Als ich in diesem Gespräch mit dem Verleger des Westend Verlages die deutsche Außenministerin eine Einflussagentin nannte und sogar den Bundespräsidenten in diese Kategorie einbezog, da reagierte Markus Karsten etwas irritiert. Ich kann die Irritation verstehen. Es ist nicht üblich, offen und ehrlich die Lage unseres Landes zu beschreiben. In dem erwähnten Gespräch in Frankfurt haben wir das getan. Und übrigens gilt das auch für die erweiterte Fassung von „Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst“. Dort gibt es ein neues Kapitel IV.21.: „Baerbock, die Grünen und die Einflussagenten“. Die Buchvorstellung war der eigentliche Anlass des Gesprächs. Es ging dabei um die aktuelle Lage und die offensichtlich umfassend angewandten Methoden der Manipulation. Man muss schon sehr weit entfernt sein von der bundesrepublikanischen Realität, um noch von demokratischen Verhältnissen sprechen zu können. Nachtrag: Westend Verleger Karsten merkt an, dass er nicht irritiert war, sondern zustimmend interessiert. Albrecht Müller.
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Dass hierzulande nicht offen über die grassierende und in beachtlichem Tempo zunehmende Abhängigkeit der politisch handelnden Personen von der westlichen Führungsmacht gesprochen wird, ist eigentlich unerträglich. Wenn man nämlich nicht in Rechnung stellt, dass sich zum Beispiel die Außenministerin, Frau Baerbock, und auch der Bundeskanzler, Olaf Scholz, bei ihren öffentlichen Äußerungen und bei ihren Entscheidungen immer wieder an den Interessen der USA und der NATO orientieren, dann begreift man die bittere Wirklichkeit unseres Landes nicht. Die besten Beispiele der letzten Zeit sind die gerade beendete Reise der Außenministerin in die Ukraine und die Fernsehansprache des Bundeskanzlers zum 8. Mai. Es läge eindeutig im Interesse unseres Landes, den Konflikt zwischen dem Westen und Russland nicht weiter anzuheizen; Annalena Baerbock und Olaf Scholz haben das trotzdem getan. Es liegt nicht in unserem Interesse, aber im erklärten Interesse der USA, mit den betriebenen Veränderungen in der Ukraine Russland aus Europa hinauszukomplimentieren und zu demütigen. Unser Führungspersonal schlägt sich trotzdem auf die Seite der USA und der NATO.
Da ich die Politik seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts beobachte und seit 1968 in Bonn zunächst als Mitarbeiter des Bundeswirtschaftsministers Karl Schiller und dann ab 1969 für die Bundeskanzler Brandt und Schmidt tätig war, kann ich deren Rolle und Rücksichtnahme auf die Interessen der USA einigermaßen beurteilen:
Bundeskanzler Adenauer hatte sich in seiner Sicherheitspolitik von Beginn an, also ab Gründung der Bundesrepublik 1949, an den Wünschen der westlichen Führungsmacht orientiert. Auch Willy Brandt hat sich in seiner Zeit als Regierender Bürgermeister – vermutlich zwangsläufig – an alliierten Vorstellungen orientiert. Die dann ab Anfang der Sechzigerjahre entwickelte Ostpolitik wie auch die Wirtschafts- und Finanzpolitik von Schiller und Schmidt orientierten sich aber zu allererst an den Interessen unseres Landes und nicht an jenen der Alliierten. Das galt zum Beispiel für die heiß diskutierte Entscheidung zur Aufwertung der D-Mark im Jahre 1969, es galt für den Ausbau des Handels und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der DDR und anderen Ländern des sogenannten Ostblocks.
Zwischen Februar 1973 und Ende September 1982 war ich als Abteilungsleiter Mitglied der morgendlichen Lagerunde im Bundeskanzleramt. Ich kann mich an keinen Fall erinnern, dass dort vom Abteilungsleiter Außenpolitik oder von anderen Abteilungsleitern irgendwelche Wünsche der US-Botschaft in Bonn in das morgendliche Gespräch eingebracht worden wären.
Jetzt ist das wesentlich anders. Jetzt, 77 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, beherrschen die Interessen des Imperiums USA ganz wesentlich die deutsche Politik. Deshalb habe ich das Thema im Gespräch mit dem Verleger Markus Karsten angesprochen und deshalb habe ich das Thema in die erweiterte Fassung meines Buches eingefügt.
Einflussagenten in Politik und Medien
Einflussagenten gibt es nicht nur unter Politikerinnen und Politikern. Ja, dass es diese in der Politik geben kann, ohne dass darüber vernichtend diskutiert wird, folgt daraus, dass entscheidende Medienmacher im Auftrage US-amerikanischer und atlantischer Interessen unterwegs sind. Die Anstalt des ZDF hat, als sie noch ein kritisches Medium war, am 29.4.2014 in einer sogenannten Tafelnummer die Verflechtungen zwischen wichtigen deutschen Journalisten und atlantischen Organisationen präsentiert. Damals ging es auch schon um das leidige Thema Ukraine, allerdings um vieles kritischer und aufklärender, als dies heute in deutschen Medien geschieht. Hier ist (zum wiederholten Mal) der Link auf die Sendung und hier die entsprechende Abbildung der Tafelnummer:
Bitte machen Sie das Thema Einflussagenten und damit die Abhängigkeit deutscher und europäischer Politik und der Medien von den USA und von der NATO zum großen und nachhaltigen Thema Ihrer Gespräche. Der Kreis der Wissenden muss dringend erweitert werden. Das Thema „Einflussagent“ muss so geläufig werden, dass die in der Politik und in den Medien Verantwortlichen vorsichtiger werden.
Schreiben Sie bitte Leserbriefe, wenn Ihnen auffällt, dass die herrschenden Medien diese Schattenseite der Politik und Wirklichkeit ausblenden.
Zum Schluss noch eine ergänzende Anmerkung zum Gespräch vom 6. Mai in Frankfurt. Das Gespräch dauerte 34:31 Minute und löste unter den Gästen eine lebendige Diskussion aus.
Einer der Gesprächsteilnehmer wies bei dieser Gelegenheit auf ein für unser Thema wichtiges und einschlägiges Dokument hin, das die RAND Corporation 2019 veröffentlicht hat. Siehe hier und im Folgenden der Beginn des Textes auf Englisch:
Overextending and Unbalancing Russia
Assessing the Impact of Cost-Imposing Options
by James Dobbins, Raphael S. Cohen, Nathan Chandler, Bryan Frederick, Edward Geist, Paul DeLuca, Forrest E. Morgan, Howard J. Shatz, Brent Williams
Editor’s Note, April 2022: We encourage you to explore this research brief and the full report that it is based on. However, because Russian state media entities and individuals sympathetic to Putin’s decision to invade Ukraine have mischaracterized this research in recent weeks, we also encourage you to explore this helpful resource on Russia’s “firehose of falsehood” approach to propaganda and our research on “Truth Decay,” which is a phenomenon that is driven in part by the spread of disinformation.
This brief summarizes a report that comprehensively examines nonviolent, cost-imposing options that the United States and its allies could pursue across economic, political, and military areas to stress—overextend and unbalance—Russia’s economy and armed forces and the regime’s political standing at home and abroad. Some of the options examined are clearly more promising than others, but any would need to be evaluated in terms of the overall U.S. strategy for dealing with Russia, which neither the report nor this brief has attempted to do. …
…
Anmerkung Albrecht Müller: Sehr interessant ist, dass dem auf der Webseite von RAND veröffentlichten Text von 2019 eine Editor’s Note von 2022 vorausgeschickt wird und die miese Rolle der RAND Studie heruntergespielt und den Russen in die Schuhe geschoben wird.
Zu Ihrer Information auch noch zwei weitere Beiträge zum RAND-Text:
- In Zeit-Fragen: Ukraine – das stand alles im Strategiepapier der RAND Corp oder vom gleichen Autor hier aus 2019: voltairenet.org/article206606.html
- Im Anti-Spiegel: Die Macht der NGOs und Think Tanks
Was die RAND-Corporation 2019 in einer Studie geschrieben hat, ist zwei Jahre später alles eingetretenDie RAND-Corporation hat 2019 eine Studie veröffentlicht, in der es um die Frage ging, wie man Russland am besten schwächen könnte. Nun können wir an den Ereignissen seit 2019 abgleichen, was davon schon alles umgesetzt wurde. anti-spiegel.ru/2021/studie-der-rand-corporation-hat-2019-geschrieben-was-2021-realitaet-geworden-ist/
Entschuldigen Sie bitte, liebe Leserinnen und lieber Leser, dass der Bericht über eine Diskussion in Frankfurt mit Hinweisen auf eine Studie der RAND Corp. endet. Diesen Umweg und den Hinweis auf ein wichtiges Dokument der Zeitgeschichte und der Kriegsgeschichte verdanken wir einem aufmerksamen Gast der Diskussion vom 6. Mai in Frankfurt.