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  1. Arme Familien stärker belastet
  2. Sozial-ökologischer Umbau und Demokratie: Spannungsverhältnis und Synergie
  3. Privatvermögen in Deutschland steigt auf mehr als 20 Billionen Dollar
  4. Raffinerie Schwedt: Brandenburger Minister schreiben Brandbrief an Habeck
  5. Siegfrieden als Programm: Ukraine-Strategie des Westens
  6. Chomsky: Wir müssen insistieren, dass ein Atomkrieg eine undenkbare Politik ist
  7. Erinnerungskultur als Mobilmachung
  8. Zurück auf Los
  9. Kriegsgefahr im Pazifik
  10. Heckler & Koch, Rheinmetall & Co: Deutsche Banken wollen Rüstungskonzernen nach Russlands Überfall auf Ukraine besseren Zugang zu Geld verschaffen
  11. Der Weg zu stabilen Finanzen: Krankenkassen zeigen Lauterbach drei Stellschrauben
  12. Olaf Scholz auf der Re:publica: Verloren im Neuland
  13. “Bedrohlich und folgenschwer”
  14. Ins Gefängnis geht jeder Zweite wegen eines Armutsdelikts
  15. Warum die Schweiz kein Neun-Euro-Ticket benötigt

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Arme Familien stärker belastet
    Infolge des Ukrainekriegs und der weiterhin durch die Corona-Pandemie gestörten Lieferketten stiegen die Verbraucherpreise im April um 7,4 Prozent. Dabei sind die Unterschiede je nach Haushaltskonstellation und Einkommen erheblich, zeigt der IMK-Inflationsmonitor: Die Differenz zwischen ärmeren Familien und wohlhabenden Alleinlebenden betrug 1,8 Prozentpunkte. Das liegt daran, dass die aktuell wichtigsten Preistreiber – Haushaltsenergie, Kraftstoffe und Lebensmittel – unterschiedlich stark durchschlagen: Bei Familien mit zwei Kindern und niedrigem Einkommen machen diese drei Komponenten 5,8 Prozentpunkte der haushaltsspezifischen Inflationsrate von 8,0 Prozent aus. Bei Alleinstehenden mit hohem Einkommen sind es hingegen 3,1 Prozentpunkte von insgesamt 6,2 Prozent. […]
    „Die haushaltsspezifischen Inflationsraten zeigen, dass Haushalte mit geringeren Einkommen durch den Preisanstieg bei Haushaltsenergie überproportional belastet sind und sich auch die Verteuerung der Nahrungsmittel stärker niederschlägt“, schreiben Dullien und Tober. Dieser Trend könnte sich nach Analyse des IMK in den kommenden Monaten weiter verschärfen, da bisher noch nicht alle Preissteigerungen von Haushaltsenergie im Großhandel an die Privathaushalte weitergegeben wurden. Erschwerend kommt hinzu, dass Gas, Strom, Heizöl und Nahrungsmittel als Waren des Grundbedarfs bei den Ausgaben ärmerer Haushalte sehr stark ins Gewicht fallen, während sie bei Haushalten mit hohen Einkommen und insbesondere bei wohlhabenden Alleinlebenden einen deutlich kleineren Anteil des Warenkorbs ausmachen. Bei Familien mit Kindern und niedrigen bis mittleren Einkommen schlagen aktuell zudem die hohen Preise für Kraftstoffe relativ stark zu Buche.
    Quelle: Hans Böckler Stiftung

    Anmerkung JK: Das ist inzwischen klar und es interessiert schlicht und ergreifend keinen. Die Hans Böckler Stiftung ist die Stiftung der Gewerkschaften, was kam dazu bisher von den Gewerkschaften und dem DGB außer warme Worte? Die Situation wird sich bis in den Herbst mit weiter steigenden Energiepreisen so verschärfen, dass sich vielen dann existenzielle Fragen stellen und es wird weiter nichts passieren. Den Betroffenen zu empfehlen für ihre Interessen selbst einzutreten, geht an der Sache vorbei, da viele mit der Bewältigung ihres Alltags so beschäftigt sein dürften, dass ihnen keine Luft für politisches Engagement bleibt, dafür sollte es eben politische Organisationen geben, die sich deren Interessen annehmen, aber damit wären wir wieder am Anfang.

  2. Sozial-ökologischer Umbau und Demokratie: Spannungsverhältnis und Synergie
    Die Klimakrise wird von einem kleinen Teil der Bevölkerung verursacht, trifft aber die breite Masse und vor allem Ärmere ungleich stärker. Das sollte den sozial-ökologischen Umbau eigentlich zu einem unmittelbar mehrheitsfähigen Projekt machen. Aber das Verhältnis von sozial-ökologischem Umbau und Demokratie ist vielschichtig. Denn historisch sind die Teilhabe der Arbeiter:innenbewegung und die Demokratisierung eng mit dem fossilen Energieregime verwoben. Wie können sozial-ökologischer Umbau und Demokratisierung dennoch miteinander in Einklang gebracht werden?
    Quelle: A&W blog
  3. Privatvermögen in Deutschland steigt auf mehr als 20 Billionen Dollar
    Mehr als 3000 Superreiche besitzen in Deutschland ein Fünftel des Privatvermögens. Eine neue Studie prognostiziert: Ihre Zahl wird weiter deutlich steigen. Was aus dem BCG-Vermögensbericht sonst noch hervorgeht
    Das weltweite Finanzvermögen ist auch im zweiten Jahr der Coronapandemie ungebrochen gestiegen und hat einen neuen Rekordwert erreicht. Die globale Summe privater Bankguthaben, Wertpapiere und Lebensversicherungen stieg 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 10,6 Prozent auf 274 Billionen Dollar – so stark wie seit über einem Jahrzehnt nicht mehr. Das geht aus dem jüngsten Vermögensbericht der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) hervor, der heute veröffentlicht wird. Zugleich stieg das Realvermögen – also Anlagen in Sachwerte wie Immobilien oder Gold – um 9,4 Prozent auf 256 Billionen Dollar an.
    Insgesamt erfuhr das Nettogesamtvermögen aus Finanzanlagen und Sachwerten zusammen 2021 global eine Steigerung um 10,3 Prozent auf ein Rekordniveau von 473 Billionen Dollar. „Grund für das starke Wachstum waren vor allem steigende Aktienkurse, befeuert von guten Unternehmensergebnissen“, sagt Anna Zakrzewski, BCG-Partnerin in Zürich und verantwortlich für das Thema Vermögensverwaltung. „Doch auch Sachwerte sind bei Privaten sehr beliebt – das Interesse von Investorinnen an Immobilien, Wein, Kunst und anderen physischen Anlagen wird immer größer.“
    Ein beträchtlicher Teil des Privatvermögens liegt in den Händen von Superreichen. Diese so genannten „Ultra High Net Worth Individuals“ mit Finanzwerten von 100 Mio. Dollar und mehr halten einen Anteil von rund 13 Prozent. Geografisch verteilt sieht der Global Wealth Report 2022 das meiste Privatvermögen in den USA konzentriert, gefolgt von China, Japan und Großbritannien. Deutschland liegt, gemessen am Finanzvermögen in der Liste der reichsten Länder damit auf Platz fünf.
    Quelle: Capital

    Anmerkung JK: Mehr als 3000 Superreiche besitzen in Deutschland ein Fünftel des Privatvermögens. Das entspricht 0,036 % der Bevölkerung.

    dazu auch: Geld anderer Leute
    Kapitalisten lieben die Krise. Die weltweiten Vermögen sind während der Coronapandemie auf ein neues Rekordhoch gestiegen. Insgesamt stiegen Finanz- und Sachanlagen vor allem dank des Booms an den Börsen um mehr als zehn Prozent auf 473 Billionen US-Dollar (rund 441 Billionen Euro), wie die Unternehmensberatung Boston Consulting Group in einer am Donnerstag veröffentlichten Studie darlegte.
    Den Spitzenplatz belegten die USA mit 25.800 sogenannten Superreichen, die mehr als 100 Millionen Dollar ihr Eigen nennen können. Auch in Deutschland wurde die Oligarchenherrschaft gefestigt: Mittlerweile besitzen hierzulande 3.100 Personen mehr als ein Fünftel des gesamten privaten Finanzvermögens. Durch Aktien und andere Wertpapiere konnten in der BRD Zugewinne um acht Prozent auf mehr als neun Billionen Dollar erzielt werden. Sachwerte wie Gold, Gemälde und Immobilien warfen sogar 13 Billionen Dollar mehr ab, eine Steigerung um elf Prozent. Besonders profitabel war dabei der Wohnungsmarkt.
    Quelle: junge Welt

  4. Raffinerie Schwedt: Brandenburger Minister schreiben Brandbrief an Habeck
    Kämpft der Wirtschaftsminister genug für die Raffinerie, die halb Ostdeutschland mit Benzin versorgt? Landespolitiker sind nicht der Ansicht und schlagen Alarm.
    Die Brandenburger Landesregierung warnt eindringlich vor einer „gesellschaftlichen Destabilisierung“ nicht nur in Nordbrandenburg, wenn es dem Bund nicht gelingen sollte, die PCK-Raffinerie in Schwedt zu retten. Das steht in einem Brief von Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach und Finanzministerin Katrin Lange. Der Brief wird auch von Regierungschef Dietmar Woidke (alle SPD) unterstützt.
    Woidke und Steinbach wollen am Donnerstag nach Schwedt fahren. In dem Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der der Berliner Zeitung vorliegt, heißt es: „Ein Rückzug vom Markt, wie auch immer verursacht, würde zu mehr als 2000 Arbeitslosen und einer gesellschaftlichen Destabilisierung führen. Das möchten wir uns nicht vorstellen.“
    Ton und Inhalt des Briefes zeigen klar, dass offensichtlich viele Fragen nicht geklärt sind. Die Raffinerie in Schwedt wird zu 100 Prozent mit russischem Öl betrieben und versorgt große Teile Ostdeutschlands und Nordpolens mit Benzin. Fast der gesamte Sprit in Berlin und Brandenburg kommt aus Nordost-Brandenburg. Doch die Zukunft der Raffinerie ist völlig ungewiss.
    Quelle: Berliner Zeitung

    Anmerkung unserer Leserin A.D.: Mit Vollgas gegen die Wand!! Ohne Notwendigkeit, ohne Sinn, ohne dass es etwas zum Positiven in der Welt ändern würde. Bis nichts mehr übrig bleibt von Deutschland, seiner Wirtschaft und seinem Wohlstand! Das hat etwas von erweitertem Suizid, mit dem Unterschied, dass nur die Geißeln (wir – das Volk) ins Unglück gestürzt werden, währenddessen den verantwortlichen Politdarstellern nichts passiert.

  5. Siegfrieden als Programm: Ukraine-Strategie des Westens
    Aus den täglichen Videoansprachen von Wolodimir Selenskij ist die Siegeszuversicht der frühen Kriegswochen verschwunden. Immer öfter spricht er von einer »extrem schweren« Situation der ukrainischen Truppen im Donbass, in immer verzweifelterem Ton fordert er mehr westliche Waffen, am besten gestern und am besten gleich doppelt so viel. Unter seinen Beratern, die ihre Zeit damit verbringen, soziale Medien vollzuposten, hat Olexij Arestowitsch den Part des Pessimisten übernommen, während sein Kollege Michailo Podoljak Durchhaltepropaganda verbreitet.
    Man war geneigt, das als Zweckpessimismus einzuschätzen, mit dem Ziel, von den westlichen Unterstützern weitere Zuwendungen zu erhalten. Aber am Donnerstag veröffentlichte der britische Independent eine ihm zugespielte Analyse des dortigen Geheimdienstes, die zu sehr ernüchternden Ergebnissen kommt: Die russische Seite sei im Donbass bei den Geschützen und Raketenwerfern um den Faktor 20, bei der Artillerie um den Faktor 40 überlegen, der Ukraine gehe die Munition aus, und in der Truppe häuften sich Desertionen. Kiew verliere täglich nicht die 60 bis 100 Mann, die Selenskij kürzlich einräumte, sondern 400 bis 500. Die Brisanz dieses Dokuments liegt darin, dass die offiziellen allmorgendlichen Tagesübersichten des britischen Dienstes im wesentlichen die Erfolgspropaganda der ukrainischen Seite wiederholen. Da scheint also bei den westlichen Diensten etwas im Busch zu sein.
    Quelle: junge Welt

    dazu auch: Sanktionen wirken nicht, Russland ist auf dem Vormarsch und die westlichen Medien ändern ihren Ton
    Inzwischen haben einige große Publikationen damit begonnen, über die tatsächliche Situation an der Front zu berichten, anstatt wie bisher unkritisch Mythen wie den “Geist von Kiew” oder die “Die 13 von der Schlangeninsel” zu kolportieren, die vom Büro von Wladimir Selenskij propagiert wurden. Es gab sogar vage Andeutungen, dass der Westen vielleicht aufhören sollte, Kiew bedingungslos zu unterstützen und stattdessen eine Lösung am Verhandlungstisch forcieren sollte.
    “Russland gewinnt den Wirtschaftskrieg”, stellte der Wirtschaftsredakteur des britischen Guardian, Larry Elliott, am vergangenen Donnerstag fest. “Es sind jetzt drei Monate her, seit der Westen einen Wirtschaftskrieg gegen Russland begonnen hat, und er verläuft nicht nach Plan. Im Gegenteil, die Dinge laufen wirklich sehr schlecht”, schrieb er.
    Elliott argumentierte sogar, dass die jüngste Ankündigung der USA, Mehrfachraketenwerfer in die Ukraine zu liefern, ein Beweis dafür sei, dass die Sanktionen nicht funktionieren: “Die Hoffnung ist, dass moderne Militärtechnologie aus den USA das erreichen können, was Sanktionen im Energiesektor und die Beschlagnahme russischer Vermögenswerte bisher nicht erreicht haben: Den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu zwingen, seine Truppen abzuziehen.” […]
    Das Versagen des kollektiven Westens, Russland das Rückgrat zu brechen, wurde sogar für den Economist offensichtlich, eine Wirtschaftspublikation, die nicht gerade bekannt dafür ist, mit Moskau zu sympathisieren. Die Zeitung gab vor einem Monat widerwillig zu, dass sich die russische Wirtschaft vom anfänglichen Sanktionsschock erholt habe. Unterdessen muss sich der Westen mit Energieknappheit, steigenden Lebenshaltungskosten und einer Rekordinflation auseinandersetzen. Es sind die Amerikaner, die Engpässe bei Babynahrung in den Läden vorfinden und sich fast kein Benzin mehr leisten können, nicht die Russen. Das mag der Grund sein, weshalb dieser “Frühling der Unzufriedenheit” über die westliche Sanktionspolitik nicht an der europäischen Küste des Atlantiks Halt gemacht hat.
    Am Dienstag veröffentlichte die New York Times (NYT) einen Kommentar von Christopher Caldwell, in dem er die Regierung von Joe Biden dafür kritisierte, dass sie “Verhandlungswege verschließt und daran arbeitet, den Krieg zu intensivieren”, indem sie immer mehr Waffen nach Kiew liefert. “Die Vereinigten Staaten versuchen, die Fiktion aufrechtzuerhalten, dass die Bewaffnung eines Verbündeten nicht dasselbe sei wie die Teilnahme an einem Krieg”, schrieb Caldwell und wies darauf hin, dass diese Unterscheidung im Informationszeitalter “zunehmend konstruiert” wirke. Einen Tag später gab der Leiter des Cyber-Kommandos der USA zu, im Auftrag der Ukraine offensive Operationen im Cyberspace gegen Russland durchgeführt zu haben.
    Quelle: Nebojša Malić in RT DE

  6. Chomsky: Wir müssen insistieren, dass ein Atomkrieg eine undenkbare Politik ist (Teil 1)
    Es müssen friedliche Wege der Konfliktlösung im Ukrainekrieg gesucht werden. Doch die USA setzen auf militärischen Sieg. Europa macht mit. Ein gefährliches Spiel mit dem Atomkriegsfeuer, sagt Noam Chomsky
    Der Krieg in der Ukraine geht nun schon in den vierten Monat, aber eine Waffenruhe oder eine Lösung ist nicht in Sicht. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat einen Waffenstillstand oder Zugeständnisse ausgeschlossen, behauptet aber, dass nur Diplomatie den Krieg beenden kann.
    In der Zwischenzeit versuchen die russischen Streitkräfte, die Ostukraine zu erobern, während die Vereinigten Staaten die Regierung Selenskyj so lange militärisch unterstützen, wie es nötig ist, um Russland zu schwächen, in der Hoffnung, dass es zu einem Regimewechsel in Moskau kommt.
    Quelle: Telepolis

    dazu auch: Chomsky: Warum China, nicht Russland die US-dominierte Weltordnung bedroht (Teil 2)
    Eine neue Weltordnung nimmt Gestalt an, aber die Konfrontation zwischen den USA und Russland ist nicht ihr zentrales Element, sagt Chomsky. Die “chinesische Bedrohung” steht im Mittelpunkt der US-Strategie. Wird Russland Juniorpartner Chinas?
    Noam Chomsky analysiert die neue und höchst gefährliche globale Ordnung, die sich herausbildet. Vielleicht zur Überraschung vieler, vor allem in Anbetracht des andauernden Krieges in der Ukraine, beschreibt er nicht die Konfrontation zwischen den USA und Russland als zentrales Element der neuen, im Entstehen begriffenen Weltordnung.
    Das Interview führt der Politikwissenschaftler C.J. Polychroniou.
    Der erste Teil des Interviews zum Ukraine-Krieg und einer friedlichen Lösung des Konflikts ist gestern auf Telepolis erschienen.
    Quelle: Telepolis

  7. Erinnerungskultur als Mobilmachung
    Timothy Snyder, ein US-amerikanischer transatlantischer Influencer, macht die deutsche Erinnerungskultur gegen Russland mobil. In den Vereinigten Staaten fällt ihm das nicht so leicht: Denn dort gibt es keine Erinnerungskultur.
    Der neue Star im geteilten Himmel über der Ukraine ist Timothy Snyder. Snyder ist Geschichtsprofessor an der Ivy-League-University Yale, Mitglied im Gewissenskomitee des Holocaust-Museums in Washington D.C., Mitglied im transatlantischen Zentrum Liberale Moderne, das von den Grünen-Politikern Marieluise Beck und Ralf Fücks gegründet wurde – sowie Mitglied im Council on Foreign Relations. Das ist eine außenpolitische Denkfabrik, die im Nachgang des Ersten Weltkrieges in New York entstanden ist – und in der der langjährige CIA-Chef Allen Dulles eine tragende Rolle spielte.
    Snyder war auch eng befreundet mit Tony Judt, einem legendären linken Intellektuellen, der sich vom Zivilarbeiter für die israelische Armee zum zionistischen Kritiker entwickelt hat. Beachtliche Street Creds also. Bekannt wurde Snyder vor zwölf Jahren, als er mit »Bloodlands« einen internationalen Bestseller hinlegte. In seinem Buch geht es um die Massenmorde in Osteuropa von 1933 bis 1945, eben nicht nur durch Hitler, sondern — für Amerika eher ungewöhnlich— auch durch Stalin. Da Stalin Verbündeter der USA im Zweiten Weltkrieg war, werden dessen Verbrechen in den Vereinigten Staaten eher niedrig gehängt.
    Quelle: Overton Magazin
  8. Zurück auf Los
    Die Bundeswehr steht womöglich vor ihrer Rückkehr in den EU-Militäreinsatz in Bosnien-Herzegowina. Dafür hat sich laut Berichten vor allem Außenministerin Annalena Baerbock stark gemacht. Ursache sind zum einen die anschwellenden Spannungen im Land, die zu eskalieren drohen. Einerseits bereiten die bosnischen Serben Schritte vor, die in eine Abspaltung ihres Landesteiles münden könnten; andererseits verlangen die bosnischen Kroaten Strukturveränderungen, die zur Schaffung einer eigenen Entität führen sollen und damit ebenfalls die Konflikte im Land weiter anheizen. Aktuell kommt wachsende Kritik am Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina, dem CSU-Politiker Christian Schmidt, hinzu, der stolze 27 Jahre nach dem Ende des Krieges immer noch umfassende Vollmachten besitzt und das Land praktisch wie ein Protektorat führt. Schmidt hat soeben die Durchführung der Wahlen am 2. Oktober erzwungen und damit neuen Protest ausgelöst. Trotz aller Verheißungen der EU, bei einer Annäherung an sie Wohlstand zu bringen, herrschen in Bosnien-Herzegowina nach wie vor Armut und Perspektivlosigkeit.
    Quelle: German Foreign Policy
  9. Kriegsgefahr im Pazifik
    Machtkampf zwischen USA und China in der Region verschärft sich zusehends. Washington treibt Aufrüstung voran
    So langsam haben sich die Wellen wieder ein wenig geglättet, die aufgebrandet waren, als sich Chinas Außenminister Wang Yi Ende Mai auf eine Pazifikreise begab. Zehn Tage, acht Länder: Wang hatte eine echte Tour de Force im Südpazifik hinter sich, als er vor rund einer Woche aus Papua-Neuguinea, seiner letzten Station, wieder in die Volksrepublik zurückkehrte. Eine Reise durch die Weiten der südpazifischen Inselwelt – nichts allzu Aufregendes, sollte man meinen. Doch weit gefehlt. Kaum hatte sich Wang auf den Weg gemacht, der ihn zunächst auf die Salomonen, dann weiter bis nach Fidschi und schließlich eben nach Papua-Neuguinea führen sollte, da schlugen die Außenministerien in den USA, in Australien und Neuseeland plötzlich Alarm. Wang bereite, wie Berichte aus der Region zeigten, ein weitreichendes Abkommen mit den Pazifikstaaten vor, hieß es – eines, das Sicherheitsfragen, womöglich gar militärische Aspekte berühre.
    Beijing hat unlängst begonnen, seine Zusammenarbeit mit den vielen kleinen Staaten im Pazifik zu intensivieren, genauer: mit den zehn von ihnen, zu denen es diplomatische Beziehungen unterhält. Vier Inselstaaten halten noch an ihren Beziehungen zu Taiwan fest.
    Quelle: junge Welt

    dazu auch: Indo-Pazifik: EP-Bericht
    Spätestens mit der EU-Indo-Pazifik-Strategie im vorigen Jahr hat auch die EU den Indo-Pazifik für sich entdeckt – einschließlich Überlegungen, dort auch militärisch stärker präsent sein zu wollen (siehe IMI-Studie 2022/1). Nun hat auch das EU-Parlament einen Indo-Pazifik-Bericht („The EU and the security challenges in the Indo-Pacific“) verabschiedet, der in eine ähnliche Richtung geht: „Calls for the EU and its Member States to step up their own maritime capacities in the region in a coordinated and autonomous way, including by exploring ways to ensure a permanent and credible European naval presence in the Indian Ocean;”
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung e.V.

  10. Heckler & Koch, Rheinmetall & Co: Deutsche Banken wollen Rüstungskonzernen nach Russlands Überfall auf Ukraine besseren Zugang zu Geld verschaffen
    Nach Informationen von Business Insider findet nun tatsächlich bei einigen Landes- und Privatbanken ein Umdenken statt, dort nimmt man die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufene Zeitenwende ernst. Bei der baden-württembergischen Landesbank LBBW diskutieren die Top-Manager etwa, ob es denn angesichts des Krieges in der Ukraine wirklich noch zeitgemäß sei, dass die Bank sich selbst härtere Kriterien zur Finanzierung von Rüstungsfirmen auferlegt, als es der Gesetzgeber vorschreibt, berichten Insider. Es geht bei der LBBW konkret um die Vorgabe im aktuellen Nachhaltigkeitsbericht, dass „die Lieferung von Kriegswaffen in das Ausland“ nicht von der LBBW finanziert wird, „auch dann nicht, wenn das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) die Ausfuhr genehmigt hat“. (…)
    Nun gäbe es aber den eisernen Grundsatz, dass Waffenlieferungen in Krisen- und Kriegsgebiete nicht finanziert werden. Was passiert aber, wenn die ukrainische Regierung bei Heckler & Koch, Rheinmetall oder anderen deutschen Rüstungskonzernen Großbestellungen aufgibt und diese eine Finanzierung bei dem Geldinstitut anfragen? Die Ukraine ist ein Kriegsgebiet, die Bundesregierung liefert Waffen und schweres Gerät. Eine rechtliche und politische Klarheit gibt es für die Banken derzeit nicht. Die Überzeugung bei den Bankern der LBBW, aber auch in der ganzen Branche wächst, dass Demokratien Mittel zur Wehrhaftigkeit bräuchten. Im Fall der Ukraine wären es die besagten Kriegswaffen, die ins Ausland geliefert und von der LBBW finanziert werden könnten. So würden die Banker ihre Finanzierungsentscheidung wohl auch in der Öffentlichkeit vertreten, erfuhr Business Insider.
    Quelle: Business Insider

    Anmerkung Christian Reimann: Es sollen also weitere “Hürden” genommen werden, um an der Seite der USA global agieren zu können. Wahnsinn! Anstatt die „regelbasierte Weltordnung“ des Westens militärisch zu begründen bzw. auszubauen, sollte über kooperative Konzepte nachgedacht werden.

  11. Der Weg zu stabilen Finanzen: Krankenkassen zeigen Lauterbach drei Stellschrauben
    Angesichts der Milliarden-Defizite hat die Gesetzliche Krankenversicherung ein Konzept erarbeitet, wie sich die Finanzlage stabilisieren ließe. Für die ärztlichen Honorare könnte es aus Sicht der Kassen die nächsten Jahre „spannend“ werden.
    Die Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) sind nach vorläufigen Rechnungsergebnissen 2021 im Vergleich zu 2020 um 5,6 Prozent gestiegen, vor allem wegen deutlicher Zunahmen bei den Arzneimittelverordnungen (plus 7,7 Prozent).
    Die Einnahmeseite hielt damit nicht ganz Schritt: Die Veränderungsrate je Versichertem stieg um 4,8 Prozent. Insgesamt schloss die GKV das Jahr 2021 mit einem Minus von 4,38 Milliarden Euro ab.
    Die Rücklagen der Krankenkassen schrumpften auch wegen gesetzlicher Vorgaben erneut – von 7,9 Milliarden Euro im Jahr 2020 auf 5,3 Milliarden Euro 2021. Mit insgesamt 11 Milliarden Euro lag das Vermögen der Krankenkassen weit unter der GKV-Monatsausgabe (2021: 23,7 Milliarden Euro), die für die Höhe der Reserven relevant ist.
    „Wenn wir einen Monat keine Einnahme hätten, wären die Reserven weg“, sagte Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes (GKV-SV), auf einem Presseseminar am Mittwoch.
    Quelle: Ärztezeitung
  12. Olaf Scholz auf der Re:publica: Verloren im Neuland
    Olaf Scholz’ Rede auf der Digitalmesse Re:publica war hart an der Grenze zur Respektlosigkeit. Über einen äußerst analogen Auftritt des Bundeskanzlers.
    Auf Europas größter Digitalkonferenz, der Re:publica, gibt es für Olaf Scholz an diesem Donnerstagnachmittag einen bitter-ehrlichen Moment. Die Moderatorin fragt den Bundeskanzler, wann sie nun endlich ihren Ausweis digital beantragen könne. Scholz antwortet flapsig: „Das möchte ich Ihnen nicht so genau sagen, weil ich die Abläufe der Deutschen Verwaltung kenne.“ 11.700 Gemeinden gebe es schließlich im Land, führt der Kanzler aus. Sie alle müssten erst einmal über solche Fragen entscheiden, „dann kommen wir voran“. Es soll ein Scherz sein. Doch statt für Lacher sorgt Scholz für Geraune im Publikum.
    Die Anekdote spielt sich gegen Ende des ersten Auftritts eines Bundeskanzlers in der Geschichte der Re:publica ab, die diese Woche in Berlin stattfindet. Die Anwesenheit des Regierungschefs allein sollte eigentlich die Aufwertung des Digitalen in der Gesellschaft zeigen. Umso enttäuschender ist es, dass die Kanzler-Rede wohl der analogste Vortrag der diesjährigen Konferenz sein wird. So inhaltsleer sind Scholz“ Worte, dass man sie ihm im Grunde schon als Respektlosigkeit gegenüber der digitalpolitischen Debatte auslegen müsste.
    Quelle: WirtschaftsWoche

    Anmerkung André Tautenhahn: Hinter dem Scherz steckt schon auch noch mehr. Es gibt seit 2017 das Onlinezugangsgesetz (OZG), das Bund, Länder und Kommunen verpflichtet, rund 600 Verwaltungsleistungen bis Ende des Jahres 2022 digital bereitzustellen. Der Bund hat da seine Hausaufgaben im Prinzip gemacht, die Länder eher weniger, die für eigene landesrechtliche Regelungen und Absprachen untereinander zuständig sind, auf deren Grundlage wiederum die Kommunen tätig werden können. Das geschah sehr spät, wie im Falle Niedersachsens. Dort hat man den Städten und Gemeinden Ende 2021 signalisiert, das wird nix mehr, kümmert Euch lieber um die 40 wichtigsten Dienstleistungen. Nun bleibt nur noch eine Überarbeitung des OZG durch den Bund.

  13. “Bedrohlich und folgenschwer”
    In ihrem Koalitionsvertrag betonten die Ampel-Parteien, wie wichtig internationale Kooperationen in der Wissenschaft seien. Trotzdem will die Regierung den Organisationen, die sie umsetzen, drastisch die Haushalte kürzen. DAAD, Humboldt-Stiftung und Goethe-Institut warnen, Hochschulen und Studierende protestieren.
    VERGANGENES JAHR war sie in den Ruhestand gegangen, jetzt wollte sich die langjährige Didaktik-Professorin in ein neues akademisches Abenteuer stürzen. Als Gastdozentin an einer südamerikanischen Hochschule, finanziert über ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). “Gerade nach Corona und angesichts der internationalen Konflikte betonen doch alle, wie essentiell die Pflege internationaler Wissenschaftskontakte sind”, sagt die 69-Jährige. Umso konsternierter war sie, als sie schon Ende März auf der Website des DAAD unter “Kurzzeitdozenturen im Ausland” den Hinweis fand: “Die finanziellen Mittel für dieses Programm stehen aufgrund von Haushaltskürzungen für das Jahr 2022 leider nicht mehr zur Verfügung.” Daher könnten “bis auf Weiteres” keine Bewerbungen mehr eingereicht werden.
    Haushaltskürzungen beim DAAD? Hatte der Ampel-Koalitionsvertrag nicht betont, “nie” sei internationale Kooperation wichtiger gewesen, weshalb SPD, Grüne und FDP ihr “einen hohen Stellenwert” einräumten? Stand da nicht sogar das Versprechen, die institutionelle Förderung von DAAD und Alexander-von-Humboldt-Stiftung (AvH) “analog zum Pakt für Forschung und Innovation zu erhöhen”? Also drei Prozent pro Jahr mehr Grundhaushalt für Deutschlands große wissenschaftliche Austauschorganisationen – und das von jetzt an jedes Jahr, genau wie bei Helmholtz, Max Planck & Co?
    Quelle: Jan-Martin Wiarda
  14. Ins Gefängnis geht jeder Zweite wegen eines Armutsdelikts
    Wer wegen Schwarzfahrens oder einer Parkbusse in den Bau muss, hat schlicht kein Geld. Die Freiheitsstrafen kosten aber viel.
    7345 Menschen mussten im Jahr 2020 ins Gefängnis. In 45 Prozent oder fast der Hälfte der Fälle war eine Busse oder Geldstrafe der Grund für die Einweisung – entweder wegen einer sogenannten Bussenumwandlung oder im Rahmen einer Ersatzfreiheitsstrafe. In den Jahren davor lag dieser Anteil gar leicht über 50 Prozent. Das zeigen Daten des Bundesamtes für Statistik.
    Bei der Mehrheit dieser Ersatzfreiheitsstrafen handelt es sich um Schwarzfahren im öffentlichen Verkehr oder um Verstösse gegen das Strassenverkehrsgesetz (also z.B. Falschparken oder Geschwindigkeitsüberschreitungen). Dies hat eine Zürcher Studie aus dem Jahr 2019 ergeben.
    Das heisst: fast die Hälfte muss wegen eines Armutsdeliktes ins Gefängnis. Denn zwar fährt längst nicht jeder schwarz, weil er oder sie kein Geld hat. Aber wer die Busse bis zum Haftantritt nicht bezahlt, der hat mutmasslich wirklich keines.
    Quelle: Infosperber
  15. Warum die Schweiz kein Neun-Euro-Ticket benötigt
    Der Alpenstaat investiert pro Einwohner jedes Jahr umgerechnet 440 Euro in seine Bahn, Deutschland nur 88 Euro. Und noch ein weiterer Aspekt zeigt, was unsere südlichen Nachbarn bei der Verkehrswende besser machen
    Unsere südlichen Nachbarn hängen uns im öffentlichen Verkehr glatt ab. Das ist der eigentliche Grund, weshalb hierzulande die Verkehrswende seit 40 Jahren stillsteht. Kann das “Neun-Euro-Ticket” in diesem Sommer helfen, diesen Abstand ein wenig aufzuholen?
    “Wir brauchen kein ‚Neun-Euro-Ticket’”, sagt der Direktor des Schweizer Bundesamtes für Verkehr, Peter Füglistaler, und der für den öffentlichen Verkehr in der Schweiz zuständig ist.
    Dennoch sieht Füglistaler das “Neun Euro-Ticket” bei seinen Nachbarn positiv, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Es sei ein starkes politisches Signal der deutschen Regierung, ein mutiger Preis, aber leider befristet.
    Bahnfahren gehört in der Schweiz zu den schönen Erlebnissen. Ich hatte bei den Eidgenossen an einem Tag einmal fünf Termine. Alle Züge dorthin waren pünktlich. Nur am Abend musste ich in Basel auf den deutschen ICE über eine halbe Stunde warten.
    In Deutschland hatten die Fernzüge im Mai 2022 zu 59 Prozent mehr als fünf Minuten Verspätung. Das ist in der Schweiz unvorstellbar.
    Quelle: Telepolis

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