Probleme der Russlandpolitik als Friedenspolitik. Kritische Anmerkungen zur Russland-Ukraine-Diskussion.
Von Herwig Roggemann. – Redaktionelle Vorbemerkung: Der emeritierte Berliner Jurist und Osteuropaexperte skizziert in diesem Essay den eigenartigen und friedenspolitisch problematischen Umgang des Westens mit Russland nach 1990. Der Essay ist lang, aber ausgesprochen lehrreich. Die Lektüre lohnt sich. Nach dem Einstieg in den Essay wird auf das PDF verlinkt. Albrecht Müller.
- Treffende und unzutreffende Thesen
„Wir sind in der gefährlichsten Situation, die wir seit Ende des Kalten Krieges erlebt haben“, warnt Johann Wadephul im Berliner Tagesspiegel. „Es droht nicht weniger als ein Krieg in Europa.“ Die Warnung ist begründet. Seine und die Ursachenerklärungen und Handlungsempfehlungen anderer Politiker und Pressekommentatoren greifen dagegen zu kurz. Stephan-Götz Richter, Michael Roth und Josef Joffe finden starke Worte für einen aus ihrer Sicht angemessenen Umgang mit Russland.
Der Bundesregierung empfiehlt Richter für die bevorstehenden USA-Russland-Sicherheitsgespräche (und folgende NATO-Russland-Gespräche), die russischen Vorschläge „eindeutig zurückzuweisen“. Berlin müsse „Russland die Stirn bieten“. Begründung: „Putin zielt auf ein „Rollback“ all dessen, was seit 1990 in Europa in puncto nationaler Befreiung erreicht worden ist“.
Michael Roth erklärt: „Das östliche Europa inklusive der Ukraine ist doch nicht der Vorhof der Macht von Herrn Putin. Wir müssen endlich das Denken in nationalen Einflußsphären des 19. Und 20. Jahrhunderts überwinden.“ – „Wir sollten nicht auf Putins Propaganda reinfallen. Niemand verlangt von Ländern, die sich der EU annähern wollen, sich von Moskau abzuwenden oder ihre traditionellen wirtschaftlichen oder kulturellen Beziehungen zu Russland abzubrechen.“
Josef Joffe meint: „Seit 2008 befindet er (der russische Präsident Putin) sich auf Expansionskurs: Georgien, Krim, Donbas, Intervention in Syrien, Belarus, Kasachstan.“ – „Er hat noch viel zu tun: Die inoffizielle Wiederherstellung des alten Sowjetimperiums, zumindest im „Nahen Ausland“.
Diese zentralen Behauptungen der Autoren entsprechen weder der Entwicklung in den vergangenen drei Jahrzehnten noch den Hintergründen der gegenwärtigen Konfliktlage. Sie bieten daher keinen geeigneten Ansatz zur Konfliktlösung.
- Verdrängungswettbewerb statt Kooperation zwischen EU und Russland in Osteuropa