Von der Flüchtigkeit des Anstands der Konservativen
Die Debatte um die Plagiate von zu Guttenberg ist aufschlussreich. Sie zeigt, dass die meisten (Rechts-)Konservativen ihren aufgesetzten Anstand und Charakter verlieren, wenn es um die Erhaltung von Macht geht. Sie haben den adligen Franken zum potentiellen Nachfolger von Angela Merkel aufgebaut, mit viel PR-Einsatz und vermutlich auch vielen finanziellen Mitteln. Dieses Werk haben sie sich schon bisher durch Guttenbergs Flucht aus der Verantwortung im Falle Kundus nicht zerstören lassen. Jetzt versuchen sie es wieder. Der Plagiatsvorwurf sei Teil einer linken Kampagne, man müsse noch prüfen, ob er zutrifft, und überhaupt, der junge Mann habe so viel angepackt und so viel um die Ohren. Siehe Gottlieb im Kommentar der Tagesthemen von gestern. Albrecht Müller.
Ich habe eine Diplomarbeit und drei Bücher im Umfang der Doktorarbeit von zu Guttenbergs geschrieben. Alle drei Bücher enthalten ein Vorwort bzw. eine Einführung. Diese hat einen zentralen Charakter. Damit will ich – wie alle Autoren – den Lesern einen ersten Eindruck meiner Arbeit vermitteln. Nie im Leben wäre ich auf die Idee gekommen, in der Einleitung auf irgendwelche Texte Dritter zurückzugreifen. Zu Guttenberg hat den ersten Absatz seiner Einleitung abgeschrieben, noch dazu ohne Quellenangabe und einschließlich der ersten drei Worte in Latein. Dies alleine reicht schon, um ihm die Doktorwürde abzuerkennen und auch, um ihn aus der politischen Verantwortung zu entlassen. Denn die Übernahme fremder Texte an die zentrale Stelle eines eigenen Werkes und dann noch der Umgang mit dem geistigen Eigentum anderer ist charakterlos. Im konservativen Sinne charakterlos.
Aber wo bleiben diese Herrschaften. Sie wollen abwarten und prüfen. Was wollen Sie denn prüfen? Es liegt doch alles auf dem Tisch (siehe Dokumentation der Süddeutschen Zeitung). Zu Guttenberg hat abgeschrieben oder abschreiben lassen, er hat das geistige Eigentum Dritter übernommen, ohne die Quelle zu nennen, er hat es geklaut. Das soll einem Konservativen einschließlich der als liberal gedachten Justizministerin nicht reichen?
Die Konservativen, genauer diese Konservativen, haben keinen Anstand. Insofern ist dieser Vorgang wieder eine Lehrstunde. Wie so oft schon in der deutschen Geschichte. Sie haben mit Hitler paktiert. Sie haben die Machtergreifung Pinochets und die Ermordung Allendes gefeiert. Sie haben Mubarak in Ägypten gestützt und tun dies bei einer Serie von anderen Diktatoren. Bei ihren Gesinnungsgenossen sind sie großzügig. – Auch im kleinen: so lassen sie zu Guttenberg durchgehen, dass er jetzt schon wieder flieht. Er haute nach Afghanistan ab. Wahrscheinlich als PR-Gag gedacht. Das wird ihm einer von der Bild-Zeitung oder ein anderer PR Berater geraten haben. Weil diese Herrschaften voll darauf vertrauen, dass die konservative Welt ihren Anstand verloren hat und auch diese Flucht aus der Verantwortung nicht monieren wird.
Anlage:
Guttenbergs Doktorarbeit
Plagiatsvorwurf gegen den Verteidigungsminister
Eine sehr gute Dokumentation in der Süddeutschen Zeitung vom 16.2.201, siehe auch Hinweise von heute.