Die Europa AG – oder warum immer mehr Bürger die Europäische Union ablehnen. Wie der Allianz-Konzern künftig den Staat noch mehr unter Druck setzen kann.
Die Allianz will sich von einer deutschen in eine Europa AG wandeln. Voller Begeisterung erläutert der Hamburger Wirtschaftsjurist Michael Adams im „manager-magazin“ welche Vorteile das für den Finanzkonzern brächte. Bei einem „misslichen Wahlausgang“ könnten auch andere Konzernlenker ihre AG umfirmieren. Also wehe euch Deutschen, wenn ihr falsch wählt!
Es bedeute nur noch „Papierarbeit“, wenn der Konzern seinen Sitz verlegen wollte. Wenn man etwa mit den deutschen Steuerregelungen nicht mehr zufrieden sei, zöge man einfach in ein Land, „in dem man besser behandelt wird“. Durch Umwandlung etwa in eine englische AG könne man die deutsche Mitbestimmung los werden. Der Staat könne „bei Reformunfähigkeit unter Druck gesetzt werden“ und gezwungen werden, das zu tun, was die „Unternehmen von ihm verlangen“. Denn bei einer Sitzverlagerung fielen wichtige Steuerzahler weg. Es sei für ein Land, das Gesellschaftssitze verliere und keine neuen hinzugewönne, ein „Weg in den Niedergang“. „Deshalb ist diese Art von Wettbewerb, der nun von der Allianz genutzt wird, durchaus positiv zu sehen“, meint Professor Adams.
Wer wie Adams in höchsten Tönen lobt, dass der „Staat unter Druck gesetzt werden“ kann, dass der Staat „indirekt gezwungen“ werden kann, „das zu tun, was Bürger (?) und Unternehmen von ihm verlangen“, der müsste eigentlich überprüft werden, ob seine Gesinnung noch mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung übereinstimmt.
Leider ist die Europa AG ist keine Erfindung der deutschen Allianz, sondern eine Option, die die EU mit dem Segen auch der deutschen Politik eröffnet hat. Wer wundert sich da eigentlich noch, dass die europäischen Bürgerinnen und Bürger die Europäische Union zunehmend ablehnen? Wer wundert sich da noch, dass SPD, CDU, FDP und Grüne zu einem Wettlauf zur Senkung der Unternehmenssteuern angetreten sind?
Die Allianz rechnet im Jahr 2005 mit einem Nachsteuergewinn von mehr als vier Milliarden. Das reicht offenbar immer noch nicht. Mit der von der Politik vorangetriebenen Privatisierung wittert der Finanzkonzern dicke Geschäfte. Albrecht Müller hat in seinem Beitrag über die „Riester-Rente“ vom 12.09.05 die Frage aufgeworfen, warum die Politik den Ausstieg aus dem Umlageverfahren und den Einstieg in die Kapitaldeckung bei der Altersvorsorge forciert und sogar noch staatlich fördert, obwohl dieser Systemwechsel weder ökonomisch noch nach den bisherigen praktischen Erfahrungen in anderen Ländern einen Sinn macht.
Vielleicht hat ja die Allianz schon längst mit einem Standortwechsel gedroht, wenn die Politik nicht spurt. Vielleicht senkt man deshalb so hektisch nicht nur die Unternehmenssteuern sondern wirft den Versicherungskonzernen auch noch Milliarden an staatlichen Fördergelder für die private Rente in den Rachen. Und vielleicht soll deshalb die Mitbestimmungskommission, die deutsche Mitbestimmung auf den kleinsten europäischen Nenner herunter bringen.
„Ist`s Wahnsinn auch, so hat es doch Methode“, ließ Shakespeare seinen Hamlet verzweifelt über eine untergehende Epoche sagen.
Quelle: Manager Magazin