Vom 15. bis 17. August 2022 fand in Moskau die „10. Internationale Moskauer Sicherheitskonferenz“ (MCIS) statt. In Deutschland gab es dazu de facto keine Berichterstattung: Ein einziger Artikel in der Frankfurter Rundschau sowie zwei kurze Agenturmeldungen im NDR und im DLF. Alle anderen Medien ignorierten die Konferenz mit zahlreichen hochrangigen internationalen Teilnehmern und Aufsehen erregenden Aussagen, insbesondere von afrikanischen und asiatischen Verteidigungsministern und Generälen, komplett. Der nachfolgende Artikel gibt zentrale Aussagen auf der MCIS wieder und beschäftigt sich mit den Ursachen für die Nicht-Berichterstattung über ein für die Meinungsbildung der Bundesbürger sehr relevantes Ereignis. Von Jürgen Hübschen.
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Vor Beginn der Konferenz hatte der stellvertretende russische Verteidigungsminister, Generaloberst Alexander Fomin, die in Moskau akkreditierten Militärattachés auf die Konferenz hingewiesen und kurz über Inhalt und Ablauf der Konferenz gebrieft:
“Auf der Konferenz sollen die Fragen der strategischen Sicherheitsstabilität im asiatisch-pazifischen Raum, in Afrika, im Nahen Osten, in Lateinamerika und auf dem europäischen Kontinent eingehend erörtert werden.”
Wer nahm an der 10. Internationalen Moskauer Sicherheitskonferenz teil?
Nach offiziellen russischen Angaben nahmen 700 Delegierte aus 70 Ländern teil. Darunter waren 35 Verteidigungsminister, 12 stellvertretende Verteidigungsminister und Repräsentanten von sechs internationalen Organisationen. Die Richtigkeit dieser Aussage konnte nicht überprüft werden. Es wurde keine Teilnehmerliste veröffentlicht, aber aus verschiedenen Quellen konnte man entnehmen, dass mit Sicherheit folgende Länder vertreten waren: Algerien, Äthiopien, Burundi, China, Demokratische Republik Kongo, Guinea, Indien, Irak, Iran, Kambodscha, Kamerun, Mali, Nicaragua, Pakistan, Palästina, Sudan, Südafrika, Syrien, Uganda, Venezuela, Vietnam und Weißrussland.
Es kann angenommen werden, dass auch Vertreter zentralasiatischer Staaten teilgenommen haben, es sei denn, sie fühlten sich durch den Generalsekretär der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO), Zhang Ming, der auf der Konferenz auch eine Rede hielt, repräsentiert. Zur SCO gehören neben Russland: China, Indien, Iran, Kasachstan, Kirgistan, Pakistan, Tadschikistan und Usbekistan. Beobachterstatus haben: Afghanistan, Mongolei und Weißrussland. Sogenannte Dialogpartner der SCO sind: Armenien, Aserbaidschan, Kambodscha, Nepal, Sri Lanka und die Türkei. Vertreter westlicher europäischer Staaten oder der USA nahmen wohl ebenso wenig teil wie Vertreter der EU, NATO oder UN, sonst hätte Moskau das sicherlich herausgestellt. Es ist auch nicht bekannt, ob weitere Staaten aus Süd- oder Mittelamerika Vertreter geschickt hatten oder noch andere afrikanische Staaten oder Länder der Arabischen Halbinsel an der Konferenz teilgenommen haben.
Warum Moskau von der Veröffentlichung einer Teilnehmerliste Abstand genommen hat, ist nicht bekannt. Ich vermute, dass man darauf verzichtet hat, weil man nicht veröffentlichen wollte, welche Staaten und internationalen Organisationen – im Gegensatz zu den vorherigen Konferenzen – nicht teilgenommen haben.
Ablauf der Konferenz und wesentliche Inhalte einiger Reden und bilateraler Gespräche
Ansprache des russischen Verteidigungsministers
Traditionell wurde die Konferenz vom russischen Verteidigungsminister, Armee-General Sergei Shoigu, eröffnet. Gleich zu Anfang erklärte der Minister, dass der Beginn der „militärischen Spezialoperation“ in der Ukraine das Ende der unipolaren Welt markiere. Realität sei nun eine Multipolarität. Diese Aussage Shoigus kennzeichnete die gesamte Konferenz, auch die nachfolgende Rede des russischen Präsidenten, der per Video zugeschaltet wurde, und ebenfalls der verschiedenen Teilnehmer, entweder in Grußbotschaften oder umfangreicheren Redebeiträgen, auf die im weiteren Verlauf dieses Artikels noch gesondert eingegangen wird. Shoigu bezeichnete die Sicherheitslage in Europa als schlechter als auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Besonders verantwortlich machte er dafür die zusätzlichen Truppenstationierungen der USA und ihrer Verbündeten, die lange vor Beginn der militärischen Spezialoperation in der Ukraine stattgefunden hätten.
Bezogen auf die Ukraine stellte Shoigu grundsätzlich fest, dass es sich letztlich um einen Kreuzzug des Westens gegen Russland handle. Der Minister erklärte diesbezüglich:
“In der Ukraine steht das russische Militär kombinierten westlichen Streitkräften gegenüber, die die (militärische) Führung des Landes in einem hybriden Krieg gegen Russland übernommen haben.”
Russland werde in der Ukraine mit Streitkräften konfrontiert, die vom Westen ausgerüstet, ausgebildet werden und letztlich auch von der NATO geführt würden. Auch die für die ukrainischen Streitkräfte erforderliche Aufklärung werde von der NATO zur Verfügung gestellt. Shoigu dazu:
„Die Operationen der ukrainischen Streitkräfte werden in Washington und London geplant.“
Die Befürchtungen, dass Russland atomare oder chemische Waffen einsetzen könnte, entbehrten nach seiner Aussage jeder Grundlage. In diesem Zusammenhang erinnerte der Minister daran, dass verschiedene zwischen den USA und Russland geschlossene Vereinbarungen zur Rüstungskontrolle nicht von Russland, sondern von den USA gekündigt worden seien. Konkret benannte er die Zertrümmerung durch die USA des ABM-Vertrages (Vertrag über die Begrenzung von antiballistischen Raketenabwehrsystemen), des INF-Vertrages (Mittelstrecken-Nuklearstreitkräfte-Vertrag) und den OH-Vertrag (Treaty on Open Skies).
Die Begründung der „militärischen Spezialoperation“ für einen NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands hielt Schoigu für vorgeschoben. Im weiteren Verlauf seiner Rede wies er darauf hin, dass die westliche Ablehnung einer multipolaren Ordnung in und für Europa durch die USA jetzt auch in der „Asien-Pazifik-Region“ vorangetrieben würde. Für die zunehmende Instabilität in diesem Raum machte Shoigu den plötzlichen Rückzug der USA aus Afghanistan mitverantwortlich. In Bezug auf Afrika warf der Minister dem Westen „Neo-Kolonialismus“ und den Boykott einer multipolaren Welt vor. Die afrikanischen Länder und ihre Führer wollten „ihre eigene Agenda der Unabhängigkeit, Souveränität, wirtschaftlichen Entwicklung und Verteidigungsfähigkeit”.
Auch im Hinblick auf Südamerika unterstellte Shoigu den USA, ihren Einfluss auszuweiten.
Am Ende seiner Rede bedankte sich Shoigu bei den Gästen dafür, dass sie trotz des Versuchs Washingtons und der NATO, Russland zu isolieren, an der Konferenz teilnehmen:
“Trotz der Versuche der USA und der NATO, Russland erneut zu isolieren, ist Ihre Teilnahme an dem Forum eine sichtbare Bestätigung dafür, dass diese Pläne gescheitert sind. Wir wissen Ihre Unterstützung zu schätzen.”
Ansprache des russischen Präsidenten Wladimir Putin
Im Anschluss an die Rede seines Verteidigungsministers wandte sich der russische Präsident Wladimir Putin per Videoschalte an die Konferenzteilnehmer. Auch Putin begann seine Rede damit, dass die Zeiten einer unipolaren Welt endgültig vorbei seien und meinte damit eine Welt unter der Hegemonie der USA:
“Die Ära der unipolaren Welt gehört der Vergangenheit an.”
Um diese Änderung der Weltordnung zu erreichen, habe Russland seine „militärische Spezialoperation“ in der Ukraine gestartet. Nach seiner Aussage stünde diese Operation nicht im Gegensatz zur Charta der Vereinten Nationen, weil sie der Sicherheit Russlands und seiner Bürger diene und dem Schutz der Einwohner des Donbass vor einem Völkermord. Der russische Präsident erklärte dazu:
“Wir haben die Entscheidung getroffen, eine spezielle militärische Operation in der Ukraine durchzuführen, eine Entscheidung, die in vollem Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen steht. Es wurde klar festgelegt, dass die Ziele dieser Operation darin bestehen, die Sicherheit Russlands und seiner Bürger sicherzustellen und die Bewohner des Donbass vor einem Völkermord zu beschützen.”
Den USA warf Putin vor, überall in Asien, Afrika und Lateinamerika Unruhe zu stiften und die Länder zu destabilisieren. Als jüngstes Beispiel dafür nannte er die Besuche US-amerikanischer Politiker in Taiwan:
“Die Eskapade der USA in Richtung Taiwan ist nicht nur die Reise eines unverantwortlichen Politikers, sondern Teil einer zielgerichteten und bewussten US-Strategie, die darauf abzielt, die Lage zu destabilisieren und Chaos in der Region und der Welt zu stiften.”
Die westlichen „Globalisten“ versuchten, durch ihre außenpolitischen Aktivitäten von ihren innenpolitischen Problemen, wie sinkendem Lebensstandard, Arbeitslosigkeit, Armut und Deindustrialisierung abzulenken und die Schuld dafür auf China und Russland abzuwälzen.
Außerdem versuche der Westen, wie in Europa mit Hilfe der NATO, seine politischen „Block-Vorstellungen“ auf die asiatisch-pazifische Region zu übertragen und „ich wiederhole, die Ära der unipolaren Welt gehört der Vergangenheit an“.
Zum Abschluss seiner Rede folgte eine Feststellung, die vor dem Hintergrund des russischen Krieges in der Ukraine, zumindest aus meiner Sicht, geradezu zynisch klang, als der russische Präsident nämlich betonte, dass der Respekt vor dem Völkerrecht und seinen grundsätzlichen Normen und Prinzipien wiederhergestellt werden müsse:
“Wir müssen die Achtung des internationalen Rechts, seiner grundlegenden Normen und Prinzipien wiederherstellen.“
Ansprache des Generalsekretärs der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) und weitere Stellungnahmen
In allen Beiträgen und Wortmeldungen der Konferenzteilnehmer wurde, quasi im Gleichklang mit Präsident Putin und Generaloberst Shoigu, hervorgehoben, dass die Phase einer unipolaren Welt beendet sei und zu Gunsten einer multipolaren Staatengemeinschaft mit einer gemeinsamen Sicherheitsstruktur abgelöst werden müsse. Die Redner nannten, im Gegensatz zu Präsident Putin und Verteidigungsminister Shoigu, die USA in diesem Zusammenhang allerdings in der Regel nicht beim Namen. Die bilateralen Gespräche fanden entweder mit dem russischen Verteidigungsminister Generaloberst Shoigu oder seinem Stellvertreter, Generalleutnant Fomin, statt.
Aufgrund der sehr eingeschränkten Berichterstattung in den westlichen Medien wurden leider nur wenige Redebeiträge und diese auch nur auszugsweise publiziert. Die nachfolgende Darstellung der Statements verschiedener Länder soll verdeutlichen, wie global man sich mit der Problematik des Wandels von einer unipolaren zu einer multipolaren Welt beschäftigt und wie die Rolle und Bedeutung Russlands in diesem Prozess von den Rednern gesehen wird.
Der Generalsekretär der SCO, der chinesische Diplomat Zhang Ming, unterstrich in seinen Grußworten, wie bereits am 18. Mai 2022 bei seinem Treffen mit dem russischen Außenminister Lawrow in Moskau, den Wandel von einer unipolaren in eine multipolare Welt.
Die stellvertretende Verteidigungsministerin Äthiopiens, Martha Lewig, unterstrich die gute militärische Zusammenarbeit Äthiopiens mit Russland auf der Basis des im Juli 2021 geschlossenen Abkommens.
Der algerische Generalstabschef, Generalleutnant Saïd Chengriha, betonte, dass Algerien davon Abstand nehme, den russischen Krieg in der Ukraine zu verurteilen.
Der Verteidigungsminister von Burundi, Alain Tribert Mutabazi, erklärte, dass die Beziehungen zu Russland geprägt seien von gegenseitigem Respekt und dem Anerkennen der jeweiligen Interessen. Der Minister bedankte sich ausdrücklich bei General Fomin für die russische Unterstützung im Jahr 2015, als die USA und die EU Sanktionen gegen Burundi verhängt hatten. Beide Länder wollen ihre gegenseitigen Beziehungen weiter ausbauen.
Chinas Verteidigungsminister General Wei Fenghe wurde für seine Rede per Video zugeschaltet und betonte, dass sich die Welt in einer neuen Periode von Turbulenzen und Veränderungen befinde. Jetzt käme es darauf an, eine Gemeinschaft aufzubauen für eine gemeinsame Zukunft der ganzen Menschheit. Alle Länder in der Welt müssten die gegenseitige Solidarität stärken, sich untereinander abstimmen und untereinander Fairness und Gerechtigkeit für Frieden und Stabilität zeigen. Er lehnte – aus meiner Sicht im Widerspruch zu Pekings Taiwan-Politik – jede Form von Hegemoniestreben ab und forderte dazu auf, „Akte der Hegemonie, Selbstherrlichkeit und Schikane abzulehnen und gemeinsam den Erhalt des regionalen und globalen Friedens und der Ruhe zu gewährleisten“.
Quelle: mod.gov.cn
Der Verteidigungsminister der Demokratischen Republik Kongo, Gilbert Kabanda Kurhenga, plädierte in seiner Rede vor dem Plenum für eine multipolare Partnerschaft aller Staaten, auch im Kampf gegen die Klimaerwärmung und für eine weltumfassende Sicherheitsstruktur.
Der stellvertretende Stabschef der iranischen Streitkräfte, Brigadegeneral Ali Mohamed Abdullahi, wies in seinem Gespräch mit General Fomin auf die dynamische Entwicklung der Zusammenarbeit im militärischen Bereich hin und General Fomin bedankte sich dafür, vor allem vor dem Hintergrund der langjährigen gegen den Iran verhängten Sanktionen. Fomin unterstrich die Bedeutung der russisch-iranischen Partnerschaft für die Stabilität und Sicherheit in der Region und General Abdullahi versicherte, dass die politischen Führer des Irans sich der weiteren Kooperation mit Russland verpflichtet fühlten.
Der Verteidigungsminister Malis, Colonel Sadio Kamara, betonte, wie wichtig die militärische Zusammenarbeit mit Russland für die Sicherheit und Stabilität Malis sei und dankte für die bisherige Unterstützung. Generalleutnant Alexander Fomin erklärte, sein Land sei bereit, Mali auch weiterhin zu unterstützen und die bilateralen Beziehungen zu vertiefen. Moskau fühle sich der Sicherheit Malis und der Region verpflichtet. Den Beweis für diese Aussage liefert Russland aktuell täglich in Mali. Nach Aussage von Beobachtern gibt es eine Luftbrücke von Syrien über den von General Haftar kontrollierten Osten Libyens nach Bamako. Immer wieder wurden und werden russische Waffensysteme und militärisches Gerät auf dem mittlerweile von russischen Soldaten kontrollierten Flughafen von Gao ausgeladen.
Beide Länder beschuldigten die „Neoliberalisten“, Terrorgruppen zu unterstützen, die Mali nun mit Hilfe der russischen Wagner-Miliz und mittlerweile wohl auch regulärer russischer Streitkräfte bekämpfen will.
Der stellvertretende Verteidigungsminister Pakistans, Generalleutnant Mian Muhammad Hilal Hussain, unterstrich im Gespräch mit Generalleutnant Fomin, die militärische Zusammenarbeit mit Russland zu intensivieren. Er verwies auf das für Oktober 2022 geplante 4. Treffen des „Russian-Pakistani Consultative Committee“ in Moskau, auf dem unter anderem gemeinsame Manöver von Heer und Marine und die Stärkung einer Stabszusammenarbeit der Streitkräfte beider Länder besprochen werden sollen. General Hussain betonte, dass die Beziehungen zu Russland einen sehr hohen Stellwert nicht nur für die nationalen Interessen Pakistans, sondern für die Sicherheit der ganzen Region habe:
“Unsere Beziehung zu Russland trägt nicht nur zu unseren nationalen Interessen bei, sondern auch zur regionalen Sicherheit.”
Der Kommandeur der „Palästinensischen Nationalen Sicherheitskräfte“ (NSF), Generalmajor Nidal Abu Dukhan, führte ebenfalls bilaterale Gespräche mit General Fomin. Dieser betonte, dass Russland bereit sei, umfassende Beziehungen mit militärischen Organisationen und Spezialeinheiten Palästinas aufzubauen. Die Lage in der Nahmittelost-Region wurde ebenso besprochen wie der stagnierende Friedensprozess.
Der Verteidigungsminister des Sudan, Generalleutnant Yassin Ibrahim, erhielt von Generalleutnant Fomin die Zusage, dass Russland sich auch weiterhin der militärischen Zusammenarbeit mit dem Sudan und der Sicherheit Afrikas verpflichtet fühle. Generalleutnant Ibrahim betonte, dass der Sudan die Rolle Russlands anerkenne, Frieden und Sicherheit in der Welt zu gewährleisten:
„Wir schätzen die Rolle der Russischen Föderation bei der Wahrung von Frieden und Sicherheit in der Welt.“
Die Verteidigungsministerin von Südafrika, Tandi Modise, unterstrich in ihrer Ansprache vor dem Plenum und in einem bilateralen Gespräch mit dem russischen Verteidigungsminister Shoigu die Bedeutung Russlands für die Sicherheit sowie militärische, wirtschaftliche und politische Stabilität Afrikas. Russland sei keine Kolonialmacht gewesen, beteilige die afrikanischen Länder an der Entwicklung des Kontinents und akzeptiere die afrikanischen Länder als Partner auf Augenhöhe. Die Ukraine bezeichnete die Ministerin als souveränes Land, unterstrich aber gleichzeitig das Recht Russlands, sich zu verteidigen. Die „BRICS-Staaten“, Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, nannte sie eine „Oase“, quasi als ein Rezept für eine positive weltweite Entwicklung. Südafrika sei nicht nur bereit, sich für Frieden und Sicherheit auf dem afrikanischen Kontinent zu engagieren, sondern darüber hinaus sich im Rahmen von multinationalen Einrichtungen den Herausforderungen einer globalen Sicherheitsstruktur zu stellen:
„Südafrika ist bereit, mit allen friedliebenden Nationen der Welt über die einschlägigen multilateralen Gremien zusammenzuarbeiten, um einen sinnvollen Beitrag zu einem dauerhaften Frieden in der Welt zu leisten.“
Der russische Verteidigungsminister erinnerte an die bereits abgeschlossenen bilateralen Vereinbarungen im militärischen Bereich und versprach auch für die Zukunft eine enge Zusammenarbeit.
Der syrische Verteidigungsminister Mahmoud Abbas traf mit dem russischen Verteidigungsminister Shoigu zusammen. Abbas betonte, dass es den syrischen Streitkräften mit der Unterstützung von Russland gelungen sei, die Initiative zurückzugewinnen und das Land zu stabilisieren. Es gäbe allerdings immer noch Bedrohungen, die Syrien mit Hilfe von Russland ausräumen werde. Russland habe im Kampf gegen den internationalen Terrorismus Seite an Seite mit Syrien gestanden und dafür würde sich Damaskus jetzt revanchieren.
„Russische Freunde sind wahre Freunde, die uns im Kampf gegen den internationalen Terrorismus zur Seite gestanden haben. Jetzt wollen wir auch Schulter an Schulter auf Eurer Seite stehen.”
Der vietnamesische Verteidigungsminister Phan Van Giang stellte die Bedeutung des „Verbandes Südostasiatischer Nationen“ (ASEAN) für die Sicherheit und Stabilität der Asia-Pacific-Region besonders heraus. ASEAN-Mitgliedsstaaten sind: Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam.
Zusammenfassende Beurteilung
Die russische Führung hat, wie zu erwarten war, vor allem durch die Reden von Präsident Putin und Verteidigungsminister Shoigu die Konferenz als Gelegenheit genutzt, die grundsätzliche Position Russlands gegenüber den USA und „dem Westen“ sowie die Begründung für den Krieg gegen die Ukraine, der konsequent als „militärische Spezialoperation“ bezeichnet wurde, darzustellen und die Konferenzteilnehmer von Moskaus Sicht zu überzeugen.
Unabhängig davon ist festzustellen, dass diese Konferenz trotz des Krieges in der Ukraine stattgefunden hat und die teilnehmenden Staaten offensichtlich eine Isolierung Russlands abgelehnt hatten. Damit wurde einmal mehr deutlich, dass es keine Einteilung der Welt in Ost und West mehr gibt, sondern nur noch eine Trennung zwischen den Staaten, die immer noch eine Führungsrolle der USA akzeptieren, und solchen, die diesen Hegemon mit seinem unilateralen Führungsanspruch ablehnen, einem Führungsanspruch, der auch beinhaltet, selbst zu bestimmen, was rechtens ist und was nicht. Als aktuelles Beispiel dafür dienen die von US-Präsident Biden angeordneten Luftangriffe auf mit dem Iran verbündete Milizen im Osten Syriens. In dieser Region liegen die syrischen Ölfelder und dort befinden sich, ohne Zustimmung der syrischen Regierung und damit im groben Verstoß gegen das Völkerrecht, US-amerikanische Militäreinrichtungen.
Die Angriffe in Dair as-Saur im Osten des Landes waren nach US-Angaben nötig, um das Risiko einer Eskalation zu begrenzen. Es ist nicht bekannt, von welchem US-Stützpunkt in der Region die US-Kampfflugzeuge gestartet waren, vermutlich aber von einem der Stützpunkte am Golf. Der US-amerikanische Hegemonieanspruch war ein Kernthema der Konferenz, auch wenn die USA nur von Russland im Zusammenhang mit einer unipolaren Welt expressis verbis genannt wurden. Aber alle Teilnehmer waren sich darin einig, dass die Welt eine neue und zwar eine multipolare Struktur mit einer entsprechenden Sicherheitsordnung braucht, in der die nationalen Interessen aller Staaten berücksichtigt werden und man sich auf Augenhöhe begegnet.
Die Glaubwürdigkeit dieser, auch von Russland unterstützten Forderung wird von Moskau allerdings durch den Krieg in der Ukraine konterkariert, den übrigens viele Teilnehmer der Konferenz ablehnen, während sie allerdings auf der anderen Seite auch die von den USA bestimmte westliche Sanktionspolitik gegenüber Russland für falsch halten. Die Glaubwürdigkeit Chinas muss durch das Vorgehen gegenüber Taiwan angezweifelt werden. Wie bereits ausgeführt, ist es nicht vollständig klar, wie viele Länder tatsächlich an der Sicherheitskonferenz teilgenommen haben. Aus meiner Sicht kann man jedoch davon ausgehen, dass neben den genannten Staaten wohl auch Ägypten und Libyen, vermutlich auch Indonesien wegen ihrer politischen Nähe zu Russland auf der Konferenz präsent waren oder Video-Botschaften geschickt hatten.
Ob die Europäer gar nicht eingeladen waren oder die Konferenz im Rahmen der gegen Russland verhängten Sanktionen boykottiert haben, vielleicht zusätzlich auch als „Revanche“ dafür, dass Russland an der Sicherheitskonferenz in München nicht teilgenommen hat, kann nur vermutet werden. Wie auch immer, „der Westen“ – den es im klassischen Sinn nicht mehr gibt – musste zur Kenntnis nehmen, dass die Welt nicht nur aus den Staaten besteht, die mit den USA eine Allianz bilden oder Washington aus anderen Gründen nahestehen.
Sozusagen zur anderen Seite gehören politische Schwergewichte wie die Weltmacht China, die Atommächte Indien und Pakistan sowie auch Südafrika. Auch die ölproduzierenden Länder Irak und Iran spielen in ihrer Region und für die Energieversorgung der Welt eine wichtige Rolle. Die Bedeutung der afrikanischen Staaten ist, besonders aufgrund ihrer Rohstoffvorkommen, nicht zu unterschätzen. Mit der SCO war eine Organisation präsent, die im asiatisch-pazifischen Raum zunehmend an Bedeutung gewinnt. Alle Länder haben durch ihre Teilnahme wichtige Signale an „den Westen“ gesendet, die hoffentlich von diesem verstanden werden.
In jedem Fall haben die westlichen Staaten aufgrund ihrer festgefahrenen Position gegenüber Russland und einer nicht erkennbaren stringenten politischen Strategie eine Gelegenheit verpasst, mit den Staaten, die eine Zusammenarbeit mit Moskau einer Kooperation mit den USA und ihren Verbündeten vorziehen, in Kontakt zu treten und vor allem auch in bilateralen Gesprächen eine eventuelle Distanzierung dieser Staaten von Moskau zu erreichen.
Fakt ist nämlich, dass es den Russen – nicht zuletzt durch die Rolle des Senders RT – vor allem in Afrika weitgehend gelungen ist, die politischen Führer von der russischen Position zu überzeugen, dass es sich in der Ukraine nicht um einen Krieg, sondern um eine „militärische Spezialoperation“ handele, um eine Bedrohung für die Sicherheit Russlands abzuwenden. Der Terrorismusexperte und Direktor der US-Firma „Global Strat“, Oliver Guitta, beobachtet das verstärkte Engagement Moskaus in Afrika seit Jahren und stellte dazu fest:
„Nun erntet Moskau die Früchte. Kein Land in dieser Region hat den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine verurteilt.“
Abschließend bleibt zum Thema „Pressefreiheit“ festzuhalten: Diese ist nicht nur gekennzeichnet von einer Vielfalt unabhängiger Medien, sondern auch durch Art und Inhalt ihrer Berichterstattung. Über die Münchner Sicherheitskonferenz wurde bereits im Vorfeld in den „Mainstream-Medien“ (MSM) umfangreich berichtet und während sie stattfand, dominierte sie die Schlagzeilen in den Printmedien und die Nachrichten in den öffentlichen Fernsehsendern. Im Gegensatz dazu hat die 10. Moskauer Sicherheitskonferenz in den „MSM“ praktisch gar nicht stattgefunden. Da stellt sich mir die Frage: Warum?
War man der Meinung, dass die Veranstaltung im öffentlichen Interesse keine Bedeutung hatte? Hat man über die Konferenz nicht berichtet, weil „der Westen“ keine Vertreter nach Moskau geschickt hatte? Gab es eine Absprache zwischen den USA und ihren Verbündeten, für die Veranstaltung keine „Reklame“ zu machen? Wollte man vermeiden, dass die Öffentlichkeit erfuhr, dass Russland in der Lage war, ein solches „Event“ trotz des Krieges gegen die Ukraine durchzuführen? Wollte man der Öffentlichkeit vorenthalten, welche und wie viele Staaten und Organisationen der Einladung Moskaus gefolgt waren? Ist man der Ansicht, dass man den Bürgern nur eine bestimmte Sicht vermitteln sollte, wie das aktuell im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine zunehmend der Fall ist, weil man ihnen nicht zutraut, sich eine eigene Meinung zu bilden?
Diese Fragen muss jeder Beobachter für sich selbst beantworten. Ich bin jedenfalls der Ansicht, dass man die Pressefreiheit auch dadurch unterlaufen und die Bürger manipulieren kann, indem über bestimmte Ereignisse nur kurz und ganz am Rande oder – wie im Fall der 10. Internationalen Moskauer Sicherheitskonferenz – de facto gar nicht berichtet wird. Für mich gibt es zwischen dem Unterdrücken der Pressefreiheit und dem gezielten „Nicht-Berichten“ über bestimmte Ereignisse letztlich keinen entscheidenden Unterschied.
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