Transport- und Logistikbranche sieht sich in der Existenz bedroht

Transport- und Logistikbranche sieht sich in der Existenz bedroht

Transport- und Logistikbranche sieht sich in der Existenz bedroht

Ein Artikel von Frank Blenz

Ein Artikel über Brummi-Fahrer und Brummi-Fahrerinnen auf den NachDenkSeiten? Darüber zu schreiben und sich Gedanken machen – auch in diesem einen Lebensbereich stellt sich die Wichtigkeit für eine Diskussion heraus, weil mehr als Handlungsbedarf besteht. „Lastkraftwagenfahrer gesucht!“ Diesen Satz liest man gerade öfters, in der Transportbranche fehlen viele Lenker, die sich selbst gern und würdevoll Trucker nennen. Herrscht Personalmangel? Ja. Vor allem deutsche Fahrer – Fehlanzeige. Im Bundestagsverkehrsausschuss wurde jüngst darüber gesprochen, in einer Anhörung. Die Zeiten sind schlecht, es ist eine existenzbedrohende Situation eingetreten, wurde festgestellt und es wurden weitere Gründe dafür angeführt, die Bedingungen, der Lohn. Nun, wohin rollen die Trucks? Was wird aus dem Berufsbild Lastkraftwagenfahrer, einer der vielen wichtigen Jobs, die gerade nicht „attraktiv“ sind? Weitermachen wie bisher ist nicht die Antwort. Von Frank Blenz.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Systemrelevanz

Systemrelevant. Diese Wertung ist (man denke nur an die vergangenen zwei Jahre und an das viele Beifallklatschen von Balkonen) noch nicht aus den Ohren verklungen. Sie ist immer und immer wieder anzusprechen. Viele Menschen, die Tag für Tag arbeiten und unsere Gesellschaft bereichern, diese am Laufen halten, Werte schaffen – sie sind relevant, allein werden sie nicht danach behandelt. So auch die Brummi-Fahrer (und die Busfahrer). Und Fahrerinnen.

Ehrenwerter Berufswunsch

Mit einem Lächeln verrate ich einen Berufswunsch aus meiner Kindheit: Ich wollte mal Busfahrer werden. Ich habe als kleiner Bengel das Sofa bei der Oma gern zu einem Linienbus umfunktioniert. Meine Omi, sie hieß Anna, musste (wollte) mit mir so öfters die Strecke von Falkenstein nach Rodewisch auf dem Sofa fahren, sie wohnte in Rodewisch, einem kleinen vogtländischen Städtchen. Also setzte sie sich auf ein Kissen, pardon in eine Reihe am „Fenster“. Los ging’s und das in Echtzeit, 30 Minuten. Ich hatte jede Haltestelle im Gedächtnis, jede Kurve, jede gerade Straße, vor allem die finalen Meter gleich beim Postplatz fuhren wir im Tagtraum dahin. Omi fuhr geduldig mit und lachte immer herzlich bei dem Spruch von mir: „Wir sind da.“ Jedesmal merkte ich, wie wichtig ein Busfahrer ist oder auch ein LKW-Fahrer, denn die Menschen kommen an, sie bekommen die Waren, die sie brauchen.

Mein Onkel war ein richtiger Kraftfahrer. Ich schaute zu ihm auf. Der war zwar viel unterwegs (außer am Wochenende), er bedauerte das. Aber mein Onkel gestand immer, wenn er daheim war, dass er gern auf dem Bock saß und die verschiedensten Materialien von A nach B brachte, damit der Laden läuft. Mein Onkel war hochgeachtet, seine Arbeit wurde wertgeschätzt.

Das alles war einmal, habe ich festgestellt. Vor kurzem antwortete zum Beispiel ein Freund auf meine Frage, ob Trucker noch gewürdigt werden: Eher nein. Er war Fahrer eines großen LKW. Er befuhr Europa bis weit in den Osten. Er transportierte Steine aus Italien, Möbel aus Skandinavien, Lebensmittel aus Frankreich. Doch er habe die Segel gestrichen nach mehreren Jahren voller Abenteuer und vor allem voller Ernüchterung ob der Geringschätzung, die er erlebte. „Ja, LKW-Fahrer oder Busfahrer, das sind schöne Berufe. Doch das Drumherum, das passt nicht“, sagt er.

Anhörung vor dem Bundestagsausschuss

Was ist zwischen den Arbeitsjahren meines Onkels und meines Freundes aus dem Ruder gelaufen? Ich komme zu einer Expertenanhörung, das Thema ist wichtig. Die Anhörung fand dieser Tage im Mai in Berlin vor dem Verkehrsausschuss statt. Man könnte bei so vielen Problemen und/oder Herausforderungen in Sachen Verkehr annehmen, es hat sicher schon viele Anhörungen mit entsprechenden Schlussfolgerungen und Konsequenzen gegeben. Allein beim Anblick von Bus und Bahn, von Straßen- und Brückenzuständen, bei Gedanken über Kosten und so weiter kommen Zweifel auf. Und bei den Menschen in den Berufen des Transportwesens selbst? Die Bundestagsanhörung brachte Folgendes zutage:

Der Mangel an Berufskraftfahrern hat für die Transport- und Logistikbranche existenzbedrohende Formen angenommen und ist nicht allein auf eine zu geringe Entlohnung zurückzuführen. Das wurde während einer öffentlichen Expertenanhörung des Verkehrsausschusses am Mittwoch, 18. Mai 2022, deutlich. Die geladenen Sachverständigen forderten bessere Arbeitsbedingungen und mehr gesellschaftliche Wertschätzung für den Beruf. Aus Sicht der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und von Fahrervertretern macht aber vor allem das niedrige Gehalt den Beruf unattraktiv.

Festgestellt wurde auch, dass Deutschland ein Nachwuchsproblem habe. Die Arbeitsbedingungen seien schlecht, das spräche sich herum. Vor allem die Arbeitgeber seien gefordert, wurde ausgeführt. Positiv wurde bewertet, dass, regional unterschiedlich zwar, doch teils gute Bruttolöhne gezahlt würden, so in Baden-Württemberg 4.000 Euro. In Berlin-Brandenburg hingegen liege der Wert bei 2.000 Euro. Und in Mecklenburg-Vorpommern unter 2.000 Euro…

Einen Lösungsvorschlag betreffs des Personalbedarfs gab es zur Anhörung: Fachkräftezuwanderung.

Um die Fachkräftezuwanderung zu erleichtern, forderte Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung, den Führerscheinerwerb und die Berufskraftfahrerqualifikation auch für Personen mit EU-ausländischem Wohnsitz in Deutschland zu ermöglichen. Außerdem brauche es eine Anerkennung von Berufskraftfahrerqualifikationen aus Drittstaaten bei vergleichbarem Qualifikationsniveau. Engelhardt kritisierte aber auch die Bundesregierung, der die Bereitschaft fehle, „konkrete Maßnahmen für den Mittelstand auf den Weg zu bringen“. In keinem der Maßnahmenpakete der letzten Monate sei konkret etwas für den Mittelstand vorhanden gewesen, dabei brauche es dringend den Bürokratieabbau und digitale Formate in der Aus- und Weiterbildung sowie beim Führerscheinerwerb, sagte er.

Die Bedingungen sind schlecht

Allein mehr Geld werde die Lage der Fahrer nicht so verbessern, wie es notwendig sei, so die Experten. Es gehe um die Rahmenbedingungen in einem überaus mobilen Land und die Arbeitsbedingungen müssten verbessert werden.

Schauen wir auf unsere Republik. Deutschland ist ein Autofahrerland, für kleine und für große Autos, der Transport vielfältigster Güter wird überaus häufig via Straße realisiert, immer noch ist die Bahn prozentual lediglich zweiter Sieger in den Statistiken. Auch über Wasserwege wird nicht so viel durch die Republik verfrachtet, wie es möglich wäre. Zeit ist Geld, Flexibilität und Verfügbarkeit – der LKW scheint unschlagbar. Allein, dass die Menge der Brummis wächst und wächst und die Staus auch, mittlerweile aus dreispurigen Autobahnen einspurige für PKW und zwei für LKW werden, das ist zu erleben (außer an den Wochenenden) auf den Autobahnen landauf landab. Um Dresden herum, nahe dem Hockenheimring, auf dem Berliner Ring, um München – Trucks so weit das Auge reicht. Und in diesen sitzen die Fahrer, die diesem Druck standhalten (müssen) inklusive Terminstress, Lenkzeiten, Baustellen, Unfälle. Nicht nur das: Es fehlen Parkplätze, es fehlen Toiletten und Duschen, es fehlen faire Angebote der Essensversorgung entlang der Autobahnen und Landstraßen. Und es kommt nicht selten vor, dass die Fahrer die Ware an der Laderampe selbst be- und entladen müssen.

Ausbildung und Kosten

Neben den LKW- besteht auch bei den Busfahrern Bedarf bei den Ausbildungsbedingungen in Deutschland und der EU. Und: Der Führerschein kostet zuviel.

Bei den privaten und mittelständischen Busbetrieben habe der Fahrermangel ein existenzbedrohliches Ausmaß angenommen, sagte Christiane Leonard, Hauptgeschäftsführerin beim Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen. Bei 85 Prozent der deutschen Busunternehmen bestehe ein Fahrermangel, sagte sie. Hauptursache des enormen Busfahrermangels und der unzureichenden Gewinnung neuen Fahrpersonals sind laut Leonard größtenteils die erschwerten Ausbildungsbedingungen in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Staaten.
Die Führerscheinkosten beliefen sich in Deutschland auf 8.000 bis 10.000 Euro – hinzu komme eine sehr lange Ausbildungsdauer. Es müssten dringend EU-weit vergleichbare Ausbildungsstandards geschaffen werden, damit wieder gleiche Wettbewerbsbedingungen mit dem europäischen Ausland bestehen, forderte sie.

Noch ein Wort. Die Wichtigkeit, die Systemrelevanz der Busfahrer und der Lastkraftwagenfahrer – sie ist manchen Mitbürgern vielleicht gar nicht gegenwärtig. So kann es schon mal sein, dass Brummi-Lenker diese Unwissenden humorvoll und ironisch auf ihre Arbeit hinweisen, wenn sie auf die Abdeckplanen oder Containertüren ihrer großen Autos Plakate pinnen, auf denen steht: Wenn ich nicht fahre, dann bleibt Dein Kühlschrank leer.

Quelle: Deutscher Bundestag

Titelbild: Daniel Jedzura/shutterstock.com