Wohl selten ist eine Weltkonferenz mit so wenig Hoffnung und Empathie vorbereitet worden wie die diesjährige Atomwaffensperrvertragskonferenz, die am 1. August in New York für vier Wochen Dauer beginnt. Hoffnungen auf ein Ergebnis, das auch nur in Ansätzen einer Evaluation und einer Umsetzung des Atomwaffensperrvertrages entspricht, sind gleich null. Selbst einer Initiative für ein Verbot des Ersteinsatzes wird kein Erfolg beschieden werden. Über Rüstungskontrolle oder gar Abrüstung brauchen wir erst gar nicht zu reden. Von Reiner Braun.
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Die Konferenz steht unter dem Eindruck des Krieges Russlands gegen die Ukraine, der immer wiederkehrenden Drohung mit einem möglichen Einsatz der Atomwaffe, der umfassenden Modernisierung aller Atomwaffen in allen Atomwaffenländern, der technologischen Entwicklung der Atomwaffen zu Gefechtsfeldwaffen (mini nukes) oder auch, genereller formuliert, der aggressiv ausgetragenen geostrategischen weltweiten Konfrontationen.
Ist es vorstellbar, dass angesichts von Militär- und Wirtschaftskriegen (und beides geht weit über den Ukrainekonflikt hinaus) über Rüstungskontrolle, atomwaffenfreie Zonen und Abrüstung ernsthaft verhandelt wird? Realistisch ist das nicht.
Die Akteure besonders aus dem Süden, die in Richtung Verhandlungen, Rüstungskontrolle und Abrüstung drängen könnten, sind leider politisch zu schwach, zu wenig koordiniert und auch immer noch mit zu wenig Eigeninitiativen. Erste Ansätze wie die Beteiligung an dem Atomwaffenverbotsvertrag (TPNW) sind noch keine eigenständige weltpolitische Rolle, vergleichbar der Rolle der nichtpaktgebundenen Staaten in den 60er/70er Jahren. Nur wenn zentrale Länder des Südens sich unabhängig von den USA und EU-Europa eigenständig und koordiniert formieren und zwar in enger Verbindung mit einer weltweiten aktiven Zivilgesellschaft für Abrüstung (an der es auch mangelt), ist ein friedenspolitischer Alternativansatz überhaupt denkbar.
Stattdessen sind wir damit konfrontiert, dass die Atomkriegsgefahr noch nie so hoch und so brandgefährlich war wie jetzt. Die „doomsday clock“ (Atomuhr) steht auf 100 Sekunden vor 12 und ist nur der zugespitzte Ausdruck des täglichen atomaren Wahnsinns. 100 Sekunden war vor dem Ukraine-Krieg!
Der Erfolg der Atomwaffenverbotskonferenz in Wien im Juni, gegen den Willen der Atomwaffenstaaten und der Länder mit nuklearer Teilhabe erfolgreich erstritten, zeigt nur erste Ansätze für eine alternative Atomwaffenabrüstungspolitik. Ja, es ist erfreulich, dass die Zahl der ratifizierenden Staaten steigt, dass das Engagement von Regierungen, Parlamenten und Zivilgesellschaften für den Vertrag zunimmt. Hervorzuheben ist sicher auch die Konkretisierung der Vertragsformulierungen und die Betonung der Gemeinsamkeiten für zukünftiges Handeln gegen die humanitären Folgen der Atomwaffen. Besonders erfreulich ist sicher die politische Einordnung des Atomwaffenverbotsvertrages (TPNW) in das Ringen um eine Politik der gemeinsamen Sicherheit.
All dieses ist aber noch keine weltpolitische Weichenstellung in Richtung Frieden.
Diese strategische Weiterentwicklung des humanitären Engagements zu einem politischen Alternativkonzept verdeutlicht, dass Sicherheit heute nur noch gemeinsam erreicht werden kann. Dabei ist die nukleare Abrüstung ein Kettenglied für kooperatives Handeln. Nur bei der Überwindung der politischen Konfrontation zwischen NATO und Russland bzw. USA und China sind auch wieder Schritte zur atomaren Abrüstung möglich. Deshalb sind auch Maßnahmen des Dialogs und der Vertrauensbildung zentral für eine Politik, deren langfristiges Ergebnis eine Welt ohne Atomwaffen sein soll. Das ist je das offiziell erklärte Ziel selbst der NATO-Staaten. Kooperation ist nicht nur zur Überwindung der dramatischen Atomkriegsgefahr zentral, sondern auch unabdingbarer Bestandteil, wenn die Klimakatastrophe noch abgewendet werden soll. Zurzeit steuern wir mit einer ungeheuren Dramatik auf die doppelte Katastrophe – die atomare und die klimatische – zu.
Um diese Zusammenhänge zu verdeutlichen und die gemeinsame Sicherheit als geostrategische Alternative zu diskutieren, veranstalten Friedensgruppen wie das „internationale Netzwerk Peace and Planet“ und das Internationale Friedensbüro (IPB) in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung ab 1. August in New York die internationale Konferenz zur „geostrategischen Unordnung und friedenspolitischen Perspektiven“.
Das IPB ist auf der NPT-Konferenz mit zwei Rahmenveranstaltungen ( zu Atomwaffen in Europa und zu den technologischen Herausforderungen eines neuen Wettrüstens) vertreten, um zu unterstreichen, dass die Abwehr der Atomkriegsgefahr eine zentrale Herausforderung für die weltweite Friedensbewegung ist. Dabei muss es um mehr Aufklärung und mehr Aktion gehen, um den medialen und politischen Kurs in Richtung wahnsinniger weiterer Hochrüstung und Krieg zu stoppen. Ein weltweiter sozialer und ökologischer sowie ökonomischer Tsunami ist die Folge, wenn diese Politik, für die zentral auch die atomare Aufrüstungspolitik der „P5“ (USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien), aber auch die der weiteren Atommächte sowie die Politik der NATO-Staaten steht, nicht gestoppt wird.
Die Atomwaffensperrvertragskonferenz kann deshalb vielleicht beitragen, die so notwendige weltweite „Koalition der Vernunft“ auf die Tagesordnung zu setzen.
Reiner Braun ist Executive Director des IPB
Titelbild: maradon 333 / Shutterstock