Hinweise des Tages (2)

Jens Berger
Ein Artikel von:

Heute unter anderem zu folgenden Themen: Guttenberg; US-Justiz geht gegen Schweizer Banker vor; Robert von Heusinger: Pakt für Löhne; VWL-Professoren über Europas Schuldenkrise; China attackiert den Dollar; Ungerechte Rente: Wer bis 67 arbeiten muss – und wer nicht; Krankes Renditedenken; Klaus-Peter Siegloch wird neuer Präsident des BDL; Parteispenden von EADS, Philip Morris und Krauss-Maffei: Bundestag lüftet Geheimnis nach mehr als einem Jahr; Stuttgart 21 – Der gezähmte Widerstand; Keine Kumpanei mit Despoten; Höhere Löhne helfen der gesamten Wirtschaft; Schleichwerbung in der Kita – Werbung zum Ausmalen; Deutschland ist Drehscheibe des internationalen Waffenhandels; Libyen; OVG legt kommunalen Finanzausgleich dem Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vor; Die Entführungslegende oder:
Wie kam Eichmann nach Jerusalem?; Bild-Werbung: taz-Anwalt gegen Ministerium (JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Guttenberg
  2. US-Justiz geht gegen Schweizer Banker vor
  3. Robert von Heusinger: Pakt für Löhne
  4. VWL-Professoren über Europas Schuldenkrise
  5. China attackiert den Dollar
  6. Ungerechte Rente: Wer bis 67 arbeiten muss – und wer nicht
  7. Krankes Renditedenken
  8. Klaus-Peter Siegloch wird neuer Präsident des BDL
  9. Parteispenden von EADS, Philip Morris und Krauss-Maffei: Bundestag lüftet Geheimnis nach mehr als einem Jahr
  10. Stuttgart 21 – Der gezähmte Widerstand
  11. Keine Kumpanei mit Despoten
  12. Höhere Löhne helfen der gesamten Wirtschaft
  13. Schleichwerbung in der Kita – Werbung zum Ausmalen
  14. Deutschland ist Drehscheibe des internationalen Waffenhandels
  15. Libyen: Siegen wollen
  16. OVG legt kommunalen Finanzausgleich dem Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vor
  17. Die Entführungslegende oder: Wie kam Eichmann nach Jerusalem?
  18. Bild-Werbung: taz-Anwalt gegen Ministerium

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Guttenberg
    1. Merkel spricht von KT-Comeback
      Die Kanzlerin preist Karl-Theodor zu Guttenberg und verteidigt ihr Verhalten in der Plagiatsaffäre. In der CSU wächst derweil der Groll über Guttenberg-Kritiker in der CDU – und es gibt leise Zweifel an der Rolle Merkels. Guttenbergs offenkundiges Lieblingsmedium berichtet von einer neuen Wohltat des Franken.
      Quelle: Süddeutsche Zeitung

      Anmerkung unseres Lesers V.M.: Gerade ist er weg, da wird in „Guttenbild“ & Co. schon unaufhörlich das Comeback befeuert! Und „Mutti“ ist sich für eine weitere Lobpreisung nicht für zu schade. Aus Trotz? Aus Angst die Fans des Lügenbarons als Wähler zu verlieren? Nach dem Motto: „ICH wollte ja nicht dass er geht!“… Noch mitten in der Affäre, die nun auch noch zur Strafsache werden dürfte, solche Töne loszulassen zeigt doch die ganze Uneinsichtigkeit und Charakterlosigkeit dieser Figuren…

    2. Was wird aus Guttenberg? Ab nach Amerika
      Lokalpolitik? Comeback in Berlin? Oder sogar Exportschlager? Momentan hat Guttenberg noch genug mit der Abwicklung der Plagiatsaffäre zu tun, doch für die Zeit danach tun sich neue Möglichkeiten auf. Amerika soll locken – und laut Experten wäre er da am besten aufgehoben. […] Wie das Magazin “Focus” berichtet, erwägt er einen Umzug mit seiner Familie in die USA. Dort soll ihm eine Consulting-Firma ein Angebot gemacht haben. Guttenberg wolle aber zunächst auf jeden Fall die Ermittlungen um seine Dissertation abwarten.
      Eine Zukunft im Ausland wäre jedenfalls die beste Alternative für den Freiherrn, wenn man einer Umfrage unter Headhuntern glaubt. Die “Financial Times Deutschland” hatte führende Personalberater nach den Aussichten für Guttenberg befragt. Ergebnis: Für die deutschen Chefetagen gilt er als Härtefall, aber im Ausland wäre er gut zu vermitteln.

      Quelle: Stern

    3. Wir wollen ihn wieder
      Die Treue der Guttenberg-Fans zu ihrem Kultpolitiker verrät einen irritierenden Wunsch nach einer Führerfigu (…)
      Statt Argumenten bevorzugen viele Facebook-Fans pauschale Beschimpfungen von Linken, Grünen, SPD, den Medien und sind offensichtlich nicht willens oder in der Lage zum Beispiel das politische Profil von Zeitungen wie der Bild und der FAZ zu unterscheiden. Das bedeutet, dass je nach der konkreten Sachfrage beispielsweise die FAZ auch einmal dem linken Lager zugeschlagen wird, das eine “Hetzkampagne” gegen Guttenberg inszeniert, oder auch eine “Hexenjagd”. Auf der anderen Seite kann auch die Bild-Zeitung zum Teil der Anti-Guttenberg-Verschwörung werden, wenn sie nicht dem Ideal der Fans entsprechend Guttenberg lobt – oder auch die Facebook-Gruppe nicht erwähnt.
      Das Bild der “Hetzkampagne” wird häufig bemüht, und die Tatsache, dass Guttenberg ja unabhängig davon betrogen und gelogen hat, nicht anerkannt oder verdrängt. Damit verbunden ist der Gedanke, es sei ja so typisch für Deutschland, dass ein Politiker, der einmal aufrecht ist/die Wahrheit sagt [sic]/Rückgrat beweist, von den Linken/den Medien zu Fall gebracht wird. Konkrete Fragen nach den politischen Leistungen Guttenbergs blieben von seinen Fans stets unbeantwortet.
      Quelle: Telepolis
  2. US-Justiz geht gegen Schweizer Banker vor
    Das US-Justizministerium will vier Banker mit internationalem Haftbefehl suchen lassen. Auch die Bank Credit Suisse muss offenbar mit einem Verfahren rechnen.
    Vier angeklagte Schweizer Anlageberater sollen sich dem Vorwurf der Beihilfe zu Steuerhinterziehung stellen. Kevin Downing, Anwalt beim US-Justizministerium, sagte, die Männer könnten davon ausgehen, dass sie auf die Interpol-Liste kämen und außerhalb der Schweiz mit ihrer Festnahme rechnen müssten. Laut der Anklage sollen drei ehemalige und ein noch bei der Großbank Credit Suisse beschäftigter Berater amerikanische Steuersünder ermutigt haben, ausländische Kreditkarten zu benutzen und Geld auf andere Banken im Ausland zu transferieren.
    Quelle: ZEIT

    Anmerkung Jens Berger: Vor dem Vorgehen der US-Justiz muss man in diesem Fall durchaus Respekt haben, obgleich es sich hier eigentlich um etwas ganz selbstverständliches handelt. Schweizer Banken betreiben weltweit Beihilfe zur Steuerhinterziehung – einer Tat, die in fast jedem Land – außer der Schweiz, versteht sich – eine schwere Straftat ist. Während die deutschen Behörden eine wirkungsvolle Strafverfolgung oft mit Mitteln unterbinden, die man eigentlich eher in einer Bananenrepublik erwarten würde http://www.vdw-ev.de/images/stories/vdwdokumente/aktuelles/jurybegruendung%20whistleblower-preis%202009.pdf, gehen die US-Behörden schon seit längerem recht rigoros gegen Finanzinstitute vor, die US-Bürgern bei der Steuerhinterziehung helfen. Das ist wichtig und richtig – internationale Haftbefehle sind wohl die einzige Sprache, die Schweizer Banker verstehen. Aus Recherchen für einen Artikel weiß ich, dass viele Schweizer Banker und Vermögensverwalter die USA nicht mehr betreten, da sie Angst haben, gleich bei der Einreise festgenommen zu werden. Wenn die USA ihren Kurs fortsetzten, werden diese Leute ihr Land nicht mehr verlassen können. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung. In Deutschland kann man von derlei Rigorismus jedoch nur träumen.

    Dazu:

    Millionäre bevorzugt
    Was für ein Leben: viel Geld verdienen, eine Villa am See besitzen – und die Gewissheit haben, dass das Finanzamt nur selten vorbeikommt. Nach Ansicht der Grünen reduzieren viele Bundesländer absichtlich die Zahl der Steuerprüfungen.
    Glaubt man erfahrenen Steuerfahndern, dann orientieren sich viele Spitzenverdiener bei der Wahl ihres Wohnorts aber keineswegs nur an persönlichen Vorlieben. Vielmehr ziehen sie auch in Betracht, wo sie am ehesten mit einer zuvorkommenden Behandlung durch das Finanzamt rechnen können. Nach Recherchen der Grünen haben viele Vermögende diese Oase der Ruhe längst gefunden: Hamburg.
    In keinem anderen Bundesland leben gemessen an der Gesamtzahl der Einwohner so viele Einkommensmillionäre wie in der Hansestadt. (…) Zugleich ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Villenbesitzer überraschend Besuch vom Steuerprüfer erhält, praktisch nirgendwo so gering wie in Hamburg: Nur fünf von 100 Einkommensmillionären wurden 2009 einer Sonderprüfung unterzogen. In Sachsen traf es dagegen 39 von 100 Spitzenverdienern, in Baden-Württemberg 38 und in Nordrhein-Westfalen immer noch 30.
    Für Gerhard Schick, den finanzpolitischen Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, sind die Zahlen nicht etwa Ausweis von Schlamperei in den Finanzämtern, sondern nur folgerichtig. “Gerade bei den Reichsten wird weggeschaut”, sagt er und liefert das mögliche Motiv gleich mit: Demnach will der Senat mit einem betont laschen Steuervollzug gezielt die Schönen und Reichen nach Hamburg locken – Standortpolitik durch Unterlassen gewissermaßen.
    Quelle: Süddeutsche Zeitung

  3. Robert von Heusinger: Pakt für Löhne
    Nur wenn es in Deutschland zu einer Umkehr bei der Lohnentwicklung kommt, also deutsche Löhne stärker steigen als etwa in Portugal, kommt Euroland aus der Krise. Deshalb muss der Mindestlohn unbedingt in den Wettbewerbspakt aufgenommen werden. Soll Euroland mehr Koordinierung erfahren, dann müssen die Verantwortlichen vor allem über die Veränderung der Mindestlöhne sprechen. Denn sie beeinflussen die ganze Lohnstruktur in der jeweiligen Wirtschaft. Dafür bräuchte Deutschland natürlich erst einmal einen gesetzlichen Mindestlohn.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  4. VWL-Professoren über Europas Schuldenkrise
    Mehr als 200 Wirtschaftsprofessoren haben namentlich über die Politik Europas in der Schuldenkrise abgestimmt. 90 Prozent sind gegen die derzeitigen Ansätze zur Euro-Rettung. FAZ.NET dokumentiert ihre Stellungnahme und die Abstimmung.
    Quelle: FAZ

    Dazu:

    Wolfgang Münchau – Ökonomen im Blindflug

    In Deutschland unterzeichneten letzte Woche nur 189 Ökonomen einen Brandbrief gegen die Aufstockung der europäischen Rettungsschirme. Fast jeder, der Rang und Namen hat, ist dabei. Das Signal sollte dasselbe sein wie 1981. Wenn so viele Ökonomen einen solchen Brief unterzeichnen, dann ist es mehr als nur eine Meinung. Es hat einen offiziellen Stempel. Es ist der Stand der Wissenschaft.
    Nur stimmt das leider nicht. Man kann natürlich darüber streiten, ob man eine europäische Fiskalunion will oder nicht, aber es gibt keine volkswirtschaftliche Theorie, die uns die weitere Vorgehensweise wissenschaftlich beantwortet. Hier spricht nicht die Wissenschaft. Hier sprechen 189 Ökonomen in ihrer Rolle als Homo politicus. Die politische Ökonomie und die Volkswirtschaft haben wichtige Beiträge zur Währungsunion geleistet. Aber es war doch eine der Lektionen der Krise, dass uns eine allgemeingültige Betriebsanleitung fehlt. Makroökonomie und politische Ökonomie der Währungsunion sind noch weitgehend unterentwickelt.
    Das konkrete Problem des Briefes ist sein etwas großzügiger Umgang mit den Fakten. Es ist absurd zu behaupten, der Rettungsschirm reiche in seiner jetzigen Größe aus für Spanien, Portugal und Irland. Diese Aussage basiert darauf, dass das Ökonomenplenum von zwei Berechnungsvarianten nur die erste, dramatischere berücksichtigte. Leider war dieses Zahlenspiel ein Kernargument. Auch ich würde die Aufstockung eines Rettungsschirms ablehnen, wenn ich ihn für angemessen hielte. Die Frage ist doch, wie verhalten wir uns, wenn das nicht der Fall ist? Die derzeitigen Rettungspakete und -schirme haben Platz für Griechenland, Irland und Portugal, und vielleicht auch noch für eine Rekapitalisierung des spanischen Bankensektors. Mehr ist nicht drin.
    Der allerschlimmste Fehler dieses Briefes ist aber nicht einmal dieser faktische Zahlenirrtum. Es ist die völlig unökonomische Argumentationsweise. Jeder drittklassige Buchhalter hätte besser als die Professoren ausrechnen können, wie viel Geld die vier betroffenen Staaten in den nächsten drei Jahren an den Kapitalmärkten aufnehmen müssen und wie groß der effektive Schutzschirm ist. Diese Zahlen sind öffentlich zugängliches Material. Was man von Volkswirtsprofessoren erwarten würde, sind Schätzungen über die nicht offensichtlichen Kosten. Da sind zum Beispiel die Kosten einer staatlichen Bankrekapitalisierung im Falle der von ihnen vorgeschlagenen Insolvenzlösung; oder die potenziellen Effizienzgewinne durch Strukturreformen. Stattdessen outeten sich 189 deutsche Ökonomen als numerische Finanzanalphabeten. – So wie ein Karl-Theodor zu Guttenberg seine Doktorarbeit unterzeichnete, entweder ohne sie bewusst geschrieben oder ohne sie gelesen zu haben, so haben 189 Wissenschaftler hier einen Brief unterzeichnet, den sie entweder nicht gelesen oder nicht verstanden haben. Ich würde mal annehmen, dass bei einem großen Teil der Herren der Druck der Peergroup ausschlaggebend war. Wie sähe es denn aus, wenn man sich gegen die geballte Macht seiner Kollegen stellt? In den USA feiert man exzentrische Ökonomen, nicht aber im konsensbesessenen Deutschland.
    Quelle: FTD

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ohne auf den offenen Brief oder auch den Kommentar von Münchau eingehen zu wollen, der sich gegen das Experiment Staatsinsolvenz ausspricht, ist es schon erstaunlich, ja sogar befremdlich, dass sich Wissenschaftler in so neuen Fragestellungen auf eine einheitliche Rezeptur einigen. Wahre Wissenschaft sieht anders aus. Wer sich für die Diskussion um diesen Brief interessiert, wird z.B. fündig auf:

    FTD
    Kantoos Economics
    Zeit Online

  5. China attackiert den Dollar
    Es ist eine unscheinbare Ankündigung, doch sie hat das Potential, das Machtgefüge auf dem Weltwährungsmarkt nachhaltig zu verändern: China stärkt die internationale Rolle des Yuan. Alle Exporteure und Importeure sollen noch in diesem Jahr die Geschäfte mit ihren ausländischen Partnern in Yuan abrechnen können, teilte die Zentralbank am Mittwoch in Peking mit. Damit werde auf die wachsende Bedeutung des Yuan als weltweite Reservewährung reagiert. “Die Marktnachfrage nach einer grenzüberschreitenden Verwendung des Yuan steigt”, erklärte die Zentralbank. Testweise wurde bereits im vergangenen Jahr 67.000 Unternehmen in 20 Provinzen erlaubt, ihre Auslandsgeschäfte in Yuan abzuwickeln. Das Handelsvolumen belief sich auf umgerechnet rund 56 Milliarden Euro.
    Jetzt soll die Yuan-Menge ausgeweitet werden, es sollen deutlich mehr Geschäfte in der chinesischen Währung abgewickelt werden – und weniger in der amerikanischen. Chinesische Unternehmen handeln zurzeit oft in Dollar, sie sind dadurch abhängig von den Entscheidungen der US-Notenbank Fed, zahlen bei einem steigenden Ölpreis drauf und müssen höhere Transaktionsgebühren als nötig berappen. Das soll sich jetzt ändern. Langfristig will die Volksrepublik sogar noch weiter gehen. Sie will den streng reglementierten Yuan schrittweise in eine frei konvertierbare Weltwährung aufbauen.
    Sollte der Dollar als Leitwährung abgelöst werden, drohen den USA weitreichende Konsequenzen. Bislang gilt die US-Währung als Weltreservewährung. Kommt es in anderen Ländern zu Krisen, schichten viele Anleger Kapital in den Dollar um. Amerika kommt dadurch stets leicht an Geld – zu niedrigen Zinsen. Sollte nun der Yuan zur Weltreservewährung werden, würde die Finanzierung des US-Haushaltsdefizits schwieriger und teurer.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist eine alte Geschichte, sozusagen ein Dauerbrenner, die Ablösung des Dollar als Weltreservewährung. Zuletzt fiel diese Rolle dem Euro zu, diesmal ist es der Yuan. Dabei ist noch gar nicht geklärt, ob die chinesische Regierung nicht einfach ihren Exportunternehmen mehr Handlungsfähigkeit einräumen möchte, indem sie diesen ein eigenes Währungsmanagement zugesteht. Gewiss ist dieses Zugeständnis auch ein Signal an die USA, dass diese zukünftig mit einem Bedeutungszuwachs des Yuan rechnen muss, aber der Aufbau zur Weltreservewährung ist an bestimmte Bedingungen geknüpft. Die erste Voraussetzung wäre die Freigabe des Renminbi, desweiteren müsste sowohl inländischen wie auch ausländischen Privaten die Möglichkeit eingeräumt werden, die Devisen zu kaufen.
    Quelle: NZZ

    Gerade angesichts der weltweiten Finanzkrise ist die Freigabe des Wechselkurses aber kaum zu erwarten, da die damit verbundenen Kapitalflüsse zu starken Wechselkursschwankungen führen können. China wird nicht so schnell interessierten Privaten die Möglichkeit einräumen, mit ihrer Währung zu spekulieren. So paradox dies ist, diese Möglichkeit ist aber eine Voraussetzung zum Aufstieg zur Weltwährung. So ist z.B. die Absicherung einer Währung innerhalb eines grenzüberschreitenden Handelsgeschäfts nun einmal mit einer Art Wette verbunden. Generell wäre die Möglichkeit einer Auswahl zwischen drei Weltreservewährungen, dem Dollar, dem Euro und dem Yuan, durchaus zu begrüßen, da die Fixierung auf den Dollar eine Art Freifahrtschein für die US-Regierung und ihre Zentralbank darstellt, bedenkenlos ihre eigenen Interessen durchsetzen zu können. Allerdings sollte das Wechselkursregime zwischen diesen Währungen nicht allein den Märkten überlassen werden.

  6. Ungerechte Rente: Wer bis 67 arbeiten muss – und wer nicht
    Gerne loben Politiker die Qualifikationen von älteren Arbeitnehmern: Ihre Erfahrungen seien unersetzlich für Unternehmen, ihre soziale Kompetenz unverzichtbar. Die von der Bundesagentur für Arbeit bezuschusste Altersteilzeit wurde deshalb gestrichen – die Politik wollte deutlich machen, dass ältere Arbeitnehmer wichtig sind.
    Quelle: ARD Panorama
  7. Krankes Renditedenken
    Das Gesundheitswesen in Deutschland leidet: Ärzte sind nicht mehr in erster Linie um das Wohl ihrer Patienten besorgt. Als Dienstleister müssen sie vor allem Gewinne erwirtschaften.
    Quelle: FTD
  8. Klaus-Peter Siegloch wird neuer Präsident des BDL
    Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) hat einen neuen hauptamtlichen Präsidenten. Die Wahl der Mitgliederversammlung fiel auf den 64 Jahre alten ZDF-Moderator Klaus-Peter Siegloch, der ab Juni den Gründungspräsidenten Dieter Kaden ablöst. Kaden hatte das Amt im Dezember 2010 neben seiner eigentlichen Funktion als Vorsitzender der Geschäftsführung der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH übernommen. Der studierte Diplom-Politologe Sieglich gewann große Bekanntheit als langjähriger Moderator des “heute-Journals”. Als Auslandskorrespondent arbeitet er seit vielen Jahren in den Vereinigten Staaten und leitet bis heute das ZDF-Studio in New York.
    Quelle: Verkehrsrundschau

    Anmerkung Jens Berger: Inwieweit ist eine leitende Lobbyistentätigkeit überhaupt mit der journalistischen Arbeit in einem öffentlich-rechtlichen Sender zu vereinbaren?

  9. Parteispenden von EADS, Philip Morris und Krauss-Maffei: Bundestag lüftet Geheimnis nach mehr als einem Jahr
    Etliche Millionen Euro sind den Parteien im Superwahljahr 2009 in die Kassen geflossen, doch von wem, das war bis jetzt ein gut gehütetes Geheimnis. Dieser Tage hat Bundestagspräsident Norbert Lammert die Rechenschaftsberichte der Parteien heimlich, still und leise ins Netz gestellt, und so lässt sich endlich die Frage beantworten: Welches Unternehmen, welcher Verband, welche Privatperson ist CDU, CSU, SPD, FDP, Grüne und Linke so verbunden, dass sie sie 2009 mit einer Großspende bedachte?
    Quelle: Abgeordnetenwatch
  10. Stuttgart 21 – Der gezähmte Widerstand
    Sie hatten es geahnt: Nach der Schlichtung durch Heiner Geißler würde nichts mehr so sein wie zuvor. Der Massenprotest gegen Stuttgart 21 ebbte ab, obwohl sich am Problem wenig geändert hat. Manche wollen weitermachen. Sie sagen: Uns bleibt nichts anderes übrig.
    Quelle: Tagesspiegel
  11. Keine Kumpanei mit Despoten
    Das Eingeständnis ist bitter: Die Sozialistische Internationale ist keine Stimme der Freiheit mehr. Der SPD-Chef Sigmar Gabriel fordert eine gründliche Reform. […]
    Wir Sozialdemokratien können durchaus bei uns selbst beginnen: Die SPD gehört zu den Gründerinnen der Sozialistischen Internationale (SI). Seit ihren Anfängen 1889 stand sie für den weltweiten Kampf für Freiheit, Demokratie und gegen Armut. Aber die SI ist schon lange kein Faktor mehr in der internationalen Politik. Sie lebt eigentlich nur von der Integrität ihrer Vorsitzenden. Heute ist es Giorgos Papandreou, dessen persönliche und politische Integrität über jeden Zweifel erhaben ist und der mit seinem Namen die SI am Leben erhält.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

    Anmerkung Jens Berger: Wie schnell Herr Gabriel gemerkt hat, dass die SI kein Hort der Freiheit ist. Da hätte er doch nur seine SI-Genossen Ben Ali und Mubarak fragen müssen. Ach nein, die wurden ja flugs in den letzten Wochen aus der SI herausgeworfen, als man ganz überraschend erkannte, dass sie wohl doch keine lupenreinen Demokraten waren.

  12. Höhere Löhne helfen der gesamten Wirtschaft
    Es kann nicht sein, dass sämtliche Risiken von den Arbeitnehmern getragen werden. Wir brauchen eine Trendwende bei den Löhnen. Ein Gastbeitrag von Gustav Horn
    Quelle: ZEIT
  13. Schleichwerbung in der Kita – Werbung zum Ausmalen
    Viele Kitas können sich kein Papier mehr leisten. Da helfen Unternehmen gerne aus und schicken Malbücher, Comics und Aufkleber – mit Markenlogos. […] “Kindergärten sind schlecht ausgestattet, vor allem Papier ist oft Mangelware”, sagt Ulf Lucas, Geschäftsführer von Blattwerk Media. Die Firma findet Sponsoren für Kindergärten und Grundschulen. […] Vierzehn Prozent aller Kindergärten in Deutschland befinden sich im Sponsoring-Pool der Vermittlungsfirma. Der Papiermangel wird hier mit Malbüchern und XXL-Malplakaten bekämpft. Neben den Wurstbärchen malen die Kinder die Heldinnen der Kindersendungen von Super RTL aus.
    Quelle: taz
  14. Deutschland ist Drehscheibe des internationalen Waffenhandels
    Deutschland spielt im internationalen Waffenhandel eine zentrale Rolle. Nach Informationen des SPIEGEL erteilten Behörden innerhalb weniger Jahre mehr als tausend Genehmigungen für den Transit von Kriegswaffen. Auch Waffenschmuggler nutzen offenbar die BRD als Umschlagplatz.
    Quelle: SPIEGEL Online
  15. Libyen
    1. Libyen: Siegen wollen
      Der Über-Scheich: Dass Gaddafi auch im Ausland verkündet, er sei Beduine und gerne mal ein Zelt aufschlägt, ist mehr als nur eine Grille. Um seine Diktatur mit den libyschen Traditionen zu versöhnen, muss er den komplizierten Beziehungsgeflechten der Stämme gerecht werden.
      “Wir erklären dem Bruder Muammar, dass er kein Bruder mehr ist. Wir sagen, er soll das Land verlassen.“ Der Satz hatte Gewicht. Er wurde Libyens Alleinherrscher Muammar al-Gaddafi vom Scheich der größten Stammesföderation des Landes entgegengeschleudert – in der größtmöglichen Öffentlichkeit, wie sie der Sender Al-Dschasira schafft. Der Satz brachte die Verachtung gegen den Diktator so deutlich aus, wie es in der traditionellen Bezugswelt der Stämme eben möglich ist. Scheich Akram al-Warfalli hat sich ja nicht gegen Gaddafi empört; das wäre eine Aktion von unten. Er hat ihn verstoßen, ein Verdikt von oben, ein Urteil mit absoluter Bedeutung. Es wurzelt in der Tradition der Stammesgesellschaft. Die Warfalla, denen zwischen einer halben und einer Million Libyer zugerechnet werden – die Quellen sind alles andere als eindeutig – sind in einem Land mit gerade sechs Millionen Einwohnern ein entscheidender Faktor.
      Quelle: Frankfurter Rundschau

      Anmerkung Orlando Pascheit: Man darf sich Stämme nach landläufiger Auffassung nicht als Nomadenstämme vorstellen. Sie sind in Libyen alle sesshaft geworden, allerdings prägen die traditionalen Stammesstrukturen weiterhin die libysche Gesellschaft, wenn man von “einer” Gesellschaft überhaupt sprechen kann. Der Nahost-Experte Hanspeter Mattes betont, dass die innerlibyschen Oppositionellen, die Exilopposition und selbst die Islamisten immer vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Stammeszugehörigkeit zu sehen sind.
      Quelle: Spiegel Online

      Er zieht sogar in Betrachtung, dass das Land in drei relativ autonomen Landesteilen, Cyrenaika, Tripolitanien und Fezzan zerfallen könne

      Letztlich sollten wir und darüber im Klaren sein, dass niemand das Land genau kennt, da es Journalisten oder gar Soziologen schlicht weg unmöglich war, die Entwicklung der libyschen Gesellschaft unter Gaddafi zu beobachten.

    2. Lucas Zeise – Gestützte Potentaten der Golfregion
      Auch in den Golfstaaten wollen aufmüpfige arabische Bürger ihre Monarchen stürzen. Das wird ihnen schwerfallen – denn dort sind die Herrscher dem Westen zu wichtig.
      Während der französische Staatspräsident seine Ministerin entließ, weilte der deutsche Christian Wulff am Golf. Beim Emir Hamad Bin Chalifa Al Thani von Katar, einer Halbinsel, die von Saudi-Arabien in den Persischen Golf hineinreicht und sehr viel Gas enthalten soll, sagte Wulff, niemand habe das Recht, auf die eigene Bevölkerung zu schießen, und meinte damit die libysche Polizei. Von Demokratie sprach Wulff lieber nicht. Das hätte den Emir verletzen können, denn der ist Monarch, nicht nur konstitutioneller, sondern ein richtiger. Wulff und Al-Thani sind sich funktionsmäßig zugetan. Al-Thani ist Großaktionär bei VW, Wulff vertrat vor seiner Tätigkeit als Präsident Deutschlands den Großaktionär Niedersachsen im Volkswagen-Aufsichtsrat. Auch lieben beide den Fußball.
      Quelle: FTD

      Anmerkung Orlando Pascheit: Der Gedanke, dass sich die Bevölkerung sich gegen Gaddafi Wende, da er sich westlichen Wünschen angepasst habe, ist eine sehr steile These. Grundsätzlich wäre zu fragen, ob die erdölfördernden Länder, egal unter welchem Regime, nicht darauf angewiesen sind, ihr Öl auf jeden Fall zu verkaufen. Dem Westen dürfte es daher eigentlich ziemlich egal sein, ob es ob er sein Erdöl von einem Monarchen bzw. einem Autokraten anderen Stils oder von einem Gottesstaat bezieht. Die einzige Frage die sich für den Westen realpolitisch stellt wie, hängt davon ab, ob ein Regime diese Einnahmen verwendet, um eine antiwestliche Außenpolitik zu betreiben.

    3. Obama spricht von Militärschlag
      Der US-Präsident schließt es nicht mehr aus, zur Not auch mit der US-Armee in Libyen einzumarschieren, um die Gewalt des Gaddafi-Regimes zu beenden. Zudem will er eine Luftbrücke einrichten, um Ägypter in ihre Heimat auszufliegen.
      Quelle: Frankfurter Rundschau
  16. OVG legt kommunalen Finanzausgleich dem Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz zur Entscheidung vor
    Die den Landkreisen gewährten sog. Schlüsselzuweisungen haben im Jahre 2007 nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz gegen den verfassungsrechtlichen Anspruch auf eine angemessene kommunale Finanzausstattung verstoßen. Deshalb hat das Oberverwaltungsgericht dem Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz die Frage vorgelegt, ob die Vorschriften des Finanzausgleichsgesetzes über die Ermittlung der Schlüsselzuweisungen mit der Verfassung für Rheinland-Pfalz vereinbar sind.
    Quelle: Ministerium der Justiz RP
  17. Die Entführungslegende oder: Wie kam Eichmann nach Jerusalem?
    Am 11. April 1961 begann in Jerusalem der Prozess gegen den Kriegsverbrecher Adolf Eichmann. Der israelische Geheimdienst Mossad hat ihn in Argentinien aufgespürt und entführt, so wird es seit Jahrzehnten berichtet. Der Eichmann-Prozess beherrschte dann monatelang die Schlagzeilen der Weltpresse. […] Nach jahrelangen Recherchen entpuppt sich allerdings die bisher kolportierte Geschichte mehr und mehr als eine konstruierte Legende. CIA, BND und Nachrichtendienste der sozialistischen Staaten wussten spätestens seit Ende der 50er-Jahre, wo Eichmann war und was er und seine Nazi-Kameraden in Argentinien trieben.
    Quelle: Deutschlandfunk
  18. Bild-Werbung: taz-Anwalt gegen Ministerium
    Normalerweise lässt die Bild und ihr Chefredakteur Kai Diekmann keine Chance aus, sich mit der taz anzulegen. Dasselbe gilt jedoch auch andersherum. Neuestes Kapitel im ewigen Zoff der beiden Blätter ist nun, dass die tageszeitung mit rechtlichen Mitteln gegen die Absicht des Bundesverteidigungsministeriums vorgeht, die neue Bundeswehrkampagne vorerst nur in der Bild zu schalten. In einem Unterlassungsbegehren fordert die taz von dem Ministerium “die begrenzte Werbung zu unterlassen”.
    Quelle: Meedia

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