Die Bundeswehr bildet ukrainische Soldaten aus – dadurch könnte eine weitere gefährliche Grenze überschritten werden. Auch laut Wissenschaftlichem Dienst des Bundestages kann diese Ausbildung völkerrechtlich unter Umständen als Kriegsbeteiligung gewertet werden. Das Handeln der Bundesregierung ist auch bei diesem Aspekt riskant und verantwortungslos und es erreicht nicht die erklärten Ziele. Ein Kommentar von Tobias Riegel.
Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.
Podcast: Play in new window | Download
Ende der Woche wurde in Medien beschrieben, wie die Bundeswehr bereits seit einiger Zeit ukrainische Streitkräfte an deutschen Panzern ausbildet:
„Seit Wochen liefert die Bundesregierung Panzer des Typs Gepard an die Ukraine aus. Parallel dazu werden auf dem Bundeswehr-Übungsgelände in Putlos ukrainische Streitkräfte für den Umgang mit dem Panzer ausgebildet. Bundeskanzler Scholz war heute vor Ort, um sich ein Bild zu machen. (…) Fest steht bereits, dass weitere Lehrgänge folgen werden, denn insgesamt 30 Gepard-Panzer sollen an die Ukraine geliefert werden. Dafür muss entsprechend viel Personal geschult werden.“
Durch Ausbildung an Waffen kann man zur Kriegspartei werden
Im Artikel Deutsche Panzer, die auf Russen schießen – Diese Regierung führt uns an den Abgrund“ hatten wir kommentiert, wie gefährlich und moralisch abwegig bereits die Lieferungen schwerer Waffen an die Ukraine durch Deutschland sind. Dass aber die Ausbildung von Ukrainern an diesen deutschen Waffen völkerrechtlich nochmal eine andere, gefährlichere Qualität haben kann, das hat bereits im März der Wissenschaftliche Dienst (WD) des Bundestages festgestellt (Hervorhebung von mir):
„Als völkerrechtlich gesichert kann gelten, dass die militärische Unterstützung einer bestimmten Konfliktpartei in Form von Waffenlieferungen, einer Zurverfügungstellung von militärischer Ausrüstung o.ä. noch nicht die Grenze zur Konfliktteilnahme überschreitet. (…) Bei Unterstützungsleistungen auf der Grundlage von non-belligerency bleibt der Umfang von Waffenlieferungen, aber auch die Frage, ob es sich dabei um ‚offensive‘ oder ‚defensive‘ Waffen handelt, rechtlich unerheblich. Erst wenn neben der Belieferung mit Waffen auch die Einweisung der Konfliktpartei bzw. Ausbildung an solchen Waffen in Rede stünde, würde man den gesicherten Bereich der Nichtkriegsführung verlassen.“
Laut Wissenschaftlichem Dienst überlagert das Konstrukt der „Nichtkriegführung“ das „traditionelle Neutralitätsgebot“:
„Die Frage, wie eine militärische Unterstützung von Konfliktparteien durch Waffenlieferungen mit dem traditionellen Neutralitätsgebot (niedergelegt in der V. Haager Konvention von 1907) zu vereinbaren ist, darf weitgehend als entschieden angesehen werden. Das Neutralitätsrecht wird durch das allgemeine Gewaltverbot und das System der kollektiven Sicherheit, welches die VN-Charta in Kapitel VII geschaffen hat, gewissermaßen überlagert. An die Stelle der Neutralität trat ein neuer Rechtsstatus der Nichtkriegführung (‚non-belligerency‘).”
Weiter heißt es beim WD:
„Gilt es also, der Verletzung des Gewaltverbotes (Art. 2 Ziff. 4 VN-Charta) durch einen Aggressor-Staat als Staatengemeinschaft entgegen zu treten, ist heute kein Staat mehr zur ‚Neutralität‘ gegenüber den Konfliktparteien verpflichtet. Jeder Staat kann und darf den angegriffenen Staat unterstützen, ohne dabei selbst Konfliktpartei werden zu müssen; dabei nimmt der unterstützende Staat eine nicht-neutrale, gleichwohl aber am Konflikt unbeteiligte Rolle ein. Diese Rolle (non-belligerency) ist zu unterscheiden von der kollektiven Selbstverteidigung/Nothilfe gem. Art. 51 VN-Charta. Auch hier wird dem angegriffenen Staat militärische Hilfe geleistet – aber als Konfliktpartei.“
Baerbock skizziert langen Krieg, Kretschmer wird diffamiert
Mit den Waffenlieferungen und der Ausbildung daran werden verantwortungslos die Grenzen hin zu einer möglichen Ausweitung des Kriegs ausgetestet. Selbst wenn dieses „Spiel“ gutgehen sollte, also Deutschland von Russland vorerst nicht als aktiver Kriegsgegner definiert werden sollte, obwohl hier gegnerische Soldaten geschult werden: Das würde nicht bedeuten, dass das riskante Handeln der Regierung, das die deutsche Bevölkerung in Mithaftung nimmt, gerechtfertigt wäre. Denn durch die Bundesregierung wird bezüglich des Status eines möglichen Kriegsgegners Russlands eine Verantwortung „übernommen“, die gar nicht zu übernehmen ist: Wenn die riskante Gratwanderung schiefgeht, nützt es den Bürgern überhaupt nichts, wenn die Regierung dafür gönnerhaft die „Verantwortung übernimmt“.
Immer wieder muss betont werden: Die aktuelle Politik der Bundesregierung lindert nicht das Leid der ukrainischen Zivilisten – weder durch die Sanktionen noch durch die Waffenlieferungen noch durch die Ausbildung von ukrainischen Soldaten. Eher ist das Gegenteil festzustellen. Die Gleichung „Wer gegen die Sanktionen ist, ist gegen die Ukraine“, hält nicht stand, wie wir in diesem Artikel beschrieben haben. Dass bereits die Waffenlieferungen politisch und moralisch nicht haltbar sind, wurde im Artikel „Kriegsverlängerung – Und die ‚Moral’ der grünen Sofa-Soldaten“ beschrieben.
Von politischen, humanitären und moralischen Einwänden unbeeindruckt, skizziert Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) derweil aber einen möglicherweise jahrelangen Krieg. Und die wenigen Personen mit politischem Gewicht und Reichweite, die sich diesem auch durch deutsche Waffen verlängerten Kriegskurs entgegenstellen wollen – wie aktuell etwa Michael Kretschmer (CDU) – werden diffamiert.
Titelbild: LeStudio / Shutterstuck