BMF, Harvard-Ökonom Rogoff und die TAZ heizen Spekulation gegen Griechenland an (Finanzkrise D)
Die Finanzwirtschaft verdient besonders gut an Transaktionen, an Kursschwankungen und an Zinsdifferenzen. Deshalb hat sie großes Interesse an Spekulationen. Um diese anzuheizen, bedarf es der Handlanger. Das können einschlägig tätige Politiker, Wissenschaftler, Journalisten und Ratingagenturen sein. Wir erleben wieder einmal einen klassischen Fall eines solchen spekulativen Zusammenspiels. Am 3. März berichtete die TAZ (siehe Anlage 1) von einem Vortrag des „US-Bestseller-Ökonomen“ Rogoff im Bundesfinanzministerium und seiner Prognose, Griechenland, Irland und Portugal seien bald insolvent. Albrecht Müller.
Gegenüber unserem Hinweisgeber, der uns auf diesen Artikel von Hannes Koch aufmerksam gemacht hatte, hatte ich schon gleich auf dieses unverantwortliche Spiel hingewiesen. Da jetzt der „Erfolg“, das Anheizen der Spekulation, sichtbar wird, möchte ich Sie auf diesen Vorgang aufmerksam machen. Er ist prototypisch:
- Staatliche Stellen, im konkreten Fall das Bundesfinanzministerium, laden einen Wissenschaftler ein, von dem sie wissen mussten, dass er die Spekulation gegen andere Länder der Euro-Gruppe anheizen wird. Das ist schon heller Wahnsinn.
- Das Bundesfinanzministerium lädt zu dem Vortrag Journalisten ein, die diese Botschaft unkritisch verbreiten. Kritische Journalisten hätten einen solchen Vorgang sofort hinterfragt.
- Interessant ist noch, dass die TAZ in der Überschrift und im Vorspann nicht darüber berichtet, dass der Spekulationsanheizer Rogoff in seinem Vortrag die Schulden-Situation in den USA für noch schlimmer hält als in Europa. Wörtlich : „In Europa sieht es ein bisschen besser aus.“ Siehe die fett gesetzte Passage in Anlage 1.
- Dann geht die Spekulation los; und eine Ratingagentur, im konkreten Fall Moodys, reduziert die Bonitätsnote griechischer Schulden. Siehe verschiedene Meldungen in Anlage 2.
- „Als Grund nannte Moody’s Befürchtungen, dass Griechenland trotz dem Euro-Rettungsschirm seine Verbindlichkeiten umschulden muss. Ausserdem verwies die Ratingagentur auf beträchtliche Schwierigkeiten des Landes, Einnahmen zu erzielen.“ So heißt es in dem Artikel der Neuen Zürcher Zeitung. Die Empfehlung „Umschuldung“ ist von Rogoff gemacht worden.
Interessant ist, dass im konkreten Fall gar nicht bestritten wird, dass die griechische Regierung die Auflagen der herrschenden Kreise zum Sparen und zum Reformieren (wider alle Vernunft, so unsere Meinung) erfüllt hat, dass es ihr aber nicht gelungen ist, die angepeilten Mehreinnahmen an Steuern zu erzielen. Das war absehbar. Wenn man gezwungen wird, eine Volkswirtschaft in die Rezession zu treiben, dann werden die Steuern nicht fließen. Das haben wir in der NachDenkSeiten und das hat Heiner Flassbeck hier und an anderer Stelle immer vorhergesagt.
Interessant ist auch noch, dass die griechische Regierung sich wehrt. Im Artikel der FAZ (letzte Anlage unter Anlage 2) wird aus der Mitteilung des griechischen Finanzministeriums zitiert, dass die Herabstufung vollkommen ungerechtfertigt und unverständlich sei. Die „Entscheidung verrate mehr über die Verantwortungslosigkeit und die fehlerhaft ausgerichteten Anreize der Ratingagenturen als über die tatsächliche Lage sowie die Aussichten der griechischen Wirtschaft.“
Diese richtige Position wird Griechenland leider nicht helfen, solange in anderen Ländern so viele unverantwortliche Politiker, Wissenschaftler, Ratingagenturen und Journalisten versammelt sind und zusammenspielen. Ich persönlich glaube nicht, dass Menschen so blöd sein können, nicht zu begreifen, welches Spiel sie hier treiben. Deshalb denke ich, dass wir es mit einer der typischen Public-Relations-Maschen zu tun haben. Hier wird versucht, der Finanzwirtschaft wieder einmal massive Verdienste in die Taschen zu spülen. Außerdem wird das Spiel fortgesetzt, verschiedene Länder reihum zu so genannten Reformen zu veranlassen bzw. zu zwingen. Im konkreten Fall ist auch wieder von weiteren Reformen die Rede, obwohl zum Beispiel in dem Beitrag der FAZ berichtet wird, dass die Liberalisierung zum Beispiel im Transportwesen nicht zu der erhofften wirtschaftlichen Belebung geführt habe. Das ist das alte Spiel: wenn die Droge nicht wirkt, wird die Dosis erhöht
Positiv ist übrigens anzumerken, dass der EU-Währungskommissar Olli Rehn von dem gesamten Vorgang nicht begeistert ist. Das ist ein kleines Hoffnungszeichen, ein sehr kleines allerdings.
03.03.2011
Harvard-Ökonom über die Eurokrise
Dreifacher Staatsbankrott
Für Griechenland, Irland und Portugal prognostiziert US-Bestseller-Ökonom Kenneth Rogoff die baldige Insolvenz. Auch Spanien sei nicht weit davon entfernt. VON HANNES KOCH
Einen Ausweg über die Inflation wird es nicht geben: Die EZB beharrt auf Preisstabilität. Foto: imago/Ralph Peters
BERLIN taz | Wie viele angelsächsische Gelehrte hält Kenneth Rogoff witzige Vorträge mit hübschen Anekdoten. “Was sollen wir gegen die gigantischen Staatsschulden unternehmen?”, sei er kürzlich von Besuchern eines Vortrages gefragt worden, erzählte der ehemalige Chefökonom des Internationalen Währungsfonds. “Wahrscheinlich werden die Steuern steigen”, antwortete Rogoff. “Meine auch?”, so die Reaktion des Besuchers.
Ausmaß und Folgen der stark steigenden Staatsverschuldung in den USA und Europa seien den meisten Bürgern und Politikern nicht klar, erklärte Rogoff bei einem Vortrag am Mittwochabend im Bundesfinanzministerium. Dieses Defizit lasse sich aber schnell beheben, deutete der nicht uneitle Harvard-Ökonom augenzwinkernd an und projizierte das Cover seines aktuellen Bestsellers an die Wand des Saales: “Dieses Mal ist alles anders” analysiert die Geschichte der weltweiten Staatspleiten seit dem 14. Jahrhundert.
Eine Lehre daraus: Die Höhe der Schulden in vielen vermeintlich reichen Ländern hätten auch infolge der Finanzkrise mittlerweile Dimensionen erreicht, bei der in früheren Fällen eine Staatspleite, Inflation oder eine andere Form des Zahlungsausfalls eingetreten wäre.
Die gesamte öffentliche und private Verschuldung der USA Anfang 2010 bezifferte Rogoff beispielsweise auf rund 350 Prozent der dortigen Wirtschaftsleistung – etwa 55 Billionen US-Dollar (55.000 Milliarden). Um diese Summe zurückzuzahlen, müsste die USA-Bevölkerung also dreieinhalb Jahre ausschließlich für diesen Zweck arbeiten und dürfte nichts essen, trinken oder anderweitig konsumieren.
In Europa sieht es ein bisschen besser aus. Aber dass mindestens Griechenland, Irland und Portugal am Rande der Pleite stehen, ist für Rogoff klar. Dort sei es “unvermeidlich”, einen Teil der Schulden zu annullieren, also den berühmten Haircut anzusetzen. Das heißt: Die Investoren und Bürger, die Staatsanleihen dieser Länder gekauft haben, bekommen am Ende der Laufzeit der Papiere nicht 100 Prozent ihres eingesetzten Kapitals zurück, sondern vielleicht nur 50 oder 70 Prozent. Und auch Spanien sei vom Bankrott bedroht, so Rogoff.
Dabei kann die Entschuldung verschieden aussehen: Ein Staat erklärt offiziell seine Zahlungsunfähigkeit. Oder er rettet sich in die Inflation: Die jeweilige Notenbank toleriert eine höhere Geldentwertung, reduziert so aber nicht nur die Staatsschulden, sondern auch die privaten Vermögen. Diese Möglichkeit sei in Europa allerdings ausgeschlossen: Die Europäische Zentralbank nehme die Inflationsbekämpfung sehr ernst. Ein dritter Weg ist es, früher zugesagte öffentliche Ausgaben zu kürzen, etwa Renten.
Auf jeden Fall ein Schock
Eine offizielle Umschuldung, wie sie Rogoff für einige Euro-Staaten kommen sieht, sei in jedem Fall ein “Schock”. Denn nicht nur Banken verlören Geld, sondern auch Bürger, die Staatsanleihen besäßen. Weitere Folgen: teurere Kredite, weniger Investitionen, weniger Jobs.
Und was soll Europa jetzt tun? Griechenland, Irland und Portugal sofort in die Pleite schicken, Hilfe verweigern? Rogoff hielt sich zurück: “Ich bin Akademiker.” Taktische Ratschläge wolle er dem gespannt wartenden Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter nicht geben. Nur so viel: Je länger man warte, desto teurer werde es.
Und noch eine Schlussfolgerung seiner Forschungen wollte Rogoff platzieren: Er halte es für falsch, wenn, wie in der Finanzkrise geschehen, der Staat die Schulden bankrotter Privatinvestoren und Banken übernehme und garantiere. Denn das Ende sehe immer so aus: Irgendwann sei der Staat selbst pleite.
Quelle: TAZ
Moody’s senkt Bonitätsnote von Griechenland
Die Herabstufung der Kreditwürdigkeit Griechenlands beunruhigte die Börse nur kurze Zeit. Moody’s hat massive Zweifel an der Zahlungsfähigkeit von Hellas und setzte das hochverschuldete Mittelmeerland gleich um drei Stufen von Ba1 auf B1 herab.
Quelle: ARD
Moody’s stuft Griechenland um drei Noten ab
07.03.2011, 11:41 Uhr | dapd, dpa
Die Ratingagentur Moody’s hat die Kreditwürdigkeit von Griechenland um gleich drei Noten herabgestuft. Die Bonität sei von Ba1 auf B1 heruntergesetzt worden, teilte die Agentur mit. Die Bonität liegt damit noch unter Ramschniveau. Außerdem ist der Ausblick für das Rating negativ, was auf weitere Herabstufungen hindeutet. In Athen löste der Schritt Empörung aus: Moody’s liefere “keine objektive und ausgeglichene Schätzung der Situation”, erklärte das griechische Finanzministerium.
Quelle: T-Online
7. März 2011, 12:05, NZZ Online
Moody’s stuft Griechenland abermals herab
Status fällt unter Ramsch-Status – scharfe Reaktionen aus Athen
Die Ratingagentur Moody’s hat die Kreditwürdigkeit Griechenlands am Montag noch einmal um gleich drei Stufen von Ba1 auf B1 abgesenkt. Damit sinkt sie unter den Ramsch-Status. In Athen reagierte man ungehalten und forderte eine strengere Überwachung der Ratingagenturen. (…)
Quelle: NZZ
Moody’s reduziert die Bonitätsnote griechischer Schulden um drei Stufen
Empörte Reaktion der Regierung / Leichter Anstieg der Renditen auf Staatspapiere
gb./tens. FRANKFURT/ISTANBUL, 7. März. Die griechische Regierung hat am Montag ungehalten auf eine deutliche Herabstufung der Bonität ihrer Staatsschulden durch die Ratingagentur Moody’s reagiert. Die Agentur hatte ihre Bewertung (…)
(nicht frei verfügbar; abrufbar hier auf FAZ.net )