Leserbriefe zu „Gendern: Darf der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu einer Kunstsprache ‚erziehen‘?“

Ein Artikel von:

In diesem Beitrag kommentiert Tobias Riegel einen Appell zahlreicher Sprachwissenschaftler zur Gendersprache und es wird gefragt, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk berechtigt sei, die Bürger zur Nutzung einer Kunstsprache zu „erziehen“. Das Gendern sei eine umstrittene Thematik, die einerseits als „Veränderung evolutionärer Natur“ bezeichnet werde, andererseits als Zwang wahrgenommen werde, der „einer unwilligen Bevölkerung aktiv übergestülpt“ werde. Wir danken für die interessanten Leserbriefe, die Ala Goldbrunner für Sie zusammengestellt hat.

Vorbemerkung von Tobias Riegel: Einige Leser haben kritisiert, dass in diesem Text auch mit einer durch Umfragen definierten „Mehrheitsmeinung“ argumentiert wird. Diese Kritik ist berechtigt: Wie unter vielen anderen das Beispiel Todesstrafe zeigt, ist die (angebliche) Mehrheitsmeinung keineswegs immer eine gültige politisch-moralische Richtschnur. Nicht nur das Beispiel Corona-Politik zeigt zusätzlich, dass angebliche Mehrheiten auch auf verzerrenden Medienkampagnen beruhen können. Dazu kommt, dass die angeblichen Mehrheiten oft durch Umfragen festgestellt werden, deren Methodik und Ergebnisse stets kritisch zu hinterfragen sind. Ich habe zu dem Komplex in dem Artikel „Corona: Ist die „Zustimmung der Mehrheit“ ein gutes Argument?“ einige Gedanken dazu aufgeschrieben. Im Text zur Gendersprache fehlt dagegen ein reflektierender Absatz zur Frage der Relevanz von durch Umfragen definierten „Mehrheitsmeinungen“.


1. Leserbrief

Sehr geehrtes Team der Nachdenkseiten,

die Frage, ob der öffentlich – rechtliche Rundfunk zu einer Kunstsprache erziehen darf, ist mehr als berechtigt. Unter Erziehen versteht man allgemein zu einem bestimmten Verhalten gezielt anzuleiten . Das geht allerdings nur mit Zustimmung, in diesem Fall mit Zustimmung der Hörer oder Zuschauer. Dagegen hatte neulich eine Modarorin des Deutschlandfunks verstoßen, als sie über einen Aufruf von Wissenschaftler, die die ÖRR im Zusammenhang mit Gendern kritisieren, berichtete. Fast trotzig betonte die Moderatorin in ihrer belehrenden Eloquenz, dass sie weiter Anhängerin der Gendersprache sei (wo bleibt die Neutralität?). Ich beobachte insgesamt eine zunehmende Verstümmelung unserer Sprache. Nicht nur durch das Gendern sondern auch durch die vielen Angliszismen. Von daher gibt es durchaus Parallelen. Viele Anglizismen können wie beim Gendern peinlich sein, wie beispielsweise “shooting star” , was eigentlich eine Sternschnuppe ist oder Airbag, was Luftsack bedeutet. Nachdem jahrelangen transatlantischen Kauderwelsch werden wir vermehrt mit einer weiteren Neusprache aus bestimmten nichtbinären Sprachlabors konfrontiert. Angeblich um mehr Geschlechterneutralität erreichen zu wollen. Im Grunde ist die Gendersprache eine “lächerliche Verumständlichung”, so der Journalist Wolf Schneider, weil eine gute Kommunikation durch die künstlich eingesetzten linguistische Stolpersteine kaum möglich ist. Es ist ein Sprachgestrüpp ,in dem man sich nicht zurechtfindet: Gendersternchen* da (Asterix), nichtbinäre Genderunterstriche_ dort. Also eine Sprache mit vielen Wort-und Zeichenkonstrukten , die mit den geltenden Schreibregeln unvereinbar ist. Die geschlechterneutrale Sprache ist auch im alltäglichen Umgang und für Schauspieler auf der Bühne eine Zumutung. Peinlich kann es werden, wenn Kinder mit den Worten “Liebe Kinderinnen und liebe Kinder” begrüßt werden. Unterschwellig entsteht der Eindruck entmündigt zu sein , weil, wie es das Beispiel Rundfunk zeigt, die Gendersprache als verpflichtend empfunden wird. Dies fördert nicht die Geschlechtsneutralität sondern behindert vielmehr die Gleichberechtigung insgesamt und führt zur Spaltung. Eine Sprache darf nicht trennen, sondern sie muss verbinden. Nur so ist mehr Gerechtigkeit, Akzeprtanz und Verständnis zu erreichen.

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Edelmann


2. Leserbrief

Lieber Herr Riegel, liebes Nachdenkseitenteam,

danke für den Beitrag. Meine Meinung dazu ist, dass mit einem solchen Überstülpen von Meinungen einer kleinen Minderheit über die Vorstellungen der Mehrheit eine Entwicklung in den Gang gesetzt wurde, die der Demokratie höchst abträglich ist. Zumal in der Frage des Genderns auch noch ein Stilproblem auftritt. Denn es hört sich nach meinem Sprachempfinden grauselig an, wenn man versucht, diese Genderform zu sprechen. „Künstler … innen“ und andere dieser Formen führen bei mir immer zu der Assoziation: Und wo sind die „Künstler … außen“? Es mag sein, dass ich da etwas hartnäckig die alte Form verteidige, aber erstens kommt dem Genderproblem diese Art der Bezeichnung gar nicht gerecht, denn wo bleiben die zig anderen Geschlechter, die „nichtbinären“? Es sind ja nur männlich und weiblich damit ausgedrückt.

Dann aber ist es so, dass sogar Begriffe, die nicht mal männlich sind, von solchen Fanatikern gegendert werden. Mitglied … in ist völlig idiotisch, da es ja „das Mitglied“ ist, somit überhaupt keinem Geschlecht zuzuordnen ist. Zugegeben, das macht zum Glück nicht jede … r. Denken wir weiter, werden spätestens in ein paar Jahren Anreden länger als Reden. Denn wenn ich alle möglichen Anredeformen, Mann, Frau, Divers … berücksichtigen wollte, wäre das ein Rattenschwanz von Möglichkeiten und garantiert wird dann irgendwer (heißt das dann richtig irgendwie, oder irgendwerin, oder irgendwer … in?) sich auf den Schlips getreten gefühlt, weil er/sie/es nicht berücksichtigt wurde?

Man merkt, wenn man (frau, sach, …??) das in letzter Konsequenz weiter verfolgt, wird es zu einem Sprachwirrwar und nicht mehr sprechbarer Sprache führen. Und was ist gewonnen? Hat sich je irgendein Mann darüber aufgeregt, dass in der Mehrzahl der weibliche Artikel „die“ verwendet wird, oder das weibliche Fürwort „sie“? Nein, weil das sich so entwickelt hat und es eben für den Plural keinen männlichen und weiblichen Artikel, kein männliches oder weibliches Fürwort gibt, sondern einfach das jeweils weibliche benutzt wurde. Vielleicht könnte ja sein, dass es dabei um einen gewissen Ausgleich zur ausschließlichen männlichen Verwendung des Singulars gab? Das müssten Linguisten beantworten. Also ich habe mich nie darüber aufgeregt. Und wenn ich nicht binär wäre, würde es mich auch in keiner Weise stören, wenn ich keine Berücksichtigung in der Sprache fände. Aber das ist das Problem von Nichtbinären. Was ich im Übrigen eigentlich schon wieder herabsetzend finde. Denn welcher Mensch ist binär? Nur weil es zwei Geschlechter in der Natur gibt, wenigstens bei den meisten höher entwickelten Lebewesen, ist man doch nicht automatisch deswegen gleich binär. So ein Quatsch. Man ist, wie man sich fühlt. Mann, Frau, divers, das ist die persönliche Entscheidung und sollte verdammt noch mal dort bleiben. Wenn eine persönliche Entscheidung gesellschaftlich verpflichten wird, kommt nie etwas Gutes heraus.

Und ich stimme dem Autor vollends zu: Der öffentlich rechtliche Rundfunk hat sich aus dieser Debatte komplett rauszuhalten und nicht irgendwas vorzuschreiben, wie es angeblich einzig richtig ist.

Mit solidarischen Grüßen
Gunther Troost


3. Leserbrief

Sehr geehrte Redaktion!

Leben wir in einem Irrenhaus? Demnächst wird noch das Frauenwahlrecht in Frage gestellt.

Zu dieser Diskussion kann ich als Frau und Leserin nur sagen:

“Die Frau ist nicht der Rede wert”
(Buchtitel von Luise F. Pusch) von 1999!!!

“Das Maskulinum ist nicht mehr das, was es einmal war. Aber Herrenkultur und Herrensprache sind keineswegs überwunden. Deshalb nervt frau zügig weiter.” (Text auf der Buchrückseite).

Dieses Buch ist aus den 90ern. Damals habe ich Germanistik studiert und mich mit dem Thema Frauen-, Männersprache im Studium befasst. Anfangs konnte ich die Diskussion nicht nachvollziehen, überall ein” in” anzuhängen. Ja, weil wir es nicht gewohnt sind. Aber in der Sprache zeigt sich das patriarchalische Herrschaftssystem und die Sprache ist NICHT, wie jetzt die Tatsachen verschleiernd behauptet wird, eine neutrale Sprache. 

Wenn es so egal ist, ob Frauen erkennbar (!) Eingang in die Sprache finden, plädiere ich sehr dafür, für die nächsten 2000 Jahre nur die weibliche Form zu benutzen. Die männliche Empörung dürfte wohl enorm sein.

Als eine Frauenbeauftragte ein innerbehördliches Schreiben “nur” an Frauen richtete, meldeten sich sofort empört Männer bei ihr, sie würden in dem Text nicht angesprochen. Nun muss man jedoch erwähnen, dass sich der Text an Schwangere richtete.

KEIN MANN LÄSST SICH DISKRIMINIEREN.

Nur Frauen sind so devot. 

Zur Frau gehört der weibliche Artikel “die” und dann bin ich “die Frau”, “die Lehrerin” und “die Ärztin” und ich bin eben nicht Lehrer und Arzt und ich möchte nicht in Texten und Büchern, wie ich es häufig lese, in einer Fußnote abgefertigt werden und natürlich wären wir ja immer mitgemeint und würden nur wegen der besseren Lesbarkeit nicht explizit benannt.

So eine Farce, was haben wir für komplizierte Wörter, behördliche gruselige Wortneuschöpfungen (Restmüllbeseitigungsbehälterentleerung) oder Anglizismen (cancel culture), aber ein “-in” ab und zu anzuhängen sei zu kompliziert und gefährde den Sprachfluss.

Ja, ich fühle mich in Texten der Herrschaftssprache als Frau nicht angesprochen und es werden die Erfolge von Frauen unsichtbar gemacht, wenn sich hundert Ärzte auf einem Kongress treffen, von denen aber 51 Ärztinnen waren. Nein, vor meinem geistigen Auge sehe ich dann eben nicht beiderlei Geschlecht vor mir, wie behauptet wird.

Und es ist sprachlich und inhaltlich falsch, wenn der Hausarzt seinen Patienten heiratet, denn es ist kein homosexuelles Paar, sondern der Hausarzt ist eine Frau. 

Also heiratet die Ärztin ihren Patienten und der Satz ist korrekt. 

Hier zwei Beispiele zur Erläuterung des Themas aus dem oben zitierten Buch von Luise Pusch, “Die Frau ist nicht der Rede wert” :

Wenn ein Mann Hebamme oder Krankenschwester wird, bekommt er sofort seine passende Berufsbezeichnung Geburts- oder Krankenpfleger, während Frau als Arbeitsgruppenleiter bezeichnet wird (S. 10).

Rita Süssmuth verkündete im Bundestag, sie könne Formulierungen wie ” wenn der Arzt im Praktikum schwanger wird” nicht unterschreiben (S. 17).

Aus meiner persönlichen Erfahrung wurden und werden mit einer SELBSTVERSTÄNDLICHKEIT von (fast allen) Dozent*nnen an den Universitäten und leitenden Ärzten und allen anderen Mitarbeitern in Krankenhäusern Frauen mit angesprochen. Das ist eine Sache des guten Stils und der Höflichkeit! 

Herzliche Grüße
von ihrer Leserin
Monika Ertl


4. Leserbrief

Lieber Herr Riegel,

Uff! Jetzt beschäftigen sich also schon “linguistische Schwergewichte” mit dem Quatsch. Wobei mit Ihrem Schlusswort eigentlich alles gesagt ist:

“Das Theater geht also weiter.”

Trotzdem vielen Dank für den seriösen Bericht zum unseriösen Thema.

Was vielleicht noch erwähnenswert wäre, “Gendern” ist Amerikanisch und wurde doch nicht zum Spaß in den USA erfunden und über den Atlantik gebracht. Politisch und militärisch sind Deutschland und die EU schon lange eine US-Kolonie. Seit geraumer Zeit laufen Kampagnen, um sie auch wirtschaftlich zu schwächen. Nun muss man die Menschen nur noch gehirntot machen. Bei den Eliten, Politik und Presse, wurde das bereits erfolgreich vollzogen. Jetzt ist der Normalbürger dran.

Ach ja, wo leben wir bloß? Im Irrenhaus! Osteuropa macht den Quatsch nicht mit. Die können was! Und Russland hat sogar die Sommerzeitumstellung vor Jahren abgeschafft. Nur der Russische Präsident tut mir leid, der gendert und kann nichts dafür. Oder sollte er sich vielleicht in “Put” umbenennen?

Wobei mir “put put put!” (Jochen Busse) einfällt, was dann völlig daneben wäre. Allerdings ist das Schlusswort von Busses Sketch aus den 80er Jahren derzeit wieder hochaktuell:

Was wäre die Erde ohne menschliche Intelligenz? – Bewohnbar!

Herzlichen Gruß,
Rolf Henze


5. Leserbrief

Lieber Herr Riegel,

vielen Dank für den tollen Artikel. Vielleicht können Sie mit diesem Link was anfangen: Gendern oder nicht – das wird an manchen Unis den Studenten nicht freigestellt. An der Uni Kassel z. B. gibt es ohne Gendern Punktabzug. Von wegen Toleranz! Bestätigt sehen sich die Genderfreunde durch ein Gutachten eines Kölner Juristen. Mehr dazu hier und in einem verlinkten Artikel in der FAZ.
 
Beste Grüße,

Hartmut Steiger
Düsseldorf


6. Leserbrief

Liebes NDS-Team,

Ach nööö, nicht schon wieder! Haben wir angesichts diverser existentieller Bedrohungen nicht genug andere Aufreger? Aber da die Vorherrschaft patriarchaler Sprache für so manche ein offenbar ebenso existentielles Anliegen ist (was schon erhellend genug wäre), soll das nicht unwidersprochen bleiben.

Von “Spaltung der Gesellschaft” ist die Rede, von “Kunstsprache”. Wer spaltet hier denn? Ist es Spaltung, wenn Sprache sich verändernden Realitäten und veränderndem Bewusstsein anpasst? Ist dann „Kunstsprache“ nicht einfach nur eine einseitige subjektive Festlegung, was sein darf und was nicht? Und was soll das denn eigentlich sein – “künstlich” im Gegensatz zu “natürlich”??? Niemand wird gezwungen zu gendern. Wer es nicht will, tut es einfach nicht, fertig. Gendern, nicht gendern, halbgendern, viertelgendern – alles ist möglich. Warum auch nicht? Denjenigen, die gendern, wird vorgeworfen, dies würde „eine Erziehung oder gar ein Zwang für unwillige Bürger sein, die künstliche Gendersprache zu gebrauchen”. Wird nicht umgekehrt ein Schuh draus? Wer überall im öffentlichen Leben per ordre de Mufti die patriarchale Sprache verewigen will und einen Bannstrahl fürs Gendern fordert, übt nicht gerade der oder die tatsächlich Sprachgewalt aus? Beim besten Willen: Was ist denn an patriarchaler Sprache „neutral“ und „objektiv“, weshalb beim Gendern der Rundfunkrat auf den Plan gerufen werden müsste? Im ÖRR wird teilweise gegendert, mehrheitlich nicht. “Objektivität”, “Unparteilichkeit”, “Meinungsvielfalt” und “Ideologiefreiheit” sollen nur durch ein generelles Verbot des Gendern gewahrt werden können, also durch eine Gleichschaltung von oben? Welch absurder Gedanke, ebenso wie ausgerechnet hier mit der Beitragsfinanzierung der ÖRR und mit gesellschaftlichem Frieden zu argumentieren. Sozialer Frieden durch ein Machtwort von oben gegen Abweichung … zum Glück folgen die NDS bei anderen Themen nicht diesem Prinzip. Im Gegensatz zu den Corona-Regeln gibt es fürs Gendern keine Bundes- oder Landesgesetze. Wer nicht gendert, hat weder Bußgelder noch sonstige Einschränkungen zu befürchten. Der Vergleich ist also so schräg, wie er schräger nicht sein könnte.

Sprache ändert sich ständig und da machen mir andere Entwicklungen wirklich Sorgen. Z.B. wenn „Opfer“ zum Schimpfwort wird, „Gutmenschen“ schlecht sind und die Bezeichnung „Querdenker“ von dubiosen Antidemokrat*innen geklaut wird, oder der Klassiker: Eine Müllkippe zum „Entsorgungspark“ wird. Öffentliche Sprache wird immer stromlinienförmiger, bornierter und sinnentleerter und spiegelt damit bedenkliche gesellschaftliche Tendenzen wider. DAS sollte uns Sorgen machen. Finden je breite gesellschaftliche Debatten über Sprachgebrauch statt bevor er stattfindet? Warum soll ausgerechnet die Erlaubnis, gendern zu dürfen unter dem Vorbehalt einer Mehrheitsentscheidung stehen?

Ich habe mich noch nie mit gemeint gefühlt bei der Verwendung männlicher Formen, denn wir Frauen sind es ja auch nur am Rande. Sprache spiegelt Wahrnehmung wider und formt sie gleichzeitig. Unzählige Male haben Frauen die Erfahrung gemacht, dass z.B. ihr Vorschlag in einer Runde ignoriert wird, derselbe Vorschlag aber plötzlich eine tolle Idee ist, wenn er 5 Minuten später von einem Mann gemacht wird. Frauen sind eben oft nicht wirklich mit gemeint, sondern in der unterschwelligen Wahrnehmung Anhängsel von Männerbünden.

Wenn in einer Versammlung 99 Frauen anwesend sind und ein Mann hinzu kommt, dann werden aus 99 Teilnehmerinnen 100 Teilnehmer. Dem Mann ist ja schließlich nicht zuzumuten, sich mit gemeint fühlen zu müssen.

Auch wenn mäßig witzige Verballhornungen Anderes suggerieren wollen: Es geht um Begriffe, bei denen die weibliche Form längst existiert, bei gemischten Gruppen aber nicht angewandt wird. Also vorwiegend um Begriffe mit männlichem Artikel und Endung auf -er, -or oder -nt bzw. weiblichem Artikel und Endung auf -in. Und weil nicht alle Menschen sich diesem binären System unterordnen lassen, könnten sie vielleicht mit * oder einer winzigen Pause mit berücksichtigt werden. Das sind Versuche, mit Sprache in einer sich verändernden Gesellschaft zu experimentieren und niemand ist verpflichtet, mit zu machen. Was soll schlecht daran sein? Manche Versuche werden sich als sinnvoll erweisen und Akzeptanz im täglichen Leben finden, andere verschwinden wieder in der Versenkung. Da könnte mensch doch eigentlich gelassen zuschauen. Warum diese Empörungsschleife mit oft aberwitzigen Konstrukten, die patriarchale Sprache zementieren will? Welche Ängste lassen da das Adrenalin so überkochen?

Alternativ könnten wir aber auch Folgendes machen: Für 10 Jahre wird ausschließlich und immer nur die weibliche Form genutzt. Und nach 10 Jahren fragen wir die Männer, ob sie sich immer und uneingeschränkt mit gemeint gefühlt haben und ob die ausschließliche Verwendung der weiblichen Bezeichnungen keine Veränderungen in der Wahrnehmung Anderer und durch Andere bewirkt haben. Vielleicht haben sie es dann kapiert. Sorry an alle, die sich nicht diesem binären System unterordnen: Vielleicht müssen so manche erst mal sprachliche Ausgrenzung am eigenen Leib erfahren, bevor wir ihnen auch noch zumuten können, die Bedeutung von Minderheitenrechten zu begreifen.

C.B.


7. Leserbrief

Lieber Tobias Riegel,

ich gendere in den unterschiedlichen Formen schon seit mehr als 20 Jahren und bin froh darüber. So bin ich zum Beispiel froh, dass die “Amtmännin” (heute Amtfrau) aus dem Sprachgebrauch verschwunden ist und ich mich auch nicht mehr als “Ingenieuse” beschimpfen lassen muss. By the way, ich bin promovierte Ingenieurin. Als Arbeiter*innenkind habe ich mein ganzes Leben schwere Diskriminierungen vor allem von Menschen aus den bürgerlichen Mittelschichten erfahren.

Worum geht es bei Sprache: um Macht. Alles, was nicht benannt oder absichtsvoll entnannt wird, wird marginalisiert.

Daher wäre ich für eine Sprache ohne jeden Bezug auf Geschlechter oder andere Kriterien zur Abgrenzung und Abwertung. Es ist doch komisch, wir zwingen ja auch niemand ständig seine Hautfarbe anzugeben (hier funktioniert das diskriminieren noch leise). Daher wäre auch ein Verzicht auf Fotos in Bewerbungen hilfreich (dann hätten auch weniger schöne Menschen – z. B. wenn man schielt – mehr Chancen). Noch besser wäre eine komplette Anonymisierung.

Wenn man sich schon auf “Neutralität” bezieht, dann bitte nicht als verkappte Position einer sich hinter dem Gewohnten versteckenden “Männerherrschaft” – so ganz lange ist das Züchtigungsrecht des Ehemannes in Deutschland auch noch nicht abgeschafft. Anders gesprochen, es gibt bei Machtfragen gar keine Neutralität.

Herzliche Grüße, Irina Vellay


8. Leserbrief

Lieber Herr Riegel

danke, dass Sie auf die Initiative der Sprachwissenschaftler hinweisen. Sie hat auf jeden Fall Unterstützung verdient. Es ist gut, wenn darin geschieht, was schon lange angezeigt war und man nicht oft genug tun kann: klarzumachen, dass der Gendersprache ein Missverständnis der Sprache zugrunde liegt: dass Genus und Sexus verschiedene Kategorien und extensional inkongruent sind, dass der proliferierende Gebrauch von Partizipialformen außerhalb des angezeigten Kontextes von Tätigkeiten sie ihres Sinnes entkleidet, dass die Dekoration von Texten mit sinnlosen Marken, die Unterbrechung des Redeflusses durch »Schluckauf*innen« — immer, wenn ich so etwas höre wie »Antisemit*innen«, frage ich mich, wo denn der »Antisemit*außen« bleibt — vor allem die Verständlichkeit der Sprache erschwert. Ja, Gendersprache ist sinnlos, hässlich, sie zeugt von einem Unverständnis der Sprache und kann ihre deklarierten Ziele nicht erreichen. Die gesellschaftliche Praxis prägt die Sprache, doch die Gesellschaft durch Sprache verändern zu wollen, muss scheitern.

Allerdings, und das kann man nicht deutlich genug sagen, ist der Angriff auf die Sprache auch ein Angriff auf die Gehirne, letztlich auf die psychische und physische Integrität der Menschen. Durchsetzen kann man Gendersprache nur durch Gehirnwäsche, durch die Zerstörung der neuronalen Strukturen, in denen Sprache verankert ist. Sprache ist auch Heimat und wer sie zerstört, macht uns zu Heimatvertriebenen. Im autoritären Linksliberalismus, der dieses Programm ohne Rücksicht auf das Widerstreben des Publikums vorantreibt, lauert tatsächlich die totalitäre Gefahr der Gegenwart. Ich habe darauf schon vor Jahren hingewiesen. Dass er auch die Exzesse der sogenannten Pandemie-Politik so liebt, ist kein Zufall. Die Invariante besteht in moralischer Überheblichkeit und der Verachtung der Menschen, in Missachtung von Logik und sauberer Methodik.

Rainer Fischbach


9. Leserbrief

Sehr geehrter Herr Riegel,

eine gefühlte Mehrheit der Deutschen wünscht sich (natürlich für die anderen) die Todesstrafe.

Der öffentlich finanzierte Rundfunk setzt sich darüber hinweg – und überlässt es den einzelnen, sich zu äußern.

Eine Mehrheit der Deutschen ist gegen Auslandseinsätze der Bundes-wehr.

Der öffentlich finanzierte Rundfunk setzt sich darüber hinweg – und überlässt es den einzelnen, sich zu positionieren.

Eine Mehrheit der Deutschen wünscht sich existenzsichernde Altersversorgung.

Pluralismus heißt Meinungsvielfalt.

Sprache ist nicht festgelegt durch Gesetze und Vorgaben. Deutsche Journalist*innen gehen mit großem Verantworungsbewußtsein mit ihrer Wortwahl um, die Vielfalt ist nicht bedrohlich, eine obrigkeitliche Reglementierung erscheint mir wenig hilfreich.

Die erhoffte Einheitlichkeit ist vorgetäuscht.

Sie spiegelt nicht die Realität im Wandel wider und übt uns nicht in Toleranz gegenüber anderen Sichtweisen.

Mit freundlichen Grüßen
A. Wimmer


10. Leserbrief

Ich finde Ihre Argumentation nicht schlüssig. Warum sollte der Verzicht auf Gendersprache “neutral” sein? Er spricht sich gegen die Gendersprache aus, genauso wie Sie sich auch in Ihrem Artikel gegen Gendersprache aussprechen. Das hat doch nichts mit Neutralität zu tun, Sie nehmen eine Gegenposition auf und berufen sich dabei auf Althergebrachtes.

Ich finde bei 65 % der Bürger*innen, die keine Gendersprache wollen und damit vermutlich 35 % diese befürworten oder offen sind, irreführend von einer Minderheit zu sprechen. 35 % sind doch relativ viel, unsere Regierungsparteien kommen selten darüber hinaus und nutzen diese “Minderheit” um ihren Regierungsanspruch zu vertreten. Ich erinnere an die Corona-Maßnahmen, wo die kritischen Stimmen eine viel geringere Minderheit ausmachen – und trotzdem hat die Minderheit ein Recht darauf angehört zu werden und Forderungen zu stellen, die ihre Position auch vertreten.

Absurd dieses Argument, dass das generische Maskulinum Frauen (und nichtbinäre Identitäten) nicht ausschließen würde, der zitierte Text ist ein Widerspruch ist sich. Alles nur ein großes grammatikales Missverständnis? Es ist ja hinlänglich bekannt, dass die “großen Häupter” unserer derzeitigen Gesellschaft und früheren Gesellschaften allen Geschlechtern und Menschen gleichermaßen gerecht werden wollten und keine Unterschiede gemacht wurden zwischen Mann und Frau. Niemals. Nie. Die Sprache war immer neutral und spiegelt keine Werte ihrer Gesellschaft. Wer mag sowas nur denken! Alles nur ein Missverständnis! Ich bitte Sie, das können Sie nicht ernst meinen?!

Aber auch wenn man das so nehmen möchte, muss man zu dem Ergebnis kommen, dass die Erfinder des generischen Maskulinums wohl gründlich versagt in ihrem Job, wenn sich so viele Menschen dadurch eben doch ausgeschlossen fühlen. Man muss doch die heutige Realität betrachten, bei der sich ein Drittel der Menschen nicht genügend gesehen fühlen in der Sprache. Ihre Ansichten oder Wünsche einfach zu ignorieren und sich auf das Althergebrachte zu beziehen, kann ja wohl kaum eine Lösung sein, die allen gerecht wird. Wenn es die Gendersprache nicht ist, dann muss nach anderen Lösungen gesucht werden.

Aber nichts zu ändern und das als “Neutralität” zu verkaufen und von anderen diese “Neutralität” einzufordern, verdreht die Tatsachen doch erheblich, vermutlich in Ermangelung wirklicher Argumente. Ist es lästig, bei Veröffentlichungen alle mitzudenken? Ja, für viele sicherlich. Aber sollte es nicht ein Bedürfnis sein, Lösungen zu finden, die allen gerecht werden? Genauso wie man auch auf andere diskriminierende Ausdrücke verzichtet. Und nach Ihrer eigenen Argumentation hat die deutsche Sprache auch ohne Gendersprache Möglichkeiten, alle miteinzubeziehen. Dann gehen Sie doch mit guten Beispiel voran und zeigen dies auf! So, dass sich auch die 35 % angesprochen fühlen. Es wäre mir eine Freude und eine Wohltat, dies zu lesen.

A. Huber


11. Leserbrief

Hallo Herr Riegel,
liebes NDS-Team,

ist es nicht mit nahezu allen politischen Themen so, daß eine Minderheit der Mehrheit ihre Vorstellungen oktroyiert, wie das Leben zu gestalten ist? Wie ich letztens zu meinem Arbeitskollegen sagte: Wenn 1,1 Milliarden Chinesen geschlossen gegen ihre Regierung vorgingen, dann hätte sie keine Chance, sich weiterhin zu behaupten. Die Kunst der Menschenführung für politische Lenker (oder die sich dafür halten) liegt in der Manipulation der Massen. Das “Gendern” ist ein solches Manipulations-Werkzeug, wie Sie richtig erkannt haben. Wer sich mit Stürmen im Wasserglas beschäftigt, der verliert das Wesentliche aus den Augen.

Das Gendern hat übrigens einen Vorläufer, in Bezug auf sprachliche Verhunzung. Er hört auf den Namen “Neue deutsche Rechtschreibung”. Auch hier sahen viele Menschen keinerlei Sinn darin, Änderungen zur Verseuchung und sprachkultureller Entwurzelung zu akzeptieren. Leider gibt es in diesem Fall sogar sprachliche Vorschriften, gegen diese aufzubegehren den Aufwand kaum lohnte. Das neue Modell beleidigt alles, was mich meine gute Deutsch-Lehrerin unter großem Aufwand in der Schule gelehrt hat. Auch kann ich mein Sprachgefühl nicht ignorieren. Das betrifft ganz besonders das “Gendern”.

Was den ÖRR betrifft:
Solange dieser Kriegspropaganda und mentale Weißwaschung gefährlicher Gen-Spritzen betreibt, ist es meiner Meinung nach naiv zu glauben, daß dieser sich seiner Gesellschaft als leuchtendes Vorbild verpflichtet fühlt. Selbiges trifft übrigens auch auf sämtliche großen Tageszeitungen wie auch Wochenzeitschriften, egal ob online oder offline, zu, die sich üblicherweise dem Pressekodex verschreiben, ohne ihn in der Praxis auch einzuhalten. Diese Medien WOLLEN spalten; ich unterstelle ihnen Vorsatz.

Uneinigkeit beim “Gendern” und dessen Ausführungen schafft zusätzlichsoziales Sprengpotential. Die Vorwürfe in Bezug auf “Gendern” gab es alle schon bei “Corona”. Fehlt nur noch, daß man Menschen, die “Gendern” ablehnen, als “Nazi, Nazi, rechts, rechts” bezeichnet und vom Verfassungs”schutz” überwachen läßt oder sie gar als Staatsfeinde betrachtet (Faeser).

nachdenkseiten.de/?p=84632

Wer nicht gendert, der kommt in den Knast!

Lächerlich? Absurd? Mitnichten. Wenn Richtern die Bude durchsucht wird, nur weil sie Kinder schützen wollten und Menschen nach dreimaligem Schwarzfahren als Verbrecher eingestuft werden, dann halte ich jeden noch so irrationalen Gedanken nicht mehr für realitätsfern. Wer vom Arbeitgeber zum Gendern angewiesen wird und dem nicht nachkommt, der riskiert, seine Lebensgrundlage zu verlieren, siehe den Quatsch, den Audi da veranstaltet. Das ist bereits richterlich entschieden worden:

achgut.com/artikel/die_gender_broschuere_des_grauens

Was ist denn überhaupt “gendergerecht”? Wenn man den Ausführungen von seriösen Biologen folgt, dann gibt es nur zwei Geschlechter. Hier verweise ich auf den Vortrag der Biologin Marie-Luise Vollbrecht:

achgut.com/artikel/polizeischutz_fuer_die_zwei_geschlechter

Was mich an der ganzen Debatte auch noch stört, das ist das Zusammenwerfen von Menschen, die sich ausschließlich Kraft ihrer Gedanken für ein anderes Geschlecht oder gar irgendwelche Dinge halten, mit Menschen, deren Gehirne tatsächlich während der Schwangerschaft anders “verdrahtet” wurden.

Das Eine ist eine erlernte und vom Bewußtsein steuerbare Verhaltensweise (pathologische Hintergründe können nicht ausgeschlossen werden). Das Andere ist eine biologische Tatsache, die nicht negiert werden kann. Das schließt eine Einstufung als “Krankheit” ebenfalls aus. Äußere Einflüsse auf Schwangere können tatsächlich darüber entscheiden, ob jemand hetero- oder homosexuell wird, wußte schon 1979 das ehemalige Nachrichtenmagazin “DER SPIEGEL” zu berichten:

spiegel.de/wissenschaft/macht-mutters-stress-homosexuell-a-fd741cab-0002-0001-0000-000039867662

In dem Buch “Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken” wird die Geschlechtsbildung aus wissenschaftlicher Sicht thematisiert. Hier findet sich ab Seite 79 für Jeden nachlesbar der relevante Teil:

epdf.tips/warum-manner-nicht-zuhoren-und-frauen-schlecht-einparken.html

Im Buch, 30. Ausgabe 2005, findet sich der Text ab Seite 98. Der anschließende Test ist außerordentlich aufschlußreich.

Ich kann jedem nur wärmestens empfehlen, sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen, bevor man in eine “Gender”-Debatte mit vollem Elan einsteigt.

Wie auch bei vielen anderen Debatten wird kaum differenziert sowie andere Meinungen ausgegrenzt. Das ist eine Schande, besonders für Institutionen, die sich dem Schutz der Sprache verschrieben haben. Wenn sich eine “Deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft” eine “geschlechtergerechte Satzung” gibt, die den Gender-Quatsch einschließt, dann führt sie sich selbst ad absurdum. Wofür kriegen die noch gleich Geld? Wann soll ich vorbeikommen und in dem Laden das Licht ausmachen?

Wenn wir schon bei sprachlicher Willkür sind, dann schlage ich vor, daß das komplett überflüssige Wort “eigentlich” gestrichen sowie das schwammige Wort “möchte” gegen “will” ersetzt wird. Das sollen jetzt alle umsetzen, weil das zu mehr Selbstbewußtsein und Selbstbestimmung führt. Wer das nicht mitmacht, ist intolerant, männerfeindlich und reaktionär. So, ich habe fertig.

Wer die sprachliche Basis mutwillig zerstört, der hat ein Interesse daran, die menschliche Kommunikation erheblich zu stören. Das führt zu Mißverständnissen, Unmut und fördert Spaltungstendenzen. Divide et impera. Daher: Den Mist nicht mitmachen. That’s it, Thema durch.

Gegenseitiger Respekt drückt sich nicht in schwachsinnigen Wortverbiegungen aus. In meinen jungen Jahren kam ich auch oft vom Hunderstel ins Tausendstel (auch sprachlich), bis ich gemerkt habe, daß dies an der Realität des Lebens vorbei führt und mich auszehrt. Schließlich bin ich kein Chiphersteller, Brückenbauer oder Experte für Kernreaktoren, wo eine solche Genauigkeit sinnvoll ist. Die Gesellschaft sollte ihr gesundes Augenmaß wiederfinden.

Zum Abschied noch ein Lesetipp, passend zum Thema:

Andreas Hock

“Bin ich denn der Einzigste hier, wo Deutsch kann?”

Wenn der Herr Sale einen Kaffee aus Togo dabei hat…

Viele Grüße & ein schönes Wochenende wünscht

Michael Schauberger
der die Wichtigkeit der hier dargestellten Elemente für so groß hält,
daß er sich eine Veröffentlichung wünscht


12. Leserbrief

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sprache ist Identität. Das Herumgendern an der Sprache zerstört diese Identität. Das ist das Ziel. Dazu benutzt man den durch Zwangsgebühren finanzierten öffentlichen Rundfunk Eine Perversion besonderer Art. Eine Gesellschaft muß sich zerstören und dies noch selbst zwangweise finanzieren. In der Tat – Deutschland schafft sich ab.

Mit freundlichen Grüßen
P. Ehrental


13. Leserbrief

Ach ja, wieder: warum haben wir sie nur nicht als drollige Sprechsekte behandelt – von Anfang an ???

Ihre Grundidee klang am Anfang gut:
Es ist ein Kreislauf: Denken ® beeinflusst Sprache ® beeinflusst Denken ® beeinflusst Sprache …… Die Köpfe können wir nicht aufschrauben, aber an der Sprache schrauben = und irgendwann denken alle schöner ….

Schöne Idee. Aber: Die Zeiten, wo einige Menschen wussten, wie der “gute, richtige Mensch” aussieht, und diesen schaffen wollten – wurden oft die dunkelsten in der Geschichte. Und:

  1. wenn das “bessere Sprache ® besseres Denken” Experiment fehlschlägt, haben wir die gleichen schlechten Menschen, nur zusätzlich eine Schicht Sprachschminke und Heuchelei obendrauf
  2. jeder Psychologiestudent lernt im ersten Semester: was du nicht klar ansprechen kannst/darfst – kannst du auch nicht heilen
  3. statt dafür zu kämpfen, dass Supermarktkassierer endlich ordentlich bezahlt werden, sollen wir dafür kämpfen, dass sie (m/w/d) sein dürfen? juhuuu!!
  4. und Hesse … die Sprache, in der Hermann Hesse schrieb – niemand sollte ihr etwas antun dürfen! (Hesse: in Sand geschrieben)

Und – ist die deutsche Sprache ungerecht? ist sie nicht sogar salomonisch gerecht?
Die Mehrzahl ist hinten immer männlich – aber vorne immer weiblich:

der LehrER, DIE Lehrerin ® DIE LehrER
guter LehrER, gutE Lehrerin ® gutE LehrER

Und das hat System: es heißt “SIE gehen” im Plural, und die Höflichkeitsform ist “SIE”.

Stampft jeder Mann mit dem Fuß auf: Bei “Wir begrüßen SIE recht herzlich!” fühle ich mich gar nicht gesehen!

Zurück zum Thema ÖRR: Wer weiß, vielleicht erziehen diese Gendererzieher ja bald keinen mehr? Schauen junge Leute überhaupt noch fern? Wäre das nicht mal ein äußerst interessantes Forschungsthema für die NDS? Zur Meinungsmache war das 20. Jahrhundert das Zeitalter der großen Lautsprecher (Zentralsender für viele Empfänger: Kino, Wochenschau, Radio, TV) = und so auch das Zeitalter der großen Zentralideologien (Faschismus, Kommunismus, Neoliberalismus…). Im 19. Jh. gab’s das noch nicht, da gab es kleine Theater, Stadtzeitungen, Salons … Und im 21. Jh. gibt’s das Internet – Vielstimmigkeit statt Zentralsender. Wie wird wohl dann die Meinungsmache aussehen, wenn man gar nicht mehr mit der Tagesschau-Gießkanne die Meinung über alle gießen kann?

Martin


14. Leserbrief

Liebe Mannschaft der Nachdenkseiten,

Den Verfechtern der Gendersprache geht es offensichtlich nicht um einen „Kampf gegen Diskriminierung,“ sondern darum, „Diskriminierungen“ zu erfinden, um auf diese Weise Feindbilder zu schüren und Macht über Menschen auszuüben sowie die persönliche Geltungssucht und den persönlichen Standesdünkel zu befriedigen sowie Karriere zu machen. Zwei Beispiele sind die verbalen Angriffe gegen Wolfgang Thierse, als er im Februar 2021 die Gendersprache – sehr diplomatisch – kritisierte. Und die verbalen Angriffe zweier Feministinnen sogar gegen Gregor Gysi vor laufender Kamera beim Parteitag am 25. Juni 2022, es sei „eine unfaßbare Frechheit,“ daß Gysi die Gendersprache – übrigens noch diplomatischer als Thierse – kritisiert hat.

Übrigens ist die Formulierung „gendergerechte“ bzw. „geschlechtergerechte“ Sprache bereits Propaganda, weil sie suggeriert, daß die normale Sprache angeblich „nicht gerecht“ sei. Deshalb sollten Kritiker dieser gekünstelten Gendersprache den Verfechtern dieser Sprache, die sich mitunter wie religiöse Fanatiker benehmen, die alle zum rechten Glauben bekehren wollen, auch bei diesem Punkt gar nicht erst auf den Leim gehen und eben nicht von „gendergerechter,“ sondern von „Gendersprache“ (oder „genderneutraler“ Sprache) reden.

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Mit freundlichen Grüßen
Jörg Fauser
Stadtroda

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