Wie schön, endlich sind unsere in den vergangenen zwei Jahren arg strapazierten Verantwortungsträger Ihre hie und da wohl recht lieb gewonnene Last los und alle dürfen wieder alles. Oder vielleicht doch nicht ganz? Seit dem 3. April gilt die CORONA-Verordnung Nummer 16 der bayerischen Staatsregierung, die, wie soll es auch anders sein, alle im Zuge der pandemischen Notlage nationaler Tragweite für die schutzbefohlenen Bürger so umsichtig angeordneten Maßnahmen vollständig aufhebt. Sie gilt zunächst nicht für Schulen und Kindergärten, die sich ja bekanntlich als wahre Hotspots herausgestellt haben, bedingt nicht für öffentliche Verkehrsmittel, aber vollkommen zu Recht für Alten- und Pflegeheime, wo das wirklich Sinn macht. Ist das tatsächlich so? Eine Glosse von Michael Fitz.
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Offenbar nicht, denn ich höre immer wieder von Veranstaltern und habe das in den vergangenen Tagen live erlebt, dass für kommunale Veranstaltungsräume und Örtlichkeiten nun doch noch andere Regeln gelten. Bei den einen gilt nach wie vor der Maskenzwang ab Betreten des Gebäudes, bei anderen nach wie vor Kapazitätseinschränkungen für das Publikum und Abstandsregeln bei der Bestuhlung und bei manchen auch schlicht alles, was vor dem 3. April auch schon Vorschrift war, mal abgesehen von der Testpflicht. Auf Nachfrage hat man mich an den Gemeindevorsteher verwiesen.
So als könnte jeder Bürgermeister und Kulturfürst in seiner Region bzw. seiner Gemeinde ganz alleine entscheiden, wie das Kulturleben und insbesondere der Ablauf von Kulturveranstaltungen in seiner Gemeinde auszusehen haben. Natürlich ist vollkommen klar, dass sich die Herren und Damen ganz unabhängig von Verordnungen des Freistaates um ihre Bürger sorgen, wohl aber auch und besonders darum, dass diese möglicherweise den Theaterchef, die Kulturfrau vom Dienst oder gar den Bürgermeister himself für gesundheitliche Schäden verantwortlich und haftbar machen, die durch den Besuch von Kulturveranstaltungen (bekanntermaßen ja schon immer Super-Spreader-Events!) möglicherweise entstanden sein könnten.
Herr Holozcek, seines Zeichens bayerischer Gesundheitsminister, Verfasser der CORONA-Verordnung Nr. 16, stellt ja lediglich frei, empfiehlt vielleicht ein wenig und schon gar nicht alternativlos, aber übernimmt ganz und gar nicht die Verantwortung für das, was geschehen könnte, wenn ein nun derart und urplötzlich frei gestelltes Volk über die Stränge schlagen sollte oder auf einmal, quasi über Nacht, aus zweifelsfrei weißblauem Himmel eine ungeahnte neue virale Bedrohung auftauchen würde.
Dass man da als inzwischen normal und medial geängstigter Verwaltungschef und regional Verantwortlicher ein gewisses Bauchgrimmen ob eines solchen Risikos nicht unterdrücken kann, ist nur logisch. Vor allem, wenn man damit von der sonst ja mit Regel-Wut nicht zimperlichen Staatsregierung im mehr oder minder fernen München so skandalös alleingelassen wird. Nach dem Motto: Jetzt haben wir lang genug angeschafft, gedroht, verordnet und bestimmt, jetzt sollen sich mal die Subalternen darum kümmern und wir schauen zu! Vielleicht sogar aus dem Urlaub in Frankreich(?). Leider entbehrt dieses Vorgehen nun aber jeglicher, zumindest bayernweiter Eindeutigkeit und Einheitlichkeit und wird auch wieder auf dem Rücken des ohnehin schon leidgeprüften und strapazierten Veranstaltungswesens ausgetragen.
Das Schlüsselwort ist „Hausrecht“. Jeder Bürgermeister, jeder Vermieter von Konzertsälen und Betreiber von Clubs und sonstigen Lokalitäten, in denen Publikum verkehrt, wenn es denn überhaupt kommt, darf also selbst entscheiden, unter welchen Bedingungen das Publikum die dargebotene Kunst genießen darf. Der Künstler hat da gar nichts zu sagen, wo kämen wir denn da hin, wenn die auch noch mitreden würden. Genauso wie auch ich von meinem Hausrecht Gebrauch machen kann und z.B. verlangen kann, dass in mein Haus (mi casa!) nur Leute mit grünen Socken rein dürfen. Soweit der Erklärungsversuch des Herrn von der Hotline der Staatsregierung, mit dem ich heute gesprochen habe.
Wen interessieren schon Kultur und die wirtschaftlichen Probleme der Leute, die davon leben. Die müssen sich jetzt auf einen landesweiten Flickenteppich von Eigentlich-ja-nicht-mehr-aber-doch-noch-Maßnahmen nach Gusto des jeweiligen Gemeindevorstehers und seiner Beraterschaft einstellen, zumal wir uns alle ja, zumindest nach Darstellung unserer Leitmedien, derzeit lediglich in einer CORONA-Pause befinden und das Geschehen im Herbst wieder an Fahrt aufnehmen wird und dann sowieso mit Kultur nicht mehr viel los sein wird. Der verbliebene Rest der Szene wird dann wohl auch noch endgültig geschreddert. Da kann man nur sagen… toi, toi, toi.
Ich persönlich werde mir das mit dem Hausrecht jedenfalls sehr zu Herzen nehmen und mir in Zukunft jegliche Einmischung von Behörden jeglicher Art in mein Haus, mein Grundstück, meine Lebensweise und vor allem meine Gesundheit verbitten.
Das Gespräch mit dem Herrn von der Hotline der Staatsregierung spiegelte die Haltung, die dem oben bereits Gesagten Zugrunde liegt ,sehr gut wieder und verriet mir viel über die beinah unüberbrückbare Distanz zwischen Bürger und Staat , die sich nicht zuletzt durch CORONA und seine Folgen wohl noch erheblich vergrößert hat.
Titelbild: Olga Pinegina/shutterstock.com