetzen will. Aber auch ein trauriges Beispiel dafür, wie die deutsche Regierung sich unterwarf.
    In dieser Situation fuhr Hans-Christian Ströbele also nach Moskau, um Edward Snowden zu bewegen, vor einem Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre in Deutschland auszusagen. Er kam aus Moskau zurück mit einem Brief, in dem sich Snowden dazu bereit erklärte.
    Quelle: John Goetz in Berliner Zeitung

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