Hinweise des Tages
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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:
- “Negatives Bild von Leitmedien ist doch nicht unsere Schuld”
- Erst Folter, jetzt Auslieferung. Der Fall Assange ist ein bitterer Denkzettel für die Demokratie!
- Sind die USA auf dem Weg zum Unrechtsstaat?
- Zwei Betrachtungen zur US-Wirtschaftspolitik
- “Die russischen Oligarchen wurden vom Westen bislang immer gehegt, gepflegt und gepampert”
- Der SPD-Vorsitzende zu unserem Anteil an Russlands Einmarsch in die Ukraine
- Debatte um Steuererhöhung: Bayaz-Vorschlag zum “Kriegssoli” wird heftig diskutiert
- Parteitag der Linkspartei: Abschied einer Überflüssigen
- Vorsicht bei (Covid-)Studien, die nur beobachten
- Wie viele Impfungen sind wirklich nötig? Virologe Streeck testet 16.500 Bürger auf Antikörper
- Feuerwehrmänner attackieren Lauterbach: „Wir haben alle bis zum Umfallen gearbeitet“
- Neue Erkenntnisse spielen für Verfassungsgericht keine Rolle
- Bundesregierung verweigert Antwort zu NSO Pegasus
- Ein Datenfriedhof namens Bildungsbericht
- Miese Arbeitsbedingungen bei Subunternehmen
- Moshe Zuckermann zum documenta-Skandal: „Ein typisch deutscher Eklat“
- Massenpsychologische Aspekte der Psychologischen Kriegsführung
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- “Negatives Bild von Leitmedien ist doch nicht unsere Schuld”
Albrecht Müller über Vorwürfe gegen sein Portal Nachdenkseiten, die Polarisierung der Medien und darüber, wie bundespolitische Netzwerke in die Debatte eingreifen
Herr Müller, Wir haben für dieses Interview eine Arbeit des Projektes “Gegneranalyse” zu Ihrem Portal, den Nachdenkseiten vorliegen. Das Projekt “Gegneranalyse” ist bei einem Thinktank mit dem Namen Institut Liberale Moderne angesiedelt, darüber sprechen wir später noch. Der Autor Markus Linden von der Universität Trier kommt in seinem Papier zu dem Schluss, Sie betrieben ein “Querfront-Medium”. Wie haben Sie diese Studie wahrgenommen? Ich gehe ja davon aus, dass Sie sie gelesen haben.
Albrecht Müller: Ich muss gestehen, dass ich sie nicht ganz gelesen habe, weil sie nur schwer lesbar ist. Der Autor stellt lauter Behauptungen auf, die nicht belegt werden. Und das auf 20 Seiten voller Anmerkungen, das ist wirklich eine schwere Zumutung, zumal eine schräge Behauptung auf die nächste folgt. Ich halte diese sogenannte Studie daher für ein wirkliches Machwerk. Am meisten stört mich dabei, dass es steuerfinanziert ist, dass ich also als Steuerzahler in Rheinland-Pfalz das mitfinanziere, was ein Professor in Trier, also auch in Rheinland-Pfalz, auftragsgemäß zu Papier gebracht hat.
Sprechen wir über die Inhalte. Es heißt in dieser Arbeit, bei den Nachdenkseiten, die jetzt schon einige Jahre online sind, handele es sich um einen “stark ideologisiertes, undifferenziert argumentierendes Medium”. Nehmen Sie diese Kritik an?
Albrecht Müller: Was ist denn ideologisiert? Da fängt es schon an. Wegen solcher unscharfen Begriffe habe ich Schwierigkeiten, diesen Text zu lesen. Ich stolpere schon über diesen ersten Punkt: Was ist ein ideologisches Medium? Gleiches gilt für den Vorwurf der undifferenzierten Argumentation. Weshalb sollen wir uns diese Etiketten anheften lassen?
Wir haben jeden Tag 200.000 Besucher und diese Besucher, die die Nachdenkseiten finanzieren und diese Behauptung offenbar überhaupt nicht teilen. Sie lesen die Nachdenkseiten gerne, schätzen sie und fördern sie, weil sie uns für differenziert halten, weil sie uns für faktenbasiert halten. Wie soll ich da ernsthaft solchen Behauptungen des Autors Markus Linden begegnen?
Quelle: Telepolisdazu: “Gegneranalyse”: Zu einer “Fallstudie” über die Nachdenkseiten
Politologe Markus Linden kommt in Arbeit zum Onlineportal zu wenig schmeichelhaften Resultaten. Methodik lässt Autor jedoch schlecht dastehen. Umfeld der Studie wirft Fragen auf.
Im Rahmen des Projektes “Gegneranalyse” vom “Zentrum Liberale Moderne” liegt eine erste Fallstudie vor. Das 2017 von den (ehemaligen) Grünen-Politikern Marieluise Beck und Ralf Fücks gegründete “Zentrum Liberale Moderne” wird nach eigenen Angaben unterstützt vom Bundesfamilienministerium, von der Bundeszentrale für politische Bildung und vom Bundesprogramm “Demokratie leben!”.
In jenem Text widmet sich der Autor Markus Linden, der laut Universität Trier dort als außerplanmäßiger Professor für Politikwissenschaft tätig ist, dem Medium Nachdenkseiten. Hier soll aus einer kommunikationswissenschaftlichen Sicht diese Fallstudie kurz diskutiert werden.
Laut Linden zeigt sein Text, dass es sich bei den Nachdenkseiten (Abkürzung: NDS) um ein “stark ideologisiertes, undifferenziert argumentierendes Medium” handele, welches “radikale Widerständigkeit” postuliere und “als Scharnier für verschwörungstheoretisches Denken” fungiere. Bei bestimmten Themen reihe sich die Plattform “bewusst in eine fundamentaloppositionelle Querfront ein.” Man folge bei den Nachdenkseiten einer “Destruktionslogik”, die aber als kritische Dekonstruktion ausgegeben werde.
Das Onlineportal bleibe dabei jedoch, schreibt Linden, politisch “klassisch links” verortbar, was z.B. Abgrenzungen zu “Fremdenfeindlichkeit” (sic!) oder aber die Wirtschaftspolitik betreffe. Es verbreite “die Ideologie” meist nicht mit klaren “Fake News”, sondern “mittels einer auf Halbwahrheiten und instrumenteller Pauschalkritik fußenden Methodik”. Journalistische Grundansprüche würden dabei verfehlt, schreibt Linden, ohne das näher zu belegen oder zu begründen.
Diese zumindest oft fehlenden Belege oder auch fehlenden sachlichen Begründungen erscheinen insgesamt als ein Hauptmangel des Textes. In starker Verallgemeinerung heißt es ebenso ohne weitere Argumente: “Auf den Nachdenkseiten wird dementsprechend mit bloßen Unterstellungen gearbeitet”. Im Verbund mit anderen so genannten “Alternativmedien” betrieben die Nachdenkseiten vor allem das, was sie vorgeblich kritisierten: “einseitige Meinungsmache”.
Angesichts vieler deutlicher und stark negativ wertender Formulierungen nicht nur in der Vorab-Zusammenfassung des Textes von Linden bleibt die Frage, inwieweit seine eigene Publikation als einseitig kritisiert werden kann.
Quelle: Telepolisdazu auch: Gegneranalysten & Volksverpetzer
In Deutschland gilt die Pressefreiheit. Alle Medien haben das Recht auf die ungehinderte Ausübung ihrer journalistischen Tätigkeit. Eine Zensur findet nicht statt.
Hinter den Kulissen jedoch tobt ein Krieg. Transatlantische Platzhirsche hüten die angestammte Deutungshoheit wie ihren Augapfel. Abweichler und Emporkömmlinge werden von ihnen bekämpft. Bei wirklich hartnäckigen Widersachern wird die Pressefreiheit dann plötzlich sehr lästig. Man kann sie weder mundtot machen, noch sie einfach verbieten!
Also spricht man ihnen einfach jegliche journalistische Haltung ab. Dies gerne aus dem Hinterhalt und mit selbst in Auftrag gegebenen Studien. Und am liebsten auf Kosten der Steuerzahler.
Quelle: InfraRot – Sicht ins Dunkel via YouTube - Erst Folter, jetzt Auslieferung. Der Fall Assange ist ein bitterer Denkzettel für die Demokratie!
Der Fall von Wikileaks-Gründer Julian Assange und Whistleblowerin Chelsea Manning ist vor allem eins: ein großes rotes Warnschild für alle Journalist:innen und Whistleblower:innen, sich nicht mit den Falschen anzulegen. Die Falschen sind in diesem Fall die USA, aber die Warnung gilt weltweit. Es geht um die Frage, was mit Menschen passiert, die sogenannte Staatsgeheimnisse verraten, um Unrecht aufzudecken. Als Staatsgeheimnisse gelten sensible Informationen, deren Veröffentlichung einem Land massiv schaden könnten, weshalb es strafbar ist, sie öffentlich zu machen. Investigativer Journalismus ist dafür da, das öffentliche Interesse an einer Enthüllung zu prüfen und mit möglichen Schäden abzuwägen. Er muss ans Licht bringen, was andere lieber im Giftschrank verschwinden lassen würden. Das ist sein Dienst an der Demokratie.
Julian Assange soll jetzt genau dafür an die USA ausgeliefert werden: Mit der von ihm gegründeten Plattform Wikileaks hat er im Jahr 2010 geheime Dokumente der USA veröffentlicht. Die Frage, ob er nun im eigentlichen Sinne Journalist ist, darf dabei keine Rolle spielen. Er hat wie ein Journalist gehandelt, Recherche und Veröffentlichung von Journalist:innen begleiten lassen, darunter Teams des Guardians und des Spiegels. Hunderttausende Dateien über die Einsätze des US-Militärs im Irak und in Afghanistan gelangten an die Öffentlichkeit, zeugen von Folter in Hunderten Fällen. Das berühmt gewordene Video »Collateral Murder« belegt die Tötung von Zivilisten. Es zeigt US-Soldaten dabei, wie sie im Jahr 2007 18 Menschen in der irakischen Hauptstadt Bagdad von einem Hubschrauber aus erschießen, darunter 2 Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters. Ein mutmaßliches Kriegsverbrechen, das bis heute nicht geahndet wurde.
Quelle: Perspective Daily - Sind die USA auf dem Weg zum Unrechtsstaat?
Was passiert, wenn der Putsch-Anführer Trump straffrei bleibt und die ihm ergebenen Republikaner die nächsten Wahlen gewinnen? Das dünne Eis der US-Demokratie könnte brechen.
Die Anhörungen des Untersuchungsausschusses zum versuchten Staatscoup zeigen, dass eine Verschwörung von oben stattfand, aus dem Machtzentrum der Vereinigten Staaten, dem Weißen Haus. Der neu gewählte US-Präsident Joe Biden von den Demokraten sollte gewaltsam an der Amtsübernahme gehindert werden.
Die Erstürmung des Kapitols am 6. Januar 2021 war keinesfalls ein spontaner Gewaltausbruch rechtsradikaler Milizen wie den Proud Boys. Sie wurde vom abgewählten Präsidenten Donald Trump und seinem Kreis initiiert und befeuert: mit Lügen über “geklaute Wahlen”, Aufrufen zu Gewalt und Drohungen gegenüber Amtsträger:innen, das Wahlergebnis zu fälschen. Die Demokratie stand auf der Kippe.
Wir haben bei den bereits fünf Anhörungen auf dem Kapitol erleben können, wie brutal sich die Aufständischen und Rechtsterroristen den Weg bahnten. Sie wollten die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Palosi (Demokraten) ergreifen und den Vizepräsidenten Mike Pence (Republikaner) hängen, weil er den Befehlen Trumps nicht folgte, die Wahlen zu annullieren. (…)
Mit einer Mehrheit auf dem Kapitol können und werden die Republikaner alle Gesetze der Biden-Regierung verhindern. Das wird die Demokraten als “lahme Enten” politisch und medial schwächen und die Chancen für die Republikaner, wieder ins Weiße Haus zu ziehen, deutlich erhöhen. Trump steht schon in den Startlöchern.
Der Untersuchungsausschuss zum Sturm aufs Kapitol ist wichtig. Er schafft Öffentlichkeit für den gewaltsamen Angriff auf die US-Demokratie bei der Machtübergabe im letzten Jahr, angeführt von Trump, im Schlepptau die Republikaner. Das ist gut. Aber es könnte auch nach hinten losgehen.
Was ist, wenn die, die die Verschwörung geplant und befeuert haben, sich nicht vor Gericht verantworten müssen; wenn nur einige Gewalttätige als Sündenböcke ihre gerechte Strafe erhalten? Was ist, wenn der, der hinter dem Coup als Strippenzieher und Anstachler steht, mit seiner politischen Entourage wieder ins Weiße Haus einzieht und die Partei, die dem putschenden Ex-Präsidenten und Westentaschen-Diktator weiter die Treue hält, die nächsten Wahlen gewinnt?
Dann drohen die USA nicht nur außenpolitisch zu einem Unrechts- und Schurkenstaat zu werden, der Völker- und Menschenrecht nach Belieben brechen darf. Dann könnte im eigenen Land das dünne demokratische Eis vollends zerbrechen und Rechtlosigkeit und Machtwillkür die Gesellschaft verschlingen.
Quelle: TelepolisAnmerkung J.K.: Ein typisches Ablenkungsmanöver, als ob Trump allein für totalitäre Entwicklungen im Wertewesten stehen würde. Da sollte man, etwa vor dem Hintergrund des Corona-Regimes oder des Umgangs mit Julian Assange, lieber vor der eigenen Haustüre kehren. Und die USA sind nicht auf dem Weg in einen Unrechtsstaat, sie sind ein Unrechtsstaat. Im amerikanischen “War on terror” werden sämtliche Grund- und Menschenrechte seit langem mit Füßen getreten.
- Zwei Betrachtungen zur US-Wirtschaftspolitik
Die Institutionalisierung der Rentenextraktion ist so erfolgreich, dass es keine Partei oder wirtschaftliche Wählerschaft gibt, die die für einen industriellen Aufschwung erforderlichen Maßnahmen fördert. Doch die Führung der Demokratischen Partei, die die Wirtschaft einem Sparplan im Stile des IWF unterwirft, wird die Zwischenwahlen im November zu einem einzigartigen Ereignis machen. Die Rolle der Fed, der Wirtschaft leichtes Geld zur Verfügung zu stellen, um der regierenden Partei zumindest die Illusion von Wohlstand zu geben, wurde aufgegeben, und das Biden-Regime setzt auf ein Sparprogramm.
Die Identitätspolitik der Demokratischen Partei richtet sich an fast alle Identitäten außer an die der Lohnempfänger und Schuldner. Die Absicht, die Löhne zu senken, die Hypotheken und Kreditkartenkredite zu verteuern und die Versprechen für den Erlass von Studentenschulden zu brechen, sieht nicht nach einem Programm aus, das viele Wähler anziehen kann, zumal die Regierung Geld in die Ukraine steckt.
In früheren Zeiten hatte die Arbeiterklasse Champions. Heute werden ihre Interessen kaum noch beachtet. (…)
Die Aktien- und Schuldenmärkte (Aktien und Anleihen) steigen mit der Liquidität und sinken, wenn die Liquidität eingeschränkt wird. Höhere Zinssätze werden als Einschränkung der Liquidität angesehen. Daher fallen die Aktien- und Anleihekurse. Ihr Rückgang verringert das Papiervermögen. Er führt zu Verlusten bei den Rentenfonds und gefährdet damit die Aussichten der Rentner. Der Vermögensverlust verringert die Konsumausgaben. Dies ist neben den höheren Verbraucherpreisen ein weiterer Faktor, der die Konsumausgaben einschränkt und damit die Wirtschaft in eine Rezession stürzt.
Die offene Frage ist, ob die großen Banken jetzt stark genug sind oder ob sie durch den Rückgang der Papiervermögen gefährdet werden. Vor einigen Jahren versuchte die Fed eine Straffung der Geldpolitik und musste den Versuch aufgeben. Dieses Mal könnte die Fed dabei bleiben. Die herrschende Elite hat beschlossen, dass Biden gehen muss. Inflation und Arbeitslosigkeit sind effiziente Mittel für die Geldelite, um einen Präsidenten loszuwerden. Die Fed ist natürlich die Dienerin der Geldelite.
Die Schwächung der US-Wirtschaft begann mit der Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland. Arbeitsplätze mit hoher Wertschöpfung und hoher Produktivität wurden zu weitaus niedrigeren Kosten ins Ausland verlagert, wodurch die Gewinne und Aktienwerte der Offshoring-Unternehmen stiegen, das Einkommenswachstum der arbeitenden Bevölkerung jedoch sank. Der “Globalismus” war ein Deckmantel für diese Vernachlässigung der amerikanischen Arbeitnehmer und der Steuerbasis der Städte und Staaten, die, um zu überleben, damit begannen, öffentliche Vermögenswerte an private Interessen zu verkaufen. Die Frage, die sich den USA stellt, ist, wie sich ein Land erholen kann, das so viele seiner eigenen einkommensstarken Arbeitsplätze in die Wirtschaft anderer Länder verlagert hat. Soweit ich das beurteilen kann, hat die westliche Welt wirtschaftlichen Selbstmord begangen.
Quelle: Michael Hudson und Paul Craig Roberts in Antikrieg - “Die russischen Oligarchen wurden vom Westen bislang immer gehegt, gepflegt und gepampert”
Heiner Flassbeck über russische Oligarchen, das Scheitern von Demokratisierung und Aufbau im postsowjetischen Raum sowie die Verantwortung des Westens
Herr Flassbeck, in den vergangenen Wochen hat die Europäische Union mehrfach russische Oligarchen sanktioniert. Was ist ein Oligarch und gibt es eigentlich auch deutsche, französische oder US-Oligarchen?
Heiner Flassbeck: Oligarchen im eigentlichen Sinne vielleicht nicht, aber es gibt Monopolisten im Westen, die mindestens so problematisch wie die Oligarchen sind. Was mich doch sehr erstaunt: Warum hat man die Oligarchen 30 Jahre lang in Ruhe gelassen und im Westen sogar als Marktlösung gefeiert, und warum verfolgt man sie jetzt gerade? Ist die Tatsache, dass es sich um russische Bürger handelt, plötzlich schon hinreichend für eine Verfolgung?
Die Sanktionen hatten begrenztem Erfolg, wie Presserecherchen zeigen. Sie haben schon vor Wochen in einem Dreiteiler beschrieben, wie der Aufstieg der Oligarchen mit der westlichen Russland-Politik zusammenhängt, die im Kern nach dem Ende der UdSSR auf eine Marktliberalisierung hingewirkt hat. Kämpft Brüssel gegen das Resultat der eigenen, der westlichen Politik?
Heiner Flassbeck: Ja, der Westen ist im Kern verantwortlich für das, was in ganz Osteuropa seit dreißig Jahren geschehen ist. Da ist es mehr als verwunderlich, dass man 30 Jahre nach dem Übergang von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft jetzt eine “Systemrivalität” auch mit China ausruft. Das zeigt nur, dass die Verantwortlichen in Brüssel und Berlin überhaupt keinen Plan haben.
Sie sehen eine entscheidende Rolle im Modernisierungsprozess, der vom Westen forciert wurde.
Heiner Flassbeck: Der ganze Modernisierungsprozess, vorwiegend in Russland, war eine schlichte Katastrophe – angeleitet vom Westen, vom Internationalen Währungsfonds, das muss man immer bedenken. Dazu gehört ohne Zweifel der Privatisierungsprozess, der unter den Augen und unter der Aufsicht des Westens abgelaufen ist. Und jetzt, nach 30 Jahren, entdeckt man auf einmal, dass die Nutznießer dieses Prozesses vielleicht keine weiße Weste haben? Das ist schon eine lange Erkenntnis-Verzögerung.
Hinzu kommt, dass die russischen Oligarchen vom Westen bislang gehegt, gepflegt und gepampert wurden. Man hat ihnen all die schönen Produkte verkauft: die Luxusuhren, die Yachten und was weiß ich noch was. Und jetzt auf einmal sagen fast alle unisono: “Ach, das könnten ja Verbrecher sein.” Der Westen macht sich mit seiner Doppelmoral im Moment weltweit unglaublich lächerlich.
Quelle: Telepolis - Der SPD-Vorsitzende zu unserem Anteil an Russlands Einmarsch in die Ukraine
Der gegenwärtige SPD-Vorsitzende hat am 21. Juni 2022 eine bemerkenswerte Grundsatzrede gehalten. Im Schwerpunkt ging es dabei um Deutschlands zukünftige Rolle in der Welt und um die Sicherheitspolitik Deutschlands und der EU im Besonderen.
Klingbeil ist jetzt 44 Jahre alt. Er gibt seine Stationen des Miterlebens von sicherheitspolitischen Schlüsselmomenten in sympathischer Weise so kund:
„Ich 11 Jahre alt war, fiel die Mauer in Berlin und der Kalte Krieg war vorbei. … Als ich mit 23 Jahren für ein Praktikum in New York war, habe ich die Anschläge 9/11 in dieser großartigen Stadt hautnah miterleben müssen. … Und jetzt: der 24. Februar 2022. … Heute bin ich 44 Jahre alt. Als Parteivorsitzender der SPD trage ich Verantwortung.“
Mit anderen Worten: Er und die Vertreter seiner Generation haben kaum eigene Erfahrungen mit Vorgängen, die sich in Dezennien abspielen. Der Leser fragt sich: Wie kann man dann einer geschichtlichen Verantwortung gerecht werden? Die Antwort ist einfach: Indem man sich der Geschichte vergewissert, durch Lektüre oder Erzählungen der Altvorderen.
Tut das Lars Klingbeil?
Quelle: Blog der Republik - Debatte um Steuererhöhung: Bayaz-Vorschlag zum “Kriegssoli” wird heftig diskutiert
“Warum nicht so etwas wie einen Kriegssoli in so einer schwierigen Zeit”, fragte Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) am Donnerstagabend in der SWR-Sendung “Zur Sache Baden-Württemberg”. Die Ampel habe in ihrem Koalitionsvertrag zwar Steuererhöhungen ausgeschlossen. Aber wenn diese Krise mal vorbei sei, müsse die Frage beantwortet werden, wer die Rechnung für die Hilfspakete und das Sondervermögen für die Bundeswehr bezahle. Das gehe nur mit Steuererhöhungen. “Da kommt man am Ende des Tages nicht drumherum”, so der Grünen-Politiker. (…)
Bayaz betonte, es müsse dabei auch die Frage nach Steuergerechtigkeit gestellt werden. Eine Wiedereinführung der Vermögensteuer lehnt er – anders als die Grünen im Bund – als zu aufwendig und bürokratisch ab. Da habe Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) mit seinen Bedenken nicht ganz Unrecht.
Quelle: SWRAnmerkung Christian Reimann: Bisher ist stets betont worden, Deutschland befinde sich nicht im Krieg. Wer nun über einen „Kriegssoli“ diskutiert, unterstellt offensichtlich eine deutsche Beteiligung am Kriegsgeschehen in der Ukraine.
Anmerkung J.K.: Es wird immer irrer. Und wer fordert so etwas, natürlich ein grüner Finanzminister. Und natürlich lehnt Bayaz eine Vermögenssteuer ab. Aber es war so was von klar, dass für die aberwitzige Aufrüstung wieder einmal die lohnarbeitende Bevölkerung bluten muss, während die zusätzlichen Steuermilliarden in die Kassen der Rüstungsindustrie und damit in die Taschen der herrschenden Oligarchie fließen sollen.
dazu auch: Mohamed Ali: Grüne “Bettvorleger der Rüstungsindustrie”
Die Linken-Politikerin kritisiert die Grünen scharf. Ihre Partei setze sich dafür ein, dass Deutschland keine schweren Waffen nach Kiew liefere.
Die Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Amira Mohamed Ali, hat zum Beginn des zweiten Tags beim Linke-Bundesparteitag die Grünen für ihre Haltung zum Ukrainekrieg hart angegriffen. Die Grünen seien als “Bettvorleger der Rüstungsindustrie gelandet” und hätten kein Rückgrat, sagte Mohamed Ali am Samstag in Erfurt. Die Linke stehe dafür, dass sich der “schreckliche Angriffskrieg Putins” nicht ausweite und so schnell wie möglich beendet werde. In diesem Sinne handele die Bundesregierung aber nicht, die auch schwere Waffen liefere.
Quelle: t-online - Parteitag der Linkspartei: Abschied einer Überflüssigen
Eigentlich wollte sich diese Partei neu erfinden. Dafür war die Dekoration auch nicht mehr rot, sondern neuerdings regenbogenfarben. Heraus kam aber eine Mischung aus Unterwerfung und Halbherzigkeit, die keine Antworten auf die tatsächlichen Probleme zu bieten hat. (…)
Wenn ich Parteitagsreden lausche, zumindest bei der Linken, läuft in meinem Kopf immer eine andere Rede mit, die all das beinhaltet, was hätte gesagt werden müssen. Diesmal war sie so laut, dass es schwierig war, den anderen zuzuhören. Schließlich ist die Lage des Landes kritisch. Die Inflation steigt in ungekannte Höhen, die Sanktionspolitik droht wirkliches Elend auszulösen, und nicht zuletzt stellt sich die Frage, ob der stürzende Hegemon USA schnell noch die Menschheit mitreißen kann. Die Ansprüche an Konformität, die gestellt werden, um sich in Deutschland überhaupt noch äußern zu dürfen, verschärfen sich immer weiter, erst bei dem Thema “Corona”, jetzt über den Umweg “Ukraine”. Es bräuchte wirklich eine Opposition, die dem entgegentritt und all jenen eine Stimme verleiht, die unter der Verbreitung des ökonomischen Chaos wie unter der Corona-Gefangenschaft leiden.
Die Linke kann mit nichts davon dienen. Im Gegenteil, etwa ein Drittel der Delegierten saß mit Maske im Saal. Und was die Sanktionen angeht, gibt es gerade mal zaghafte Kritik, sogar im Leitantrag noch auf völlig verfehlte Art und Weise, weil dort beklagt wird, sie träfen die russische Bevölkerung, aber kein Wort über die deutsche fällt. Man konnte sich gerade noch dazu aufraffen, gegen die hundert Milliarden für die Bundeswehr zu stimmen, aber das ist schon das höchste der Gefühle. (…)
Die deutsche Linkspartei hat fünfzehn Jahre nach ihrer Gründung ihren Parteitag genutzt, um zu belegen, dass sie heute so kein Mensch mehr braucht. Die gerechte Weltwirtschaftsordnung wird ganz ohne Mitwirken oder Genehmigung von Gysi und Wissler entstehen, und auch ihre leise “Kritik an der NATO” und der ebenso leise Wunsch nach einer “grundlegenden Veränderung der EU” werden nichts daran ändern, dass beide, die EU wie die NATO, gerade dabei sind, eine krachende Niederlage zu erleiden, und dass jeder Weg, der in irgendeine Zukunft für Deutschland führt, nur ohne beide begehbar ist.
Der letzte Satz in Janine Wisslers Rede war: “Ich will, dass diese Mitglieder wieder stolz auf diese Partei sein können, wenn sie morgens in die Zeitung schauen.” Für diese universelle Verleugnung der Wirklichkeit gibt es sicher eine kleine Streicheleinheit von den Produzenten der transatlantischen Einheitsmeinung. Um für die Gesellschaft nützlich zu sein, müsste die Linkspartei heute wenigstens das geistige Niveau der belgischen Gewerkschafter erreichen.
Quelle: Dagmar Henn auf RT DEdazu auch: Die Linke hat auf ihrem Parteitag das befürchtete Fiasko abgewendet
Die Linken haben sich als Sprachrohr jener positioniert, die Waffenlieferungen an die Ukraine klar ablehnen, aber dabei sehen, dass Putin in diesem Konflikt der Aggressor ist, für eine imperialistische Politik steht. Für Befürworter von Waffenlieferungen ist das zu wenig, für die Linke immerhin ein beachtlicher Schritt. […]
Manchmal ist Angst auch in der Politik ein guter Ratgeber, zumindest für den Moment. Und es gehört zur Entwicklung einer Partei, dass sie sich erneuert und dass bei diesen Häutungen all diejenigen, die auf dem Weg Niederlagen erleiden, sich entweder einordnen oder eben gehen. Unterschiedliche Strömungen sind gut für eine Partei, eine Kakofonie der Gegensätze nicht.
Diese Einsicht fehlte den Protagonisten der Selbstzerstörung bisher. Erfahrungsgemäß dauert es nach einem Linken-Parteitag nur wenige Stunden, bis der Polit-Kannibalismus erneut einsetzt. Warum sollte es diesmal anders sein, warum sollten die Selbstgewissen, die Irrlichter und konkret die Putin-Versteher jetzt stillhalten?
Sahra Wagenknecht und ihre Verbündeten haben vor Augen geführt bekommen, dass sie keineswegs die heimliche Mehrheit der Partei stellen. Dennoch hat sie nicht mal bis zum Ende des Parteitags stillgehalten. Es heißt jetzt, dass manche gehen werden, auch Partei-Prominenz. Für die Linke wäre das ein Ausdruck notwendiger Konsequenz. Es mag ja sein, dass die Linke, wie viele glauben, ohne Wagenknechts Strahlkraft für viele Wähler noch unattraktiver würde. Doch wie bisher mit ihr kann es erst recht nicht weitergehen. Wenn sie die Erfurter Entscheidungen nicht akzeptieren kann, sollte sie die Partei verlassen.
Quelle: SüddeutscheAnmerkung JK: Die im Artikel ausgedrückte Freude über die Niederlage des Wagenknecht-Lagers und die unverhohlene Aufforderung an Sahra Wagenknecht, die Partei endlich zu verlassen, zeigen vor wem die herrschende Oligarchie wirklich Angst hat. Vor einer gender- und identitätspolitisch bewegten Linken, die sich auch brav in das NATO-Narrativ von der „imperialistischen“ russischen Politik einreiht, sicher nicht. Und auch hier gilt wieder einmal, sage mir, wer Dich lobt und ich sage Dir, was Du falsch gemacht hast.
- Vorsicht bei (Covid-)Studien, die nur beobachten
Resultate von Beobachtungsstudien führen zu Schlagzeilen und Massnahmen, erweisen sich aber immer wieder als falsch.
Um die Schutzwirkung der mRNA-Impfstoffe abzuschätzen sind Behörden, Impfkommissionen und Mediziner seit über einem Jahr grossteils auf Beobachtungsstudien und Modellrechnungen angewiesen. Dabei kam es immer wieder zu Überraschungen.
Anders als bei den randomisierten Studien, bei denen die Forscher die Versuchspersonen – per Losentscheid – zum Beispiel impfen oder nicht impfen, greifen sie bei den Beobachtungsstudien nicht aktiv ein. In vielen Beobachtungsstudien zur Covid-Impfung liessen sich die Teilnehmenden (von sich aus, durch Anreize oder auf Druck hin) impfen oder nicht. Die Forscher verglichen danach die Geimpften und die Ungeimpften und werteten ihre Gesundheitsdaten aus. Doch solche Studien bergen allerlei Tücken. (…)
Eine Überraschung lieferte kürzlich zum Beispiel eine Berechnung von Berner Epidemiologen. Sie zeigte unter anderem, dass der Schutz der Impfung vor schwerem Covid-Verlauf mit der Zeit vor allem bei den unter 60-Jährigen deutlich abnahm, überraschenderweise aber nicht bei den Senioren über 80 Jahre. Wenn dieses eher unplausible Ergebnis die Realität abbilden würde, wäre es falsch gewesen, die Hochbetagten als Erste zu boostern. Möglicherweise hätten Faktoren, die in den Berechnungen nicht berücksichtigt wurden, dieses Resultat beeinflusst, vermuten die Berner Wissenschaftler. Genau das ist das Problem mit den Beobachtungsstudien – aber nicht das einzige.
Das andere Problem ist, was Behörden und Medien aus den Beobachtungsstudien machen. Keine der grossen, randomisierten Impfstudien zum Beispiel war darauf angelegt, den Schutz vor Virusübertragung zu untersuchen, geschweige denn zu beweisen. Angesichts einer Öffentlichkeit, die dringend wissen müsse, ob die Vakzine wirke, sei es nicht machbar gewesen, zu beweisen, dass der Impfstoff Virusübertragungen verhindere, sagte der Chief Medical Officer von Moderna, Tal Zaks, im Oktober 2020 gegenüber dem «British Medical Journal». Er begründete dies damit, dass man für diesen Beweis die Versuchsteilnehmenden über sehr lange Zeit zweimal pro Woche einem Coronatest hätte unterziehen müssen. Das sei in der gebotenen Eile nicht praktikabel gewesen.
Quelle: Infosperber - Wie viele Impfungen sind wirklich nötig? Virologe Streeck testet 16.500 Bürger auf Antikörper
Gesundheitsminister Lauterbach hält 40 Millionen neue Corona-Impfungen für notwendig. Virologe Hendrik Streeck wundert sich über die Zahl – und startet eine Studie.
Quelle: HandelsblattAnmerkung Christian Reimann: Es mangelt in Deutschland seit Beginn dieser merk-würdigen Coronazeit an Daten. Bitte lesen Sie dazu u.a. auch
- Feuerwehrmänner attackieren Lauterbach: „Wir haben alle bis zum Umfallen gearbeitet“
Die Aussagen über Ungeimpfte von Karl Lauterbach sorgen weiter für Aufsehen. Jetzt hat sich die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft (DFeuG) dazu geäußert. Lars Wieg, Vorsitzender DFeuG Berlin Brandenburg, teilte am Freitag mit: „Es ist nicht nur falsch, was der Gesundheitsminister da sagt, sondern auch ein Schlag ins Gesicht der Kolleginnen und Kollegen der Feuerwehren und Rettungsdienste.“
Und weiter: „Alle, ganz unabhängig ihres Impfstatus, haben bis zum Umfallen gearbeitet. Sie taten das vor Corona und machen das auch jetzt, ob in Krankenhäusern oder im Rettungsdienst.“ Wieg weiter: „Wir erwarten keinen Kniefall, aber wir erwarten wenigstens Respekt für alle unsere Kolleginnen und Kollegen.“
Zudem spricht sich DFeuG nun deutlich gegen die „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ aus. So heißt es in der Mitteilung von Freitag weiter, man sei „statisch in den Maßnahmen gefangen und schert sich nicht viel um neue Erkenntnisse“. So sollte sich „die Erkenntnis darüber, dass die Impfung aus heutiger Sicht einen Eigenschutz vor einem schweren Verlauf darstellen kann und von Prävention vor Übertragung keine Rede mehr ist, durchgesetzt haben“.
Quelle: Berliner ZeitungAnmerkung J.K.: Hier zeigt sich wie verwüstet die öffentliche Debatte in Deutschland inzwischen ist. Mit seinen Ausfällen gegen nicht geimpfte Pflegekräfte hat Lauterbach sein menschenverachtendes Denken offenbart in dem Bürger, die sich der Verabreichung gentherapeutischer Substanzen bisher widersetzt haben, als Menschen zweiter Klasse betrachtet werden. Breiter öffentlicher Widerspruch hat sich dagegen bisher nicht gezeigt.
- Neue Erkenntnisse spielen für Verfassungsgericht keine Rolle
Nachdem das BVerfG erstmals am 27. April Klagen gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht abgewiesen hatte, ließ das Gericht nun eine Verfassungsbeschwerde unter Berufung auf ebenjene Entscheidung gar nicht erst zu. Die Beschwerde “habe keine Aussicht auf Erfolg”, heißt es in dem Beschluss ohne weitere Begründung.
Unberücksichtigt ließ das Gericht den Umstand, dass sich die aktuelle Verfassungsbeschwerde von der des vorherigen Verfahrens unterschied. Konkret ging es um die jeweils aktuelle Fassung des § 20a Infektionsschutzgesetz. Dieser regelt, dass ab 15. März Beschäftigte im Gesundheitswesen einen Impf- oder Genesenennachweis oder den Nachweis einer medizinischen Kontraindikation für die Corona-Impfung vorlegen müssen.
Während das BVerfG seinerzeit nur über die am 18. März geänderte Fassung entschieden hatte, hatte die Klägergruppe beantragt, auch über die zum Stichtag 15. März maßgebliche alte Fassung – Stichwort “unzulässige doppelte dynamische Verweisung” – zu entscheiden.
Ein weiterer Kritikpunkt: Im Beschluss vom 27. April hatte das Gericht die Verletzung des Art. 3 GG (Gleichheitsgrundrecht) nicht näher geprüft. Auch dazu hatte die Klägergruppe eine Verletzung in mehreren Vergleichskonstellationen dargelegt. (…)
Neben der ursprünglichen Verfassungsbeschwerde hatten die Prozessbevollmächtigten vier weitere ergänzende Schriftsätze eingereicht, zuletzt am 15. Mai. Auch auf diese Aktualisierungen, welche die neue Studienlage berücksichtigen, ging das BVerfG nicht ein.
Entgegen dem gesetzlichen Regelfall sah das Gericht von einer mündlichen Verhandlung zu den relevanten medizinischen und epidemiologischen Sachfragen ab. Damit wurde den Beschwerdeführenden auch die Möglichkeit genommen, ihre Sichtweise und Bedenken dem höchsten Gericht unmittelbar vorzutragen.
Der Beschluss wurde bereits am 1. Juni gefasst und der Klägergruppe am 22. Juni zugestellt. Mit den Stimmen von zwei Richterinnen und einem Richter votierte die Dritte Kammer des Ersten Senats einstimmig. Er ist ein weiterer Rückschlag für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen.
Quelle: Presseportal - Bundesregierung verweigert Antwort zu NSO Pegasus
Die Ampel-Regierung verweigert jede Auskunft, ob Polizei und Geheimdienste den Staatstrojaner Pegasus einsetzen. Nach den Enthüllungen über den Einsatz der Überwachungstechnologie gegen Journalisten, Menschenrechtler und Politiker hatte das Bundeskriminalamt im Bundestag zugegeben, den Staatstrojaner der Firma NSO zu nutzen. Das war noch vor der Bundestagswahl, die Grünen nannten Pegasus einen „Albtraum für den Rechtsstaat“, die FDP forderte die „Überwachung durch Staatstrojaner“ zu stoppen.
Jetzt hat die linke Bundestagsabgeordnete Martina Renner die Ampel-Regierung gefragt, ob die mit Pegasus überwachten Daten vor dem Zugriff durch Dritte im Ausland geschützt sind. Das SPD-geführte Bundesinnenministerium verweigert die Antwort. Die Begründung: „Aus den im Rahmen einer Beantwortung der Frage erteilten Auskünften ließe sich ableiten, ob oder ob nicht die Software ‚Pegasus‘ der Firma NSO Group Technologies durch Sicherheitsbehörden des Bundes eingesetzt wird.“ Wir veröffentlichen die Antwort in Volltext.
Die Ampel-Regierung begründet ihre Informationsverweigerung auch damit, dass die Staatstrojaner-Firmen nicht wollen, dass ihre Geschäfte bekannt werden. Erst vorgestern sagte NSO im Europaparlament das Gegenteil: NSO würde ihre Kunden schon bestätigen, dürfe aber nicht – das könnten nur die Staaten selbst.
Quelle: Netzpolitik.org - Ein Datenfriedhof namens Bildungsbericht
Warum können 200.000 Kinder nach der vierten Klasse nicht sicher lesen und schreiben? Im Bildungsbericht findet sich Stoff für Debatten darüber, aber will die Politik sie überhaupt führen?
Alle zwei Jahre werden Politik und Bildungsverantwortliche mit einem großen Datenfriedhof namens Bildungsbericht beglückt. Die 375 Seiten Zahlen, Daten und Effekte wird kaum ein Politiker lesen, obwohl sie manche Anknüpfung für grundlegende Debatten böten: Wie kann es sein, dass nur Hamburg die Verpflichtung zur Sprachstandserhebung vor der Schule einlöst und sie mit einer verpflichtenden Förderung verbindet? Berlin drückt sich in bewährt widerständiger Weise auch davor. Die Pflicht gibt es, aber sie wird nicht eingehalten.
Quelle: FAZ - Miese Arbeitsbedingungen bei Subunternehmen
Die Gewerkschaft ver.di kritisiert die Arbeitsbedingungen bei Subunternehmen, die für Amazon Pakete ausliefern. Der Konzern weist den Vorwurf der Mitverantwortung von sich. Das Bundesarbeitsministerium beobachtet die Entwicklung.
Unbezahlte Überstunden, Anstellung ohne Arbeitsvertrag, schreiende Vorgesetzte: Die Liste der Vorwürfe von Fahrern, die täglich Amazon-Pakete zustellen, ist lang. All das habe Martin erlebt, während der Monate, in denen er in Niedersachsen im Raum Hannover Pakete ausgeliefert hat. Der Job sei am Anfang in Ordnung gewesen, sagt Martin, der eigentlich einen anderen Namen hat. Doch dann sei es irgendwann einfach zu viel geworden: “Ich war in einem Gebiet, in dem es viele Hochhäuser gab. Du musst rennen, um alles wirklich gut zu schaffen.” (…)
Paketzusteller wie Martin sind in der Regel nicht bei Amazon selbst angestellt, sondern bei einem Subunternehmen. Amazon erklärt gegenüber dem NDR, bundesweit mit Hunderten kleinen und mittelständischen Partnern zusammenzuarbeiten, die im Auftrag des Konzerns Bestellungen an Kundinnen und Kunden zustellen.
Martin war bei KPS Kleinpaketservice GmbH beschäftigt, die nach Angaben auf ihrer Homepage derzeit mehr als 500 Mitarbeiter beschäftige und täglich mehr als 100.000 Pakete bundesweit ausliefere. Die Standorte befinden sich alle in der Nähe von Verteilzentren von Amazon, von denen es allein in Niedersachsen sieben gibt.
Quelle: tagesschau - Moshe Zuckermann zum documenta-Skandal: „Ein typisch deutscher Eklat“
Wegen eines Bildes mit antisemitischen Inhalten wird eine ganze Ausstellung desavouiert. Für den israelisch-deutschen Philosophen ist das im Gespräch mit Florian Rötzer ein typisch deutscher Eklat: „Der Antisemitismusdiskurs in Deutschland ist verquer.“
Es gibt jetzt große Aufregung über die documenta. Das indonesische Künstlerkollektiv Taring Padi hat ein großes Bild aufgehängt, das schon 20 Jahre alt ist. Und dort wurden dann zwei Darstellungen gefunden, die man als antisemitisch bezeichnet. Sie sind auch antisemitisch. Bundeskanzler Scholz hat gleich den Besuch der documenta abgesagt hat. In Zeitungen wird gesprochen von einem Antisemitismus von monströsem Ausmaß gesprochen. Wie wird denn das in Israel wahrgenommen?
Moshe Zuckermann: In Israel wurde es bis dato so gut wie gar nicht wahrgenommen. Nur diejenigen, die sich mit Kunst beschäftigen und von der documenta überhaupt wissen, haben etwas davon gehört. Es ist ein typisch deutscher Eklat und es ist klar, dass es ein deutsches Phänomen ist, wie jetzt damit umgegangen wird. Aber in Israel selber ist das kein Thema. Israel hat seine eigenen Sorgen mit seiner zusammengebrochenen Regierung. Von daher ist Antisemitismus auf der documenta für Israel kein Thema im Moment.
Wie würdest du das einschätzen? Es ist ein einziges Bild, das nur zwei Darstellungen enthält, das den Eklat hervorgerufen hat. Ist es denn angemessen, mit der üblichen Cancel Culture dagegen vorzugehen? Also das Bild abzubauen oder zu fordern, dass die Leiterin der documenta zurücktritt. Hätte man nicht auch ein bisschen konstruktiver damit umgehen können?
Moshe Zuckermann: Ich will erstmal damit beginnen, dass ich finde, dass es kein gutes Bild ist, weil es plakativ ist. Es möchte etwas aussagen, worüber wir uns unterhalten können und was ich für legitim halte. Aber in der Art und Weise, wie es malerisch umgesetzt worden ist, ist es für meine Begriffe zu plakativ. Wenn man beispielsweise darstellen will, dass es um den russischen Geheimdienst geht, dann schreibt man den Leuten KGB drauf, und wenn es um den englischen Geheimdienst geht, dann schreibt man 007, also James Bond. Und so weiter. Das hat mehr mit Karikatur zu tun als mit Kunst. Das Bild ist nicht gut komponiert und für meine Begriffe kein gutes Bild.
Eine ganz andere Frage ist natürlich, worum es da geht? Ich weiß gar nicht, warum man, wenn man Kapitalismus darstellen will, einen orthodoxen Juden dazu nehmen muss. Juden sind ja nicht unbedingt so erkennbar. Die Kritik am Kapitalismus in der darstellenden Kunst beispielsweiseweise von Georg Grosz war so, dass man sehr wohl erkennen konnte, dass ein fettes Schwein ist. Es muss nicht gleich ein Jude sein und auf keinen Fall noch mit Schläfenlocken usw. sein. Daran merkt man auch, dass die Leute, die an dem Bild gearbeitet haben, von Klischees ausgegangen sind, die ihnen für meine Begriffe keine allzu große Ehre angedeihen lassen. Und die Tatsache, dass man dann irgendwie Mossad und SS zusammenbringt, ist natürlich idiotisch. Die Leute haben sich in der Tat selbst ins Bein geschossen.
Die Reaktion darauf aber ist wieder einmal typisch deutsch. Jemand hat kurz gerülpst und das erschüttert das ganze Land und löst ein Erdbeben aus. Der deutsche Bundespräsident hat sich geäußert, der Bundeskanzler will nichts mehr damit zu tun haben, die Kuratoren sollen entlassen werden usw.
Quelle: Overton Magazindazu: Israelbezogener Antisemitismus
„Israelbezogener Antisemitismus” ist ein defizitärer Begriff. Er mag sich auf realen Antisemitismus beziehen, bei dem allerdings der Bezug auf Israel lediglich als seine Legitimation fungiert. Die Israelbezogenheit ist in diesem Fall nur Fassade für den Judenhass; mit dem realen Israel hat ein so verstandener „israelbezogener Antisemitismus” nichts zu tun. Eine solche Erscheinung des Antisemitismus mag es, wie gesagt, geben, aber nicht sie ist mit dem Begriff gemeint, der in den gängigen Antisemitismus-Diskurs eingegangen ist.
„Israelbezogener Antisemitismus” postuliert vielmehr, dass die schiere Kritik am Staat Israel bzw. an seine politische Praxis bereits als Antisemitismus zu werten sei. In diesem Fall ist Israelkritik nicht Anhängsel an den Antisemitismus, sondern sie selbst begründet ihn als Erscheinungsform des Judenhasses. Der Israelkritiker ist schon darin Antisemit, dass er Israel kritisiert.
Dieses Postulat basiert auf der Annahme, dass Judentum, Zionismus und Israel gleichzusetzen seien, und davon abgeleitet eben auch die negativ gewendeten Kategorien: Antisemitismus, Antizionismus und Israelkritik. Das ist hanebüchen, und zwar schon deshalb, weil nicht alle Juden Zionisten, nicht alle Zionisten Israelis und nicht alle Israelis Juden sind. Wer diesen Grundbestand der Dinge nicht verstanden hat, kann gar nicht mitreden.
Die Zionisten haben zwar immer gehofft, dass alle (oder zumindest die allermeisten) Juden in der Welt nach Israel emigrieren würden, aber diese Hoffnung hat sich nie verwirklicht. Selbst nach dem Holocaust lebt ein Großteil des jüdischen Kollektivs in der Welt nicht in Israel, sieht sich mithin nicht als dem Zionismus und seinen Postulaten verpflichtet. Wenn also ein orthodoxer Jude im Ausland oder auch in Israel selbst die schiere Gründung des zionistischen Staates als ein Vergehen gegen Gottes Willen theologisch begründet, artikuliert er damit sein Bekenntnis als Jude im dezidierten Gegensatz zum Selbstverständnis eines zionistischen Juden. Gleiches gilt auch für andere antizionistischen bzw. dem Zionismus gegenüber indifferent eingestellten Juden. Sie alle gelten als Juden, wenn sie einen Wert darauf legen. Antisemiten sind sie nicht.
Quelle: Moshe Zuckermann in Overton - Massenpsychologische Aspekte der Psychologischen Kriegsführung
Aus Internationale Zeitschrift für Sozialpsychologie und Gruppendynamik in Wirtschaft und Gesellschaft – seit 1975
Der 28-Jährige Gustav Le Bon (1841 – 1931) erlebte als Arzt den Krieg zwischen Frankreich und Preußen in Paris 1870, als die Stadt von preußischen Truppen belagert war. Er konnte beobachten, dass die Soldaten nicht nur aus Pflichtgefühl, sondern aus Begeisterung in den Krieg gezogen sind und zu großen Opfern bereit waren. Aufgrund dieser Erfahrungen und Beobachtungen konnte er 25 Jahre später, d. h. im Jahr 1895, sein Hauptwerk „Psychologie der Massen“ vorlegen.
Damit begründete er, neben Gabriel Tarde (1843 – 1904) mit „Die Gesetze der Nachahmung, 1890“ und Scipio Sighele mit „Die verbrecherische Masse, 1891“ die Massenpsychologie. Gleichsam wirkte dieses Gebiet der Sozialpsychologie auch auf die Soziologie, die Politologie, die Geschichtswissenschaft und die Philosophie.
Ein besonderer Anlass in der Gegenwart, sich mit diesem Thema wieder zu befassen, ist der aktuelle Krieg in der Ukraine. Obwohl auch der Krieg in Kosovo, der Zweite Golfkrieg, der Afghanistankrieg, der Libyenkrieg und der Krieg in Jemen massenpsychologische Emotionen hervorrufen konnte, ist es dazu „Dank“ der Mainstreammedien des Westens weniger gekommen. Alle diese Kriege erregten nicht die gleiche Betroffenheit, sie waren außerhalb von Europa oder spielten nicht die gleiche große Rolle in den Massenmedien und errangen damit auch nicht die große Aufmerksamkeit.
Massenpsychologische Untersuchungen zeigen immer wieder, dass Mithilfe von charismatischen Führen und ihren rhetorischen Fähigkeiten (häufig talentierte Schauspieler) und vor allem durch Massenmedien, die Emotionalität in der Masse bestimmend und die eigene Individualität zurücktritt. Der Verstand tritt in den Hintergrund, das Unbewusste unabhängig vom Bildungsgrad der Massenmitglieder wird bestimmend und man fühlt sich auch nicht mehr für die eigenen Taten verantwortlich. Die Ich-Stärke (Erich Fromm) wird durch Emotionalität (Angst und Hass) dominiert.
Es kann zum verbrecherischen Verhalten kommen, aber auch zum Heroismus und zur Opferbereitschaft. Es steigt die Bereitschaft, sich für Ideen und Überzeugungen, die kaum verstanden werden, sich heldenhaft hinschlachten zu lassen. Umso größer ist dazu die Bereitschaft, wenn es um ehrwürdige Ziele wie Gott, Kaiser, Führer, Vaterland, Freiheit, Sozialismus und andere hehre Ziele geht. Es sind vor allem drei Komplexe, welche bei der Erforschung der Propaganda und Emotionen von besonderer Bedeutung sind: Massenpsychologie (Massenhysterie), Öffentlichkeit bzw. veröffentlichte Meinung und moderne Kommunikationsmittel bzw. Massenmedien (insbesondere die Bilder im Fernsehen: Weinende Frauen und Kinder).
Quelle: Rudolf O. Zucha auf Seniora.org