„Unsere Botschaft ist, dass ihr den Sommer ohne Sorgen genießt sollt. Feiert, umarmt und küsst ohne Bedenken“ – so lautet die frohe Botschaft, mit der die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen ihren Landsleuten die neue nationale Corona-Strategie vorstellte. Maßnahmen wie Lockdowns oder eine Maskenpflicht schließen die Dänen auch für den Herbst und Winter aus. Zeitgleich warnt Karl Lauterbach in Deutschland vor einer schweren Welle und im Bundeskanzleramt denkt man laut über eine O-bis-O-Regel nach, mit der von Oktober bis Ostern die allgemeine Maskenpflicht wieder Einzug halten soll. Dänemark und Deutschland – wenn es um Corona geht, sind die in vielen anderen Dingen so gleichen Nachbarn grundverschieden. Von Jens Berger.
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“Wir haben gelernt und sind schlauer geworden” – dies ist der Kernsatz, mit dem Søren Brostrøm, Leiter des dänischen RKI-Pendants SSI, die neue dänische Corona-Strategie erklärt. Und was Brostrøm sagt, lässt jedem, der sich ernsthaft mit der Thematik auseinandergesetzt hat, das Herz höherschlagen.
Es habe sich gezeigt, so Brostrøm, dass die Impfstoffe es nicht schaffen, Neuinfektionen durch neue Varianten zu verhindern. Daher sei der Ansatz, neue Infektionen zu verhindern, zum Scheitern verurteilt und man könne und wolle deshalb auch gar nicht verhindern, dass die Menschen sich anstecken. Im Gegenteil. Man würde es „eher positiv“ sehen, wenn die Menschen sich anstecken und damit eine zusätzliche Immunität aufbauen.
Es habe sich jedoch auch gezeigt, dass die Impfstoffe einen guten Schutz vor schweren Krankheitsverläufen bieten. Daher erneuerte die dänische Regierung ihr Impfangebot an über 50-Jährige und Vorerkrankte. Menschen unter 50 Jahren bekommen demnach in Dänemark künftig noch nicht einmal eine Impfung auf Kosten des Steuerzahlers. Dies sei angesichts der neuen Varianten, die immer mildere Verlaufsformen haben, auch nicht nötig. Daher sollten die Dänen trotz der „kleinen Sommerwelle“ den Sommer genießen und müssten keine Sorgen vor dem Herbst haben. Regierungschefin Frederiksen schloss neue Maßnahmen daher auch aus und wünschte ihren Landsleuten viel Spaß bei Großereignissen wie dem Auftakt der Tour de France in wenigen Tagen und dem am Wochenende beginnenden Rockfestival in Roskilde: „Feiert, umarmt und küsst ohne Bedenken“. Wann hat man das jemals von einem deutschen Politiker gehört?
Schaut man sich die depressive Debatte in Deutschland an, kommen einem diese Worte aus dem Norden so vor wie aus einer besseren Parallelwelt. Am 1. Juli werden sich die Gesundheitsminister von Bund und Ländern treffen und ihre Corona-Strategie für den Herbst beraten. Grundlage dafür soll ein Gutachten des Sachverständigenrats sein, der die Wirksamkeit verschiedener Maßnahmen während der letzten Winterwelle evaluieren sollte. Dabei ist bereits klar, dass eine solche Evaluation aufgrund fehlender Daten gar nicht möglich ist.
So ist in Deutschland auch nicht die Rede vom Feiern, Umarmen und Küssen, sondern von neuen Maßnahmen wie der Einführung einer Maskenpflicht in Einzelhandel, Gastronomie und wohl auch Schulen von Oktober bis Ostern. Ob die G-Regeln zum Ausschluss Ungeimpfter wiederkehren, ist noch nicht absehbar, aber auch keinesfalls auszuschließen. Schließlich scheint es das höchste Bestreben der Corona-Strategie zu sein, die Menschen zur Impfung zu treiben, und da im Herbst ein Großteil der Bevölkerung seinen Status als Geimpfter oder Genesener verloren hat und die allgemeine Impfpflicht politisch wohl nicht durchsetzbar ist, erscheint eine Neuauflage der G-Regeln sogar wahrscheinlich.
In Dänemark hat man gelernt, in Deutschland zeigt man sich lernresistent. So bitter es ist, jedes Volk bekommt offenbar die Corona-Politik, die es verdient. Während in Dänemark bereits im Januar nach Aufhebung der Maskenpflicht die Maske binnen Tagen nahezu vollkommen aus dem Straßenbild verschwunden ist, sieht man selbst bei über 30 Grad im Schatten hierzulande noch viele Menschen aller Altersklassen, die freiwillig ihre Masken tragen – oft sogar unter freiem Himmel. Offenbar ist das Vertrauen in die alarmistischen Medien immer noch groß. Wer Angst sät, wird sie auch bekommen. Da haben es die Dänen besser.
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