Deutschland ist das Land der Autofahrer, des Slogans „Freie Fahrt für freie Bürger“, aber auch das Land mit einer Eisenbahngesellschaft namens Deutsche Bahn, dem Staatskonzern (wem gehört der nun eigentlich?), der seit vielen Jahren immer wieder für negative Schlagzeilen sorgt. Nun endlich soll einiges anders werden. Pünktlicher, moderner, sicherer, ökologischer, günstiger und vor allem freundlicher in der öffentlichen Wahrnehmung werde die Deutsche Bahn. Die neueste gute Nachricht: Schluss mit dem Ausverkauf, mit dem Verhökern von Bahn-Eigentum, welches uns allen gehört, eigentlich. Von Frank Blenz.
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Stopp dem Ausverkauf in der Breite. Die Deutsche Bahn werde ab sofort keine Empfangsgebäude an Bahnhöfen mehr verkaufen. Dazu sagte der Deutsche-Bahn-Infrastrukturvorstand Berthold Huber:
„Bahnhöfe sind das Eingangstor der Reisenden zum Zug, ihre Gebäude und Vorplätze quasi die Visitenkarte eines Ortes. Sie müssen freundlich und einladend sein. Deswegen stoppen wir den Verkauf unserer Empfangsgebäude.“
Etwa 700 Empfangsgebäude befänden sich derzeit (noch) im Portfolio der DB AG und das soll nun auch so bleiben. Ausgenommen vom Verkaufsstopp seien einige wenige Immobilien, insbesondere die, bei denen die DB AG bereits mit den Kommunen vertragliche oder vorvertragliche Bindungen eingegangen ist, heißt es seitens der DB. Vorstand Huber weiter:
„Um die Mobilitätswende voranzubringen und die Akzeptanz der klimafreundlichen Schiene zu steigern, brauchen wir attraktive Bahnhöfe und ein angenehmes Umfeld. Zur Starken Schiene gehören auch einladende Empfangsgebäude. Das ist im Sinne des Gemeinwohls, und die Kommunen profitieren ebenfalls.“
Diese Worte klingen erwärmend für alle, die gern Bahn fahren, die das Verkehrsmittel regelmäßig brauchen und wissen, dass bei aller Freude über unser Image, das Land der Autofahrer zu sein, eben die Eisenbahn unbedingt ein essentiell fester Bestandteil unserer Gesellschaft, unseres Fortkommens, unserer Verbundenheit, unserer Kultur und unserer Wirtschaft ist. Dazu gehören auch die Gebäude, die Gleise, die Brücken, die Werkstätten und und und. Dazu gehören auch die Menschen, die die Bahn am Fahren halten.
Die Uhr stellen? Klar, in Zukunft nach der Bahn
Eine weitere Ansage sorgt für weitere Freude und Hoffnung: Nach der Bahn will er sich künftig die Uhr stellen, sagte Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) bei einer Präsentation zur Zukunft der Bahn. Dieses Versprechen klingt fast, als würde Deutschland Japan nacheifern, das Land, in dem das mit der Uhrstellerei nach dem Fahrplan tatsächlich gelingt. Derzeit wirken des Ministers Worte noch wie ein kleiner Scherz. Wissing hat die gravierenden Defizite erkannt. Das Schienennetz (und vieles mehr) sei über Jahre vernachlässigt worden, was eben auch dazu führe, dass Züge sich verspäteten, Personen- wie Güterzüge. Jetzt werde gegengesteuert, ab 2024 soll die Generalsanierung unter Wissings Regie beginnen. Der Minister sieht, dass die Deutsche Bahn in Gänze ein Bild abgibt, das einen jämmerlichen Zustand offenbart. Dieser sei, so die vielen Kritiker und Kenner, die Fahrgäste allemal, bewusst, mit Ansage, mit gierigem Kalkül hervorgerufen worden, weil die Beute „Bahn“ unter anderem viele Jahre wie ein Huhn gerupft wurde. Dass jetzt gegengesteuert wird seitens Wissing und Co – in vielen Orten kommt das zu spät.
Ausverkauf und Verwahrlosung zahlloser DB-Immobilien
Das unternehmerische Handeln der DB lässt sich an einem Zahlenbeispiel deutlich aufzeigen: Seit 1990 beginnend sind statistisch betrachtet von 100 Bahnhöfen samt Gerätschaften und Nebengebäuden vom Eigentümer Deutsche Bahn 95 verkauft worden. Sofern nicht verkauft wurde, ließen die Manager und Berater die Immobilien mitunter schlicht vergammeln. Auch das Schienennetz ist in Deutschland enorm ausgedünnt worden. Der Ausverkauf endete selbst bis vor kurzem nicht, denn auch von den Bahnhofsgebäuden, die die DB noch bis 1999 besaß, wurden bis Ende letzten Jahres bundesweit ca. 81 Prozent verkauft. Und der Staat? Der Bund engagiert sich für die Bahnhofsgebäude seit der Bahnreform eher nicht mehr. Die Folgen kann man als Bürger einer Stadt, eines Dorfes mit ehemals vorhandenem Gleisanschluss und Bahnhof landauf, landab sehen: Etliche Bahnhöfe sind stillgelegt, kaputt, verschwunden, vergessen. Sicher, einige schöne Gebäude sind nun „ehemalige Bahngebäude“ mit anderer Nutzung. Doch selbst erhaltene Gebäude werden immer noch eher wenig als das entwickelt, für das sie stehen: ein gesellschaftlicher Treff, Ankunftsort, Ort des Abschiednehmens, Ort von Handel und Wandel zu sein.
Leuchttürme wie aus dem Hochglanzprospekt reichen nicht mehr
Die Deutsche Bahn hat etwas zu bieten. Schnelle ICE-Züge, moderne Großbahnhöfe in den Metropolen des Landes. Da klappt das mit der Zielstellung, Bahnhöfe zu Zentren der Begegnung der Menschen zu gestalten. Diese Leuchtturmaktivität allein reicht nicht mehr. Moderne Bahnhöfe und Anbindungen ans Schienennetz verdient jede Kommune, schon wegen der Tag für Tag angemahnten Klimawende. Sozial und klimagerecht agieren, das bedeutet, die Infrastruktur, den öffentlichen Nah- und Fernverkehr, Bus und Bahn, den Güterverkehr auszubauen beziehungsweise zu erneuern, zu revitalisieren. Vieles wurde eingestampft. Dies geschah nicht allein durch den Staatskonzern DB, dies geschah mit Hilfe, mit Duldung, ja, durch die Unterlassungen regierender, deregulierender Politiker. Womit die eingangs zitierte Forderung zu wiederholen ist, die Teil des Gesamtpakets für die Zukunft unserer gemeinsamen Bahn ist.
„Um die Mobilitätswende voranzubringen und die Akzeptanz der klimafreundlichen Schiene zu steigern, brauchen wir attraktive Bahnhöfe und ein angenehmes Umfeld. Zur Starken Schiene gehören auch einladende Empfangsgebäude. Das ist im Sinne des Gemeinwohls, und die Kommunen profitieren ebenfalls.“
Titelbild: Alexandra Lande / shutterstock