Radio hören zum Abgewöhnen

Radio hören zum Abgewöhnen

Radio hören zum Abgewöhnen

Ein Artikel von Frank Blenz

Radio Hören bildet, Radio Hören ist auch beinah etwas altmodisch, genau deswegen gilt es als seriös, weil man, stellt man zum Beispiel Qualitätssender wie den Deutschlandfunk (DLF) auf seinem Gerät ein, so die Annahme, eben dort wichtige, ernst zu nehmende, gut recherchierte, dem Berufsstand Journalist und dem Rundfunkstaatsvertrag verbundene Informationen, Beiträge, sachliche, längere, emotionale und auch Meinung ausdrückende und bildende hören kann. Gerade herrscht ja eine große Krise, Kriegsgefahr gar im Osten Europas und für uns alle, es tut not, gut informiert zu sein. Leider: DLF kann ausgeklammert werden, denn dass sich der DLF mehr und mehr wie einst RIAS (Radio im amerikanischen Sektor) anhört und sich ein Russlandkorrespondent beim Abendkommentar derart kontra Russland austobt und den eigenen Kanzler historische Wundertaten andichtet, ist nicht angemessen, nicht seriös und geradezu gelogen, selbst wenn es ein Meinungsartikel ist. Von Frank Blenz.

Diesen Dienstagabend. Es ist für mich an sich immer mal wieder ein schöner Zeitvertreib, nach dem Tagwerk statt den Fernseher das Radio einzuschalten. Gut. 100,3 UKW wählen – zack: Deutschlandfunk (DLF). Nachrichten kommen, das Programm „Kommentare und Themen der Woche“ folgt. Es hat was, es klingt gut, sonore Stimmen, Sachlichkeit, Profis eben. Ich verhehle nebenbei nicht, dass es leider mehr und mehr eine Zumutung ist, Informationssendungen, besser Agitationssendungen dieses staatlichen Senders aus dem Funkhaus Köln zu hören. Ich versuche es immer wieder. Gerade jetzt, in Zeiten eines gigantischen Meinungsmache-Feuerwerks. Beliebtestes Angriffsobjekt auch des DLF: Russland. Und siehe da, ich werde doch wieder überrollt und schwer enttäuscht – diesmal von einem Machwerk des neuen DLF-Russlandkorrespondenten Florian Kellermann. Ich frage mich nach dem Hören, wie es dieser Mann in Moskau überhaupt aushalten kann ob seiner so großen Antipathie gegenüber den Menschen dort. Und ja, ich antworte mir selbst: Der ist gut aufgehoben da, steht er ja nicht für Völkerverständigung, für ein Miteinander. Der Mann ist Ausführender einer Tag für Tag zu sehenden, zu hörenden, zu lesenden Hetzerei. Ja, schlimm ist, was der Florian Kellermann erzählt in seinem Kommentar (gut, darf er, ist ja subjektiv) und es aber nicht dabei belässt, lediglich mit sonorer Stimme seinen Meinungstext vorzulesen. Er wird theatralisch in der Stimmführung – wow: An der Stelle, als Putin mit seinem Minister Lawrow zitiert wird, klingt Florian Kellermann, als führte er ein Hörspiel auf. Summa summarum, sein Werk ist einfach nur schlimm, finde ich. Ich schreibe nun den Hörfunkbeitrag zum Nachlesen auf:

Das war eine der ersten großen außenpolitischen Herausforderungen für den deutschen Bundeskanzler – der Antrittsbesuch von Olaf Scholz bei Wladimir Putin, der seit fast 23 Jahren in der Weltpolitik zu Hause ist und das auch noch in einer Zeit, in der der russische Präsident Europa mit dem größten Krieg seit 1945 droht.

Vieles deutet darauf hin, dass der Bundeskanzler keinen besseren Tag hätte wählen können. Sein Besuch könnte in den Geschichtsbüchern mit dem Moment verbunden werden, auf den alle so sehnlich gewartet haben: dem Beginn einer Entspannung. Am Vorabend von Scholz´ Reise hatte Putin seinen Außenminister Sergej Lawrow getroffen – ein für die Öffentlichkeit inszeniertes Gespräch. Der Präsident fragte nach dem Stand der Dinge, was aus den russischen Forderungen geworden sei. Die Antwort des Ministers: Im Moment schlage er vor, die Gespräche fortzusetzen und zu vertiefen. „Karascho“, quittierte Putin kurz und bündig. Gut. Bei der Pressekonferenz mit Scholz vor wenigen Stunden unterstrich das russische Staatsoberhaupt das noch einmal, er sei bereit zu einem weiteren Dialog – fürs Erste. Putin machte aber auch klar: Wenn Russland nicht die Sicherheitsgarantien bekomme, die es verlange, werde die Kriegsgefahr in Europa wieder zunehmen und Russland werde nicht von seinen Positionen abrücken:

  • die NATO dürfe die Ukraine nie aufnehmen
  • sie dürfe keine Raketen an der Grenze zu Russland stationieren
  • und solle am besten ihre Infrastruktur auf den Stand von 1997 zurückführen.

Gleichzeitig meldete das russische Verteidigungsministerium, dass es einige Truppen von der Grenze zur Ukraine zurückziehe. Europa kann erst einmal aufatmen, so scheint es. Und trotzdem ist nichts so wie vor der Eskalationsspirale, die Russland in Gang gesetzt hat.

Erstens hat es der Kreml geschafft, dass die ganze Welt Sicherheitsgarantien für Moskau diskutiert. Dass während des Besuchs von Bundeskanzler Scholz gleichzeitig ein weiterer, politisch motivierter Gerichtsprozess begann gegen den Oppositionellen Alex Nawalny? Das war noch nicht einmal eine Randnotiz wert.

Zweitens hat die Ukraine der russischen Erpressung offenbar teilweise nachgegeben: Bundeskanzler Scholz brachte von seiner Reise nach Kiew am Vortag ein Versprechen des ukrainischen Präsidenten Selensky mit: Kiew werde Gesetzesprojekte erarbeiten, die das von Russland beherrschte Gebiet im Donjezkbecken betreffen. Man muss befürchten, dass sie zentrale russische Forderungen umsetzen.

Und Drittens hat Russland geübt, wie es seine Truppen rasch und effektiv in Stellung bringt, so effektiv, dass die Welt vor Moskau zittert.

Es wird ein Segen für Europa sein, wenn die Kriegsgefahr nun tatsächlich abnimmt.

Aber die Konfrontation mit Russland ist deshalb noch lange nicht ausgestanden. Und deshalb war es gut und wichtig, dass Olaf Scholz, anders als in den USA, die Nordstream-II-Pipeline beim Namen nannte und die Drohkulisse eines Sofortboykotts im Falle einer russischen Aggression aufrecht erhielt.

Florian Kellermann, DLF

Kellermann kann das als Kommentar so schreiben, es ist seine Meinung. Doch der Einspruch ist einfach geboten ob so vieler Zweifel und Fragen. Und Fragen sollten erlaubt sein:

Erstens: Putin und der größte Krieg seit 1945 – was stellt sich der DLF-Mann darunter vor?

Zweitens: Was meint der Autor mit dem Moment, den alle so sehnlich erwarten, wie kommt er darauf, dass ausgerechnet Olaf Scholz diesen Moment kreiert, und vor allem: wen meint er mit „alle“?

Drittens: Wie begründet der Autor seine Worte, dass Russland im Falle nicht gegebener Sicherheitsgarantien seitens des Westens die Kriegsgefahr erhöhte, warum geht Gefahr ausschließlich von Russland aus?

Viertens: Wie kommt er darauf, dass Russland eine Eskalationsspirale in Gang gesetzt hat, NATO-Truppen, USA-Truppenverlegungen, Raketen-Basen an den Ostgrenzen der EU und ihrer Nachbarn gen Russland – sie sind nicht existent?

Fünftens: Ist es falsch, dass Moskau es geschafft hat, dass die ganze Welt, wie Florian Kellermann sagt, über die Interessen und Rechte Moskaus diskutiert?

Sechstens: Warum nennt Florian Kellermann es Erpressung und Befürchtung, dass in der Ukraine versucht wird, verhärtete Fronten aufzulösen und ein Miteinander zu vereinbaren inklusive Autonomieinteressen russisch-ukrainischer Bevölkerungsteile?

Siebtens: Woher nimmt Florian Kellermann seine beinah dümmliche Anmaßung, über Truppenbewegungen der Russen auf deren eigenem Territorium zu sprechen, als schriebe er für den Kinderkanal?

Achtens: Nordstream II. Jaja, dem Florian Kellermann also ist es auch ganz recht, dass wir Deutschen dereinst Frackinggas zu für die USA günstigen Konditionen ordern dürfen – und das bei einer progressiven Regierung unter Beteiligung der Öko-Grünen, oder?

Zu guter Letzt fällt mir das folgende Zitat ein:

Im RStV § 11 Auftrag heißt es (1):

Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen.”

Der Kommentar Kellermanns trägt zur freien Meinungsbildung bei, die tat ich hier kund. Und nein, Kellermanns Worte trugen meiner Auffassung nach nicht dazu bei, demokratische, soziale und kulturelle Bedürfnisse zu erfüllen. Kellermanns Worte sind Worte, die nicht verbinden, die spalten, die hetzen, die verschweigen, die nicht die ganze Geschichte erzählen. Vo allem sagt Kellermann kein einziges Mal USA – außer bei Nordstream.

Titelbild: Gearstd/shutterstock.com

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