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- “Russland isolieren”
- Deutscher Spitzendiplomat Ischinger: «Es ist schädlich, wenn westliche Politiker öffentlich darüber spekulieren, ob und wie man Putin eliminieren könnte»
- Ukraine’s Nazi problem is real, even if Putin’s ‘denazification’ claim isn’t
- In der Falle
- Bisher nur 50 Visa: Londons hohe Hürden für Geflüchtete aus Ukraine stehen in der Kritik
- 84 Prozent der Russen unterstützen die Armee und 71 Prozent den Krieg in der Ukraine
- Unsere Art zu leben
- More of the same
- Irgendwo muss es herkommen
- Gender Pay Gap: Jeder Cent ist einer zu viel!
- Unionbusting: Tesla setzt auf Betriebsrat, um Gewerkschaft zu behindern
- Das RKI hat dem Impfpflicht-Gesetzentwurf die Grundlage entzogen
- Corona-Betrug: Staatsanwaltschaft wendet sich an Gesundheitsministerium
- Amazonas-Regenwald verliert an Widerstandsfähigkeit
- Molotowcocktails: Israelische Soldaten erschossen Verdächtigen im Westjordanland
Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Verantwortlich für die Richtigkeit der zitierten Texte sind die jeweiligen Quellen und nicht die NachDenkSeiten. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.
- “Russland isolieren”
Die Bemühungen der westlichen Mächte, Russland wegen seines Überfalls auf die Ukraine weltweit zu isolieren, führen nicht zum Erfolg. Außenministerin Annalena Baerbock hatte in der vergangenen Woche vor der UN-Generalversammlung alle Staaten der Welt aufgefordert, mit Blick auf den russischen Angriffskrieg „jetzt … Partei [zu] ergreifen“. Zwar verurteilte die Generalversammlung den Krieg mit klarer Mehrheit; zugleich sind die meisten Staaten jenseits des Westens und seiner engsten Verbündeten um eine Fortsetzung ihrer Kooperation mit Russland bemüht. Das gilt für China ebenso wie für Indien, das sich heftigem Druck aus den USA widersetzt. Auch die Staaten der Arabischen Halbinsel sind nicht zu einer Erhöhung ihrer Ölförderung zwecks Ermöglichung eines westlichen Ölembargos gegen Russland bereit. Ähnliches ist aus Südafrika, Lateinamerika und Südostasien zu hören; zur Begründung heißt es unter anderem, der Irak-Krieg und andere westliche Waffengänge ließen die westlichen Proteste gegen den Ukraine-Krieg skurril erscheinen. Ein Durchbruch des Westens bleibt bislang auf ganzer Linie aus.
Quelle: German Foreign Policydazu auch: Nina Chruschtschowa über Putin “Er lebt den Traum vom großslawischen Reich”
Fern der Realität, in einem anderen Universum, paranoid – so schätzt Nina Chruschtschowa, Urenkelin des Stalin-Nachfolgers Nikita Chruschtschow, Russlands Präsidenten ein. Die Politologin hat Putin studiert, sagt, wie er tickt und was er wirklich will.
Quelle: tagesschauAnmerkung Albrecht Müller: So wird Meinung gemacht.
und: Krieg ist nicht gleich Krieg
Russlands Aggression wird als Anlass für ein reaktionäres Rollback benutzt
»Imagine« heißt einer der berühmtesten Songs von John Lennon – »Stell dir vor«. Ein Friedenslied aus Zeiten des Vietnam-Kriegs. Sich derzeit Frieden vorzustellen, strapaziert die Fantasie erheblich. Aber man stelle sich für den Anfang wenigstens vor, dass künftige Aggressoren mit genau solchen umfassenden Sanktionen bestraft werden wie jetzt Russland. Dass Regierungen und Firmen, die Krieg führen oder unterstützen, so isoliert und geächtet werden wie jetzt Putin und die Oligarchen. Dass in Finanzwirtschaft, Kultur, Sport die Kanäle zugemacht werden. Das wäre immerhin eine – wie heute gern formuliert wird – nachhaltige Lehre aus dem grausamen Krieg gegen die Ukraine. Alle Erfahrung spricht allerdings dagegen, dass es so kommt. Große Militärmächte wie die USA, China, Russland, Indien und die Türkei akzeptieren den Internationalen Strafgerichtshof nicht, der Kriegsverbrechen untersuchen und bestrafen soll. Teile der westlichen Politik und Medien ergehen sich angesichts der russischen Aggression in einer schwer erträglichen Selbstgerechtigkeit und fordern gleichzeitig rabiate Aufrüstung. Als wäre die Erde nicht schon bis über die Vernichtungsgrenze hochgerüstet.
Quelle: nd - Deutscher Spitzendiplomat Ischinger: «Es ist schädlich, wenn westliche Politiker öffentlich darüber spekulieren, ob und wie man Putin eliminieren könnte»
Der frühere Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, warnt eindringlich davor, die Konfrontation mit dem Kreml eskalieren zu lassen. Dazu gehöre auch die Sprache. Russlands Präsident sei weder geistig krank noch verrückt. […]
Wovor ich allerdings dringend warnen möchte, sind Spekulationen, ob der russische Präsident möglicherweise von allen guten Geistern verlassen worden sei oder geistig krank sei. Ich halte Putin für einen scharf kalkulierenden Kopf, der sich allerdings, was die Geschwindigkeit der Eroberung der Ukraine angeht, mit seinen Generälen verschätzt hat.
Das ist freundlich formuliert.
Ach, wissen Sie, ich erinnere mich an den März 1999. Damals sagten Vier-Sterne-Generäle der Nato, dass die Bombardierung Belgrads nach spätestens fünf Tagen vorbei sei. Es dauerte 77 Tage. Und das war eine vergleichsweise überschaubare Operation. Es überrascht mich also überhaupt nicht, dass in der Ukraine von russischer Seite militärische Einschätzungsfehler vorgekommen sind und weiterhin vorkommen. Das ist aber kein Hinweis darauf, dass hier, salopp gesagt, ein Verrückter agiert. Im Gegenteil, ich sehe nur kalte Entschlossenheit.
Quelle: NZZdazu: Übersetzer Alexander Nitzberg: “Es wird vielfach hysterisch reagiert”
Der russische Autor lebt seit geraumer Zeit in Wien. Angesichts des Ukraine-Krieges rät er zur Mäßigung: “Man muss Distanz gewinnen”
Eine seiner meisterlichen Übertragungen aus dem Russischen betrifft Michail Bulgakows weltberühmten Ukraine-Roman Die weiße Garde (1924). Eine Kiewer Familie, die Russisch spricht und bürgerlich denkt, gerät zwischen die Mühlsteine des Bürgerkriegs, den die Bolschewiken gegen die “Weißen” führen. Alexander Nitzberg, selbst das Kind russischer Künstler, rät angesichts des jetzigen Krieges zu strikter “Deeskalation”. […]
Nitzberg: Unter den Literaten und Übersetzern wird vielfach derart hysterisch reagiert, dass es mir regelrecht den Atem verschlägt, gerade in Österreich und Deutschland. Manche Übersetzer geben sich ungemein martialisch. Jeder Versuch, etwas zu dämpfen, um in sich gehen zu können, um Distanz zu gewinnen, wird so verunmöglicht. Dabei wäre es die angemessene Haltung eines Intellektuellen. Kriegszeiten sind Zeiten der Propaganda. Jeder Misserfolg wird dem Gegner in die Schuhe geschoben. Wenn Sie in einem Hochhaus sitzen und einen Granateneinschlag beobachten – woher wollen Sie wissen, von welcher Seite das Geschoss stammt? Hier in Österreich schwingen sich manche Leute nach zwei, drei Tagen zu Akteuren auf. Dabei rühren sie die Kriegstrommel. Unser “Job” als Intellektuelle ist es doch, Zurückhaltung zu üben.
Quelle: der StandardAnmerkung unseres Lesers A.R.: Ich finde den Artikel insofern bemerkenswert, weil er aus einem Mainstreammedium stammt, das derzeit wie alle üblichen Verdächtigen nicht neutral berichtet und abweichende Ansichten und mahnende Stimmen auch hier unerwünscht sind (auch der Standard ist ja schon seit Jahren stramm auf NATO-Linie). Vor dem Hintergrund der allseitigen, oftmals blindwütigen Boykotte, auch in der Zivilgesellschaft spiegeln die Äußerungen von Herrn Nitzberg genau das wider, was ich auch darüber denke. Was mich deprimiert, sind die Kommentare zu diesem Artikel. Einige wenige weisen völlig zu Recht darauf hin, dass es Akteure gibt, diesen Konflikt jahrelang massiv vorangetrieben haben und die Ukraine nur ein Spielball dieser Interessen ist. Der Rest der Standard-Community läuft sinnbildlich gesprochen mit Schaum vor dem Mund herum und prügelt verbal auf die Besonneren ein. Natürlich ist das nichts völlig Neues, das haben wir die letzten zwei Jahre zur Genüge erlebt. Es erschreckt mich deshalb, weil die Akteure, die diesen Konflikt befeuert haben, auf dem besten Weg sind, ihr Ziel, die Spaltung zwischen Europa und Russland zu erreichen.
dazu auch: Ukrainisches Dilemma: Russland und der Westen
Es klingt zynisch, aber es ist der Zynismus, der sich aus der Sache ergibt: Einen Erfolg hat Wladimir Putins Russland nach zehn Tagen Krieg in der Ukraine zu verzeichnen, wenn auch um einen enormen Preis menschlichen Leids und wirtschaftlichen Schadens. Der Erfolg besteht darin, dass die NATO die Lektion verstanden hat, die ihr Putin erteilen wollte. Am Freitag hat sie erklärt, sie werde nicht aktiv in den Krieg einsteigen, etwa durch die Ausrufung einer »Flugverbotszone« über der Ukraine. Die Ankündigung kam mit allen Anzeichen des Zähneknirschens, aber sie trägt dem Umstand Rechnung, dass keines der Mitgliedsländer – vom weltpolitischen Zwerg Luxemburg bis zur Weltmacht USA – wegen der Ukraine einen Krieg mit Russland riskieren will. Dass man das als Zeuge dreißigjähriger unentwegter Expansion der westlichen Militärallianz noch erleben darf, könnte man stoßseufzen.
Quelle: junge Welt - Ukraine’s Nazi problem is real, even if Putin’s ‘denazification’ claim isn’t
Not acknowledging this threat means that little is being done to guard against it. […]
On its face, Putin’s smear is absurd, not least because Ukrainian President Volodymyr Zelenskyy is Jewish and has said that members of his family were killed during World War II. There is also no evidence of recent mass killings or ethnic purges taking place in Ukraine. Moreover, labeling enemies Nazis is a common political ploy in Russia, especially from a leader who favors disinformation campaigns and wants to stir up feelings of national vengeance against a WWII foe to justify conquest.
But even though Putin is engaging in propaganda, it’s also true that Ukraine has a genuine Nazi problem — both past and present. Putin’s destructive actions — among them the devastation of Jewish communities — make clear that he’s lying when he says his goal is to ensure anyone’s welfare. But important as it is to defend the yellow-and-blue flag against the Kremlin’s brutal aggression, it would be a dangerous oversight to deny Ukraine’s antisemitic history and collaboration with Hitler’s Nazis, as well as the latter-day embrace of neo-Nazi factions in some quarters.
Quelle: NBC - In der Falle
Dramatischer Hilferuf: Nigerianische Studierende sitzen in ukrainischer Stadt Sumy fest. Keine Versorgung, Flucht verhindert
Es ist ein verstörendes Zeugnis. Eine Gruppe nigerianischer Studierender sendete am Wochenende eine Videonachricht an die Außenwelt: »Bitte, lasst uns gehen. Wir wollen nicht Teil eures Krieges sein. Wir lassen uns nicht als Köder benutzen«, so eine verstörte junge Frau in die Kamera. Die Menschen sitzen fest in Sumy, einer Stadt im Norden der Ukraine, etwa 50 Kilometer entfernt von der Grenze zu Russland. Insgesamt sollen es etwa noch 8.000 internationale Studierende sein, die sich in der Universität von Sumy vor den Kämpfen zwischen russischen und ukrainischen Truppen verschanzt haben. Der Großteil von ihnen aus Nigeria, andere aus Ghana, Äthiopien, Angola, Tansania, Ruanda, Simbabwe, Sambia, Marokko, Irland, Indien, Libanon und der Türkei.
Quelle: junge Weltdazu: »Das ist ein Mix aus Mitgefühl und Stacheldraht«
Lage von Kriegsflüchtlingen spitzt sich zu. Unterscheidung zwischen Geflüchteten erster und zweiter Klasse. Ein Gespräch mit Karl Kopp
Karl Kopp ist Leiter der Europa-Abteilung von Pro Asyl
Angesichts des Kriegs in der Ukraine hat die EU ihr Herz für Geflüchtete entdeckt und öffnet die Grenzen zumindest für Ukrainerinnen und Ukrainer. Überrascht Sie die plötzliche Offenheit?
Es ist vor dem Hintergrund des katastrophalen Krieges ein anderer politischer Kontext. Dass Staaten wie Polen und Ungarn, die gelinde gesagt hartleibig bis völkerrechtswidrig gegenüber Schutzsuchenden agieren, als direkte Nachbarn der Ukraine ihre Grenzen für die Fliehenden öffnen, war absehbar. Überrascht bin ich allerdings, dass die EU-Richtlinie von 2001 für einen vorübergehenden Schutz, die hierzulande die hässliche Bezeichnung »Massenzustrom-Richtlinie« trägt, erstmalig zur Anwendung kommt. Es ist gut, dass Fliehende aus der Ukraine, sofort einen Status, Zugang zum Arbeitsmarkt, Sozialleistungen et cetera bekommen. Ganz wichtig: Den betroffenen Geflüchteten wird de facto die freie Wahl des Ziellandes ermöglicht. Zuletzt waren bereits über 1,4 Millionen Schutzsuchende in der EU registriert. Und es werden noch Millionen folgen.
Aus der Ukraine wollen auch viele Menschen fliehen, die keine ukrainischen Staatsbürger sind, dort etwa studieren. Was ist mit ihnen?
Das ist etwas, was uns große Sorge bereitet. Die EU- Richtlinie bezieht sich auf ukrainische Staatsangehörige, anerkannte Flüchtlinge und Personen mit einem Daueraufenthalt in der Ukraine. Es gibt Zehntausende Studierende, die nicht unter die Richtlinie fallen und beispielsweise in Deutschland stranden. Das Bundesinnenministerium muss ihnen ein Ausnahmevisum erteilen, damit sie zur Ruhe kommen und sich orientieren können.
Quelle: junge Welt - Bisher nur 50 Visa: Londons hohe Hürden für Geflüchtete aus Ukraine stehen in der Kritik
Die britische Regierung gerät wegen ihres Umgangs mit Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine immer stärker in die Kritik. Wie das Innenministerium in London mitteilte, waren bis Sonntag gerade einmal etwa 50 Visa für Ukrainer ausgestellt worden. Das entspricht weniger als einem Prozent der bisher vollständig gestellten Anträge. „Das ist zu langsam. Zu viele Hürden, die verzweifelte Familien überwinden müssen“, twitterte die Labour-Politikerin Yvette Cooper.
Quelle: RND - 84 Prozent der Russen unterstützen die Armee und 71 Prozent den Krieg in der Ukraine
Nach Meinungsumfragen ist vor dem Kriegsbeginn die Zustimmung zum Kreml angestiegen – und sie steigt weiter. (…)
Die erste und bisher einzige russische Umfrage, die zu der Operation selbst durchgeführt und am 5. März veröffentlicht wurde, zeigt, dass 84 % der Bevölkerung die Armee unterstützen, der höchste jemals verzeichnete Wert, und 71 % die Operation in der Ukraine befürworten. Jeder fünfte Russe, 21 %, lehnt die Operation ab. (…)
Etwa die Hälfte der Russen befürwortet das Ziel der Entmilitarisierung und ist der Meinung, dass die Militärkampagne der Verteidigung Russlands und der Verhinderung der Errichtung von Nato-Stützpunkten auf ukrainischem Gebiet dient. Die Unterstützung für das Ziel der Entnazifizierung ist geringer. Jeder Fünfte glaubt, dass die Operation durchgeführt wird, um die ukrainischen Faschisten zu säubern und den politischen Kurs der Kiewer Regierung gegenüber Russland zu ändern (19 %); 18 % glauben, dass das Ziel darin besteht, die russischsprachige Bevölkerung der DNR und der LNR zu schützen.
Quelle: Krass & KonkretAnmerkung unseres Lesers MM: Obgleich solche demoskopischen Momentaufnahmen – wie in Deutschland auch – mit großer Vorsicht zu genießen sind, sollten sie zur Kenntnis genommen und von westlichen Regierungen bei ihren Entscheidungen mitbedacht werden. Zumal sie Trends widerspiegeln, die schon länger in Russland zu beobachten sind.
- Unsere Art zu leben
Gut, dass wir so ausgeglichene und sachliche Massenmedien haben. Sonst wäre uns wahrscheinlich die ganze Tragweite des infamen Angriffs der Russen auf die Ukraine entgangen. Die Russen nämlich, so lesen, sehen und lauschen wir, haben es auf unseren Westen abgesehen, auf unsere Werte und Wohlstände – ja, auf unseren freien, ausgewogenen, weitsichtigen Way of Life. Ginge es nur um die Ukrainer oder auch bloß um Rohstoffe: Darüber könnte man ja noch reden. Aber es geht darum ja gar nicht; die Ukraine ist Europa – und Europa: Das sind wir! Daher sind wir jetzt alle Ukrainer. Die echten Bio-Ukrainer wollen nämlich unbedingt unsere Art zu leben übernehmen. Und weil Putin da nicht mitspielt, sagt er indirekt direkt: Eure Art kann ich nicht leiden. (…)
Unsere Art zu leben, das heißt: Korrupten Post- und Fassadendemokratien Treue zu schwören und jeden zu diskreditieren, der es unternimmt, diese Ordnung beseitigen zu wollen. Die Vereinten Nationen indes, dort wo sich der Westen trifft, ist mittlerweile schön bieder öffentlich-privat verpartnert, Konzerne zahlen die Auslagen und geben den Ton an, haben sich gar das Recht verbrieft, die Richtlinien der UN zu bestimmen. (…)
Unsere Art zu leben bedeutet vor allem, so zu tun, als sei das, was wir hier haben, von so einzigartiger Schönheit und von so singulärer Güte, dass man besser gar keine Kritik daran üben sollte. Nur ganz böse Zungen, Miesepeter und Drecksäcke wagen sich daran, dieses westliche Imperium als eine neue Art von Diktatur zu skizzieren. Als Neo-Feudalismus. Als das vielleicht widerlichste Imperium aller Zeiten, das so tut, als sei es offen, liberal, barrierefrei, das aber an allen Ecken und Kanten abgeschottet, verbohrt und orthodox nachtritt. Ein Imperium, das sich gerne als ideologiefrei vorstellt, aber dabei ausblendet, dass es selbst bereits zu einer Ideologie verkommen ist: Einer Ideologie, die sich um jeden Preis retten will, weil sie spürt, wie ihr die Kräfte schwinden.
Quelle: neulandrebellen - More of the same
Der 100 Milliarden-Euro-Zuschlag für die Bundeswehr ist alles andere als eine „Kehrtwende“. Im Gegenteil setzt er die Merkel’sche Politik der symbolischen Beschwichtigung von Unmut bei gleichzeitiger Problemverschleierung und Diskussionsverweigerung präzise fort. […]
Auch wenn Deutschland in den vergangenen Jahren jährlich zwei statt 1,3 Prozent seines Sozialprodukts für die Bundeswehr ausgegeben hätte, hätte dies ceteris paribus den Überfall Russlands auf die Ukraine nicht verhindert. Hätte man ihn wirklich verhindern wollen, dann hätte man den Beschluss von 2009 über die Aufnahme Georgiens und der Ukraine in die NATO zur Disposition stellen müssen – in anderen Worten, die dritte Welle der Osterweiterung – und zwar anders als durch eine vage Erklärung dahingehend, dass sein Vollzug zurzeit nicht auf der Tagesordnung stehe. Allerdings waren die Vereinigten Staaten im Hintergrund längst dazu übergegangen, statt einer formalen Mitgliedschaft der Ukraine zunächst eine informell-faktische Mitgliedschaft für sie in Angriff zu nehmen. […]
Was die militärische Seite der Sache angeht, also diejenige, die durch die deutschen zwei Prozent angeblich verstärkt werden soll, so haben die USA heute rund 90.000 Soldaten in Europa unter Waffen. Weder hat dies Russland daran gehindert, in die Ukraine einzufallen, noch denken die USA daran, der von Russland überfallenen Ukraine, allen bereits bestehenden Bindungen zum Trotz, militärisch zu Hilfe zu kommen. Das scheint, je länger sich das Sterben dort hinzieht, überhaupt die wichtigste und möglicherweise folgenreichste Lehre aus den laufenden Ereignissen zu sein: Wer sich bei Auseinandersetzungen mit einem potentiellen Feind auf Leben und Tod von den USA vertreten lässt, darf nicht erwarten, dass diese ihn schützen werden, wenn die Sache übel ausgeht, aus Nachlässigkeit zum Beispiel oder auch als strategisch in Kauf genommenes Risiko. Tatsächlich haben die Vereinigten Staaten von Anfang an wissen lassen, dass sie, wenn es zu einem Krieg käme, nicht militärisch eingreifen würden. Dafür hatten sie mindestens zwei gute Gründe: Erstens, dass Russland bekanntlich über Atomwaffen verfügt, zweitens, dass die amerikanischen Wähler nicht mehr bereit sind, auswärtige militärische Abenteuer zu finanzieren. Trotzdem hat die amerikanische Seite gegenüber Russland Hardball gespielt, mit denkbar hohem, aber von anderen zu tragendem Risiko. (Wer sich mit einer Atommacht einlässt, darf sich nicht wundern, wenn sie sich wie eine verhält.) Auf längere Sicht könnte und müsste dies eine Lehre für alle Länder sein, die daran denken, ihre Souveränität an eine von den Vereinigten Staaten beherrschte „Verteidigungs“-Allianz zu übertragen; als Experten könnte man dazu den ehemaligen Präsidenten Afghanistans anhören, einen an der Columbia University promovierten Ethnologen.
Quelle: Wolfgang Streeck auf Makroskopdazu auch: 100-Milliarden-Sondervermögen: SPD-Senioren gegen Aufrüstung der Bundeswehr
Bundeskanzler Scholz will als Reaktion auf den russischen Überfall auf die Ukraine die Bundeswehr mit einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro ausstatten. Die Senioren-AG der Partei spricht von einem »Irrweg«.
Quelle: DER SPIEGEL - Irgendwo muss es herkommen
Mehr Geld für Verteidigung und Konfliktfolgen: Was bedeutet das für Bildung und Forschung und den Haushalt von Bettina Stark-Watzinger? […]
Den Verteilungskampf zwischen den Ministerien, den das auslösen wird angesichts der vielen im Ampel-Koalitionsvertrag enthaltenen Prestigeprojekte und Zukunftsinvestitionen, vermag man sich kaum vorzustellen. Dass Bildung und Forschung dabei besonders gut wegkommen, ist bestenfalls eine Hoffnung.
Man konnte schon in den vergangenen Wochen dabei zu sehen, wie die Gesichter im BMBF immer länger wurden, je länger die Haushaltsverhandlungen mit Lindners Leuten liefen. Dazu passte, dass die ersten Details zur mit Spannung erwarteten Erhöhung der BAföG-Sätze auch in der Hochschulszene teilweise für Ernüchterung sorgten. Und das war noch, als lediglich die Corona-Folgen eingepreist wurden.
Zuletzt machte auf Twitter ein Bericht die Runde, angeblich verschiebe das Forschungsministerium wegen der 100 Bundeswehr-Milliarden die Finanzierung von Drittmittelprojekten, so dass wissenschaftliche Mitarbeiter aufs Arbeitsamt müssten. “Rüsten wir etwa mit Geld aus der Bildung auf?”, fragte eine Wissenschaftlerin. “Unsinn”, kommentierte der parlamentarische Staatssekretär Jens Brandenburg. Die 100 Milliarden Sondervermögen hätten mit aktuellen BMBF-Förderentscheidungen nichts zu tun.
Was mit hoher Wahrscheinlichkeit so ist. Doch zeigt die Episode, dass die Nervosität steigt. Auch an den Hochschulen, die die Ampel doch so viel besserstellen wollte. Wie Bildung und Forschung insgesamt: Die diesbezüglichen Kapitel zählten zu den ambitioniertesten im Koalitionsvertrag: 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung für Forschung und Entwicklung. Mehr Geld für Kitas, Schulen und Hochschulen. Ein Digitalpakt 2.0. Besagter Neuanfang beim BAföG. Ein Aufstocken der Exzellenzstrategie. Eine neue Förderagentur für Transfer und Innovation. Bessere Karrierebedingungen in der Wissenschaft. Und und und.
Quelle: Jan-Martin Wiarda - Gender Pay Gap: Jeder Cent ist einer zu viel!
Der Lohnrückstand von Frauen gegenüber Männern beträgt in Niedersachsen noch immer 19 Prozent. Bis zum heutigen Equal Pay Day haben weibliche Beschäftigte statistisch gesehen gratis gearbeitet – 66 Tage! Um diese strukturelle Ungerechtigkeit endlich zu überwinden, fordert das #schlaglicht 09/2022 ein ganzes Bündel an politischen Maßnahmen.
Wer etwas über Gleichstellung am Arbeitsplatz lernen möchte, muss unbedingt im niedersächsischen Varel vorbeischauen. Als der Süßwarenhersteller Bahlsen am dortigen Standort vor einigen Jahren weibliche Beschäftigte trotz gleicher Tätigkeit schlechter gruppierte als die männlichen Kollegen, wurde der Betriebsrat um seine Vorsitzende Manuela Haase sofort aktiv. Nach hartem Ringen konnten die Löhne der Frauen auf das Niveau der Männer angehoben werden. Dafür bekam das Gremium 2020 den Deutschen Betriebsräte-Preis in Gold.
Auch wenn es sich hierbei um ein positives Beispiel handelt, wird sehr deutlich, dass die gleiche Bezahlung von Frauen leider keine Selbstverständlichkeit ist. Im Gegenteil: Bis zum – in diesem Jahr auf den 7. März fallenden – Equal Pay Day haben weibliche Beschäftigte rechnerisch umsonst gearbeitet. In Niedersachsen beträgt der Gender Pay Gap – die geschlechtsspezifische Lohnlücke – immer noch 19 Prozent. Der Rückgang in der letzten Dekade fällt äußerst bescheiden aus (siehe Grafik). Durchschnittlich verdienen Frauen über 4 Euro brutto pro Stunde weniger. Jeder Cent ist einer zu viel!
Quelle: DGB Niedersachsen #schlaglichtdazu auch: Gender-Pay-Gap: Bruttostundenverdienste – Länder 2014 bis 2021
Vier unkommentierte BIAJ-Tabellen zum Gender-Pay-Gap im Bund und in den Ländern (absolut und in Prozent zum durchschnittlichen Bruttostundenverdienst der Männer) in den Jahren 2014 bis 2021 (Erhebungen 2014 und 2018, Fortschreibungen 2015 bis 2017 und vorläufige Fortschreibungen 2019 bis 2021). (Quelle der Bruttostundenverdienste der Frauen und Männer:
Quelle: BIAJ - Unionbusting: Tesla setzt auf Betriebsrat, um Gewerkschaft zu behindern
Viele Mitglieder des neu gewählten Tesla-Betriebsrats stammen aus der Führungsebene und gelten als beriebsnah. Die IG Metall ist zurückhaltend.
Die Gerüchte, die im Herbst 2021 die Runde machten, klangen zu gut, um wahr zu sein: Beim Brandenburger Werk des E-Auto-Herstellers Tesla aus den USA, dem der Ruf als gewerkschaftsfeindliches Unternehmen vorauseilte, gebe es Betriebsratswahlen, noch bevor die Fertigung überhaupt regulär gestartet ist.
Die Ernüchterung folgte wenige Tage später: Die Initiative ging von Tesla-Angestellten aus, die als „nah an der Unternehmensführung“ beschrieben wurden. Die zuständige Gewerkschaft IG Metall wurde überrumpelt, berichtete der Pressesprecher der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen Markus Sievers: „Der Termin ist nicht optimal, da bisher kaum Produktionsbeschäftigte im Werk in Grünheide vor Ort sind.“ Tatsächlich waren zum Zeitpunkt der Wahlversammlung weit weniger als die Hälfte der geplanten Tesla-Belegschaft eingestellt. Tesla will irgendwann mit etwa 12.000 Beschäftigten bis zu 500.000 Autos pro Jahr in seiner ersten europäischen Fabrik produzieren, aktuell sind es knapp 3.000.
Quelle: der Freitag - Das RKI hat dem Impfpflicht-Gesetzentwurf die Grundlage entzogen
Der Gesetzentwurf von über 200 Abgeordneten zur Impf- und Boosterpflicht für alle ab 18 beruft sich zur Begründung darauf, dass man durch Impfen andere vor Ansteckung schütze (Bevölkerungsschutz). Doch die zuständige Bundesbehörde RKI hat diese Behauptung unter dem Druck zunehmender Gegenevidenz vor kurzem sehr weitgehend aufgegeben. Die vorher schon wackelige Begründung für eine Impfpflicht ist mit der Neueinschätzung durch das RKI weggefallen. (…)
Einen letzten großen Schritt weg vom Fremdschutzargument für das Impfen und die Impfpflicht hat das RKI erst am 28.2. getan und damit der Argumentation der Impfpflichtbefürworter sehr weitgehend die Grundlage entzogen. (…)
Neue Risikobeurteilung:„Die Impfung bietet grundsätzlich einen guten Schutz vor schwerer Erkrankung und Hospitalisierung durch COVID-19, dies gilt auch für die Omikronvariante. (…) Die Schutzwirkung gegenüber einer Infektion lässt allerdings nach wenigen Monaten nach, sodass angesichts der hohen Zahl von Neuinfektionen die konsequente Einhaltung der AHA+L-Regeln und eine Kontaktreduktion weiter zur Reduktion des Infektionsriskos erforderlich sind.“
Die Impfung schützt also nicht mehr vor Covid-19, sondern nur noch vor schweren Verläufen von Covid-19.
Quelle: Norbert HäringAnmerkung Christian Reimann: Zu hoffen ist, dass Herr Häring bezüglich seiner Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts richtig liegt. Denn in der Tat hat das Vertrauen “sehr gelitten” – und tut es auch noch. Bitte lesen Sie dazu z.B. auch:
- Corona-Betrug: Staatsanwaltschaft wendet sich an Gesundheitsministerium
Gegen mehrere Kliniken wird wegen Betrugsverdacht mit Freihaltepauschalen in Millionenhöhe ermittelt. Die Vorgänge erreichen jetzt die Politik.
Der mögliche Millionenbetrug deutscher Kliniken mit Freihaltepauschalen erreicht die Politik. Wie die Berliner Zeitung berichtete, hat eine Gruppe aus Anwälten, Staatsanwälten und einem Richter Strafanzeige gegen zwei große deutsche Krankenhäuser im Raum Saarland eingereicht. Die Landesregierung teilt nun mit: „Von der Staatsanwaltschaft Saarbrücken wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Betruges eingeleitet, das sich gegen Unbekannt richtet.“ Und weiter: „Die Staatsanwaltschaft ist in diesem Zusammenhang mit einem Herausgabe- und Auskunftsersuchen an das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie herangetreten.“ Das geht aus der Antwort des Gesundheitsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Linken Landtagsabgeordneten Astrid Schramm hervor.
Quelle: Berliner Zeitung - Amazonas-Regenwald verliert an Widerstandsfähigkeit
Der Regenwald im Amazonasgebiet hat seit Anfang der 2000er-Jahre kontinuierlich an Widerstandsfähigkeit eingebüßt. Bei mehr als drei Vierteln des Waldes ließ laut einer neuen Studie die Fähigkeit nach, sich von Störungen wie Dürren oder Bränden zu erholen. (…)
Besonders gefährdet für den Verlust der Widerstandsfähigkeit sind den Fachleuten zufolge trockene Gebiete. „Dies ist alarmierend, da die IPCC-Modelle eine allgemeine Austrocknung des Amazonasgebiets als Reaktion auf die vom Menschen verursachte globale Erwärmung vorhersagen“, sagt Niklas Boers. Auch Gebiete in der Nähe von menschlichen Siedlungen seien besonders bedroht. Der Amazonas-Regenwald speichert erhebliche Mengen des Treibhausgases CO2 und besitzt eine Schlüsselrolle für das Weltklima und die Artenvielfalt. Er gilt als eines der sogenannten Kippelemente, die das Klima auf der Welt aus dem Gleichgewicht bringen können. (…)
Schätzungen zufolge könnte für das Erreichen des Kipppunktes ein Verlust von 20 bis 25 Prozent der Walddecke im Amazonasbecken ausreichen. Riesige Wüsten könnten eine Folge sein – und die weltweite Zunahme von Dürren und Überschwemmungen. Der verstorbene US-Wissenschaftler Thomas Lovejoy und der brasilianische Forscher Carlos Nobre hatten ermittelt, dass bereits 17 Prozent der ursprünglichen Waldfläche verschwunden sind.
Quelle: ORF - Molotowcocktails: Israelische Soldaten erschossen Verdächtigen im Westjordanland
Israelische Soldaten haben am Sonntag einen weiteren jugendlichen Palästinenser im Westjordanland erschossen. Nach Angaben der Armee hatte er zusammen mit einem weiteren Palästinenser Molotowcocktails auf einen Militärposten im Gebiet Abu Dis östlich von Jerusalem geworfen. (…)
Erst am Sonntagmorgen hatten israelische Sicherheitskräfte einen 19-jährigen Palästinenser getötet, der einen Beamten in der Jerusalemer Altstadt mit einem Messer angegriffen hatte.
Quelle: Der StandardAnmerkung unseres Lesers MM: Beim Blick auf den Ukraine-Krieg sollten andere Konfliktherde der Welt nicht aus den Augen verschwinden. Vor allem, da sich solche Szenen in Städten wie Kiew wiederholen könnten. Es bleibt abzuwarten, ob westliche Medien dann ebenso zurückhaltend berichten werden wie bei diesen fast schon alltäglichen Vorfällen aus Palästina.