Hinweise der Woche

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Am Wochenende präsentieren wir Ihnen einen Überblick über die lesenswertesten Beiträge, die wir im Laufe der vergangenen Woche in unseren Hinweisen des Tages für Sie gesammelt haben. Nehmen Sie sich ruhig auch die Zeit, unsere werktägliche Auswahl der Hinweise des Tages anzuschauen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. In der Kriegsmaschine: Atomare Eskalation?
  2. Ölembargo: Wie Robert Habeck die Arbeiter in Schwedt “vergackeierte”
  3. Germany, Qatar at odds over terms in talks on LNG supply deal -sources
  4. Abrupter Stopp russischer Erdgaslieferungen würde deutsche Produktion um bis zu acht Prozent des BIP einbrechen lassen
  5. Frust im Wirtschaftskrieg
  6. Biden Wanted $33B More For Ukraine. Congress Quickly Raised it to $40B. Who Benefits?
  7. Wie Indien eine neue Weltordnung schafft
  8. Syrienkonferenz ohne Syrer
  9. Das Schweigen zur Katastrophe im Jemen
  10. Die Preise und die Marktwirtschaft

Vorbemerkung: Ursprünglich hatten wir geplant, in unserer Wochenübersicht auch auf die lohnenswertesten redaktionellen Beiträge der NachDenkSeiten zu verweisen. Wir haben jedoch schnell festgestellt, dass eine dafür nötige Vorauswahl immer damit verbunden ist, Ihnen wichtige Beiträge vorzuenthalten. Daher möchten wir Ihnen raten, am Wochenende doch einfach die Zeit zu nutzen, um sich unsere Beiträge der letzten Wochen (noch einmal) anzuschauen. Vielleicht finden Sie dabei ja noch den einen oder anderen Artikel, den es sich zu lesen lohnt. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. In der Kriegsmaschine: Atomare Eskalation?
    Meinung Die Logik der Eskalation, auf die sich der Westen eingelassen hat, wird immer mehr zum Problem. Wie schwer sollen die Waffen werden, die wir liefern?
    Längere konventionelle Schlachten in der dicht besiedelten Bundesrepublik würden „die Substanz dessen zerstören, was verteidigt werden soll“. Das Zitat stammt aus dem Weißbuch des Bundesverteidigungsministeriums, und vielleicht sollten es sich alle hinter den Spiegel stecken, die jetzt den Krieg als Fortsetzung des guten Gewissens mit anderen Mitteln neu entdecken. Da stand auch noch: „Denn moderne konventionelle Waffensysteme – Schüttbomben, Napalm und Flächenfeuerwaffen – erreichen fast schon die Zerstörungswirkungen taktischer Nuklearwaffen.“ Ach so, es handelt sich um das Weißbuch 1975/76. Seither dürfte das eher nicht besser geworden sein, oder?
    Aber die Idee, dass auch der Verteidigung eine Grenze gesetzt ist – nämlich der Bestand des zu Verteidigenden –, die ist offenbar seither verloren gegangen. Die Ukraine jedenfalls unterstützen wir, egal, wie viele Kinder und Städte dabei verloren gehen. Und damit die Zeit bis dahin nicht kurz wird, liefern wir jetzt, was das Zeughaus hält. „Schwere Waffen“ ist jetzt schon das Unwort des Jahres 2022. Ja, es ist Wladimir Putins Krieg. Der russische Präsident ist der Verbrecher. Aber für jeden Krieg braucht es den, der ihn anfängt, und den, der ihn mitmacht.
    Quelle: Jakob Augstein in der Freitag

    dazu: Serdar Somuncu im Interview: Die Deutschen sehnen sich nach Krieg
    Der Comedian Serdar Somuncu wird angefeindet, weil er gegen überstürzte Waffenlieferungen, Corona-Maßnahmen, Denkverbote ist. Er kann auch mal ausfällig werden. (…)
    Fassen Sie doch noch einmal zusammen: Was ist Ihre Position zum Krieg in der Ukraine und welche Rolle sollte Deutschland dabei spielen?
    Meine Haltung ist da ganz klar: Deutschland sollte aufgrund seiner historischen Verantwortung in keiner Weise in diesen Krieg mit einsteigen, sei es durch die Lieferung schwerer Waffen oder durch sonstige Verschärfungen dieses Konflikts. Aber genau das passiert gerade: Menschen, die früher für den Frieden waren, schreien heute am lautesten, dieser Konflikt lasse sich nicht anders lösen als auf militärischer Ebene. Das erschreckt mich und ich bin ganz anderer Meinung. Diese Konflikt, der ja nicht erst seit gestern existiert, hätte schon viel früher auf diplomatischer Ebene gelöst werden können. Neben Ursachenforschung, die wichtig wäre, aber natürlich auch unangenehme Aspekte beinhaltet. Wenn wir etwa die Rolle der Nato und der USA betrachten, wäre es jetzt wichtig, weise und besonnen nach vorne zu schauen und zu überlegen: Wie kommen wir wieder aus dieser Spirale heraus? Ich glaube nicht, dass das mit Waffenlieferungen funktioniert. Wir müssen wohl oder übel auch mit denen sprechen, die auf der anderen Seite stehen, also mit den Russen. Stattdessen lassen sich viele Akteure von kurzfristigen Affekten steuern. (…)
    Eine neue, den aktuellen Diskurs beherrschende Gruppe bezeichnet sich selbst als „woke“, kritisiert Rassismus, Sexismus, Klassismus und andere „-ismen“ – ist aber auch beständig für starke Corona-Maßnahmen eingetreten.
    Ja, weil sie privilegiert sind. Wir haben einen Generationswechsel. Ein großer Teil der Gesellschaft kommt eben nicht mehr aus der entbehrungsreichen Kriegs- oder Nachkriegszeit, sondern das sind die Kinder der Eltern, die in Prenzlauer Berg ihren 5000 Euro teuren Kinderwagen hin und her schieben. Die haben natürlich ganz andere ethische Werte. Dazu gehört, dass man empfindlicher und empfindsamer geworden ist, was ich nicht schlecht finde. Man tritt auch aktiver ein gegen Dinge, die man für ungerecht hält. Wenn das aber dazu führt, dass man einen Wertekatalog aufstellt und sagt, jeder, der dagegen verstößt, macht etwas falsch, dann wird es zu einer Diskussion, wo es nur noch Schwarz und Weiß gibt und keiner mehr den anderen hört. Diese „woke Clique“, die sich ja besonders auf Twitter trifft, schraubt sich gegenseitig gerne hoch und verlässt gerne die eigenen Grundsätze. Diejenigen, die oft sehr empfindlich sind, sind oft die, die sehr verletzend sind und andere schnell anklagen und unter Verdacht stellen. Das wird sehr befeuert dadurch, dass wir keine Gesellschaft sind, die von Nachrichten lebt, die andere für uns aussuchen, sondern dass jeder auch Sender ist. Das macht die Lage immer verworrener.
    Quelle: Berliner Zeitung

    dazu auch: Ukraine-Krieg: Wer will welchen Frieden?
    Frieden wollen alle. Sagen sie zumindest. Auch in der Ukraine und Russland. Wichtig für den Frieden ist, sich die Ziele der einzelnen Parteien vor Augen zu führen. Und dann ginge es daran, Brücken zu bauen. Dieser Text zeigt verschiedene Möglichkeiten dafür auf.
    Wer Frieden will, muss nach den Ursachen des Krieges fragen. Drei Ansätze schälen sich dafür bei der Analyse des Kriegsgeschehens in der Ukraine heraus. Der eine lautet: Wer ist in diesem Krieg Aggressor und wer der Angegriffene? Der andere: Wie könnte eine Verhandlungslösung für einen zukünftigen Status der Ukraine aussehen? Und schließlich: Was also hieße es, Brücken zu bauen?
    Zur Beantwortung dieser Fragen macht es keinen Sinn, im Einzelnen auf die Kriegspropaganda einzugehen, mit der wir tagtäglich überschüttet werden. Ebenso wenig macht es Sinn, sich an Spekulationen zu beteiligen, wann, unter welchen Umständen und ausgelöst durch wen der Krieg, der zurzeit auf dem Boden der Ukraine mit konventionellem Kriegsgerät ausgetragen wird, in einen atomaren Krieg übergehen könnte. Spekulationen dieser Art haben allein den Effekt, man ist versucht zu sagen, die Funktion, Ängste in der Bevölkerung zu schüren, um die Belieferung der Ukraine mit „schweren Waffen“ als das kleinere Übel erscheinen zu lassen.
    Sinnlos ist auch zu fragen, wer der „Aggressor“ ist – Russland, das in ukrainisches Staatsgebiet völkerrechtswidrig einmarschiert ist? Die Kiewer Ukraine, die den Krieg, den sie seit 2014 gegen die Gebiete Donezk und Lugansk unter Bruch des zweiten Minsker Abkommens führte, jetzt eskalierte? Die NATO, die sich in der Ukraine informell bis an die Grenzen Russlands vorarbeitete? Für jede dieser Realitäten lassen sich Fakten und Argumente anführen, auf die der Tatbestand der Aggression – mit Unterschieden, versteht sich – anwendbar wäre. Zur Klärung des Konfliktes tragen diese Schuldzuweisungen nicht bei, sie sind eher ein Bestandteil des gegenwärtigen Informationskrieges.
    Um uns dem Brückenbauen zu nähern, muss eine andere Frage in den Mittepunkt gerückt werden als der Streit darum, wer der „Aggressor“ war, die Frage nämlich, welche Ziele die streitenden Parteien verfolgen, anders gefragt, was, wie überbrückt werden soll – und ob es überbrückt werden kann. Noch anders formuliert, sind das Fragen nach den strategischen, also den langfristigen Zielen, von denen die kriegführenden Parteien sich zurzeit leiten lassen.
    Quelle: Kai Ehlers im Hintergrund

    und: Wir können die Rolle der EU und der USA im Ukraine-Krieg nicht ignorieren” betont die Europaabgeordnete Clare Daly
    (Eigene Übersetzung)
    Im Westen gibt es ein Narrativ von Guten und Bösen im Ukraine-Krieg, “und wenn du nicht in diesem Narrativ redest, dann bist du ein Bösewicht”, sagte die umstrittene Europaabgeordnete Clare Daly heute.
    Ein Teil des irischen Establishments, der die Neutralität nie gewollt habe, sehe die Invasion in der Ukraine nun als eine Gelegenheit, diese vollständig zu beenden, warnte sie.
    Unterdessen sind der EU-Militarismus und die NATO zwei Seiten derselben Medaille, und die Rüstungsindustrie profitiert in hohem Maße vom aktuellen Konflikt. […]
    “Aber wir können die Rolle, die die EU und die USA gespielt haben, nicht ignorieren. Das soll keine Entschuldigung für Russland sein. Es geht einfach darum, das Problem zu erklären, denn man kann es nicht lösen, wenn man es nicht an der Wurzel versteht.” […]
    Während des Krieges sei die Reaktion der EU und der irischen Regierung im Wesentlichen darin bestanden, den Krieg zu eskalieren und dafür zu sorgen, dass er weitergeht.
    In dieser Woche habe es ein großes Getöse um Sanktionen gegeben, und sie sei gegen das russische Ölembargo, sagte sie. “Nicht weil ich Mitleid mit Russland habe, nicht weil ich auf der Gehaltsliste von Putin stehe, sondern weil Sanktionen nicht funktionieren. Sie haben noch nie einen Krieg verhindert.
    “Nicht ein einziges ukrainisches Leben wird durch das europäische Ölembargo gerettet”, denn nur 30 von 195 internationalen Ländern verhängten Sanktionen gegen Russland und es würde anderswo Handel treiben. “Wenn Europa es nicht kauft, wird es jemand anderes tun. Die einfachen Menschen in Europa werden den Preis dafür zahlen”.
    Die andere Lösung sei, weiterhin Waffen in den Konflikt zu liefern, was nicht heiße, dass die Ukraine nicht das Recht habe, sich selbst zu verteidigen, sagte sie.
    “Das hat sie absolut. Aber das hört man nicht, wenn es um die Bewaffnung von Menschen im Irak, in Palästina oder im Jemen geht”, merkte sie an und fügte hinzu, dass die westliche Sichtweise nun offen dazu übergegangen sei, dass es sich um einen “Stellvertreterkrieg gegen Russland” handele.
    Quelle: independent.ie

  2. Ölembargo: Wie Robert Habeck die Arbeiter in Schwedt “vergackeierte”
    Soll die ostdeutsche PCK-Raffinerie dem Ölembargo geopfert werden? Habeck verspricht, sie erhalten zu wollen – doch ihm fehlen konkrete und belastbare Vorstellungen, wie er das gewährleisten kann.
    Am Montag besuchte Robert Habeck (Grüne) die PCK-Raffinerie in Schwedt (Oder). Leger und mit hochgekrempelten Ärmeln stand der Bundeswirtschaftsminister auf einem Tisch und sprach mit den Arbeitern über die Auswirkungen des geplanten Öl-Embargos. Er versprach: “Ich will Sie nicht verkackeiern und Ihnen auch nicht den Himmel rosarot malen”. Am Ende hat er doch beides getan.
    Zwar gab er vor den Arbeitern zu, dass es noch zu viele Unbekannte gebe; dass der Bundesregierung aber jegliches Konzept für den längeren Erhalt der Raffinerie zu fehlen scheint, brachte er nicht über die Lippen. Doch die Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf einen umfangreichen Fragenkatalog von Telepolis, legt das nahe. […]
    In den deutschen Amtsstuben scheint man sich tatsächlich nicht immer über die Folgen im Klaren zu sein, die manche Entscheidungen verursachen. Auf eine machte Peter Hübner, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie aufmerksam.
    Sollte die Raffinerie in Schwedt (Oder) vor dem Aus stehen, dann hätte das auch extreme Folgen für den Straßenbau. Denn sie produziere “ein Drittel des in Deutschland für den Straßenbau benötigten Bitumens, nämlich 1,3 von vier Millionen Tonnen”, erklärte Hübner gegenüber der Wirtschaftswoche. Auf einem Drittel der Baustellen drohe dann ein Mangel des benötigten Baustoffs.
    Quelle: Telepolis
  3. Germany, Qatar at odds over terms in talks on LNG supply deal -sources
    Germany and Qatar have hit difficulties in talks over long-term liquefied natural gas (LNG) supply deals amid differences over key conditions, including the duration of any contract, three people familiar with the discussions told Reuters.
    Germany, which aims to cut its carbon emissions by 88% by 2040, is reluctant to commit to Qatar’s conditions to sign deals of at least 20 years to secure the massive LNG volumes it needs to reduce its dependence on Russian gas, the people said.
    Qatar, the world’s largest LNG supplier, is also specifying terms such as a destination clause that would prevent Berlin from rerouting the gas to other areas in Europe, a condition which the European Union opposes.
    Quelle: Reuters

    dazu auch: Streit in Verhandlungen: Habecks Gas-Deal mit Katar droht zu platzen
    Der Flüssiggas-Deal von Wirtschaftsminister Robert Habeck und Katar droht zu scheitern. Und das aus drei Gründen. Der Wichtigste: Beide Parteien sind sich nicht einig über die Vertrags-Laufzeit. Habeck will Deutschland mit dem Deal eigentlich aus der Abhängigkeit Russlands führen. […]
    Ein dritter Streitpunkt ist die Frage, woran der Gaspreis in Zukunft gekoppelt sein soll. Katar will eine Bindung an den Öl-Preis. Deutschland plädiert für eine Kopplung an einen europäischen Gas-Index. Felix Booth, Flüssiggasexperte bei Vortexa, sagt dazu: „Katar hat die Hebel in der Hand. Am Ende wird Deutschland auf die Bedingungen eingehen müssen, um die Versorgung zu sichern. Heißt: Eine Bindung an den Öl-Preis, was zu einer hohen finanziellen Belastung für Deutschland führen wird.“ Flüssiggas ist ohnehin deutlich teurer als das billige russische Gas.
    Quelle: Focus Online

  4. Abrupter Stopp russischer Erdgaslieferungen würde deutsche Produktion um bis zu acht Prozent des BIP einbrechen lassen
    Ein abrupter Versorgungsstopp mit russischem Erdgas – sei es durch ein Embargo von EU- oder russischer Seite – würde die Produktion in Deutschland in den ersten 12 Monaten um 114 bis 286 Milliarden Euro einbrechen lassen. Das entspräche einem Verlust von rund 3 bis 8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Zusätzlich zu diesen angebotsseitigen Effekten wäre mit einem nachfragebedingten Rückgang des BIP aufgrund höherer Energiepreise zu rechnen: Wenn etwa Verbraucherinnen und Verbraucher weniger für andere Güter ausgeben können und die Unsicherheit zunimmt, dürfte das die Wirtschaftsleistung um weitere 2 bis 4 Prozent reduzieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie von Prof. Dr. Tom Krebs von der Universität Mannheim, die das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung gefördert hat. Damit wäre durch ein kurzfristiges Erdgas-Embargo ein wirtschaftlicher Einbruch auf dem Niveau des Corona-Jahres 2020 oder der Finanzkrise im Jahr 2009 zu erwarten, schreibt der Professor für Volkswirtschaftslehre. Es „könnte jedoch auch zu einer Wirtschaftskrise führen, wie sie (West)Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg nicht erlebt hat“, warnt Krebs.
    Quelle: Hans Böckler Stiftung

    dazu auch: Ukraine stoppt Transit: Kriegt Berlin noch russisches Gas?
    „Seit dem 27. April bezieht Polen kein Erdgas mehr von Gazprom“, bestätigte ein Sprecher der Berliner Zeitung nur kurz. Polen sei dank der langjährigen Politik der Diversifizierung von Gasrouten und Quellen sowie der Investitionen in LNG-Terminals und Verbindungen zu den EU-Nachbarn in der Lage, Russland als Gaslieferanten links liegen zu lassen. Der polnische Energiekonzern PGNiG kaufe das Gas nun auf dem europäischen Markt.
    Auch das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) wolle sich nicht zu einzelnen Verträgen der Gasunternehmen äußern. Deutschland habe sich in der Vergangenheit zu großer Abhängigkeit von russischem Gas begeben, sagt die Sprecherin Susanne Ungrad der Berliner Zeitung. Die Langfristverträge garantierten zwar zum größten Teil relativ stabile Preise, „aber eben auch eine sehr große Abhängigkeit, die sich jetzt rächt“. Das Positive daran: Das russische Gas sei in den langfristigen Lieferverträgen zum Teil nicht nur für Deutschland, sondern auch für andere Kunden in Europa vorgesehen.
    Der deutsche Fernleitungsnetzbetreiber Gascade ist an der Stelle noch konkreter. Die Richtung der Gasflüsse, so die Sprecherin Uta Kull, hänge von den Transportbestellungen der Unternehmen. „Mallnow ist ein Grenzübergabepunkt, der in beide Richtungen, also nach Polen oder nach Deutschland, transportieren kann.“ Die Bundesnetzagentur gebe aber nur die Importe in Mallnow bekannt, also die Richtung Polen-Deutschland.
    Wie viel Gas aus Deutschland nach Polen fließt, gibt Gascade dagegen in seinem Transparenz-Tool täglich an. Daraus ergibt sich etwa, dass deutsche Gasunternehmen für diesen Mittwoch rund 1,2 Millionen Kubikmeter Gas nach Polen liefern wollten, was 80 Prozent der Lieferkapazität der Verdichterstation ausmacht. Gerade am 27. April, als Polen nach eigenen Angaben kein Gas mehr aus Russland bezogen hatte, war der Gasfluss in Mallnow Richtung Polen sprunghaft von nur 300.000 auf gleich 1,3 Milliarden gestiegen. Inwiefern dieses Gas „russisch“ ist, kann man allerdings nicht sagen, denn die Marktteilnehmer gleichen Angebot und Nachfrage untereinander aus.
    Quelle: Berliner Zeitung

  5. Frust im Wirtschaftskrieg
    Zunehmend breitet sich daher in den Zentralen der westlichen Welt Frust aus über die Entwicklung im Wirtschaftskrieg. Am 9. April musste der Londoner Economist einräumen, der Rubel hätte sich von »seinem dramatischen Fall zum Start des Krieges in der Ukraine« inzwischen erholt und »wird zum selben Wechselkurs gegenüber dem Dollar gehandelt wie in dem Moment vor der Invasion«. Eine Woche später, am 16. April, vergleicht das Blatt das Abstimmergebnis des vom Westen angestrebten Ausschlusses Russlands vom UNO-Menschenrechtsrat mit der Abstimmung zur Verurteilung Russlands gleich nach der Invasion in die Ukraine und stellt mit Empörung fest, dass das Lager der klaren Gegner Russlands von 141 auf 93 Länder geschrumpft, das der Enthaltungen und Gegenstimmen sich aber von 40 auf 82 mehr als verdoppelt habe. »Get off the fence« – »Runter von der Zuschauertribüne« schreit das Blatt im Kommentar zu dieser Entwicklung die Repräsentanten dieser zunehmenden Abkehr von der westlichen Kriegsentschlossenheit geradezu an.
    In Deutschland liegen die Nerven ähnlich blank […]
    Sowohl die FAZ als auch der Economist werden wohl noch häufiger feststellten müssen, »dass es wenig Evidenz dafür gibt, dass die ökonomische Aktivität (Russlands) sonderlich beeinträchtigt wäre«, wie das britische Blatt am 2. April einräumte und – ebenfalls mit Verweis auf die Sowjetunion – resümierte: »Wenn überhaupt irgendeine Volkswirtschaft damit klarkommen könnte, vom Rest der Welt abgeschnitten zu werden, dann wäre es die Russlands.«
    Der tiefe Frust in den westlichen Zentralen kommt zu einen von dieser Einsicht und zum anderen daraus, dass diese Isolation, die von 1949 bis 1989 gelungen war, heute nicht mehr gelingt. Das zeigen die Abstimmungen in der UNO, mehr aber noch die florierenden Wirtschaftskontakte, die Russland mit China, Indien, Pakistan, Iran, den meisten afrikanischen Staaten – kurz mehr als der Hälfte der Weltbevölkerung unterhält, allen Bestrebungen aus Washington, London oder Berlin zum Trotz.
    Auch weil diese Sanktionen sich zunehmend als Flop erweisen, werden die Bemühungen, den Krieg gegen Russland bis zum letzten Ukrainer militärisch zu gewinnen, immer mehr intensiviert – mit Panzern, Raketen und demnächst vielleicht auch mit Flugzeugen, die gegen Russland in Marsch gesetzt werden.
    Quelle: Ossietzky
  6. Biden Wanted $33B More For Ukraine. Congress Quickly Raised it to $40B. Who Benefits?
    Tens of billions, soon to be much more, are flying out of U.S. coffers to Ukraine as Americans suffer, showing who runs the U.S. Government, and for whose benefit. […]
    The amounts allocated thus far — the new Biden request of $33 billion combined with the $14 billion already spent — already exceed the average annual amount the U.S. spent for its own war in Afghanistan ($46 billion). In the twenty-year U.S. war in Afghanistan which ended just eight months ago, there was at least some pretense of a self-defense rationale given the claim that the Taliban had harbored Osama bin Laden and Al Qaeda at the time of the 9/11 attack. Now the U.S. will spend more than that annual average after just ten weeks of a war in Ukraine that nobody claims has any remote connection to American self-defense.
    Even more amazingly, the total amount spent by the U.S. on the Russia/Ukraine war in less than three months is close to Russia’s total military budget for the entire year ($65.9 billion). While Washington depicts Russia as some sort of grave and existential menace to the U.S., the reality is that the U.S. spends more than ten times on its military what Russia spends on its military each year; indeed, the U.S. spends three times more than the second-highest military spender, China, and more than the next twelve countries combined.
    But as gargantuan as Biden’s already-spent and newly requested sums are — for a ten-week war in which the U.S. claims not to be a belligerent — it was apparently woefully inadequate in the eyes of the bipartisan establishment in Congress, who is ostensibly elected to serve the needs and interests of American citizens, not Ukrainians. Leaders of both parties instantly decreed that Biden’s $33 billion request was not enough. They thus raised it to $40 billion — a more than 20% increase over the White House’s request — and are now working together to create an accelerated procedure to ensure immediate passage and disbursement of these weapons and funds to the war zone in Ukraine.
    Quelle: Glenn Greenwald
  7. Wie Indien eine neue Weltordnung schafft
    Ist Russland international isoliert? Tatsächlich nimmt der größte Teil der Welt im Ukraine-Krieg entweder eine pro-russische oder neutrale Haltung ein. Und Indien könnte zum Game-Changer einer neuen multipolaren Ordnung werden.
    Aus westlicher Sicht mag es den Anschein haben, dass sich Russland durch seine Invasion in der Ukraine in einen isolierten Pariastaat verwandelt, doch nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. In Wirklichkeit verhält sich die Mehrheit der Welt, gemessen an der Bevölkerungszahl, in diesem Konflikt entweder neutral oder pro-russisch. Indien mit seinen über 1,38 Milliarden Einwohnern hat einen großen Anteil an diesem Bevölkerungsgleichgewicht. Darüber hinaus zeigt die Weigerung Neu-Delhis, Moskaus militärische Aktion zu verurteilen, eine deutliche Verschiebung des globalen Kräfteverhältnisses zuungunsten der westlichen Mächte.
    Die Haltung Neu-Delhis widerspricht den westlichen strategischen Annahmen, dass Indien ein natürlicher Teil eines pro-demokratischen Blocks sei. Stattdessen entpuppt sich Indien als gewieftes Chamäleon auf der Weltbühne, das in der Lage ist, positive Beziehungen zu einer Reihe von Ländern zu pflegen, die miteinander konkurrieren. Deutlich wird auch, dass es im Westen an Wissen über die indische Diplomatie und Strategie mangelt, insbesondere über die multipolare Zukunftsvision des Landes.
    Quelle: Makroskop
  8. Syrienkonferenz ohne Syrer
    In Brüssel hat am Montag die zweitägige EU-Konferenz zur »Unterstützung der Zukunft Syriens und der Region« begonnen. Anders als bei den vorherigen Malen ist zum sechsten Zusammentreffen dieser Art die Russische Föderation nicht eingeladen worden. Das Moskauer Außenministerium kritisierte die Entscheidung: Die Konferenz sei wertlos, wenn weder die syrische noch die russische Regierung eingeladen würden. International gebe es keine Anstrengungen, um die humanitären Probleme des Landes zu lösen, hieß es in einer Erklärung, aus der die syrische Tageszeitung Al-Watan am Sonntag zitierte.
    Demnach müsse humanitäre Hilfe nach den international anerkannten und festgelegten Prinzipien verlaufen. Hingegen »versinken« die Brüsseler Konferenzen »immer tiefer in der rücksichtslosen Politisierung humanitärer Fragen«, so das russische Außenministerium weiter. Der Westen tue sein Bestes, syrische Flüchtlinge an der Rückkehr in ihre Heimat zu hindern; die schwierige Situation, in der sich die (regionalen) Aufnahmeländer befänden, bleibe von der EU unbeachtet. Washington und Brüssel erstickten das syrische Volk mit illegalen einseitigen Sanktionen.
    Kritisiert wurde von Russland auch die US-Militärpräsenz in Syrien: Washington halte syrisches Territorium in der Al-Dschasira-Region (Nordostsyrien) und in Al-Tanf besetzt und plündere die nationalen Ressourcen des Landes. Zudem verhinderten die US-Amerikaner und die Europäer die Umsetzung von Projekten für den Wiederaufbau Syriens, wie sie die UN-Sicherheitsratsresolution 2885 vorsehe. Statt dessen würden politische Vorbedingungen gefordert, darunter auch »grenzüberschreitende Hilfslieferungen« (aus der Türkei), die die Souveränität und territoriale Integrität Syriens verletzten. (…)
    Trotz der hohen Summen an Hilfsgeldern, die Syrien – auch von der EU-Kommission – seit zehn Jahren bereitgestellt werden, verschlechtert sich die wirtschaftliche und soziale Lage des Landes weiter. UNICEF wies darauf hin, dass bisher mehr als die Hälfte der für 2022 benötigten Gelder für die Kinder in Syrien und in den Nachbarländern fehle. Auch das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen beklagte am Sonntag, dass für seine Hilfsprogramme bis Ende 2022 noch 595 Millionen US-Dollar fehlten. Zum Vergleich: Zur Versorgung von Flüchtlingen aus der Ukraine hat die EU-Kommission den Mitgliedstaaten seit Ende Februar nach eigenen Angaben 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.
    Quelle: Karin Leukefeld in junge Welt
  9. Das Schweigen zur Katastrophe im Jemen
    Eine UN-Organisation spricht von der “schlimmsten von Menschen erzeugten humanitären Katastrophe seit vielen Jahrzehnten”. Gemeint ist nicht die Ukraine, sondern der Jemen. Anders als das Leid der Ukrainer beherrscht das der Jemeniten nicht unsere Medien. Ein Kommentar. (…)
    Jemen war schon vor dem Krieg das ärmste Land der arabischen Welt. Es fördert zwar Gas und Öl, aber die Vorkommen werden auf nur 0,2 Prozent der weltweit nachgewiesenen Reserven geschätzt. Jemen liegt aber an der Meerenge von Bab-al-Mandab, einem strategischen Nadelöhr zwischen Rotem Meer und dem Golf von Aden, und dort werden täglich vier Millionen Barrel Oel durchgeschleust. Die freie Durchfahrt ist unverzichtbar für die Golfmonarchien. Der Westen nimmt also in Jemen die bekannten “vitalen Interessen” wahr. In einer überparteilichen Studie zuhanden des US-Kongresses [2] wurden Ende vergangenen Jahres die Gründe für den Krieg aufgeführt. In Jemen agierten “internationale Terroristengruppen”, heißt es da, und ein gescheiterter Staat Jemen wäre nicht nur eine Gefahr für die Schifffahrt, sondern würde überdies dem Iran erlauben, “die Grenzen von Saudi-Arabien zu bedrohen”.
    Die aufständischen Huthi-Milizen haben seit 2014 einen großen Teil des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. Ihre führenden Köpfe wurden im Iran in der islamischen Hochschule von Quom ausgebildet. Sie bekämpfen die Regierung Hadi, aber auch die sunnitischen Moslembrüder und die saudischen Wahabiten, die einen fundamentalistischen Islam im Jemen verbreiten. Es geht indessen, wie im gesamten Mittleren und Nahen Osten, nicht um “Religionskriege” zwischen Schiiten und Sunniten, sondern um politische Machtkämpfe, die entlang ethnisch-konfessioneller Grenzen ausgetragen werden.
    Quelle: Hintergrund
  10. Die Preise und die Marktwirtschaft
    Die Inflation ist weiter in aller Munde. Mit 7,4 Prozent wurde im April dieses Jahres ein Wert erreicht, der nahezu einmalig in der bundesdeutschen Geschichte ist. Nur im Frühsommer 1973, um den Jahreswechsel 1973/1974 herum und im Oktober 1981 war die Steigerungsrate des Verbraucherpreisindex höher als derzeit. Der Druck auf die EZB, mit Zinserhöhungen zu reagieren, wird täglich größer. Dabei bleiben die Befürworter einer strafferen Geldpolitik eine plausible Erklärung schuldig, wie und mit welchen gesamtwirtschaftlichen Folgen Zinserhöhungen die aktuellen Preissteigerungen bei importierten Rohstoffen zum Stillstand bringen können. (…)
    Man fragt sich, warum der Vorsitzende des DGB, von dem man jahrelang nichts in Sachen angemessener Lohnpolitik gehört hat, ausgerechnet jetzt vorprescht und so tut, als müsse man nun die Lohnpolitik neu ausrichten. Der DGB war in den letzten beiden Jahrzehnten nicht einmal in der Lage (und offenbar auch nicht willens), dafür zu sorgen, dass die Arbeitnehmer die ihnen vollständig und jederzeit zustehenden Nominallohnerhöhungen in Höhe der durchschnittlichen Produktivitätssteigerung plus zwei Prozent Zielinflation bekommen haben, die von der EZB vorgegeben sind. Jetzt so zu tun, als müssten die Gewerkschaften für einen Ausgleich von weit höheren Preissteigerungen in den Tarifverhandlungen sorgen, die die deutschen Arbeitgeber großenteils nicht zu verantworten haben, ist wenig glaubwürdig und würde die sich abzeichnende wirtschaftliche Misere nur befeuern.
    Der Wunsch, reale Knappheiten durch simple Steigerung aller Nominallöhne quasi ungeschehen zu machen, muss scheitern. Denn dann trifft eine aufgeblasene nominale Nachfrage auf die gleichen realen Knappheiten und führt zwangsläufig zu neuen Preisschüben. Der Verteilungskampf um real knapper gewordene Güter wird in einer Marktwirtschaft nun einmal über Preise geführt. Die einzig angemessene Hilfe, die man für die Einkommensschwächsten in diesem Kampf leisten kann und muss, ist eine Umverteilung von oben nach unten. Hier sollten sich die Gewerkschaften engagieren und den Gutverdienenden klarmachen, dass in erster Linie sie die Zeche für die Knappheiten zu zahlen haben, damit aus dem aktuellen Preisschub keine anhaltende Inflation und keine massive Rezession entsteht.
    Quelle: Friederike Spiecker

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