Recherchen der NachDenkSeiten hatten zunächst Anfang Juli ergeben, dass das Bundesfamilienministerium mit über 300.000 Euro das umstrittene Überwachungsportal „Gegneranalyse“ der Grünen-nahen Denkfabrik Zentrum Liberale Moderne (LibMod) finanziert. Weitere Recherchen von KüppersbuschTV förderten zudem eine „institutionelle“ Förderung in Höhe von jährlich 500.000 Euro durch das Bundespresseamt (BPA) zutage. Doch wie jetzt eine parlamentarische Anfrage an die Bundesregierung belegt, waren das buchstäblich nur „Peanuts“ im Verhältnis zu der Gesamtsumme, die dieses Zentrum mit dem Status einer „gemeinnützigen GmbH“ von deutschen Ministerien erhält. Von Florian Warweg.
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„Zahlreiche US-amerikanische Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sind in Deutschland tätig bzw. werden von der Bundesregierung finanziell unterstützt. Die vorliegende Kleine Anfrage soll mehr Klarheit und Transparenz in deren Tätigkeit und die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung bringen.“
So der Begründungstext für die Kleine Anfrage der AfD-Fraktion unter dem Titel „US-amerikanische Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen in Deutschland“. Wie schon in der Vorbemerkung der Antragssteller deutlich wird, liegt der Schwerpunkt der Anfrage auf dem Umfang der Finanzierung dieser Stiftungen und US-Lobbyorganisationen seit 2017. Bei den Antworten der Bundesregierung stechen insbesondere drei „Denkfabriken“ durch die Höhe und schiere Anzahl der geförderten Projekte hervor:
- Die höchste Fördersumme durch die Bundesregierung erhält in Form einer sogenannten jährlichen „Zustiftung“ die US-amerikanische Denkfabrik und transatlantische Lobbyorganisation „German Marshall Fund of the United States“ in Höhe von zwei Millionen Euro, was sich in dem abgefragten Zeitraum seit 2017 auf 12 Millionen Euro summiert.
- Danach folgt das Aspen Institute. Dort finanziert die Bundesregierung mit fast vier Millionen Euro insgesamt 15 Projekte mit Schwerpunkt „Westbalkan“. Das Aspen Institute ist durch seine massive Einmischung in die inneren Angelegenheiten Deutschlands bekannt geworden. So kritisierte beispielsweise der damalige Direktor Jeffrey Gedmin offensiv die Nichtteilnahme der deutschen Bundesregierung unter Gerhard Schröder am 3. Golfkrieg. Zum Gründer des deutschen Ablegers des Aspen-Institutes weiß Wikipedia Interessantes zu berichten:
„Das Aspen Institute Deutschland e.V. wurde im Oktober 1974 – als erstes in Europa – von Shepard „Shep“ Stone gegründet, dessen Direktor er bis 1988 war. Shepard Stone war Förderer des Congress for Cultural Freedom (CCF) durch seine Tätigkeit bei der Ford Foundation. Anfang der sechziger Jahre wurde bekannt, dass die finanzielle Grundausstattung des CCF auf dem Umweg über die Ford-Stiftung von der CIA kam.“
- Besonders auffällig ist in diesem Zusammenhang aber die Auflistung der Grünen-nahen LibMod, welche bezeichnender Weise als einzige deutsche Denkfabrik von der Bundesregierung aufgeführt wird, wohlgemerkt in einer Anfrage, die die Finanzierung von US-Denkfabriken zum Frageobjekt hat. Laut Antwort der Bundesregierung finanzierten alleine im Zeitraum von 2017 bis 2022 das Auswärtige Amt, das Innen- und Familienministerium sowie das Bundespresseamt insgesamt 19 Projekte des Zentrums Liberale Moderne in einer Gesamthöhe von fünf Millionen Euro. Darunter unter anderem Projekte wie „Ukraine in Europa 21-22“ im Umfang von 709.637 Euro, „Die liberale Demokratie und ihre Gegner“ mit 496.089 Euro sowie die zwei Projekte „Russlanddeutsche Influencer:innen stärken“ und „Spätaussiedler für Demokratie im Netz“, welche mit insgesamt 626.103 Euro vom Innenministerium gefördert wurden.
Die von der Bundesregierung vorgelegte Auflistung ist dabei nachweislich nicht vollständig. So fehlt beispielsweise bei dem Projekt „Gegen-Medien: Parallelöffentlichkeit zur Delegitimierung der repräsentativen Demokratie“, welches als zentrales Zielobjekt die NachDenkSeiten ins Visier genommen hat, die Kennzeichnung der Kofinanzierung durch die dem Innenministerium unterstehende Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) in Höhe von 31.621,15 Euro. Diese hatte die Stabsstelle Kommunikation der bpb im Juni 2022 explizit gegenüber den NachDenkSeiten bestätigt:
Das Projekt wurde zudem zwar unter dem Projektnamen „Gegenmedien“ beantragt, bei der konkreten Umsetzung wechselte man den Namen jedoch ohne weitere Konsultierung mit dem Geldgeber zu dem weit aggressiveren Begriff „Gegneranalyse“. „Gegner“ bezieht sich in dem Projektrahmen wohlgemerkt auf „alternative Medien“ und die dort tätigen Journalisten.
Wie verschwenderisch in diesem Zusammenhang mit den zur Verfügung gestellten Steuergeldern umgegangen wird, belegt dieses Projekt ebenso exemplarisch. Für über 300.000 Euro, einer Summe, mit der man unter anderem sieben Kindergarten-Erzieher komplett für ein Jahr finanzieren könnte, veröffentlichte die Gegneranalyse der LibMod bis Mitte August 2022 eine (!) einzige „Fallstudie“, eine Auftragsarbeit zur Diffamierung der NachDenkSeiten. Als weitere „Hauptaktivität“ werden in Form von kurzen monatlichen „Monitoring“-Berichten sogenannte „alternative Medien“ überwacht.
An dieser Einseitigkeit und geringen Produktivität gab es auch von Seiten der behördlichen Geldgeber massive Kritik. Das hauptsächlich vom Familienministerium finanzierte Projekt sah sich daher zu einem, allerdings sehr amateurhaften Trick gezwungen. Man veröffentlichte Anfang dieser Woche eine weitere Fallstudie und datierte diese einfach auf Oktober 2021 zurück:
Dass das Datum nicht stimmen kann ergibt sich schon durch die Referenzen in der Fallstudie. Zudem zeigt die Nutzung 1 wayback-Machine, dass bis Mitte August 2022 es nur die Studie zu den NDS gab. Das wohl bewusste Framing, die NDS neben Compact zu stellen, spricht ebenso Bände pic.twitter.com/3zIRu5ICPC
— Florian Warweg (@FWarweg) August 24, 2022
Am 25. August nahm „Gegneranalyse“ nach zunehmender Kritik die zweite Fallstudie dann kommentarlos vom Netz und ersetzte sie später mit dem korrekten Datumsverweis „August 2022“.
Man muss sich das nochmal vor Augen führen: Eine umstrittene private Stiftung mit engen Verbindungen zum rechten Flügel der Grünen und einer sehr eindeutigen politischen Agenda, Geheimdienstkontakte inklusive, wird vom Familienministerium und der Bundeszentrale für politische Bildung zu einer Referenz und einem quasi-staatlichen Akteur zur Überwachung von, wie das Projekt es nennt, „systemoppositionellen Medien“ erhoben. Finanziert ausschließlich mit unseren Steuergeldern und ohne jede demokratische Legitimation und Kontrolle.
Und dies ist nur ein Projekt von insgesamt 19, die sich LibMod mit über fünf Millionen Euro von Steuergeldern in den letzten Jahren hat finanzieren lassen. Wohl eindeutig ein Fall für den Bundesrechnungshof:
Titelbild: m-agention / shutterstock