Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat bei einem Auftritt am Mittwoch unverblümt ihre politischen Prioritäten und ihre Verachtung für den Wählerwillen benannt. Man kann das auch „ehrlich“ nennen – mit wichtigen Einschränkungen: Die Politik der Bundesregierung gegen die eigenen Bürger kommt nicht den Zivilisten in der Ukraine zugute. Mit den Sanktionen werden mutmaßlich andere Interessen bedient. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
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Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat bei einer Podiumsdiskussion am Mittwoch in Prag zur Ukrainepolitik der Bundesregierung unter anderem gesagt:
„Wenn ich den Menschen in der Ukraine sage: ‚Wir stehen bei euch, so lange, wie ihr uns braucht, dann möchte ich auch liefern. Egal, was meine deutschen Wähler denken: Ich möchte den Menschen der Ukraine beistehen. (…) Und das bedeutet, dass alle Maßnahmen, die ich ergreife, Bestand haben müssen, solange die Ukraine mich braucht. (…) Im Winter werden wir als demokratische Politiker herausgefordert werden. Die Menschen werden auf die Straße gehen und sagen, ich kann meine Energiekosten nicht mehr bezahlen. Und ich sage, ja ich weiß, wir helfen euch mit sozialen Maßnahmen. Aber ich möchte nicht sagen: Okay, dann stoppen wir die Sanktionen gegen Russland. Wir stehen an der Seite der Ukraine. Und das bedeutet, die Sanktionen werden bestehen bleiben – auch im Winter und auch wenn das wirklich hart für Politiker werden sollte.“
Unter diesem Link kann man die ganze Debatte verfolgen (die zitierten Aussagen Baerbocks kommen bei ca. 1:22h). Einen Ausschnitt liefert dieser Tweet:
Außenministerin @ABaerbock offenbarte ein recht eigentümliches Demokratieverständis bei ihrem gestrigen Auftritt in Prag:
"Ich möchte liefern. Egal, was meine deutschen Wähler denken. Ich möchte den Menschen der Ukraine beistehen."
Mehr Hintergründe hier: https://t.co/6yVgfaKcBU pic.twitter.com/8NZ5ODQaR3— NachDenkSeiten (@NachDenkSeiten) September 1, 2022
Brutal offen – und doch nur die halbe Wahrheit
Die brutale Offenheit Baerbocks ist zu begrüßen. Man muss allerdings ergänzen, dass der Inhalt der Aussage und die damit ausgedrückte Haltung vieler Grüner gegenüber Teilen der Bevölkerung bereits bekannt war. Es gehört zu den Zeichen der Zeit, dass unerhörte Vorhaben ganz offen vorangetrieben werden können, auch weil es keine Medienlandschaft mehr gibt, die in angemessener Weise einschreiten würde. Die grüne Haltung gegenüber den Interessen zahlreicher Bürger aber so direkt aus dem Munde einer der Hauptverantwortlichen für die hausgemachte Krise zu hören, ist dennoch wirkungsvoll.
So offen Baerbock in dem Statement auch erscheint: Die Aussagen beinhalten wieder nur die halbe Wahrheit. Denn die Sanktionspolitik Deutschlands hilft den ukrainischen Zivilisten nicht, sie hat keinen direkten Einfluss auf den Krieg. Die Aussage, mit den Sanktionen würde man sich „an die Seite der Menschen in der Ukraine stellen“, hält einer näheren Betrachtung nicht stand. Das gilt auch für die Behauptung: „Gegen die Sanktionen = Gegen die Ukraine“, wie wir in diesem Artikel beschrieben haben. Die Linderung des schrecklichen Leids der ukrainischen Zivilisten ist kein Motiv für die aktuelle Politik der Bundesregierung. Auch Ungeschicklichkeit und Fehler sind meiner Meinung nach als Motivationen für diese zerstörerische Politik gegen die eigenen Bürger auszuschließen.
Wessen Interessen die Bundesregierung mit der gegenwärtigen Sanktions- und Energiepolitik tatsächlich bedient, ist eine der drängendsten Fragen der Zeit.
Wenn es nicht ein juristisch kraftloser Papiertiger wäre, könnte man Baerbock nun an ihren Amtseid erinnern, bei dem sie Ende 2021 geschworen hat:
„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“
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Titelfoto: Screenshot