Zur Verwässerung des Begriffes “Antisemitismus”
Im folgenden Beitrag wird ein Vorgang beim „Berliner Tagesspiegel“ kommentiert. Es geht um den unfreiwilligen Abschied des Kolumnisten Harald Martenstein. Darüber wurde verschiedentlich berichtet. Hier der Bericht der „Berliner Zeitung“: „Kolumne gelöscht: Harald Martenstein verlässt den Tagesspiegel. Die Chefredaktion hatte eine umstrittene Kolumne des Journalisten gelöscht. Als Reaktion verkündet Martenstein jetzt seinen Abschied vom Tagesspiegel. …“ Es folgt ein Kommentar der NachDenkSeiten-Leserin Charlotte Ullmann.
Der Fall Harald Martenstein
Die Journaille nimmt immer groteskere Züge an.
Da wird eine Kolumne von Harald Martenstein im “Tagesspiegel” (6.2.22), langjähriger Autor desselben, vom Netz genommen, weil Leser meinen und die Redaktion das nachträglich auch meint, es sei antisemitisch, sich einen Judenstern anzuheften, wo “ungeimpft” draufsteht, und Martenstein eben dasselbe nicht meint.
Er meint zwar, das sei Verharmlosung des Holocaust und eine Identifizierung mit dem Juden als Opfer, aber keinesfalls Antisemitismus.
Also eine Frage der unterschiedlichen Definition eines Sachverhalts, die dazu führt, dass eine Zeitung vor ihrer “kritischen” Leserschaft einknickt und einem langgedienten Autor die rote Karte zeigt.
Dieser lässt das nicht auf sich sitzen und nimmt mit folgenden Worten seinen Hut: „Ich habe meine Meinung nicht geändert. Vielleicht irre ich. Wo man glaubt, nur man selbst sei im Besitz der Wahrheit, bin ich fehl am Platz.“ (20.2.22, Tagesspiegel)
Wo sind wir gelandet, dass ein Autor seine Interpretation von Sachverhalten nicht mehr schreiben darf, dass er von seiner Redaktion Daumenschrauben angelegt bekommt, nur weil sonst der Umsatz der Zeitung einbrechen könnte.
Journalismus ist zum Büttel der Leserschaft verkommen, die hier wohl aus nur wenigen kritischen Zuschriften besteht.
Eine solche Haltung spiegelt genau das wider, was es zu verhindern gilt: Eine Aushöhlung der Demokratie und Meinungsfreiheit. Weiterhin die Inflationierung und Relativierung von Begriffen, wo bsw. hinter jedem Busch Antisemitismus gewittert, wo jede Form von Kritik für Antisemitismus, also für Hass gegen Juden, gehalten wird.
Wo Querdenker zum Beispiel als Antisemiten gelten, weil sie für ihre Grundrechte auf die Straße gehen, und weil wenige ultrarechte “Spaziergänger” wahrscheinlich auch dabei sind.
Genau das erscheint mir als Verwässerung des Begriffes “antisemitisch” und wird den wirklichen Opfern von Antisemitismus nicht gerecht. Also auch hier eine Verharmlosung des Begriffes und der antisemitischen Gräueltaten, die dahinterstehen.
Bei einer solchen Verwässerung und Pervertierung des Begriffes Antisemitismus könnte man meinen, in der Perspektive der “Antisemitismus”-Kritiker, da stecke latenter Antisemitismus dahinter.
Charlotte Ullmann, Sozialpsychologin