Als Studenten haben wir gegen Springer demonstriert. Die Mitbegründerin der NachDenkSeiten z.B. hat damals in Berlin mit anderen zusammen versucht, die Auslieferung der Bild-Zeitung zu verhindern. Nicht aus Lust und Dollerei. Der Protest galt der antidemokratischen Macht dieses Konzerns und seiner Hetze gegen die Friedenspolitik und gegen die Studentenbewegung. Der Heidelberger Grafiker und Sozialdemokrat Klaus Staeck hat später ein treffendes Plakat zur Bild-Zeitung veröffentlicht. Und heute? Heute feiert der sozialdemokratische Bundeskanzler Friede Springer, die Witwe von Axel Springer und Mit-Eigentümerin des Konzerns. Albrecht Müller.
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Wir zitieren aus der Springerzeitung „Die Welt“ und dabei vor allem die Laudatio des Bundeskanzlers auf das Geburtstagskind Friede Springer:
Zur Feier ihres 80. Geburtstages begrüßt eine bestens aufgelegte Friede Springer in Berlin rund 150 Gäste aus Kultur, Gesellschaft und Politik. Darunter viele Weggefährten und der Bundeskanzler, der in seiner Ansprache den unternehmerischen Mut und klaren Wertekompass der Jubilarin betont. …
„Bescheidenheit, Bodenhaftung – das sind Eigenschaften, die jede und jeder sofort nennt, der Sie beschreibt. Sie haben sich nie in die erste Reihe gedrängt, wie manch anderer es an Ihrer Stelle getan hätte. Aber Sie sind der Pflicht auch nie ausgewichen, wenn sie gerufen hat“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Ansprache, in der er mit norddeutschem Witz und Charme die Leistungen von Friede Springer würdigte: „Die Entscheidungen, die Sie getroffen haben – etwa entschlossen früh auf digitale Angebote zu setzen – zahlen sich jetzt aus.“ Dabei stellte er vor allem den Mut und den klaren Wertekompass von Friede Springer heraus, durch den „aus einem deutschen Zeitungsverlag ein internationales Medienunternehmen von Weltrang“ geworden sei: „Ein Gewinn für den Medienstandort Deutschland.“ …
„Extremismus, Rassismus, Antisemitismus, Homophobie, Hass und Hetze in den vermeintlich ‚sozialen‘ Medien – alles Spalterische ist Ihnen zuwider. Mit dieser Haltung prägen Sie andere“, fuhr der Kanzler fort und betonte die Rolle von Friede Springer und des Hauses Axel Springer bei den kommenden Herausforderungen.
Scholz beschrieb die Unternehmerin als „Zeitenwende-Versteherin“ – in Anlehnung an eine WELT-Schlagzeile von 2017. „Es sind Eigenschaften einer Frau mit klaren Überzeugungen und großem Herzen“, sagte Scholz. Und schloss: „Vielen Dank für alles, was Sie für unser Land, für seine freie Presse getan haben und weiterhin tun.“
Der hier zitierte Schlusssatz ist der wahre Hohn. Die Springers haben nahezu nichts getan für eine freie Presse. Sie sind Teil eines weitgehenden Konzentrationsprozesses der deutschen Medien. Und speziell Springer mit der Bild-Zeitung hat wesentlich dazu beigetragen, dass es einen an der Sache orientierten demokratischen Disput in Deutschland nahezu nicht gibt.
Schon damals, Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre, gab es einen Disput in den Reihen der Sozialdemokraten darüber, wie man am besten mit Springer und speziell mit der Bild-Zeitung umgehen solle. Die Kritik, die vor allem der damalige Bundeskanzler Willy Brandt mitgetragen hat, wurde nicht von allen geteilt. Zum Beispiel nicht von Helmut Schmidt, der von Springer entsprechend gehätschelt wurde. An der in Umfragen gemessenen sogenannten Popularität von Helmut Schmidt einerseits und Willy Brandt andererseits konnte man den verschiedenen Umgang mit dem Springer-Konzern ablesen. Helmut Schmidt hatte immer bessere Beliebtheitswerte als Willy Brandt.
Bei den Wahlergebnissen zeigt der Vergleich der Ergebnisse allerdings, dass sich die Anbiederung an den Springer-Konzern nicht lohnt:
- Mit Scholz erreichte die SPD 2021 25,7 Prozent.
Neueste Umfragen, z.B. vom 12.8.2022, zeigen 19 Prozent.
forschungsgruppe.de/Aktuelles/Politbarometer/ - Wahlergebnis der SPD in der Hochzeit der
Konfrontation mit Springer 1972: 45,8 Prozent
Das Fazit ist auch heute noch: Anbiederung an den Springer-Konzern lohnt nicht. Aber den heutigen Bundeskanzler Scholz tangiert diese Einsicht offensichtlich nicht.
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Titelbild: Plakat von Klaus Staeck 1980